Allgemeine Zeitung. Nr. 102. Augsburg, 11. April 1840.zu den Waffen greifen, und nahm dem Feind die Heerden wieder ab. Der Eifer trieb aber wie gewöhnlich die Verfolger zu weit, und als die Colonne Yussufs, im Ganzen aus 860 Mann aller Waffengattungen bestehend, auf der Höhe von Ten-Salmet angekommen war, kamen aus dieser Schlucht 8000 Reiter hervor. Die kleine Colonne gerieth, weit vom Lager entfernt, in eine sehr gefährliche Lage. Obrist Yussuf gab daher Befehl, ein Carre zu formiren, zu welchem alle als Plänkler zerstreuten Truppen sich vereinigen sollten. Um aber dieses Manöuvre auszuführen, mußte man die Feinde abhalten, auf die Infanterie sich zu stürzen, ehe das Viereck gebildet war. Die 4te Escadron der Spahis, unter dem Befehl des Capitäns Montebello, erhielt Befehl, auf die Araber loszugehen, und diese bis zur Formirung des Carre's zu beschäftigen. Diese 65 Tapfern und ihr Anführer, ein Sohn des Marschall Lannes, fochten eine halbe Stunde lang gegen mehr als 1000 Reiter; zuletzt war Alles im Handgemeng mit blanker Waffe. Ein Drittheil der Escadron wurde theils getödtet, theils verwundet. Inzwischen war das Viereck gebildet, welches, von vier Seiten sein Feuer auf den Feind sprühend, tapfer Stand hielt, bis gegen Abend Cavallerieverstärkungen aus Oran anlangten. Die Araber hatten das Viereck umringt, und schienen dasselbe als ihre sichere Beute zu betrachten. Die Munition fing eben an der Colonne auszugehen, als die Ankunft des Generals Parchappe sie rettete. Die Franzosen ergriffen nun wieder die Offensive und verfolgten die Reiter Buhamedis bis 3 1/2 Lieues über Messerghin hinaus. Der Verlust der Franzosen betrug 41 Todte und 52 Verwundete, während die Araber über 400 Mann verloren haben sollen. Paris, 4 April. Versöhnung, das ist das Thema des Ministeriums - ein nicht so schweres Geschäft, als es anfangs scheinen mochte. Die Conciliation ist ein Kind der Sicherheit und Ruhe; diese wird geboren aus Abspannung der Parteien, ihrer gänzlichen Verflachung, und diese ist seit der Juliusrevolution vollendet. Die Geister sind abgeritten, durchgemüdet, sie hängen kaum noch trümmerhaft zusammen, alle große Nahrung ist ihnen benommen. Nur die Zeitungsschreiber machen hier und da noch Spectakel mit dem Parteigeist. Aber Ein ernsthaft Ding ist übrig: der Volksgeist nach unten, obwohl gedämpft, halb erstickt, niedergehalten, durch Polizei bewältigt; dort aber glimmen die Flammen, aus denen Irruptionen der Zukunft möglich werden. Der Kampf des Juste-Milieu, seiner Nuancen, der Oppositionsmänner ist leidenschaftslos, was die Gesinnungen und Interessen anbetrifft; nur die Persönlichkeiten waren im Kampf, und nur diese drohten Gefahr durch Aufruf an die Leidenschaften von unten. Das Ministerium Thiers hat also gar kein schweres Versöhnungsgeschäft. Das Schwierige ist die Administration. Welchen Impuls ihr geben? Das ganze Corpus der Administration ist unheilbar knechtisch gesinnt und mittelmäßig, ohne Einfluß auf Geist und Gesinnung des Landes. Die an der Thüre klopfenden Remplacants entbehren aller Erfahrung, Schößlinge negirender Gesinnungen, die nur gar zu leicht in administrative Plackereien umschlagen. Lange Zeit wird dazu gehören, einen respectablen Verwaltungskörper zu organisiren, besonders da die Tendenz der Regierung ist, keine freien Gemeinden sich bilden zu lassen, keine localen Thätigkeiten und Einflüsse zu befördern. Hr. Cousin sorgt