Allgemeine Zeitung. Nr. 97. Augsburg, 6. April 1840.Age weiß wieder eine sehr detaillirte Geschichte von der "fremden Gräfin" zu erzählen, welche, trotz der Hindernisse, die ihr in Frankreich in den Weg gelegt worden, in London angekommen sey, und der Satirist fügt bei, Joseph Hume habe Recht gehabt, als er sagte, 30,000 Pf. St. seyen für einen jungen Mann in London ein gefährliches Taschengeld. Im Beginne der Parlamentssitzungen am 30 März ward eine große Anzahl Petitionen gegen die Korngesetze eingereicht, zugleich aber auch viele für Aufrechthaltung derselben, da auf den 31 Hr. Villiers im Unterhause seine Motion stellen wird. Die meisten Bittschriften gegen die Gesetze übergab im Hause der Lords der Bruder des Hrn. Villiers, der Großsiegelbewahrer Graf v. Clarendon. Einer zahlreichen Deputation der verschiedenen Anti-Cornlaw-Vereine im Land, welche dem Viscount Melbourne vor einigen Tagen im Colonialamt aufwartete, gab derselbe eine seiner neulichen Erklärung im Oberhaus gleichlautende Antwort, nämlich daß eine gänzliche Abschaffung der Korngesetze fürs erste unbesonnen seyn würde, er für seine Person könne nichts in der Sache versprechen, die Frage sey aber für die Cabinetsmitglieder eine offene. Der Caricaturenzeichner H. B. hat nun auch den langwierigen und verwickelten Streit Stockdale gegen Hansard als Stoff für ein Bild benützt. Dasselbe ist "Muscipula" überschrieben, und parodirt das bekannte Gemälde Sir Joshua Revnolds, ein kleines Mädchen mit einer Maus in der Falle darstellend. Lord J. Russell - little Johny - spielt die Rolle des Mädchens, und betrachtet die Maus (den Sheriff Evans) mit einem unaussprechlich komischen Ausdruck von Vergnügen, während Sir R. Peel als Katze ein scharfes Auge auf sein Opfer hat. (Standard.) Es heißt, die Regierung habe die Nachricht erhalten, daß die russische Expedition gegen Chiwa in Folge eines schrecklichen Schneesturms gänzlich gescheitert. Der größte Theil der Artillerie soll dabei verloren gegangen seyn, und man fürchtete, das russische Heer selbst werde außer Stand seyn, sich wieder einzuschiffen (sie!), da es an Transportmitteln fehlte. (Eine sonderbare Geographie!) Frankreich. Paris, 1 April. (Commerce.) Ein Journal hatte angekündigt, der Herzog von Orleans werde heute (31 März) nach Afrika abreisen; man versichert uns aber, daß das Cabinet geglaubt hat, die Abreise des Prinzen würde seine Verantwortlichkeit berühren, so daß eine Conseilberathung nöthig sey. Das Cabinet hatte sich deßwegen diesen Morgen versammelt. Der Moniteur Parisien schweigt diesen Abend über die Abreise des Prinzen; sollte sie etwa nicht stattfinden? Inzwischen versichert man uns, daß die Abreise des Hauses Sr. k. Hoh. befohlen ist. Der Graf Karl Mornay, bevollmächtigter Minister Frankreichs in Schweden, ist wieder auf seinen Posten abgereist. Der Siegelbewahrer, Hr. Vivien, ward am 29 März in St. Quentin wieder als Deputirter gewählt. Nach dem "Univers" soll Hr. Thiers, der aus Erfahrung die Macht der Presse kennt, ein neues und großes Journal gründen wollen, das durch die Mannichfaltigkeit und Authenticitat der mitgetheilten Documente auch den ministeriellen Apologien ein größeres Lesepublicum verschaffen solle, als sie bisher hatten. Die Rücksicht, den "Constitutionnel" mißvergnügt zu machen, den man jetzt das "Journal des Debats" des