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Allgemeine Zeitung. Nr. 100. Augsburg, 9. April 1840.

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(Temps.) Darf man dem glauben, was man heute (3) im Conferenzsaale der Kammer erzählte, so hätte die Commission der außerordentlichen Credite für Algerien mit der Mehrheit von acht Stimmen gegen eine beschlossen, eine beträchtliche Verminderung in der von der Regierung geforderten Summe zu beantragen, ihre Opposition gegen jedes System der Ausdehnung unserer Eroberung zu bezeugen, und zugleich den Wunsch auszudrücken, daß die Regierung sich in Zukunft nur auf drei von der Commission angegebene Punkte beschränke.

(Temps.) Hr. Thiers sollte heute (3) der Commission präsidiren, die von der Regierung zur Prüfung der transatlantischen Dampfschifffahrtsfrage niedergesetzt wurde. Es scheint nicht, daß diese Commission der von der Marseiller Handelsschaft verlangten Linie nach Mexico günstig sey, sie soll eine günstigere Stimmung für Bordeaux hegen. Das Cabinet hat dann zu entscheiden, was aber ohne Zweifel erst nach Anhörung aller Interessenten geschehen wird.

Generallieutenant Schramm ist nicht zum Chef des Generalstabs, sondern zum Major-General der Armee von Afrika ernannt. Man hält dieß vielfach für einen Uebergang zum Generalgouvernement von Algerien.

(Courrier francais.) Man versichert uns, die Regierung habe heute (3) sehr wichtige und sehr günstige Nachrichten von Montevideo erhalten. Die Armee des Rosas soll eine vollständige Niederlage erlitten haben. (Schon gestern haben, wie wir erwähnt, englische Blätter dieß berichtet.)

(Gazette.) Ein vormaliger Officier des Kaiserreichs und reicher Gutsbesitzer in der Gegend von Lyon, der kürzlich gestorben ist, hat in seinem Testament sein Schloß und die Nutznießung seines 20,000 Fr. Renten betragenden Vermögens dem Artillerielieutenant Hrn. Laity, der von dem Pairshof wegen einer bekannten Broschüre verurtheilt ward und noch gefangen sitzt, vermacht.

In Paris macht gegenwärtig eine Mordgeschichte großes Aufsehen, welche unter so geheimnißvollen Umständen begangen worden, daß es den emsigsten Nachforschungen der Polizei noch nicht gelingen konnte, auch nur die mindeste Spur des Verbrechers aufzufinden. In der Gemeinde La Villette bei Paris wurde ein fremder, gutgekleideter Knabe von etwa zehn bis zwölf Jahren dicht an der Chaussee ermordet gefunden. Er hatte die Todeswunde von hinten erhalten. Man vermuthet, das Kind sey bei Nacht auf einem Wagen gebracht worden, und der Mörder dann weiter gefahren. Die Leiche des kleinen Unglücklichen wurde auf der Morgue ausgestellt, wo sich, wie es dort üblich ist, die Schaulustigen zu Tausenden einfanden. Lange wollte Niemand das fremde Kind erkennen, bis endlich eine arme Frau, die nicht müde wurde, unter der andringenden Menge auszuharren, bis an sie die Reihe kam, in den Ruf ausbrach: "ich glaube, es ist mein Sohn, - ja er ist's!" Die Polizeiagenten, welche beauftragt waren, die Physiognomien der Zuschauer insgeheim zu beobachten, führten die Frau näher zur Leiche, und wiederholt versicherte sie, es sey ihr Kind, das sie in unehelicher Verbindung geboren, und dem sie ihren Namen Chavaudret gegeben hatte. Der zehnjährige Philibert Chavaudret war bei einem Mützenfabricanten in der Lehre. Sein Meister hatte ihn am 6 Jul. 1838 mit einer fertigen Arbeit ausgeschickt. Er verschwand an diesem Tage, und die Anzeige, die seine Mutter bei der Polizei machte, führte zu nichts. Die Nachbarn glaubten, das Kind, das bei seiner Armuth viel darben mußte, sey wohl irgend einem Menschenfreund in die Hände gekommen, den sein Schicksal rührte, und der es zu sich genommen. Alle übrigen Personen, welche den kleinen Philibert gekannt, unter andern sein Lehrer, sein Meister, seine früheren Mitschüler wollten ihn bestimmt in der Leiche wieder erkennen. Auffallend war es aber, daß Philibert bei seinem Verschwinden schlechte Kleider getragen, der Ermordete aber einen guten Anzug hatte. Bald kamen der Mutter Zweifel. Sie versicherte, die Zähne ihres Sohnes seyen sehr klein und vollkommen regelmäßig gewesen, während die Leiche breite und unregelmäßige Zähne hat; denselben Umstand bestätigten die übrigen Zeugen. Kleidungsstücke, die der Verschwundene getragen, waren dem Ermordeten zu groß; noch einige andere Zeichen trafen nicht ein. Da die Ungewißheit wieder dieselbe, wie vordem, geworden, so wurde die unbekannte Leiche einbalsamirt, und ist nun wieder auf der Morgue ausgestellt.