für Bildung der Schulanstalten durch Aggregirte und Concurse; aber bis jetzt fehlen fast überall die Subjecte, und lange Zeit wird noch verfließen, ehe die Schulen erstarken. Die Jugend leider ist in schlechter Modeschule groß gezogen; die HH. Michelet und Quinet, Lerminier und andere haben ihnen allerlei verworrenen Hegelianismus aus siebenter Hand, bunten Pantheismus, und ich weiß nicht was für Poesie, Philosophie, Historie, den Deutschen flüchtig und schlecht abgelernt, vorgebrockt; aus diesem Wortchaos und Gedankenwust muß die Jugend erst heraus zum Ernst und zur Tiefe, wenn sie Elemente tüchtigerer Schulbildung abgeben will. Paris, 5 April. Hr. Thiers darf weder die Conservativen, noch die Linke verletzen; er schwebt gleichsam zwischen zwei Systemen und in dieser Alternative kann er weder freie Wahlen im Personal treffen, noch einen bedeutenden Regierungsact vollführen. Sonach ist dieses Cabinet, das so thätig, so neu auftreten wollte, zur Unmacht verurtheilt, und sieht sich auf die alten Elemente verwiesen. Man darf inzwischen nicht glauben, daß dieses System nicht seine Mission habe. Vor einigen Tagen sagte ein vormaliger Minister von dem Conseilpräsidenten: "Er unterliegt einem doppelten Verhängniß: der englischen Allianz und der Linken." Diese Neigung auf die Seite Englands ist eine wunde Stelle für Thiers. Die englische Allianz ist in Frankreich nicht populär, und stellt sich überall als ein Hinderniß entgegen; bei allen Fragen der Nationalehre stößt man dort auf eine Opposition gegen unsere Ansichten und unsere Interessen. So spricht man z. B. gegenwärtig mehr als jemals von einer auf die drei Punkte Oran, Algier und Bona beschränkten Besetzung Algiers. In dem Streite zwischen Neapel und England würde unsere Ehre fordern, daß wir für die Unabhängigkeit eines Königs Partei nähmen, welcher der regierenden Familie so nahe steht. Die Stellung des neuen Ministeriums ist aber in Bezug auf England von der Art, daß es nur sehr beschränkte Remonstrationen machen kann, ja vielleicht die Hand zu einem dem Völkerrecht und unsern Interessen widerstrebenden Verfahren bieten muß. Die Pairskammer wird schwierig, und hält sich zu einer großen Opposition bereit. Ich spreche hier nicht bloß von Hrn. v. Mole, sondern auch von dem Marschall Soult. Die dem Schlosse ergebenen Pairs wollen zu einem Hrn. Thiers feindseligen System zusammen halten. Es fragt sich, ob er im Stande ist, diese Schwierigkeiten zu überwinden. In Lons le Saulnier sind Unordnungen von ziemlicher Bedeutung vorgefallen. Die Ruhestörer zogen unter dem Vorwande, daß auf dem Schlosse von Cousances, dessen Besitzer der Legitimist Hr. Vaunoir ist, Kartoffeln angehäuft worden seyen, in Masse dahin. Sie plünderten es vollständig aus. Die Magistrate traten dazwischen, aber die Autorität des Präfecten ward verachtet. Er wurde von einem zu der Zusammenrottung gehörenden Individuum am Halse gepackt, und mußte den Degen zu seiner Vertheidigung ziehen. Man glaubt übrigens, daß diese Unordnungen keine weitern traurigen Folgen nach sich gezogen haben werden. Niederlande. Vom Niederrhein, 3 April. In den letzten Tagen waren die Abtheilungen der Generalstaaten mit den von der Regierung vorgeschlagenen Entwürfen zur Veränderung des Grundgesetzes beschäftigt, und wenn auch einige derselben Beifall fanden, so war dieß doch mit der Mehrzahl nicht der Fall. Die Aufhebung des zehnjährigen Budgets fand