Allgemeine Zeitung. Nr. 93. Augsburg, 2. April 1840.noch nicht einmal sichere Nachricht erhalten. Das Journal de Smyrne vom 7 März meldet auch, Nachrichten aus Trapezunt zufolge, den Aufbruch des Schahs von Persien mit seinem ganzen Hof und einem Heer von 8000 Mann von Teheran. Verschiedene Gerüchte waren über das Ziel seines Marsches in Umlauf. Die einen sagten, er wolle nach Ispahan oder nach Schiras gehen, um die widerspänstige Bevölkerung zur Bezahlung des Tributs zu zwingen; andere glaubten, er wende sich nach dem persischen Golf, um die Engländer zur Räumung von Karak zu zwingen. Letztere Angabe, fügt das Journal de Smyrne bei, wird übrigens stark bezweifelt. China. Die Gewißheit, daß die englische Regierung kriegerische Maaßregeln gegen China beabsichtigt, hat alsbald einige militärische Federn in Bewegung gesetzt, und die besten Mittel zum Zweck werden besprochen. Dabei kam denn auch gelegentlich zur Sprache, daß die chinesischen Truppen keineswegs so feig seyen, als wofür man sie gewöhnlich ausgibt, und wenn die Beschuldigung der Feigheit richtig ist, so mag sie allenfalls von den chinesischen Milizen um Canton gelten, aber nicht von den mongolisch-tatarischen Truppen im Innern. Als die Engländer in den Jahren 1814 bis 1816 mit Nepal im Kriege waren, traf ein höherer englischer Officier mit einem nepalesischen zusammen und fragte ihn unter Anderm, wie denn die Nepalesen, ein so ungemein tapferes Volk, sich hätten von den elenden Wichten, den Chinesen, schlagen lassen können. In den Jahren 1802 und 1803 hatte nämlich eine chinesische Armee das Land erobert und tributpflichtig gemacht. Der alte nepalesische General schüttelte den Kopf und sagte: "Ihr kennt die Chinesen nicht, und habt nie mit ihnen gefochten: der chinesische Säbel ist scharf." Freilich hatte in den genannten Jahren eine Armee von 80,000 Chinesen, oder wohl wahrscheinlich Mongolen, allen Widerstand im Keim erstickt. Solche Berichte indeß haben manche englische Officiere stutzig gemacht, und sie zweifeln, ob das Geschrei der englischen Kaufleute zu Canton von der Feigheit der Chinesen wohl in allen Theilen richtig sey. Ein Kriegszug gegen China zu Lande, möchte er nun durch Assam oder Birma gehen, wird vorweg für eine reine Chimäre erklärt, weil die Armee auf einem solchen Marsche vor Hunger und Elend umkommen müßte. Zwei andere Verfahrungsweisen, nämlich die, eine Armee gegen Peking zu schicken, oder die chinesischen Küsten zu blokiren, werden für gleich unthunlich erklärt, obgleich die Mehrzahl des Publicums eine von diesen beiden Verfahrungsweisen angewendet zu sehen erwartet. Wenn man überhaupt die chinesische Küste betreten wollte, so könnte nur ein Angriff gegen Peking einen Erfolg haben, weil die Einnahme von Peking den Fall der Mandschudynastie unvermeidlich zur Folge hätte, während bei einem Angriff auf eine andere Provinz jede Armee endlich der Zahl der Feinde unterliegen müßte. Indeß bietet auch ein Marsch gegen Peking, das doch 130 englische Meilen landeinwärts liegt, der Schwierigkeiten und Gefahren so viele dar, und würde jedenfalls eine so große Armee erfordern, daß die englische Regierung kaum geneigt seyn kann, so unermeßliche Anstrengungen bei so vielen Chancen des Mißlingens zu machen. Die zweite Verfahrungsweise, nämlich eine Blokade der Küsten, hat gleichfalls ihre besondern Schwierigkeiten und Nachtheile. Die ganze Küste zu blokiren ist unmöglich, und wollte die englische Regierung auch nach dem Beispiel der vorigen Kriege ganze Küstenstriche in Blokadestand erklären, so würde diese Erklärung eben nicht respectirt werden. Blokirte man auch wirklich einen, zwei, drei