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Allgemeine Zeitung. Nr. 97. Augsburg, 6. April 1840.

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Belgien.

Der Senat war zwei Tage nach einander versammelt, ohne daß von der ministeriellen Krisis die Rede gewesen wäre. Kein Minister war zugegen, die Versammlung beschränkte sich darauf, einige dringende Geschäfte abzumachen, und vertagte sich dann wieder. Die Repräsentanten sind nun auf den 2 April zusammenberufen, da gewisse Gegenstände keinen längern Aufschub leiden. Wäre bis dahin kein Ministerium zu Stande gekommen, so würde es an Interpellationen nicht fehlen, man hat aber Ursache anzunehmen, daß bis zum 2 April der Ungewißheit ein Ende gemacht seyn werde, und zwar nicht durch Constituirung eines ganz neuen Cabinets, sondern durch Modification des bisherigen. Wie es den Anschein hat, wird der bisherige Präsident der Kammer, Hr. J. Fallon, zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten ernannt werden, dieses Departement mithin ferner nicht mehr in den Händen des Hrn. de Theux mit dem Ministerium des Innern vereinigt bleiben; Hr. de Behr würde anstatt des Hrn. Raikem Justizminister, und General Buzen, der Militärgouverneur von Brüssel, anstatt des Generals Wilmar Kriegsminister. Die HH. de Theux, Nothomb und Desmaizieres blieben hiernach im Besitze ihrer respectiven Portefeuilles des Innern, der öffentlichen Bauten und der Finanzen. Schon gleich nach der Abstimmung vom 14 April schrieb ich Ihnen von der Möglichkeit eines Arrangements dieser Art. Das bedeutendste Element in dieser Modification wäre Hr. Fallon, dessen gemäßigt liberale Grundsätze in der Kammer große Achtung genießen, wie dieses schon seine Wahl zum Präsidenten hinlänglich bewiesen. Um ihn in letzter Eigenschaft zu ersetzen, würde dann wahrscheinlich das Ministerium die Wahl des Hrn. Dubus zum Präsidenten der Kammer durchzusetzen wissen, der zur katholischen Seite gehört, und bisher zwar oft mit den extremen Katholiken gegen das Ministerium gestimmt, aber doch durch keinen großen Abstand von demselben getrennt war. So würde also durch diese Combination sowohl nach der katholischen, als nach der liberalen Seite hin die Grundlage des Ministeriums erweitert und verstärkt, und die Krisis hätte für den Gang der Geschäfte eher vortheilhaft als nachtheilig gewirkt. Bei diesem Allem dringt sich indessen immer wieder die Frage auf: wie darf das frühere Cabinet, bloß modificirt, wieder vor der Kammer auftreten, nachdem es in einer Frage, die es zur Cabinetsfrage erhoben, überwunden worden, und sich zurückgezogen hatte? Wir halten dafür, daß das Ministerium, wenn es, in der angedeuteten Art zusammengesetzt, vor der Kammer wieder auftritt, irgend einer Auskunft sicher ist, die ihm in der Vandersmissenschen Frage den Sieg verschaffen wird. Unwiderruflich entschieden ist diese Frage auf keinen Fall, denn die Entscheidung der Kammer, wonach der Gehalt des Generals vom Budget gestrichen werden soll, muß, wie jedes andere Amendement, zum zweitenmal zur Abstimmung kommen. Sodann läßt sie sich auch, so wie sie vorliegt, verschiedentlich deuten. In der Hauptsache, daß nämlich Hr. Vandersmissen wieder belgischer General ist, wird dadurch nichts geändert, denn die Kammer kann ihm diese Eigenschaft nicht nehmen. Nur ein richterliches Urtheil könnte es. Nun hat aber das Ministerium, durch den Mund des Hrn. de Theux, in der Sitzung vom 13 erklärt, es werde sich nie zu einer Stellung bequemen, die ihm die Nothwendigkeit auflegte, die Vandersmissensche Frage vor die Gerichte zu bringen. Dieses ist also eigentlich der Punkt, um den sich Alles dreht, und kann das Ministerium hierin Recht behalten, so darf es mit Ehren bleiben. Anders aber als mit Ehren zu bleiben, dafür halten wir es für unfähig, es würde auch nur zu größerer Compromittirung seiner Stellung und zu einer bedenklichen Krisis führen. Die Haupttriebfeder des Ministeriums in dieser ganzen Sache ist die Absicht gewesen, sich als ein schützender Schild zwischen die königliche Prärogative und die Opposition zu stellen. Sein schönstes Vorrecht, zu begnadigen, hatte der König ungeschmälert ausüben, und eine trübe, an politischen Agitationen reiche Vergangenheit unwiderruflich schließen wollen. Darum nahm man den 20sten Artikel des Friedenstractats im ausgedehntesten Sinne. Nun war aber in eben dieser Sache auf der andern Seite das Ehrgefühl der Nation und der Armee so sehr im Spiele, und der Opposition wurde es so leicht, es gegen diesen Act einer unbegränzten Amnestie in Harnisch zu bringen, daß die Minister nur dadurch, daß sie ihn solidarisch auf ihre Rechnung nahmen, und ihre Existenz an dessen Aufrechthaltung knüpfen, erwarten konnten, in der Kammer eine Majorität auf ihrer Seite zu haben, was ihnen auch ohne die zufällige Abwesenheit einiger Glieder und gewisse Intriguen, die loyale Minister nicht wohl vorhersehen konnten, gelungen wäre. Treten nun die bedeutendsten Glieder des bisherigen Cabinets wieder in der Kammer auf, so werden sie abermals den Zweck, jenen Act königlicher Prärogative unangetastet zu erhalten, im Auge haben, und ihr Fortbestehen als Minister an die Erreichung desselben knüpfen.