Beifall, aber man konnte sich nicht mit der Ansicht verständigen, daß die Ausgaben für zwei Jahre und die Einnahmen für unbestimmte Zeit sollten festgestellt werden. Das letzte namentlich wirft man mit der allgemeinen Anklage gegen die Regierung zusammen, daß sie in den Finanzen nicht offen zu Werke gehe; darin liegt auch wohl der Grund, weßhalb alle Abtheilungen der Kammer ohne Unterschied auf die Feststellung der Ministerverantwortlichkeit dringen, weil sonst jeder Angriff gegen die Finanzverwaltung als gegen den König selbst zu den Waffen greifen, und nahm dem Feind die Heerden wieder ab. Der Eifer trieb aber wie gewöhnlich die Verfolger zu weit, und als die Colonne Yussufs, im Ganzen aus 860 Mann aller Waffengattungen bestehend, auf der Höhe von Ten-Salmet angekommen war, kamen aus dieser Schlucht 8000 Reiter hervor. Die kleine Colonne gerieth, weit vom Lager entfernt, in eine sehr gefährliche Lage. Obrist Yussuf gab daher Befehl, ein Carré zu formiren, zu welchem alle als Plänkler zerstreuten Truppen sich vereinigen sollten. 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Die Franzosen ergriffen nun wieder die Offensive und verfolgten die Reiter Buhamedis bis 3 1/2 Lieues über Messerghin hinaus. Der Verlust der Franzosen betrug 41 Todte und 52 Verwundete, während die Araber über 400 Mann verloren haben sollen. Paris, 4 April. Versöhnung, das ist das Thema des Ministeriums – ein nicht so schweres Geschäft, als es anfangs scheinen mochte. Die Conciliation ist ein Kind der Sicherheit und Ruhe; diese wird geboren aus Abspannung der Parteien, ihrer gänzlichen Verflachung, und diese ist seit der Juliusrevolution vollendet. Die Geister sind abgeritten, durchgemüdet, sie hängen kaum noch trümmerhaft zusammen, alle große Nahrung ist ihnen benommen. Nur die Zeitungsschreiber machen hier und da noch Spectakel mit dem Parteigeist. Aber Ein ernsthaft Ding ist übrig: der Volksgeist nach unten, obwohl gedämpft, halb erstickt, niedergehalten, durch Polizei bewältigt; dort aber glimmen die Flammen, aus denen Irruptionen der Zukunft möglich werden. Der Kampf des Juste-Milieu, seiner Nuancen, der Oppositionsmänner ist leidenschaftslos, was die Gesinnungen und Interessen anbetrifft; nur die Persönlichkeiten waren im Kampf, und nur diese drohten Gefahr durch Aufruf an die Leidenschaften von unten. Das Ministerium Thiers hat also gar kein schweres Versöhnungsgeschäft. Das Schwierige ist die Administration. Welchen Impuls ihr geben? Das ganze Corpus der Administration ist unheilbar knechtisch gesinnt und mittelmäßig, ohne Einfluß auf Geist und Gesinnung des Landes. Die an der Thüre klopfenden Remplaçants entbehren aller Erfahrung, Schößlinge negirender Gesinnungen, die nur gar zu leicht in administrative Plackereien umschlagen. Lange Zeit wird dazu gehören, einen respectablen Verwaltungskörper zu organisiren, besonders da die Tendenz der Regierung ist, keine freien Gemeinden sich bilden zu lassen, keine localen Thätigkeiten und Einflüsse zu befördern. Hr. Cousin sorgt für Bildung der Schulanstalten durch Aggregirte und Concurse; aber bis jetzt fehlen fast überall die Subjecte, und lange Zeit wird noch verfließen, ehe die Schulen erstarken. Die Jugend leider ist in schlechter Modeschule groß gezogen; die HH. Michelet und Quinet, Lerminier und andere haben ihnen allerlei verworrenen Hegelianismus aus siebenter Hand, bunten Pantheismus, und ich weiß nicht was für