oder vier Häfen gänzlich, so würden die Chinesen den Amerikanern einen fünften und sechsten öffnen, und ehe die großentheils unnütze Blokade ein halbes Jahr gedauert hätte, könnte England in einen bittern Hader mit Nordamerika verwickelt seyn. Zudem würde eine solche Blokade das chinesische Volk erbittern, ohne die Regierung zum Nachgeben zu zwingen. Dagegen wird nun vorgeschlagen, rings um die chinesische Küste her acht bis zehn kleine Inseln, namentlich an der Mündung des Flusses von Canton, des Yangtsekiang, des Hoang-ho und im Golf von Pe-tsche-li in der Nähe von Peking selbst, zu besetzen, zu befestigen und für Freihäfen zu erklären. Die chinesische Seemacht wäre nicht im Stande, diese mit europäischer Kunst befestigte und von europäischer Tapferkeit und Disciplin vertheidigten Punkte zu nehmen, der Handel würde allmählich die chinesischen Schiffe und Kaufleute anlocken, die Thatsache, daß die chinesische Regierung nicht im Stande wäre, die Engländer aus diesen Punkten zu vertreiben, würde die Achtung und die Furcht vor ihr bei dem Volke vermindern, und um den Folgen einer solchen Meinung auszuweichen, würde die chinesische Regierung sich bald zum Ziele legen. Diese, allem Anschein nach sehr praktischen Vorschläge sind auch darum merkwürdig, weil der Verfasser, augenscheinlich ein Officier, hinzufügt: "wenn wir jedoch nicht unsere Hände vom Opiumhandel rein halten, so werden diese, wie alle unsere andern Bemühungen umsonst seyn." Ist diese Ansicht gegründet, so wird denn England zeigen müssen, ob es ihm wirklich nur um Erweiterung und Sicherheit des gewöhnlichen Handels, oder auch um den Opiumhandel zu thun ist, dessen Aufhören freilich eine furchtbare Lücke in den ostindischen Finanzen erzeugen würde und zum Theil schon erzeugt hat. noch nicht einmal sichere Nachricht erhalten. Das Journal de Smyrne vom 7 März meldet auch, Nachrichten aus Trapezunt zufolge, den Aufbruch des Schahs von Persien mit seinem ganzen Hof und einem Heer von 8000 Mann von Teheran. Verschiedene Gerüchte waren über das Ziel seines Marsches in Umlauf. Die einen sagten, er wolle nach Ispahan oder nach Schiras gehen, um die widerspänstige Bevölkerung zur Bezahlung des Tributs zu zwingen; andere glaubten, er wende sich nach dem persischen Golf, um die Engländer zur Räumung von Karak zu zwingen. Letztere Angabe, fügt das Journal de Smyrne bei, wird übrigens stark bezweifelt. China. Die Gewißheit, daß die englische Regierung kriegerische Maaßregeln gegen China beabsichtigt, hat alsbald einige militärische Federn in Bewegung gesetzt, und die besten Mittel zum Zweck werden besprochen. Dabei kam denn auch gelegentlich zur Sprache, daß die chinesischen Truppen keineswegs so feig seyen, als wofür man sie gewöhnlich ausgibt, und wenn die Beschuldigung der Feigheit richtig ist, so mag sie allenfalls von den chinesischen Milizen um Canton gelten, aber nicht von den mongolisch-tatarischen Truppen im Innern. Als die Engländer in den Jahren 1814 bis 1816 mit Nepal im Kriege waren, traf ein höherer englischer Officier mit einem nepalesischen zusammen und fragte ihn unter Anderm, wie denn die Nepalesen, ein so ungemein tapferes Volk, sich hätten von den elenden Wichten, den Chinesen, schlagen lassen können. In den Jahren 1802 und 1803 hatte nämlich eine chinesische Armee das Land erobert und tributpflichtig gemacht. Der alte nepalesische General schüttelte den Kopf und sagte: „Ihr kennt die Chinesen nicht, und habt nie mit ihnen gefochten: der chinesische Säbel ist scharf.