Italien.

Ein Schreiben aus Neapel vom 19 März im Temps enthält Folgendes über die Differenz zwischen dem König von Neapel und Großbritannien: "Hr. Temple, der englische Gesandte, wußte, welche Sensation die zufällige Ankunft einiger englischen Kriegsschiffe vor einem Jahre gemacht hatte, und er hoffte, durch eine ähnliche Drohung seine Forderung durchzusetzen. Man behauptet in der That in den bestunterrichteten Cirkeln, daß Oesterreich in diesem Augenblick mit dem neapolitanischen Hof über die Befugniß unterhandle, auf der Insel Sicilien eine Militärstation zu errichten, um im Fall eines Kriegs gegen Mehemed Ali, woran ein österreichisches Hülfscorps Theil nehmen würde, einen Stützpunkt zu haben, wie die Engländer in Malta. Dieß soll der geheime Zweck der Reise seyn, welche der Graf Walmoden, General der österreichischen Cavallerie, in diesem Augenblick in Sicilien macht. *) Der König glaubt, und nicht ohne Grund, daß Oesterreich bei seinem Zwist mit Großbritannien interveniren und ihn kräftig unterstützen werde. Diese Voraussetzung ist gewissermaßen schon erfüllt, denn Graf Lebzeltern, österreichischer Gesandter in Neapel, hat sogleich seine Vermittelung angeboten, und man versichert, sie sey sowohl von dem neapolitanischen Hofe als von Hrn. Temple angenommen worden. Die Truppenbewegungen waren bloße militärische Paraden, wie sie der König liebt"

Deutschland.

(Beschluß der Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten am 31 März.) In Betreff der Zollverhältnisse für die Zukunft verlangt die k. Staatsregierung I. die Ermächtigung zur Verminderung oder auch Aufhebung so wie zur Erhöhung der Zoll- und andern Gebühren im Interesse der Landwirthschaft, der Industrie und des Handels, wenn die übrigen Vereinsstaaten nach den Bestimmungen der in Mitte liegenden Zollvereinsverträge sich deßfalls (für sich oder auch zur Verständigung mit andern Staaten) vereinbaren sollten, oder wenn für das Königreich Bayern

*) Es ist wohl nicht erst darauf aufmerksam zu machen, wie durchaus unwahrscheinlich alle diese Conjecturen sind.
Belgien.