neuen Ministeriums nennen könne, trete allein noch diesem Plane hindernd in den Weg. (Journal des Debats.) Die Discussion, welche Hr. Hume im brittischen Parlament über die Angelegenheiten des Orients angeregt, hat auf diese Frage kein neues Licht geworfen. Lord Palmerston beobachtete eine Zurückhaltung, die wir durchaus nicht mißbilligen, durch welche aber die Debatte auf sehr enge Gränzen verwiesen worden. Doch selbst in den wenigen Worten des Ministers ließ sich eine Parteilichkeit gegen den Pascha von Aegypten nicht verkennen. Lord Palmerston war besonders bedacht, Mehemed Ali als den Angreifer darzustellen; indessen dünkt uns, daß es von seiner Seite ein seltsames Verkennen der Geschichte war, als er den Vicekönig von Aegypten mit dem Vicekönig von Irland verglich. "Was würde man - sagte Lord Palmerston - von einem Mann denken, welcher, um die Integrität des brittischen Reichs aufrecht zu halten, vorschlagen würde, es in zwei zu theilen, und Irland und Schottland unter einer getrennten Souveränetät zu constituiren?" In Erwiederung auf dieses befremdende Argument bemerkte Sir Robert Peel, daß der Lordlieutenant von Irland mit jedem Ministerium wechsle, daß es seit der Union sechzehn oder siebenzehn Ministerveränderungen gegeben, und daß, wenn Lord Palmerston die Lage des Pascha's der des Lordlieutenants gleichstellen wolle, man sich nicht mehr zu wundern brauche, daß England mit Frankreich nicht einverstanden sey. Mit Einem Wort, das einzige Resultat dieser Discussion war, daß man dem Lord Palmerston Gelegenheit gegeben, seine Bewunderung der Ehre und der Redlichkeit Rußlands an Tag zu legen. Französische Blätter schreiben aus Oran vom 10 März: "Die letzten Nachrichten, die uns aus Marokko durch Araber, welche Verbindungen im Innern unterhalten, zugekommen sind, lassen über den zwischen Abd-El-Kader und Muley-Abd-er-Haman abgeschlossenen Vertrag keinen Zweifel mehr. Wenn die französische Regierung eine officielle Notification des Friedensbruchs von Seite des Sultans von Marokko erwartet, befindet sie sich in einem großen Irrthum, denn der Charakter der marokkanischen Häuptlinge ist derselbe, wie der der eingebornen Häuptlinge Algeriens: sie sind ganz derselben schurkischen Verstellung fähig. Die offenbarste Erklärung des Krieges, den der Sultan von Marokko gegen uns führen will, besteht in dem sehr thätigen Austausch von Kriegsmunition zu Tlemsan und in der kriegerischen Bewegung der Bevölkerung von Nedroma, einer marokkanischen Gränzstadt, welche den Chalifas des Emirs ganz überliefert ist. Abd-El-Kader hat seine im Treffen bei Uad-Lalleg zersprengten regulären Bataillone durch Kabylen der Umgebungen von Centa und Tanger wieder ergänzt. Es ist dieß übrigens nicht das erstemal, daß Marokkaner unter Abd-El-Kaders Fahnen fechten. Am 25 April 1836 bestand das Armeecorps des Generals d'Arlanges drei Stunden lang ein blutiges und für unsere Waffen unglückliches Gefecht an der Tafna gegen Abd-El-Kaders Infanterie, mit welcher sich 6000 Marokkaner vereinigt hatten. Abd-El-Kaders einzige Absicht ist, den "heiligen Krieg" auf das marokkanische Gebiet zu versetzen. Auf diese Weise erspart er den Algierer Stämmen einen allzu langen und verderblichen Kampf, und es wird ihm ohne Mühe gelingen, in Marokko die fanatische Rolle zu spielen, die er in seinen Provinzen so