“ Freilich hatte in den genannten Jahren eine Armee von 80,000 Chinesen, oder wohl wahrscheinlich Mongolen, allen Widerstand im Keim erstickt. Solche Berichte indeß haben manche englische Officiere stutzig gemacht, und sie zweifeln, ob das Geschrei der englischen Kaufleute zu Canton von der Feigheit der Chinesen wohl in allen Theilen richtig sey. Ein Kriegszug gegen China zu Lande, möchte er nun durch Assam oder Birma gehen, wird vorweg für eine reine Chimäre erklärt, weil die Armee auf einem solchen Marsche vor Hunger und Elend umkommen müßte. Zwei andere Verfahrungsweisen, nämlich die, eine Armee gegen Peking zu schicken, oder die chinesischen Küsten zu blokiren, werden für gleich unthunlich erklärt, obgleich die Mehrzahl des Publicums eine von diesen beiden Verfahrungsweisen angewendet zu sehen erwartet. Wenn man überhaupt die chinesische Küste betreten wollte, so könnte nur ein Angriff gegen Peking einen Erfolg haben, weil die Einnahme von Peking den Fall der Mandschudynastie unvermeidlich zur Folge hätte, während bei einem Angriff auf eine andere Provinz jede Armee endlich der Zahl der Feinde unterliegen müßte. Indeß bietet auch ein Marsch gegen Peking, das doch 130 englische Meilen landeinwärts liegt, der Schwierigkeiten und Gefahren so viele dar, und würde jedenfalls eine so große Armee erfordern, daß die englische Regierung kaum geneigt seyn kann, so unermeßliche Anstrengungen bei so vielen Chancen des Mißlingens zu machen. Die zweite Verfahrungsweise, nämlich eine Blokade der Küsten, hat gleichfalls ihre besondern Schwierigkeiten und Nachtheile. Die ganze Küste zu blokiren ist unmöglich, und wollte die englische Regierung auch nach dem Beispiel der vorigen Kriege ganze Küstenstriche in Blokadestand erklären, so würde diese Erklärung eben nicht respectirt werden. Blokirte man auch wirklich einen, zwei, drei oder vier Häfen gänzlich, so würden die Chinesen den Amerikanern einen fünften und sechsten öffnen, und ehe die großentheils unnütze Blokade ein halbes Jahr gedauert hätte, könnte England in einen bittern Hader mit Nordamerika verwickelt seyn. Zudem würde eine solche Blokade das chinesische Volk erbittern, ohne die Regierung zum Nachgeben zu zwingen. Dagegen wird nun vorgeschlagen, rings um die chinesische Küste her acht bis zehn kleine Inseln, namentlich an der Mündung des Flusses von Canton, des Yangtsekiang, des Hoang-ho und im Golf von Pe-tsche-li in der Nähe von Peking selbst, zu besetzen, zu befestigen und für Freihäfen zu erklären. Die chinesische Seemacht wäre nicht im Stande, diese mit europäischer Kunst befestigte und von europäischer Tapferkeit und Disciplin vertheidigten Punkte zu nehmen, der Handel würde allmählich die chinesischen Schiffe und Kaufleute anlocken, die Thatsache, daß die chinesische Regierung nicht im Stande wäre, die Engländer aus diesen Punkten zu vertreiben, würde die Achtung und die Furcht vor ihr bei dem Volke vermindern, und um den Folgen einer solchen Meinung auszuweichen, würde die chinesische Regierung sich bald zum Ziele legen. Diese, allem Anschein nach sehr praktischen Vorschläge sind auch darum merkwürdig, weil der Verfasser, augenscheinlich ein Officier, hinzufügt: „wenn wir jedoch nicht unsere Hände vom Opiumhandel rein halten, so werden diese, wie alle unsere andern Bemühungen umsonst seyn.“ Ist diese Ansicht gegründet, so wird denn England zeigen müssen, ob es ihm wirklich nur um Erweiterung und Sicherheit des gewöhnlichen Handels, oder auch um den Opiumhandel zu thun ist, dessen Aufhören freilich eine furchtbare Lücke in den ostindischen Finanzen erzeugen würde und zum Theil schon erzeugt hat. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0008" n="0744"/> noch nicht einmal sichere Nachricht erhalten. Das Journal <hi rendition="#g">de Smyrne</hi> vom 7 März meldet auch, Nachrichten aus Trapezunt zufolge, den Aufbruch des Schahs von Persien mit seinem ganzen Hof und einem Heer von 8000 Mann von Teheran. Verschiedene Gerüchte waren über das Ziel seines Marsches in Umlauf. Die einen sagten, er wolle nach Ispahan oder nach Schiras gehen, um die widerspänstige Bevölkerung zur Bezahlung des Tributs zu zwingen; andere glaubten, er wende sich nach dem persischen Golf, um die Engländer zur Räumung von Karak zu zwingen. Letztere Angabe, fügt das <hi rendition="#g">Journal de Smyrne</hi> bei, wird übrigens stark bezweifelt.</p> </div><lb/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">China.</hi> </head><lb/> <p>Die Gewißheit, daß die englische Regierung kriegerische Maaßregeln gegen China beabsichtigt, hat alsbald einige militärische Federn in Bewegung gesetzt, und die besten Mittel zum Zweck werden besprochen. Dabei kam denn auch gelegentlich zur Sprache, daß die chinesischen Truppen keineswegs so feig seyen, als wofür man sie gewöhnlich ausgibt, und wenn die Beschuldigung der Feigheit richtig ist, so mag sie allenfalls von den chinesischen Milizen um Canton gelten, aber nicht von den mongolisch-tatarischen Truppen im Innern. Als die Engländer in den Jahren 1814 bis 1816 mit Nepal im Kriege waren, traf ein höherer englischer Officier mit einem nepalesischen zusammen und fragte ihn unter Anderm, wie denn die Nepalesen, ein so ungemein tapferes Volk, sich hätten von den elenden Wichten, den Chinesen, schlagen lassen können. In den Jahren 1802 und 1803 hatte nämlich eine chinesische Armee das Land erobert und tributpflichtig gemacht. Der alte nepalesische General schüttelte den Kopf und sagte: „Ihr kennt die Chinesen nicht, und habt nie mit ihnen gefochten: der chinesische Säbel ist scharf.“ Freilich hatte in den genannten Jahren eine Armee von 80,000 Chinesen, oder wohl wahrscheinlich Mongolen, allen Widerstand im Keim erstickt. Solche Berichte indeß haben manche englische Officiere stutzig gemacht, und sie zweifeln, ob das Geschrei der englischen Kaufleute zu Canton von der Feigheit der Chinesen wohl in allen Theilen richtig sey. Ein Kriegszug gegen China zu Lande, möchte er nun durch Assam oder Birma gehen, wird vorweg für eine reine Chimäre erklärt, weil die Armee auf einem solchen Marsche vor Hunger und Elend umkommen müßte. Zwei andere Verfahrungsweisen, nämlich die, eine Armee gegen Peking zu schicken, oder die chinesischen Küsten zu blokiren, werden für gleich unthunlich erklärt, obgleich die Mehrzahl des Publicums eine von diesen beiden Verfahrungsweisen angewendet zu sehen erwartet. Wenn man überhaupt die chinesische Küste betreten wollte, so könnte nur ein Angriff gegen Peking einen Erfolg haben, weil die Einnahme von Peking den Fall der Mandschudynastie unvermeidlich zur Folge hätte, während bei einem Angriff auf eine andere Provinz jede Armee endlich der Zahl der Feinde unterliegen müßte. Indeß bietet auch ein Marsch gegen Peking, das doch 130 englische Meilen landeinwärts liegt, der Schwierigkeiten und Gefahren so viele dar, und würde jedenfalls eine so große Armee erfordern, daß die englische Regierung kaum geneigt seyn kann, so unermeßliche Anstrengungen bei so vielen Chancen des Mißlingens zu machen. Die zweite Verfahrungsweise, nämlich eine Blokade der Küsten, hat gleichfalls ihre besondern Schwierigkeiten und Nachtheile. Die ganze Küste zu blokiren ist unmöglich, und wollte die englische Regierung auch nach dem Beispiel der vorigen Kriege ganze Küstenstriche in Blokadestand erklären, so würde diese Erklärung eben nicht respectirt werden. Blokirte man auch wirklich