Der Senat war zwei Tage nach einander versammelt, ohne daß von der ministeriellen Krisis die Rede gewesen wäre. Kein Minister war zugegen, die Versammlung beschränkte sich darauf, einige dringende Geschäfte abzumachen, und vertagte sich dann wieder. Die Repräsentanten sind nun auf den 2 April zusammenberufen, da gewisse Gegenstände keinen längern Aufschub leiden. Wäre bis dahin kein Ministerium zu Stande gekommen, so würde es an Interpellationen nicht fehlen, man hat aber Ursache anzunehmen, daß bis zum 2 April der Ungewißheit ein Ende gemacht seyn werde, und zwar nicht durch Constituirung eines ganz neuen Cabinets, sondern durch Modification des bisherigen. Wie es den Anschein hat, wird der bisherige Präsident der Kammer, Hr. J. Fallon, zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten ernannt werden, dieses Departement mithin ferner nicht mehr in den Händen des Hrn. de Theux mit dem Ministerium des Innern vereinigt bleiben; Hr. de Behr würde anstatt des Hrn. Raikem Justizminister, und General Buzen, der Militärgouverneur von Brüssel, anstatt des Generals Wilmar Kriegsminister. Die HH. de Theux, Nothomb und Desmaizières blieben hiernach im Besitze ihrer respectiven Portefeuilles des Innern, der öffentlichen Bauten und der Finanzen. Schon gleich nach der Abstimmung vom 14 April schrieb ich Ihnen von der Möglichkeit eines Arrangements dieser Art. Das bedeutendste Element in dieser Modification wäre Hr. Fallon, dessen gemäßigt liberale Grundsätze in der Kammer große Achtung genießen, wie dieses schon seine Wahl zum Präsidenten hinlänglich bewiesen. Um ihn in letzter Eigenschaft zu ersetzen, würde dann wahrscheinlich das Ministerium die Wahl des Hrn. Dubus zum Präsidenten der Kammer durchzusetzen wissen, der zur katholischen Seite gehört, und bisher zwar oft mit den extremen Katholiken gegen das Ministerium gestimmt, aber doch durch keinen großen Abstand von demselben getrennt war. So würde also durch diese Combination sowohl nach der katholischen, als nach der liberalen Seite hin die Grundlage des Ministeriums erweitert und verstärkt, und die Krisis hätte für den Gang der Geschäfte eher vortheilhaft als nachtheilig gewirkt. Bei diesem Allem dringt sich indessen immer wieder die Frage auf: wie darf das frühere Cabinet, bloß modificirt, wieder vor der Kammer auftreten, nachdem es in einer Frage, die es zur Cabinetsfrage erhoben, überwunden worden, und sich zurückgezogen hatte? Wir halten dafür, daß das Ministerium, wenn es, in der angedeuteten Art zusammengesetzt, vor der Kammer wieder auftritt, irgend einer Auskunft sicher ist, die ihm in der Vandersmissenschen Frage den Sieg verschaffen wird. Unwiderruflich entschieden ist diese Frage auf keinen Fall, denn die Entscheidung der Kammer, wonach der Gehalt des Generals vom Budget gestrichen werden soll, muß, wie jedes andere Amendement, zum zweitenmal zur Abstimmung kommen. Sodann läßt sie sich auch, so wie sie vorliegt, verschiedentlich deuten. In der Hauptsache, daß nämlich Hr. Vandersmissen wieder belgischer General ist, wird dadurch nichts geändert, denn die Kammer kann ihm diese Eigenschaft nicht nehmen. Nur ein richterliches Urtheil könnte es. Nun hat aber das Ministerium, durch den Mund des Hrn. de Theux, in der Sitzung vom 13 erklärt, es werde sich nie zu einer Stellung bequemen, die ihm die Nothwendigkeit auflegte, die Vandersmissensche Frage vor die Gerichte zu bringen. Dieses ist also eigentlich der Punkt, um den sich Alles dreht, und kann das Ministerium hierin Recht behalten, so darf es mit Ehren bleiben. Anders aber als mit Ehren zu bleiben, dafür halten wir es für unfähig, es würde auch nur zu größerer Compromittirung seiner Stellung und zu einer bedenklichen Krisis führen. Die Haupttriebfeder des Ministeriums in dieser ganzen Sache ist die Absicht gewesen, sich als ein schützender Schild zwischen die königliche Prärogative und die Opposition zu stellen. Sein schönstes Vorrecht, zu begnadigen, hatte der König ungeschmälert ausüben, und eine trübe, an politischen Agitationen reiche Vergangenheit unwiderruflich schließen wollen. Darum nahm man den 20sten Artikel des Friedenstractats im ausgedehntesten Sinne. Nun war aber in eben dieser Sache auf der andern Seite das Ehrgefühl der Nation und der Armee so sehr im Spiele, und der Opposition wurde es so leicht, es gegen diesen Act einer unbegränzten Amnestie in Harnisch zu bringen, daß die Minister nur dadurch, daß sie ihn solidarisch auf ihre Rechnung nahmen, und ihre Existenz an dessen Aufrechthaltung knüpfen, erwarten konnten, in der Kammer eine Majorität auf ihrer Seite zu haben, was ihnen auch ohne die zufällige Abwesenheit einiger Glieder und gewisse Intriguen, die loyale Minister nicht wohl vorhersehen konnten, gelungen wäre. Treten nun die bedeutendsten Glieder des bisherigen Cabinets wieder in der Kammer auf, so werden sie abermals den Zweck, jenen Act königlicher Prärogative unangetastet zu erhalten, im Auge haben, und ihr Fortbestehen als Minister an die Erreichung desselben knüpfen.