Poesie, Philosophie, Historie, den Deutschen flüchtig und schlecht abgelernt, vorgebrockt; aus diesem Wortchaos und Gedankenwust muß die Jugend erst heraus zum Ernst und zur Tiefe, wenn sie Elemente tüchtigerer Schulbildung abgeben will. Paris, 5 April. Hr. Thiers darf weder die Conservativen, noch die Linke verletzen; er schwebt gleichsam zwischen zwei Systemen und in dieser Alternative kann er weder freie Wahlen im Personal treffen, noch einen bedeutenden Regierungsact vollführen. Sonach ist dieses Cabinet, das so thätig, so neu auftreten wollte, zur Unmacht verurtheilt, und sieht sich auf die alten Elemente verwiesen. Man darf inzwischen nicht glauben, daß dieses System nicht seine Mission habe. Vor einigen Tagen sagte ein vormaliger Minister von dem Conseilpräsidenten: „Er unterliegt einem doppelten Verhängniß: der englischen Allianz und der Linken.“ Diese Neigung auf die Seite Englands ist eine wunde Stelle für Thiers. Die englische Allianz ist in Frankreich nicht populär, und stellt sich überall als ein Hinderniß entgegen; bei allen Fragen der Nationalehre stößt man dort auf eine Opposition gegen unsere Ansichten und unsere Interessen. So spricht man z. B. gegenwärtig mehr als jemals von einer auf die drei Punkte Oran, Algier und Bona beschränkten Besetzung Algiers. In dem Streite zwischen Neapel und England würde unsere Ehre fordern, daß wir für die Unabhängigkeit eines Königs Partei nähmen, welcher der regierenden Familie so nahe steht. Die Stellung des neuen Ministeriums ist aber in Bezug auf England von der Art, daß es nur sehr beschränkte Remonstrationen machen kann, ja vielleicht die Hand zu einem dem Völkerrecht und unsern Interessen widerstrebenden Verfahren bieten muß. Die Pairskammer wird schwierig, und hält sich zu einer großen Opposition bereit. Ich spreche hier nicht bloß von Hrn. v. Molé, sondern auch von dem Marschall Soult. Die dem Schlosse ergebenen Pairs wollen zu einem Hrn. Thiers feindseligen System zusammen halten. Es fragt sich, ob er im Stande ist, diese Schwierigkeiten zu überwinden. In Lons le Saulnier sind Unordnungen von ziemlicher Bedeutung vorgefallen. Die Ruhestörer zogen unter dem Vorwande, daß auf dem Schlosse von Cousances, dessen Besitzer der Legitimist Hr. Vaunoir ist, Kartoffeln angehäuft worden seyen, in Masse dahin. Sie plünderten es vollständig aus. Die Magistrate traten dazwischen, aber die Autorität des Präfecten ward verachtet. Er wurde von einem zu der Zusammenrottung gehörenden Individuum am Halse gepackt, und mußte den Degen zu seiner Vertheidigung ziehen. Man glaubt übrigens, daß diese Unordnungen keine weitern traurigen Folgen nach sich gezogen haben werden. Niederlande. Vom Niederrhein, 3 April. In den letzten Tagen waren die Abtheilungen der Generalstaaten mit den von der Regierung vorgeschlagenen Entwürfen zur Veränderung des Grundgesetzes beschäftigt, und wenn auch einige derselben Beifall fanden, so war dieß doch mit der Mehrzahl nicht der Fall. Die Aufhebung des zehnjährigen Budgets fand Beifall, aber man konnte sich nicht mit der Ansicht verständigen, daß die Ausgaben für zwei Jahre und die Einnahmen für unbestimmte Zeit sollten festgestellt werden. Das letzte namentlich wirft man mit der allgemeinen Anklage gegen die Regierung zusammen, daß sie in den Finanzen nicht offen zu Werke gehe; darin liegt auch wohl der Grund, weßhalb alle Abtheilungen der Kammer ohne Unterschied auf die