gut durchgeführt hat, bis er auch in Marokko, der Ideen und der Männer Meister, die höchste Gewalt an sich reißen wird. Es existirt unter den Stämmen dieses Landes eine beim Volk sehr beliebte Prophezeiung, welche die baldige Ankunft eines Fürsten verkündet, der ganz Afrika unter seinem Scepter vereinigen werde. Dieß erklärt die ehrgeizigen Plane Abd-El-Kaders, der sich für einen Abkömmling des Chaligen Omar und Sprößling der ältesten Eroberer der Barbareskenstaaten ausgibt." Age weiß wieder eine sehr detaillirte Geschichte von der „fremden Gräfin“ zu erzählen, welche, trotz der Hindernisse, die ihr in Frankreich in den Weg gelegt worden, in London angekommen sey, und der Satirist fügt bei, Joseph Hume habe Recht gehabt, als er sagte, 30,000 Pf. St. seyen für einen jungen Mann in London ein gefährliches Taschengeld. Im Beginne der Parlamentssitzungen am 30 März ward eine große Anzahl Petitionen gegen die Korngesetze eingereicht, zugleich aber auch viele für Aufrechthaltung derselben, da auf den 31 Hr. Villiers im Unterhause seine Motion stellen wird. Die meisten Bittschriften gegen die Gesetze übergab im Hause der Lords der Bruder des Hrn. Villiers, der Großsiegelbewahrer Graf v. Clarendon. Einer zahlreichen Deputation der verschiedenen Anti-Cornlaw-Vereine im Land, welche dem Viscount Melbourne vor einigen Tagen im Colonialamt aufwartete, gab derselbe eine seiner neulichen Erklärung im Oberhaus gleichlautende Antwort, nämlich daß eine gänzliche Abschaffung der Korngesetze fürs erste unbesonnen seyn würde, er für seine Person könne nichts in der Sache versprechen, die Frage sey aber für die Cabinetsmitglieder eine offene. Der Caricaturenzeichner H. B. hat nun auch den langwierigen und verwickelten Streit Stockdale gegen Hansard als Stoff für ein Bild benützt. Dasselbe ist „Muscipula“ überschrieben, und parodirt das bekannte Gemälde Sir Joshua Revnolds, ein kleines Mädchen mit einer Maus in der Falle darstellend. Lord J. Russell – little Johny – spielt die Rolle des Mädchens, und betrachtet die Maus (den Sheriff Evans) mit einem unaussprechlich komischen Ausdruck von Vergnügen, während Sir R. Peel als Katze ein scharfes Auge auf sein Opfer hat. (Standard.) Es heißt, die Regierung habe die Nachricht erhalten, daß die russische Expedition gegen Chiwa in Folge eines schrecklichen Schneesturms gänzlich gescheitert. Der größte Theil der Artillerie soll dabei verloren gegangen seyn, und man fürchtete, das russische Heer selbst werde außer Stand seyn, sich wieder einzuschiffen (sie!), da es an Transportmitteln fehlte. (Eine sonderbare Geographie!) Frankreich. Paris, 1 April. (Commerce.) Ein Journal hatte angekündigt, der Herzog von Orleans werde heute (31 März) nach Afrika abreisen; man versichert uns aber, daß das Cabinet geglaubt hat, die Abreise des Prinzen würde seine Verantwortlichkeit berühren, so daß eine Conseilberathung nöthig sey. Das Cabinet hatte sich deßwegen diesen Morgen versammelt. Der Moniteur Parisien schweigt diesen Abend über die Abreise des Prinzen; sollte sie etwa nicht stattfinden? Inzwischen versichert man uns, daß die Abreise des Hauses Sr. k. Hoh. befohlen ist. Der Graf Karl Mornay, bevollmächtigter Minister Frankreichs in Schweden, ist wieder auf seinen Posten abgereist. Der Siegelbewahrer, Hr. Vivien, ward am 29 März in St. Quentin wieder