Italien.

Ein Schreiben aus Neapel vom 19 März im Temps enthält Folgendes über die Differenz zwischen dem König von Neapel und Großbritannien: „Hr. Temple, der englische Gesandte, wußte, welche Sensation die zufällige Ankunft einiger englischen Kriegsschiffe vor einem Jahre gemacht hatte, und er hoffte, durch eine ähnliche Drohung seine Forderung durchzusetzen. Man behauptet in der That in den bestunterrichteten Cirkeln, daß Oesterreich in diesem Augenblick mit dem neapolitanischen Hof über die Befugniß unterhandle, auf der Insel Sicilien eine Militärstation zu errichten, um im Fall eines Kriegs gegen Mehemed Ali, woran ein österreichisches Hülfscorps Theil nehmen würde, einen Stützpunkt zu haben, wie die Engländer in Malta. Dieß soll der geheime Zweck der Reise seyn, welche der Graf Walmoden, General der österreichischen Cavallerie, in diesem Augenblick in Sicilien macht. *) Der König glaubt, und nicht ohne Grund, daß Oesterreich bei seinem Zwist mit Großbritannien interveniren und ihn kräftig unterstützen werde. Diese Voraussetzung ist gewissermaßen schon erfüllt, denn Graf Lebzeltern, österreichischer Gesandter in Neapel, hat sogleich seine Vermittelung angeboten, und man versichert, sie sey sowohl von dem neapolitanischen Hofe als von Hrn. Temple angenommen worden. Die Truppenbewegungen waren bloße militärische Paraden, wie sie der König liebt“

Deutschland.

(Beschluß der Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten am 31 März.) In Betreff der Zollverhältnisse für die Zukunft verlangt die k. Staatsregierung I. die Ermächtigung zur Verminderung oder auch Aufhebung so wie zur Erhöhung der Zoll- und andern Gebühren im Interesse der Landwirthschaft, der Industrie und des Handels, wenn die übrigen Vereinsstaaten nach den Bestimmungen der in Mitte liegenden Zollvereinsverträge sich deßfalls (für sich oder auch zur Verständigung mit andern Staaten) vereinbaren sollten, oder wenn für das Königreich Bayern