einen, zwei, drei oder vier Häfen gänzlich, so würden die Chinesen den Amerikanern einen fünften und sechsten öffnen, und ehe die großentheils unnütze Blokade ein halbes Jahr gedauert hätte, könnte England in einen bittern Hader mit Nordamerika verwickelt seyn. Zudem würde eine solche Blokade das chinesische Volk erbittern, ohne die Regierung zum Nachgeben zu zwingen. Dagegen wird nun vorgeschlagen, rings um die chinesische Küste her acht bis zehn kleine Inseln, namentlich an der Mündung des Flusses von Canton, des Yangtsekiang, des Hoang-ho und im Golf von Pe-tsche-li in der Nähe von Peking selbst, zu besetzen, zu befestigen und für Freihäfen zu erklären. Die chinesische Seemacht wäre nicht im Stande, diese mit europäischer Kunst befestigte und von europäischer Tapferkeit und Disciplin vertheidigten Punkte zu nehmen, der Handel würde allmählich die chinesischen Schiffe und Kaufleute anlocken, die Thatsache, daß die chinesische Regierung nicht im Stande wäre, die Engländer aus diesen Punkten zu vertreiben, würde die Achtung und die Furcht vor ihr bei dem Volke vermindern, und um den Folgen einer solchen Meinung auszuweichen, würde die chinesische Regierung sich bald zum Ziele legen. Diese, allem Anschein nach sehr praktischen Vorschläge sind auch darum merkwürdig, weil der Verfasser, augenscheinlich ein Officier, hinzufügt: „wenn wir jedoch nicht unsere Hände vom Opiumhandel rein halten, so werden diese, wie alle unsere andern Bemühungen umsonst seyn.“ Ist diese Ansicht gegründet, so wird denn England zeigen müssen, ob es ihm wirklich nur um Erweiterung und Sicherheit des gewöhnlichen Handels, oder auch um den Opiumhandel zu thun ist, dessen Aufhören freilich eine furchtbare Lücke in den ostindischen Finanzen erzeugen würde und zum Theil schon erzeugt hat.</p> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [0744/0008]
noch nicht einmal sichere Nachricht erhalten. Das Journal de Smyrne vom 7 März meldet auch, Nachrichten aus Trapezunt zufolge, den Aufbruch des Schahs von Persien mit seinem ganzen Hof und einem Heer von 8000 Mann von Teheran. Verschiedene Gerüchte waren über das Ziel seines Marsches in Umlauf. Die einen sagten, er wolle nach Ispahan oder nach Schiras gehen, um die widerspänstige Bevölkerung zur Bezahlung des Tributs zu zwingen; andere glaubten, er wende sich nach dem persischen Golf, um die Engländer zur Räumung von Karak zu zwingen. Letztere Angabe, fügt das Journal de Smyrne bei, wird übrigens stark bezweifelt.
China.
Die Gewißheit, daß die englische Regierung kriegerische Maaßregeln gegen China beabsichtigt, hat alsbald einige militärische Federn in Bewegung gesetzt, und die besten Mittel zum Zweck werden besprochen. Dabei kam denn auch gelegentlich zur Sprache, daß die chinesischen Truppen keineswegs so feig seyen, als wofür man sie gewöhnlich ausgibt, und wenn die Beschuldigung der Feigheit richtig ist, so mag sie allenfalls von den chinesischen Milizen um Canton gelten, aber nicht von den mongolisch-tatarischen Truppen im Innern. Als die Engländer in den Jahren 1814 bis 1816 mit Nepal im Kriege waren, traf ein höherer englischer Officier mit einem nepalesischen zusammen und fragte ihn unter Anderm, wie denn die Nepalesen, ein so ungemein tapferes Volk, sich hätten von den elenden Wichten, den Chinesen, schlagen lassen können. In den Jahren 1802 und 1803 hatte nämlich eine chinesische Armee das Land erobert und tributpflichtig gemacht. Der alte nepalesische General schüttelte den Kopf und sagte: „Ihr kennt die Chinesen nicht, und habt nie mit ihnen gefochten: der chinesische Säbel ist scharf.