Einem Journal zufolge ward das Engagement der Mlle. Rachel für die Comedie francaise am 3 April unterzeichnet. Das Theater bewilligt der jungen Pensionärin 27,000 Fr. Gehalt, eine Benefizvorstellung, die mit 15,000 Fr. garantirt ist und 18,000 Fr. für 64 Vorstellungen (zu 280 Fr. für den Abend), zusammen also 60,000 Fr., so wie einen dreimonatlichen Urlaub. Mlle. Mars, deren Engagement ebenfalls erneuert ward, wird nur 42,000 Fr. erhalten.

Die Commission der Deputirtenkammer, welche mit der Prüfung des Gesetzesvorschlags eines neuen Credits für Algier beauftragt ist, hat gestern mit 8 Stimmen gegen eine den Beschluß gefaßt, diesen Credit zu beschränken und der Regierung die Nothwendigkeit anheim zu geben, das innere Land zu verlassen, und sich mit der Occupation der drei Küstenpunkte Algier, Bona und Budschia zu begnügen. Dieser Beschluß wird große Sensation erregen. Gibt die Kammer ihm ihre Zustimmung, so sind die dermaligen bedeutenden Kriegsrüstungen überflüssig. Das große Publicum, das in den Colonisationsunternehmungen nicht interessirt ist, die eigentliche Nation, wird den Beschluß der Commission günstig aufnehmen; Mißvergnügen wird er erregen in den französischen Städten am Mittelmeer, bei den Schwindlern, denen Algier ein Speculationsgegenstand war, dann bei Ankäufern von Grundstücken in Algier und den Personen, die auf Aemter daselbst Aussicht hatten. - Heute wird in der Sitzung der Kammer Hr. Larabit seinen Vorschlag über die rückständige Besoldung der Mitglieder der Ehrenlegion entwickeln; man glaubt allgemein an dessen Annahme, besonders da, dem Vernehmen nach, der Finanzminister sich nicht dagegen erklärt. Auch soll in der heutigen Sitzung der Vorschlag des Hrn. v. Remilly zur Sprache kommen, der jetzt den Hauptgegenstand der Unterhaltung in den parlamentarischen Gesellschaften und der Polemik der Journale bildet; die dem Ministerium zugethanen Blätter der Linken sprechen sich gegen diesen Vorschlag aus, woraus man schließt, die Linke beabsichtige, aus ihren freundschaftlichen Verhältnissen mit dem Ministerium Nutzen zu ziehen.

Belgien.

Im Observateur liest man: "Man versichert auf bestimmte Weise, daß die HH. Lebeau und Rogier dem Könige ihre Abdankung als Gouverneure eingesandt haben." Der Independant fügt Obigem hinzu: "Wir vernehmen, daß die durch den Observateur gemeldete Thatsache richtig ist." - Hr. Mercier, Generaldirector der Finanzen, will auch seine Entlassung nehmen. - Der Antrag des Grafen Felix v. Merode an die Kammer (wir verweisen auf den Brüsseler Brief in der heutigen Beilage) lautet dahin, den General Vandersmissen zu pensioniren. Hiermit soll zweierlei bezweckt werden: erstens würde dieser hierdurch davon abgehalten, vor den Gerichten die Zahlung seines Gehalts nachzusuchen, den ihm die Kammer durch eine Art von Machtspruch nehmen gewollt, auf

(Temps.) Darf man dem glauben, was man heute (3) im Conferenzsaale der Kammer erzählte, so hätte die Commission der außerordentlichen Credite für Algerien mit der Mehrheit von acht Stimmen gegen eine beschlossen, eine beträchtliche Verminderung in der von der Regierung geforderten Summe zu beantragen, ihre Opposition gegen jedes System der Ausdehnung unserer Eroberung zu bezeugen, und zugleich den Wunsch auszudrücken, daß die Regierung sich in Zukunft nur auf drei von der Commission angegebene Punkte beschränke.