*) Es ist wohl nicht erst darauf aufmerksam zu machen, wie durchaus unwahrscheinlich alle diese Conjecturen sind.
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Raikem Justizminister, und General Buzen, der Militärgouverneur von Brüssel, anstatt des Generals Wilmar Kriegsminister. Die HH. de Theux, Nothomb und Desmaizières blieben hiernach im Besitze ihrer respectiven Portefeuilles des Innern, der öffentlichen Bauten und der Finanzen. Schon gleich nach der Abstimmung vom 14 April schrieb ich Ihnen von der Möglichkeit eines Arrangements dieser Art. Das bedeutendste Element in dieser Modification wäre Hr. Fallon, dessen gemäßigt liberale Grundsätze in der Kammer große Achtung genießen, wie dieses schon seine Wahl zum Präsidenten hinlänglich bewiesen. Um ihn in letzter Eigenschaft zu ersetzen, würde dann wahrscheinlich das Ministerium die Wahl des Hrn. Dubus zum Präsidenten der Kammer durchzusetzen wissen, der zur katholischen Seite gehört, und bisher zwar oft mit den extremen Katholiken gegen das Ministerium gestimmt, aber doch durch keinen großen Abstand von demselben getrennt war. So würde also durch diese Combination sowohl nach der katholischen, als nach der liberalen Seite hin die Grundlage des Ministeriums erweitert und verstärkt, und die Krisis hätte für den Gang der Geschäfte eher vortheilhaft als nachtheilig gewirkt. Bei diesem Allem dringt sich indessen immer wieder die Frage auf: wie darf das frühere Cabinet, bloß modificirt, wieder vor der Kammer auftreten, nachdem es in einer Frage, die es zur Cabinetsfrage erhoben, überwunden worden, und sich zurückgezogen hatte? Wir halten dafür, daß das Ministerium, wenn es, in der angedeuteten Art zusammengesetzt, vor der Kammer wieder auftritt, irgend einer Auskunft sicher ist, die ihm in der Vandersmissenschen Frage den Sieg verschaffen wird. Unwiderruflich entschieden ist diese Frage auf keinen Fall, denn die Entscheidung der Kammer, wonach der Gehalt des Generals vom Budget gestrichen werden soll, muß, wie jedes andere Amendement, zum zweitenmal zur Abstimmung kommen. Sodann läßt sie sich auch, so wie sie vorliegt, verschiedentlich deuten. In der Hauptsache, daß nämlich Hr. Vandersmissen wieder belgischer General ist, wird dadurch nichts geändert, denn die Kammer kann ihm diese Eigenschaft nicht nehmen. Nur ein richterliches Urtheil könnte es. Nun hat aber das Ministerium, durch den Mund des Hrn. de Theux, in der Sitzung vom 13 erklärt, es werde sich nie zu einer Stellung bequemen, die ihm die Nothwendigkeit auflegte, die Vandersmissensche Frage vor die Gerichte zu bringen. Dieses ist also eigentlich der Punkt, um den sich Alles dreht, und kann das Ministerium hierin Recht behalten, so darf es mit Ehren bleiben. Anders aber als <hi rendition="#g">mit Ehren</hi> zu bleiben, dafür halten wir es für unfähig, es würde auch nur zu größerer Compromittirung seiner Stellung und zu einer bedenklichen Krisis führen. 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Nun war aber in eben dieser Sache auf der andern Seite das Ehrgefühl der Nation und der Armee so sehr im Spiele, und der Opposition wurde es so leicht, es gegen diesen Act einer unbegränzten Amnestie in Harnisch zu bringen, daß die Minister nur dadurch, daß sie ihn solidarisch auf ihre Rechnung nahmen, und ihre Existenz an dessen Aufrechthaltung knüpfen, erwarten konnten, in der Kammer eine Majorität auf ihrer Seite zu haben, was ihnen auch ohne die zufällige Abwesenheit einiger Glieder und gewisse Intriguen, die loyale Minister nicht wohl vorhersehen konnten, gelungen wäre. Treten nun die bedeutendsten Glieder des bisherigen Cabinets wieder in der Kammer auf, so werden sie abermals den Zweck, jenen Act königlicher Prärogative unangetastet zu erhalten, im Auge haben, und ihr Fortbestehen als Minister an die Erreichung desselben knüpfen.</p>