als Deputirter gewählt. Nach dem „Univers“ soll Hr. Thiers, der aus Erfahrung die Macht der Presse kennt, ein neues und großes Journal gründen wollen, das durch die Mannichfaltigkeit und Authenticitat der mitgetheilten Documente auch den ministeriellen Apologien ein größeres Lesepublicum verschaffen solle, als sie bisher hatten. Die Rücksicht, den „Constitutionnel“ mißvergnügt zu machen, den man jetzt das „Journal des Débats“ des neuen Ministeriums nennen könne, trete allein noch diesem Plane hindernd in den Weg. (Journal des Débats.) Die Discussion, welche Hr. Hume im brittischen Parlament über die Angelegenheiten des Orients angeregt, hat auf diese Frage kein neues Licht geworfen. Lord Palmerston beobachtete eine Zurückhaltung, die wir durchaus nicht mißbilligen, durch welche aber die Debatte auf sehr enge Gränzen verwiesen worden. Doch selbst in den wenigen Worten des Ministers ließ sich eine Parteilichkeit gegen den Pascha von Aegypten nicht verkennen. Lord Palmerston war besonders bedacht, Mehemed Ali als den Angreifer darzustellen; indessen dünkt uns, daß es von seiner Seite ein seltsames Verkennen der Geschichte war, als er den Vicekönig von Aegypten mit dem Vicekönig von Irland verglich. „Was würde man – sagte Lord Palmerston – von einem Mann denken, welcher, um die Integrität des brittischen Reichs aufrecht zu halten, vorschlagen würde, es in zwei zu theilen, und Irland und Schottland unter einer getrennten Souveränetät zu constituiren?“ In Erwiederung auf dieses befremdende Argument bemerkte Sir Robert Peel, daß der Lordlieutenant von Irland mit jedem Ministerium wechsle, daß es seit der Union sechzehn oder siebenzehn Ministerveränderungen gegeben, und daß, wenn Lord Palmerston die Lage des Pascha's der des Lordlieutenants gleichstellen wolle, man sich nicht mehr zu wundern brauche, daß England mit Frankreich nicht einverstanden sey. Mit Einem Wort, das einzige Resultat dieser Discussion war, daß man dem Lord Palmerston Gelegenheit gegeben, seine Bewunderung der Ehre und der Redlichkeit Rußlands an Tag zu legen. Französische Blätter schreiben aus Oran vom 10 März: „Die letzten Nachrichten, die uns aus Marokko durch Araber, welche Verbindungen im Innern unterhalten, zugekommen sind, lassen über den zwischen Abd-El-Kader und Muley-Abd-er-Haman abgeschlossenen Vertrag keinen Zweifel mehr. Wenn die französische Regierung eine officielle Notification des Friedensbruchs von Seite des Sultans von Marokko erwartet, befindet sie sich in einem großen Irrthum, denn der Charakter der marokkanischen Häuptlinge ist derselbe, wie der der eingebornen Häuptlinge Algeriens: sie sind ganz derselben schurkischen Verstellung fähig. Die offenbarste Erklärung des Krieges, den der Sultan von Marokko gegen uns führen will, besteht in dem sehr thätigen Austausch von Kriegsmunition zu Tlemsan und in der kriegerischen Bewegung der Bevölkerung von Nedroma, einer marokkanischen Gränzstadt, welche den Chalifas des Emirs ganz überliefert ist. Abd-El-Kader hat seine im Treffen bei Uad-Lalleg zersprengten regulären Bataillone durch Kabylen der Umgebungen von Centa und Tanger wieder ergänzt. Es ist dieß übrigens nicht das erstemal, daß Marokkaner unter Abd-El-Kaders Fahnen fechten. Am 25 April 1836 bestand das Armeecorps des Generals d'Arlanges drei Stunden lang ein blutiges und für