(Temps.) Hr. Thiers sollte heute (3) der Commission präsidiren, die von der Regierung zur Prüfung der transatlantischen Dampfschifffahrtsfrage niedergesetzt wurde. Es scheint nicht, daß diese Commission der von der Marseiller Handelsschaft verlangten Linie nach Mexico günstig sey, sie soll eine günstigere Stimmung für Bordeaux hegen. Das Cabinet hat dann zu entscheiden, was aber ohne Zweifel erst nach Anhörung aller Interessenten geschehen wird.

Generallieutenant Schramm ist nicht zum Chef des Generalstabs, sondern zum Major-Général der Armee von Afrika ernannt. Man hält dieß vielfach für einen Uebergang zum Generalgouvernement von Algerien.

(Courrier français.) Man versichert uns, die Regierung habe heute (3) sehr wichtige und sehr günstige Nachrichten von Montevideo erhalten. Die Armee des Rosas soll eine vollständige Niederlage erlitten haben. (Schon gestern haben, wie wir erwähnt, englische Blätter dieß berichtet.)

(Gazette.) Ein vormaliger Officier des Kaiserreichs und reicher Gutsbesitzer in der Gegend von Lyon, der kürzlich gestorben ist, hat in seinem Testament sein Schloß und die Nutznießung seines 20,000 Fr. Renten betragenden Vermögens dem Artillerielieutenant Hrn. Laity, der von dem Pairshof wegen einer bekannten Broschüre verurtheilt ward und noch gefangen sitzt, vermacht.

In Paris macht gegenwärtig eine Mordgeschichte großes Aufsehen, welche unter so geheimnißvollen Umständen begangen worden, daß es den emsigsten Nachforschungen der Polizei noch nicht gelingen konnte, auch nur die mindeste Spur des Verbrechers aufzufinden. In der Gemeinde La Villette bei Paris wurde ein fremder, gutgekleideter Knabe von etwa zehn bis zwölf Jahren dicht an der Chaussée ermordet gefunden. Er hatte die Todeswunde von hinten erhalten. Man vermuthet, das Kind sey bei Nacht auf einem Wagen gebracht worden, und der Mörder dann weiter gefahren. Die Leiche des kleinen Unglücklichen wurde auf der Morgue ausgestellt, wo sich, wie es dort üblich ist, die Schaulustigen zu Tausenden einfanden. Lange wollte Niemand das fremde Kind erkennen, bis endlich eine arme Frau, die nicht müde wurde, unter der andringenden Menge auszuharren, bis an sie die Reihe kam, in den Ruf ausbrach: „ich glaube, es ist mein Sohn, – ja er ist's!“ Die Polizeiagenten, welche beauftragt waren, die Physiognomien der Zuschauer insgeheim zu beobachten, führten die Frau näher zur Leiche, und wiederholt versicherte sie, es sey ihr Kind, das sie in unehelicher Verbindung geboren, und dem sie ihren Namen Chavaudret gegeben hatte. Der zehnjährige Philibert Chavaudret war bei einem Mützenfabricanten in der Lehre. Sein Meister hatte ihn am 6 Jul. 1838 mit einer fertigen Arbeit ausgeschickt. Er verschwand an diesem Tage, und die Anzeige, die seine Mutter bei der Polizei machte, führte zu nichts. Die Nachbarn glaubten, das Kind, das bei seiner Armuth viel darben mußte, sey wohl irgend einem Menschenfreund in die Hände gekommen, den sein Schicksal rührte, und der es zu sich genommen. Alle übrigen Personen, welche den kleinen Philibert gekannt, unter andern sein Lehrer, sein Meister, seine früheren Mitschüler wollten ihn bestimmt in der Leiche wieder erkennen. Auffallend war es aber, daß Philibert bei seinem Verschwinden schlechte Kleider getragen, der Ermordete aber einen guten Anzug hatte. Bald kamen der Mutter Zweifel. Sie versicherte, die Zähne ihres Sohnes seyen sehr klein und vollkommen regelmäßig gewesen, während die Leiche breite und unregelmäßige Zähne hat; denselben Umstand bestätigten die übrigen Zeugen. Kleidungsstücke, die der Verschwundene getragen, waren dem Ermordeten zu groß; noch einige andere Zeichen trafen nicht ein. Da die Ungewißheit wieder dieselbe, wie vordem, geworden, so wurde die unbekannte Leiche einbalsamirt, und ist nun wieder auf der Morgue ausgestellt.