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[0772/0004] Belgien. _ Brüssel, 29 März. Der Senat war zwei Tage nach einander versammelt, ohne daß von der ministeriellen Krisis die Rede gewesen wäre. Kein Minister war zugegen, die Versammlung beschränkte sich darauf, einige dringende Geschäfte abzumachen, und vertagte sich dann wieder. Die Repräsentanten sind nun auf den 2 April zusammenberufen, da gewisse Gegenstände keinen längern Aufschub leiden. Wäre bis dahin kein Ministerium zu Stande gekommen, so würde es an Interpellationen nicht fehlen, man hat aber Ursache anzunehmen, daß bis zum 2 April der Ungewißheit ein Ende gemacht seyn werde, und zwar nicht durch Constituirung eines ganz neuen Cabinets, sondern durch Modification des bisherigen. Wie es den Anschein hat, wird der bisherige Präsident der Kammer, Hr. J. Fallon, zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten ernannt werden, dieses Departement mithin ferner nicht mehr in den Händen des Hrn. de Theux mit dem Ministerium des Innern vereinigt bleiben; Hr. de Behr würde anstatt des Hrn. Raikem Justizminister, und General Buzen, der Militärgouverneur von Brüssel, anstatt des Generals Wilmar Kriegsminister. Die HH. de Theux, Nothomb und Desmaizières blieben hiernach im Besitze ihrer respectiven Portefeuilles des Innern, der öffentlichen Bauten und der Finanzen. Schon gleich nach der Abstimmung vom 14 April schrieb ich Ihnen von der Möglichkeit eines Arrangements dieser Art. Das bedeutendste Element in dieser Modification wäre Hr. Fallon, dessen gemäßigt liberale Grundsätze in der Kammer große Achtung genießen, wie dieses schon seine Wahl zum Präsidenten hinlänglich bewiesen. Um ihn in letzter Eigenschaft zu ersetzen, würde dann wahrscheinlich das Ministerium die Wahl des Hrn. Dubus zum Präsidenten der Kammer durchzusetzen wissen, der zur katholischen Seite gehört, und bisher zwar oft mit den extremen Katholiken gegen das Ministerium gestimmt, aber doch durch keinen großen Abstand von demselben getrennt war. So würde also durch diese Combination sowohl nach der katholischen, als nach der liberalen Seite hin die Grundlage des Ministeriums erweitert und verstärkt, und die Krisis hätte für den Gang der Geschäfte eher vortheilhaft als nachtheilig gewirkt. Bei diesem Allem dringt sich indessen immer wieder die Frage auf: wie darf das frühere Cabinet, bloß modificirt, wieder vor der Kammer auftreten, nachdem es in einer Frage, die es zur Cabinetsfrage erhoben, überwunden worden, und sich zurückgezogen hatte? Wir halten dafür, daß das Ministerium, wenn es, in der angedeuteten Art zusammengesetzt, vor der Kammer wieder auftritt, irgend einer Auskunft sicher ist, die ihm in der Vandersmissenschen Frage den Sieg verschaffen wird. Unwiderruflich entschieden ist diese Frage auf keinen Fall, denn die Entscheidung der Kammer, wonach der Gehalt des Generals vom Budget gestrichen werden soll, muß, wie jedes andere Amendement, zum zweitenmal zur Abstimmung kommen. Sodann läßt sie sich auch, so wie sie vorliegt, verschiedentlich deuten. In der Hauptsache, daß nämlich Hr. Vandersmissen wieder belgischer General ist, wird dadurch nichts geändert, denn die Kammer kann ihm diese Eigenschaft nicht nehmen. Nur ein richterliches Urtheil könnte es. Nun hat aber das Ministerium, durch den Mund des Hrn. de Theux, in der Sitzung vom 13 erklärt, es werde sich nie zu einer Stellung bequemen, die ihm die Nothwendigkeit auflegte, die Vandersmissensche Frage vor die Gerichte zu bringen. Dieses ist also eigentlich der Punkt, um den sich Alles dreht, und kann das Ministerium hierin Recht behalten, so darf es mit Ehren bleiben. Anders