unsere Waffen unglückliches Gefecht an der Tafna gegen Abd-El-Kaders Infanterie, mit welcher sich 6000 Marokkaner vereinigt hatten. Abd-El-Kaders einzige Absicht ist, den „heiligen Krieg“ auf das marokkanische Gebiet zu versetzen. Auf diese Weise erspart er den Algierer Stämmen einen allzu langen und verderblichen Kampf, und es wird ihm ohne Mühe gelingen, in Marokko die fanatische Rolle zu spielen, die er in seinen Provinzen so gut durchgeführt hat, bis er auch in Marokko, der Ideen und der Männer Meister, die höchste Gewalt an sich reißen wird. Es existirt unter den Stämmen dieses Landes eine beim Volk sehr beliebte Prophezeiung, welche die baldige Ankunft eines Fürsten verkündet, der ganz Afrika unter seinem Scepter vereinigen werde. Dieß erklärt die ehrgeizigen Plane Abd-El-Kaders, der sich für einen Abkömmling des Chaligen Omar und Sprößling der ältesten Eroberer der Barbareskenstaaten ausgibt.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0002" n="0770"/><hi rendition="#g">Age</hi> weiß wieder eine sehr detaillirte Geschichte von der „fremden Gräfin“ zu erzählen, welche, trotz der Hindernisse, die ihr in Frankreich in den Weg gelegt worden, in London angekommen sey, und der <hi rendition="#g">Satirist</hi> fügt bei, Joseph Hume habe Recht gehabt, als er sagte, 30,000 Pf. St. seyen für einen jungen Mann in London ein gefährliches Taschengeld.</p><lb/> <p>Im Beginne der Parlamentssitzungen am 30 März ward eine große Anzahl Petitionen gegen die Korngesetze eingereicht, zugleich aber auch viele für Aufrechthaltung derselben, da auf den 31 Hr. Villiers im Unterhause seine Motion stellen wird. Die meisten Bittschriften gegen die Gesetze übergab im Hause der Lords der Bruder des Hrn. Villiers, der Großsiegelbewahrer Graf v. Clarendon. Einer zahlreichen Deputation der verschiedenen Anti-Cornlaw-Vereine im Land, welche dem Viscount Melbourne vor einigen Tagen im Colonialamt aufwartete, gab derselbe eine seiner neulichen Erklärung im Oberhaus gleichlautende Antwort, nämlich daß eine gänzliche Abschaffung der Korngesetze fürs erste unbesonnen seyn würde, er für seine Person könne nichts in der Sache versprechen, die Frage sey aber für die Cabinetsmitglieder eine offene.</p><lb/> <p>Der Caricaturenzeichner H. B. hat nun auch den langwierigen und verwickelten Streit Stockdale gegen Hansard als Stoff für ein Bild benützt. Dasselbe ist „Muscipula“ überschrieben, und parodirt das bekannte Gemälde Sir Joshua Revnolds, ein kleines Mädchen mit einer Maus in der Falle darstellend. Lord J. Russell – little Johny – spielt die Rolle des Mädchens, und betrachtet die Maus (den Sheriff Evans) mit einem unaussprechlich komischen Ausdruck von Vergnügen, während Sir R. 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Thiers, der aus Erfahrung die Macht der Presse kennt, ein neues und großes Journal gründen wollen, das durch die Mannichfaltigkeit und Authenticitat der mitgetheilten Documente auch den ministeriellen Apologien ein größeres Lesepublicum verschaffen solle, als sie bisher hatten. Die Rücksicht, den „Constitutionnel“ mißvergnügt zu machen, den man jetzt das „Journal des Débats“ des neuen Ministeriums nennen könne, trete allein noch diesem Plane hindernd in den Weg.