Feststellung der Ministerverantwortlichkeit dringen, weil sonst jeder Angriff gegen die Finanzverwaltung als gegen den König selbst <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0003" n="0811"/> zu den Waffen greifen, und nahm dem Feind die Heerden wieder ab. Der Eifer trieb aber wie gewöhnlich die Verfolger zu weit, und als die Colonne Yussufs, im Ganzen aus 860 Mann aller Waffengattungen bestehend, auf der Höhe von Ten-Salmet angekommen war, kamen aus dieser Schlucht 8000 Reiter hervor. Die kleine Colonne gerieth, weit vom Lager entfernt, in eine sehr gefährliche Lage. Obrist Yussuf gab daher Befehl, ein Carré zu formiren, zu welchem alle als Plänkler zerstreuten Truppen sich vereinigen sollten. Um aber dieses Manöuvre auszuführen, mußte man die Feinde abhalten, auf die Infanterie sich zu stürzen, ehe das Viereck gebildet war. Die 4te Escadron der Spahis, unter dem Befehl des Capitäns Montebello, erhielt Befehl, auf die Araber loszugehen, und diese bis zur Formirung des Carré's zu beschäftigen. Diese 65 Tapfern und ihr Anführer, ein Sohn des Marschall Lannes, fochten eine halbe Stunde lang gegen mehr als 1000 Reiter; zuletzt war Alles im Handgemeng mit blanker Waffe. Ein Drittheil der Escadron wurde theils getödtet, theils verwundet. Inzwischen war das Viereck gebildet, welches, von vier Seiten sein Feuer auf den Feind sprühend, tapfer Stand hielt, bis gegen Abend Cavallerieverstärkungen aus Oran anlangten. Die Araber hatten das Viereck umringt, und schienen dasselbe als ihre sichere Beute zu betrachten. Die Munition fing eben an der Colonne auszugehen, als die Ankunft des Generals Parchappe sie rettete. Die Franzosen ergriffen nun wieder die Offensive und verfolgten die Reiter Buhamedis bis 3 1/2 Lieues über Messerghin hinaus. Der Verlust der Franzosen betrug 41 Todte und 52 Verwundete, während die Araber über 400 Mann verloren haben sollen.</p> </div><lb/> <div n="2"> <byline> <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 4 April.</dateline> <p><hi rendition="#g">Versöhnung</hi>, das ist das Thema des Ministeriums – ein nicht so schweres Geschäft, als es anfangs scheinen mochte. Die Conciliation ist ein Kind der Sicherheit und Ruhe; diese wird geboren aus Abspannung der Parteien, ihrer gänzlichen Verflachung, und diese ist seit der Juliusrevolution vollendet. Die Geister sind abgeritten, durchgemüdet, sie hängen kaum noch trümmerhaft zusammen, alle große Nahrung ist ihnen benommen. Nur die Zeitungsschreiber machen hier und da noch Spectakel mit dem Parteigeist. Aber Ein ernsthaft Ding ist übrig: der Volksgeist nach unten, obwohl gedämpft, halb erstickt, niedergehalten, durch Polizei bewältigt; dort aber glimmen die Flammen, aus denen Irruptionen der Zukunft möglich werden. Der Kampf des Juste-Milieu, seiner Nuancen, der Oppositionsmänner ist leidenschaftslos, was die Gesinnungen und Interessen anbetrifft; nur die Persönlichkeiten waren im Kampf, und nur diese drohten Gefahr durch Aufruf an die Leidenschaften von unten. Das Ministerium Thiers hat also gar kein schweres Versöhnungsgeschäft. Das Schwierige ist die Administration. Welchen Impuls ihr geben? Das ganze Corpus der Administration ist unheilbar knechtisch gesinnt und mittelmäßig, ohne Einfluß auf Geist und Gesinnung des Landes. Die an der Thüre klopfenden Remplaçants entbehren aller Erfahrung, Schößlinge negirender Gesinnungen, die nur gar zu leicht in administrative