aber als mit Ehren zu bleiben, dafür halten wir es für unfähig, es würde auch nur zu größerer Compromittirung seiner Stellung und zu einer bedenklichen Krisis führen. Die Haupttriebfeder des Ministeriums in dieser ganzen Sache ist die Absicht gewesen, sich als ein schützender Schild zwischen die königliche Prärogative und die Opposition zu stellen. Sein schönstes Vorrecht, zu begnadigen, hatte der König ungeschmälert ausüben, und eine trübe, an politischen Agitationen reiche Vergangenheit unwiderruflich schließen wollen. Darum nahm man den 20sten Artikel des Friedenstractats im ausgedehntesten Sinne. Nun war aber in eben dieser Sache auf der andern Seite das Ehrgefühl der Nation und der Armee so sehr im Spiele, und der Opposition wurde es so leicht, es gegen diesen Act einer unbegränzten Amnestie in Harnisch zu bringen, daß die Minister nur dadurch, daß sie ihn solidarisch auf ihre Rechnung nahmen, und ihre Existenz an dessen Aufrechthaltung knüpfen, erwarten konnten, in der Kammer eine Majorität auf ihrer Seite zu haben, was ihnen auch ohne die zufällige Abwesenheit einiger Glieder und gewisse Intriguen, die loyale Minister nicht wohl vorhersehen konnten, gelungen wäre. Treten nun die bedeutendsten Glieder des bisherigen Cabinets wieder in der Kammer auf, so werden sie abermals den Zweck, jenen Act königlicher Prärogative unangetastet zu erhalten, im Auge haben, und ihr Fortbestehen als Minister an die Erreichung desselben knüpfen. Italien. Ein Schreiben aus Neapel vom 19 März im Temps enthält Folgendes über die Differenz zwischen dem König von Neapel und Großbritannien: „Hr. Temple, der englische Gesandte, wußte, welche Sensation die zufällige Ankunft einiger englischen Kriegsschiffe vor einem Jahre gemacht hatte, und er hoffte, durch eine ähnliche Drohung seine Forderung durchzusetzen. Man behauptet in der That in den bestunterrichteten Cirkeln, daß Oesterreich in diesem Augenblick mit dem neapolitanischen Hof über die Befugniß unterhandle, auf der Insel Sicilien eine Militärstation zu errichten, um im Fall eines Kriegs gegen Mehemed Ali, woran ein österreichisches Hülfscorps Theil nehmen würde, einen Stützpunkt zu haben, wie die Engländer in Malta. Dieß soll der geheime Zweck der Reise seyn, welche der Graf Walmoden, General der österreichischen Cavallerie, in diesem Augenblick in Sicilien macht. *) Der König glaubt, und nicht ohne Grund, daß Oesterreich bei seinem Zwist mit Großbritannien interveniren und ihn kräftig unterstützen werde. Diese Voraussetzung ist gewissermaßen schon erfüllt, denn Graf Lebzeltern, österreichischer Gesandter in Neapel, hat sogleich seine Vermittelung angeboten, und man versichert, sie sey sowohl von dem neapolitanischen Hofe als von Hrn. Temple angenommen worden. Die Truppenbewegungen waren bloße militärische Paraden, wie sie der König liebt“ Deutschland. _ München, 1 April. (Beschluß der Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten am 31 März.) In Betreff der Zollverhältnisse für die Zukunft verlangt die k. Staatsregierung I. die Ermächtigung zur Verminderung oder auch Aufhebung so wie zur Erhöhung der Zoll- und andern Gebühren im Interesse der Landwirthschaft, der Industrie und des Handels, wenn die übrigen Vereinsstaaten nach den Bestimmungen der in Mitte liegenden Zollvereinsverträge sich deßfalls (für sich oder auch zur Verständigung mit andern Staaten) vereinbaren sollten, oder wenn für das Königreich Bayern *) Es ist wohl nicht erst darauf aufmerksam zu machen, wie durchaus unwahrscheinlich alle diese Conjecturen sind.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 97. Augsburg, 6. April 1840, S. 0772. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_097_18400406/4>, abgerufen am 29.04.2024.