</p><lb/> <p>(<hi rendition="#g">Journal des Débats</hi>.) Die Discussion, welche Hr. Hume im brittischen Parlament über die Angelegenheiten des Orients angeregt, hat auf diese Frage kein neues Licht geworfen. Lord Palmerston beobachtete eine Zurückhaltung, die wir durchaus nicht mißbilligen, durch welche aber die Debatte auf sehr enge Gränzen verwiesen worden. Doch selbst in den wenigen Worten des Ministers ließ sich eine Parteilichkeit gegen den Pascha von Aegypten nicht verkennen. Lord Palmerston war besonders bedacht, Mehemed Ali als den Angreifer darzustellen; indessen dünkt uns, daß es von seiner Seite ein seltsames Verkennen der Geschichte war, als er den Vicekönig von Aegypten mit dem Vicekönig von Irland verglich. „Was würde man – sagte Lord Palmerston – von einem Mann denken, welcher, um die Integrität des brittischen Reichs aufrecht zu halten, vorschlagen würde, es in zwei zu theilen, und Irland und Schottland unter einer getrennten Souveränetät zu constituiren?“ In Erwiederung auf dieses befremdende Argument bemerkte Sir Robert Peel, daß der Lordlieutenant von Irland mit jedem Ministerium wechsle, daß es seit der Union sechzehn oder siebenzehn Ministerveränderungen gegeben, und daß, wenn Lord Palmerston die Lage des Pascha's der des Lordlieutenants gleichstellen wolle, man sich nicht mehr zu wundern brauche, daß England mit Frankreich nicht einverstanden sey. 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Die offenbarste Erklärung des Krieges, den der Sultan von Marokko gegen uns führen will, besteht in dem sehr thätigen Austausch von Kriegsmunition zu Tlemsan und in der kriegerischen Bewegung der Bevölkerung von Nedroma, einer marokkanischen Gränzstadt, welche den Chalifas des Emirs ganz überliefert ist. Abd-El-Kader hat seine im Treffen bei Uad-Lalleg zersprengten regulären Bataillone durch Kabylen der Umgebungen von Centa und Tanger wieder ergänzt. Es ist dieß übrigens nicht das erstemal, daß Marokkaner unter Abd-El-Kaders Fahnen fechten. Am 25 April 1836 bestand das Armeecorps des Generals d'Arlanges drei Stunden lang ein blutiges und für unsere Waffen unglückliches Gefecht an der Tafna gegen Abd-El-Kaders Infanterie, mit welcher sich 6000 Marokkaner vereinigt hatten. Abd-El-Kaders einzige Absicht ist, den „heiligen Krieg“ auf das marokkanische Gebiet zu versetzen. Auf diese Weise erspart er den Algierer Stämmen einen allzu langen und verderblichen Kampf, und es wird ihm ohne Mühe gelingen, in Marokko die fanatische Rolle zu spielen, die er in seinen Provinzen so gut durchgeführt hat, bis er auch in Marokko, der Ideen und der Männer Meister, die höchste Gewalt an sich reißen wird. Es existirt unter den Stämmen dieses Landes eine beim Volk sehr beliebte Prophezeiung, welche die baldige Ankunft eines Fürsten verkündet, der ganz Afrika unter seinem Scepter vereinigen werde. Dieß erklärt die ehrgeizigen Plane Abd-El-Kaders, der sich für einen Abkömmling des Chaligen Omar und Sprößling der ältesten Eroberer der Barbareskenstaaten ausgibt.“</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0770/0002]
Age weiß wieder eine sehr detaillirte Geschichte von der „fremden Gräfin“ zu erzählen, welche, trotz der Hindernisse, die ihr in Frankreich in den Weg gelegt worden, in London angekommen sey, und der Satirist fügt bei, Joseph Hume habe Recht gehabt, als er sagte, 30,000 Pf. St. seyen für einen jungen Mann in London ein gefährliches Taschengeld.