Einem Journal zufolge ward das Engagement der Mlle. Rachel für die Comédie française am 3 April unterzeichnet. Das Theater bewilligt der jungen Pensionärin 27,000 Fr. Gehalt, eine Benefizvorstellung, die mit 15,000 Fr. garantirt ist und 18,000 Fr. für 64 Vorstellungen (zu 280 Fr. für den Abend), zusammen also 60,000 Fr., so wie einen dreimonatlichen Urlaub. Mlle. Mars, deren Engagement ebenfalls erneuert ward, wird nur 42,000 Fr. erhalten.

Die Commission der Deputirtenkammer, welche mit der Prüfung des Gesetzesvorschlags eines neuen Credits für Algier beauftragt ist, hat gestern mit 8 Stimmen gegen eine den Beschluß gefaßt, diesen Credit zu beschränken und der Regierung die Nothwendigkeit anheim zu geben, das innere Land zu verlassen, und sich mit der Occupation der drei Küstenpunkte Algier, Bona und Budschia zu begnügen. Dieser Beschluß wird große Sensation erregen. Gibt die Kammer ihm ihre Zustimmung, so sind die dermaligen bedeutenden Kriegsrüstungen überflüssig. Das große Publicum, das in den Colonisationsunternehmungen nicht interessirt ist, die eigentliche Nation, wird den Beschluß der Commission günstig aufnehmen; Mißvergnügen wird er erregen in den französischen Städten am Mittelmeer, bei den Schwindlern, denen Algier ein Speculationsgegenstand war, dann bei Ankäufern von Grundstücken in Algier und den Personen, die auf Aemter daselbst Aussicht hatten. – Heute wird in der Sitzung der Kammer Hr. Larabit seinen Vorschlag über die rückständige Besoldung der Mitglieder der Ehrenlegion entwickeln; man glaubt allgemein an dessen Annahme, besonders da, dem Vernehmen nach, der Finanzminister sich nicht dagegen erklärt. Auch soll in der heutigen Sitzung der Vorschlag des Hrn. v. Remilly zur Sprache kommen, der jetzt den Hauptgegenstand der Unterhaltung in den parlamentarischen Gesellschaften und der Polemik der Journale bildet; die dem Ministerium zugethanen Blätter der Linken sprechen sich gegen diesen Vorschlag aus, woraus man schließt, die Linke beabsichtige, aus ihren freundschaftlichen Verhältnissen mit dem Ministerium Nutzen zu ziehen.

Belgien.

Im Observateur liest man: „Man versichert auf bestimmte Weise, daß die HH. Lebeau und Rogier dem Könige ihre Abdankung als Gouverneure eingesandt haben.“ Der Indépendant fügt Obigem hinzu: „Wir vernehmen, daß die durch den Observateur gemeldete Thatsache richtig ist.“ – Hr. Mercier, Generaldirector der Finanzen, will auch seine Entlassung nehmen. – Der Antrag des Grafen Felix v. Merode an die Kammer (wir verweisen auf den Brüsseler Brief in der heutigen Beilage) lautet dahin, den General Vandersmissen zu pensioniren. Hiermit soll zweierlei bezweckt werden: erstens würde dieser hierdurch davon abgehalten, vor den Gerichten die Zahlung seines Gehalts nachzusuchen, den ihm die Kammer durch eine Art von Machtspruch nehmen gewollt, auf