“ Freilich hatte in den genannten Jahren eine Armee von 80,000 Chinesen, oder wohl wahrscheinlich Mongolen, allen Widerstand im Keim erstickt. Solche Berichte indeß haben manche englische Officiere stutzig gemacht, und sie zweifeln, ob das Geschrei der englischen Kaufleute zu Canton von der Feigheit der Chinesen wohl in allen Theilen richtig sey. Ein Kriegszug gegen China zu Lande, möchte er nun durch Assam oder Birma gehen, wird vorweg für eine reine Chimäre erklärt, weil die Armee auf einem solchen Marsche vor Hunger und Elend umkommen müßte. Zwei andere Verfahrungsweisen, nämlich die, eine Armee gegen Peking zu schicken, oder die chinesischen Küsten zu blokiren, werden für gleich unthunlich erklärt, obgleich die Mehrzahl des Publicums eine von diesen beiden Verfahrungsweisen angewendet zu sehen erwartet. Wenn man überhaupt die chinesische Küste betreten wollte, so könnte nur ein Angriff gegen Peking einen Erfolg haben, weil die Einnahme von Peking den Fall der Mandschudynastie unvermeidlich zur Folge hätte, während bei einem Angriff auf eine andere Provinz jede Armee endlich der Zahl der Feinde unterliegen müßte. Indeß bietet auch ein Marsch gegen Peking, das doch 130 englische Meilen landeinwärts liegt, der Schwierigkeiten und Gefahren so viele dar, und würde jedenfalls eine so große Armee erfordern, daß die englische Regierung kaum geneigt seyn kann, so unermeßliche Anstrengungen bei so vielen Chancen des Mißlingens zu machen. Die zweite Verfahrungsweise, nämlich eine Blokade der Küsten, hat gleichfalls ihre besondern Schwierigkeiten und Nachtheile. Die ganze Küste zu blokiren ist unmöglich, und wollte die englische Regierung auch nach dem Beispiel der vorigen Kriege ganze Küstenstriche in Blokadestand erklären, so würde diese Erklärung eben nicht respectirt werden. Blokirte man auch wirklich einen, zwei, drei oder vier Häfen gänzlich, so würden die Chinesen den Amerikanern einen fünften und sechsten öffnen, und ehe die großentheils unnütze Blokade ein halbes Jahr gedauert hätte, könnte England in einen bittern Hader mit Nordamerika verwickelt seyn. Zudem würde eine solche Blokade das chinesische Volk erbittern, ohne die Regierung zum Nachgeben zu zwingen. Dagegen wird nun vorgeschlagen, rings um die chinesische Küste her acht bis zehn kleine Inseln, namentlich an der Mündung des Flusses von Canton, des Yangtsekiang, des Hoang-ho und im Golf von Pe-tsche-li in der Nähe von Peking selbst, zu besetzen, zu befestigen und für Freihäfen zu erklären. Die chinesische Seemacht wäre nicht im Stande, diese mit europäischer Kunst befestigte und von europäischer Tapferkeit und Disciplin vertheidigten Punkte zu nehmen, der Handel würde allmählich die chinesischen Schiffe und Kaufleute anlocken, die Thatsache, daß die chinesische Regierung nicht im Stande wäre, die Engländer aus diesen Punkten zu vertreiben, würde die Achtung und die Furcht vor ihr bei dem Volke vermindern, und um den Folgen einer solchen Meinung auszuweichen, würde die chinesische Regierung sich bald zum Ziele legen. Diese, allem Anschein nach sehr praktischen Vorschläge sind auch darum merkwürdig, weil der Verfasser, augenscheinlich ein Officier, hinzufügt: „wenn wir jedoch nicht unsere Hände vom Opiumhandel rein halten, so werden diese, wie alle unsere andern Bemühungen umsonst seyn.“ Ist diese Ansicht gegründet, so wird denn England zeigen müssen, ob es ihm wirklich nur um Erweiterung und Sicherheit des gewöhnlichen Handels, oder auch um den Opiumhandel zu thun ist, dessen Aufhören freilich eine furchtbare Lücke in den ostindischen Finanzen erzeugen würde und zum Theil schon erzeugt hat.
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