Im Beginne der Parlamentssitzungen am 30 März ward eine große Anzahl Petitionen gegen die Korngesetze eingereicht, zugleich aber auch viele für Aufrechthaltung derselben, da auf den 31 Hr. Villiers im Unterhause seine Motion stellen wird. Die meisten Bittschriften gegen die Gesetze übergab im Hause der Lords der Bruder des Hrn. Villiers, der Großsiegelbewahrer Graf v. Clarendon. Einer zahlreichen Deputation der verschiedenen Anti-Cornlaw-Vereine im Land, welche dem Viscount Melbourne vor einigen Tagen im Colonialamt aufwartete, gab derselbe eine seiner neulichen Erklärung im Oberhaus gleichlautende Antwort, nämlich daß eine gänzliche Abschaffung der Korngesetze fürs erste unbesonnen seyn würde, er für seine Person könne nichts in der Sache versprechen, die Frage sey aber für die Cabinetsmitglieder eine offene.
Der Caricaturenzeichner H. B. hat nun auch den langwierigen und verwickelten Streit Stockdale gegen Hansard als Stoff für ein Bild benützt. Dasselbe ist „Muscipula“ überschrieben, und parodirt das bekannte Gemälde Sir Joshua Revnolds, ein kleines Mädchen mit einer Maus in der Falle darstellend. Lord J. Russell – little Johny – spielt die Rolle des Mädchens, und betrachtet die Maus (den Sheriff Evans) mit einem unaussprechlich komischen Ausdruck von Vergnügen, während Sir R. Peel als Katze ein scharfes Auge auf sein Opfer hat.
(Standard.) Es heißt, die Regierung habe die Nachricht erhalten, daß die russische Expedition gegen Chiwa in Folge eines schrecklichen Schneesturms gänzlich gescheitert. Der größte Theil der Artillerie soll dabei verloren gegangen seyn, und man fürchtete, das russische Heer selbst werde außer Stand seyn, sich wieder einzuschiffen (sie!), da es an Transportmitteln fehlte. (Eine sonderbare Geographie!)
Frankreich.
_ Paris, 1 April.
(Commerce.) Ein Journal hatte angekündigt, der Herzog von Orleans werde heute (31 März) nach Afrika abreisen; man versichert uns aber, daß das Cabinet geglaubt hat, die Abreise des Prinzen würde seine Verantwortlichkeit berühren, so daß eine Conseilberathung nöthig sey. Das Cabinet hatte sich deßwegen diesen Morgen versammelt. Der Moniteur Parisien schweigt diesen Abend über die Abreise des Prinzen; sollte sie etwa nicht stattfinden? Inzwischen versichert man uns, daß die Abreise des Hauses Sr. k. Hoh. befohlen ist.
Der Graf Karl Mornay, bevollmächtigter Minister Frankreichs in Schweden, ist wieder auf seinen Posten abgereist.
Der Siegelbewahrer, Hr. Vivien, ward am 29 März in St. Quentin wieder als Deputirter gewählt.
Nach dem „Univers“ soll Hr. Thiers, der aus Erfahrung die Macht der Presse kennt, ein neues und großes Journal gründen wollen, das durch die Mannichfaltigkeit und Authenticitat der mitgetheilten Documente auch den ministeriellen Apologien ein größeres Lesepublicum verschaffen solle, als sie bisher hatten. Die Rücksicht, den „Constitutionnel“ mißvergnügt zu machen, den man jetzt das „Journal des Débats“ des neuen Ministeriums nennen könne, trete allein noch diesem Plane hindernd in den Weg.