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[0795/0003] (Temps.) Darf man dem glauben, was man heute (3) im Conferenzsaale der Kammer erzählte, so hätte die Commission der außerordentlichen Credite für Algerien mit der Mehrheit von acht Stimmen gegen eine beschlossen, eine beträchtliche Verminderung in der von der Regierung geforderten Summe zu beantragen, ihre Opposition gegen jedes System der Ausdehnung unserer Eroberung zu bezeugen, und zugleich den Wunsch auszudrücken, daß die Regierung sich in Zukunft nur auf drei von der Commission angegebene Punkte beschränke. (Temps.) Hr. Thiers sollte heute (3) der Commission präsidiren, die von der Regierung zur Prüfung der transatlantischen Dampfschifffahrtsfrage niedergesetzt wurde. Es scheint nicht, daß diese Commission der von der Marseiller Handelsschaft verlangten Linie nach Mexico günstig sey, sie soll eine günstigere Stimmung für Bordeaux hegen. Das Cabinet hat dann zu entscheiden, was aber ohne Zweifel erst nach Anhörung aller Interessenten geschehen wird. Generallieutenant Schramm ist nicht zum Chef des Generalstabs, sondern zum Major-Général der Armee von Afrika ernannt. Man hält dieß vielfach für einen Uebergang zum Generalgouvernement von Algerien. (Courrier français.) Man versichert uns, die Regierung habe heute (3) sehr wichtige und sehr günstige Nachrichten von Montevideo erhalten. Die Armee des Rosas soll eine vollständige Niederlage erlitten haben. (Schon gestern haben, wie wir erwähnt, englische Blätter dieß berichtet.) (Gazette.) Ein vormaliger Officier des Kaiserreichs und reicher Gutsbesitzer in der Gegend von Lyon, der kürzlich gestorben ist, hat in seinem Testament sein Schloß und die Nutznießung seines 20,000 Fr. Renten betragenden Vermögens dem Artillerielieutenant Hrn. Laity, der von dem Pairshof wegen einer bekannten Broschüre verurtheilt ward und noch gefangen sitzt, vermacht. In Paris macht gegenwärtig eine Mordgeschichte großes Aufsehen, welche unter so geheimnißvollen Umständen begangen worden, daß es den emsigsten Nachforschungen der Polizei noch nicht gelingen konnte, auch nur die mindeste Spur des Verbrechers aufzufinden. In der Gemeinde La Villette bei Paris wurde ein fremder, gutgekleideter Knabe von etwa zehn bis zwölf Jahren dicht an der Chaussée ermordet gefunden. Er hatte die Todeswunde von hinten erhalten. Man vermuthet, das Kind sey bei Nacht auf einem Wagen gebracht worden, und der Mörder dann weiter gefahren. Die Leiche des kleinen Unglücklichen wurde auf der Morgue ausgestellt, wo sich, wie es dort üblich ist, die Schaulustigen zu Tausenden einfanden. Lange wollte Niemand das fremde Kind erkennen, bis endlich eine arme Frau, die nicht müde wurde, unter der andringenden Menge auszuharren, bis an sie die Reihe kam, in den Ruf ausbrach: „ich glaube, es ist mein Sohn, – ja er ist's!“ Die Polizeiagenten, welche beauftragt waren, die Physiognomien der Zuschauer insgeheim zu beobachten, führten die Frau näher zur Leiche, und wiederholt versicherte sie, es sey ihr Kind, das sie in unehelicher Verbindung geboren, und dem sie ihren Namen Chavaudret gegeben hatte. Der zehnjährige Philibert Chavaudret war bei einem Mützenfabricanten in der Lehre. Sein Meister hatte ihn am 6 Jul. 1838 mit einer fertigen Arbeit ausgeschickt. Er verschwand an diesem Tage, und die Anzeige, die seine Mutter bei der Polizei machte, führte zu nichts. Die Nachbarn glaubten, das Kind, das bei seiner Armuth viel darben mußte, sey wohl irgend einem Menschenfreund in die Hände gekommen, den sein Schicksal rührte, und der es zu sich genommen. Alle übrigen Personen, welche den kleinen Philibert gekannt, unter andern sein Lehrer, sein Meister, seine früheren Mitschüler wollten ihn bestimmt in