(Journal des Débats.) Die Discussion, welche Hr. Hume im brittischen Parlament über die Angelegenheiten des Orients angeregt, hat auf diese Frage kein neues Licht geworfen. Lord Palmerston beobachtete eine Zurückhaltung, die wir durchaus nicht mißbilligen, durch welche aber die Debatte auf sehr enge Gränzen verwiesen worden. Doch selbst in den wenigen Worten des Ministers ließ sich eine Parteilichkeit gegen den Pascha von Aegypten nicht verkennen. Lord Palmerston war besonders bedacht, Mehemed Ali als den Angreifer darzustellen; indessen dünkt uns, daß es von seiner Seite ein seltsames Verkennen der Geschichte war, als er den Vicekönig von Aegypten mit dem Vicekönig von Irland verglich. „Was würde man – sagte Lord Palmerston – von einem Mann denken, welcher, um die Integrität des brittischen Reichs aufrecht zu halten, vorschlagen würde, es in zwei zu theilen, und Irland und Schottland unter einer getrennten Souveränetät zu constituiren?“ In Erwiederung auf dieses befremdende Argument bemerkte Sir Robert Peel, daß der Lordlieutenant von Irland mit jedem Ministerium wechsle, daß es seit der Union sechzehn oder siebenzehn Ministerveränderungen gegeben, und daß, wenn Lord Palmerston die Lage des Pascha's der des Lordlieutenants gleichstellen wolle, man sich nicht mehr zu wundern brauche, daß England mit Frankreich nicht einverstanden sey. Mit Einem Wort, das einzige Resultat dieser Discussion war, daß man dem Lord Palmerston Gelegenheit gegeben, seine Bewunderung der Ehre und der Redlichkeit Rußlands an Tag zu legen.
Französische Blätter schreiben aus Oran vom 10 März: „Die letzten Nachrichten, die uns aus Marokko durch Araber, welche Verbindungen im Innern unterhalten, zugekommen sind, lassen über den zwischen Abd-El-Kader und Muley-Abd-er-Haman abgeschlossenen Vertrag keinen Zweifel mehr. Wenn die französische Regierung eine officielle Notification des Friedensbruchs von Seite des Sultans von Marokko erwartet, befindet sie sich in einem großen Irrthum, denn der Charakter der marokkanischen Häuptlinge ist derselbe, wie der der eingebornen Häuptlinge Algeriens: sie sind ganz derselben schurkischen Verstellung fähig. Die offenbarste Erklärung des Krieges, den der Sultan von Marokko gegen uns führen will, besteht in dem sehr thätigen Austausch von Kriegsmunition zu Tlemsan und in der kriegerischen Bewegung der Bevölkerung von Nedroma, einer marokkanischen Gränzstadt, welche den Chalifas des Emirs ganz überliefert ist. Abd-El-Kader hat seine im Treffen bei Uad-Lalleg zersprengten regulären Bataillone durch Kabylen der Umgebungen von Centa und Tanger wieder ergänzt. Es ist dieß übrigens nicht das erstemal, daß Marokkaner unter Abd-El-Kaders Fahnen fechten. Am 25 April 1836 bestand das Armeecorps des Generals d'Arlanges drei Stunden lang ein blutiges und für unsere Waffen unglückliches Gefecht an der Tafna gegen Abd-El-Kaders Infanterie, mit welcher sich 6000 Marokkaner vereinigt hatten. Abd-El-Kaders einzige Absicht ist, den „heiligen Krieg“ auf das marokkanische Gebiet zu versetzen. Auf diese Weise erspart er den Algierer Stämmen einen allzu langen und verderblichen Kampf, und es wird ihm ohne Mühe gelingen, in Marokko die fanatische Rolle zu spielen, die er in seinen Provinzen so gut durchgeführt hat, bis er auch in Marokko, der Ideen und der Männer Meister, die höchste Gewalt an sich reißen wird. Es existirt unter den Stämmen dieses Landes eine beim Volk sehr beliebte Prophezeiung, welche die baldige Ankunft eines Fürsten verkündet, der ganz Afrika unter seinem Scepter vereinigen werde. Dieß erklärt die ehrgeizigen Plane Abd-El-Kaders, der sich für einen Abkömmling des Chaligen Omar und Sprößling der ältesten Eroberer der Barbareskenstaaten ausgibt.“
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