der Leiche wieder erkennen. Auffallend war es aber, daß Philibert bei seinem Verschwinden schlechte Kleider getragen, der Ermordete aber einen guten Anzug hatte. Bald kamen der Mutter Zweifel. Sie versicherte, die Zähne ihres Sohnes seyen sehr klein und vollkommen regelmäßig gewesen, während die Leiche breite und unregelmäßige Zähne hat; denselben Umstand bestätigten die übrigen Zeugen. Kleidungsstücke, die der Verschwundene getragen, waren dem Ermordeten zu groß; noch einige andere Zeichen trafen nicht ein. Da die Ungewißheit wieder dieselbe, wie vordem, geworden, so wurde die unbekannte Leiche einbalsamirt, und ist nun wieder auf der Morgue ausgestellt. Einem Journal zufolge ward das Engagement der Mlle. Rachel für die Comédie française am 3 April unterzeichnet. Das Theater bewilligt der jungen Pensionärin 27,000 Fr. Gehalt, eine Benefizvorstellung, die mit 15,000 Fr. garantirt ist und 18,000 Fr. für 64 Vorstellungen (zu 280 Fr. für den Abend), zusammen also 60,000 Fr., so wie einen dreimonatlichen Urlaub. Mlle. Mars, deren Engagement ebenfalls erneuert ward, wird nur 42,000 Fr. erhalten. _ Paris, 4 April. Die Commission der Deputirtenkammer, welche mit der Prüfung des Gesetzesvorschlags eines neuen Credits für Algier beauftragt ist, hat gestern mit 8 Stimmen gegen eine den Beschluß gefaßt, diesen Credit zu beschränken und der Regierung die Nothwendigkeit anheim zu geben, das innere Land zu verlassen, und sich mit der Occupation der drei Küstenpunkte Algier, Bona und Budschia zu begnügen. Dieser Beschluß wird große Sensation erregen. Gibt die Kammer ihm ihre Zustimmung, so sind die dermaligen bedeutenden Kriegsrüstungen überflüssig. Das große Publicum, das in den Colonisationsunternehmungen nicht interessirt ist, die eigentliche Nation, wird den Beschluß der Commission günstig aufnehmen; Mißvergnügen wird er erregen in den französischen Städten am Mittelmeer, bei den Schwindlern, denen Algier ein Speculationsgegenstand war, dann bei Ankäufern von Grundstücken in Algier und den Personen, die auf Aemter daselbst Aussicht hatten. – Heute wird in der Sitzung der Kammer Hr. Larabit seinen Vorschlag über die rückständige Besoldung der Mitglieder der Ehrenlegion entwickeln; man glaubt allgemein an dessen Annahme, besonders da, dem Vernehmen nach, der Finanzminister sich nicht dagegen erklärt. Auch soll in der heutigen Sitzung der Vorschlag des Hrn. v. Remilly zur Sprache kommen, der jetzt den Hauptgegenstand der Unterhaltung in den parlamentarischen Gesellschaften und der Polemik der Journale bildet; die dem Ministerium zugethanen Blätter der Linken sprechen sich gegen diesen Vorschlag aus, woraus man schließt, die Linke beabsichtige, aus ihren freundschaftlichen Verhältnissen mit dem Ministerium Nutzen zu ziehen. Belgien. _ Brüssel, 2 April. Im Observateur liest man: „Man versichert auf bestimmte Weise, daß die HH. Lebeau und Rogier dem Könige ihre Abdankung als Gouverneure eingesandt haben.“ Der Indépendant fügt Obigem hinzu: „Wir vernehmen, daß die durch den Observateur gemeldete Thatsache richtig ist.“ – Hr. Mercier, Generaldirector der Finanzen, will auch seine Entlassung nehmen. – Der Antrag des Grafen Felix v. Merode an die Kammer (wir verweisen auf den Brüsseler Brief in der heutigen Beilage) lautet dahin, den General Vandersmissen zu pensioniren. Hiermit soll zweierlei bezweckt werden: erstens würde dieser hierdurch davon abgehalten, vor den Gerichten die Zahlung seines Gehalts nachzusuchen, den ihm die Kammer durch eine Art von Machtspruch nehmen gewollt, auf

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 100. Augsburg, 9. April 1840, S. 0795. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_100_18400409/3>, abgerufen am 09.11.2024.