Plackereien umschlagen. Lange Zeit wird dazu gehören, einen respectablen Verwaltungskörper zu organisiren, besonders da die Tendenz der Regierung ist, keine freien Gemeinden sich bilden zu lassen, keine localen Thätigkeiten und Einflüsse zu befördern. Hr. Cousin sorgt für Bildung der Schulanstalten durch Aggregirte und Concurse; aber bis jetzt fehlen fast überall die Subjecte, und lange Zeit wird noch verfließen, ehe die Schulen erstarken. Die Jugend leider ist in schlechter Modeschule groß gezogen; die HH. Michelet und Quinet, Lerminier und andere haben ihnen allerlei verworrenen Hegelianismus aus siebenter Hand, bunten Pantheismus, und ich weiß nicht was für Poesie, Philosophie, Historie, den Deutschen flüchtig und schlecht abgelernt, vorgebrockt; aus diesem Wortchaos und Gedankenwust muß die Jugend erst heraus zum Ernst und zur Tiefe, wenn sie Elemente tüchtigerer Schulbildung abgeben will.</p> </div><lb/> <div n="2"> <byline> <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 5 April.</dateline> <p> Hr. Thiers darf weder die Conservativen, noch die Linke verletzen; er schwebt gleichsam zwischen zwei Systemen und in dieser Alternative kann er weder freie Wahlen im Personal treffen, noch einen bedeutenden Regierungsact vollführen. Sonach ist dieses Cabinet, das so thätig, so neu auftreten wollte, zur Unmacht verurtheilt, und sieht sich auf die alten Elemente verwiesen. Man darf inzwischen nicht glauben, daß dieses System nicht seine Mission habe. Vor einigen Tagen sagte ein vormaliger Minister von dem Conseilpräsidenten: „Er unterliegt einem doppelten Verhängniß: der englischen Allianz und der Linken.“ Diese Neigung auf die Seite Englands ist eine wunde Stelle für Thiers. Die englische Allianz ist in Frankreich nicht populär, und stellt sich überall als ein Hinderniß entgegen; bei allen Fragen der Nationalehre stößt man dort auf eine Opposition gegen unsere Ansichten und unsere Interessen. So spricht man z. B. gegenwärtig mehr als jemals von einer auf die drei Punkte Oran, Algier und Bona beschränkten Besetzung Algiers. In dem Streite zwischen Neapel und England würde unsere Ehre fordern, daß wir für die Unabhängigkeit eines Königs Partei nähmen, welcher der regierenden Familie so nahe steht. Die Stellung des neuen Ministeriums ist aber in Bezug auf England von der Art, daß es nur sehr beschränkte Remonstrationen machen kann, ja vielleicht die Hand zu einem dem Völkerrecht und unsern Interessen widerstrebenden Verfahren bieten muß. Die Pairskammer wird schwierig, und hält sich zu einer großen Opposition bereit. Ich spreche hier nicht bloß von Hrn. v. Molé, sondern auch von dem Marschall Soult. Die dem Schlosse ergebenen Pairs wollen zu einem Hrn. Thiers feindseligen System zusammen halten. Es fragt sich, ob er im Stande ist, diese Schwierigkeiten zu überwinden.</p><lb/> <p>In Lons le Saulnier sind Unordnungen von ziemlicher Bedeutung vorgefallen. Die Ruhestörer zogen unter dem Vorwande, daß auf dem Schlosse von Cousances, dessen Besitzer der Legitimist Hr. Vaunoir ist, Kartoffeln angehäuft worden seyen, in Masse dahin. Sie plünderten es vollständig aus. Die Magistrate traten dazwischen, aber die Autorität des Präfecten ward verachtet. 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zu den Waffen greifen, und nahm dem Feind die Heerden wieder ab. Der Eifer trieb aber wie gewöhnlich die Verfolger zu weit, und als die Colonne Yussufs, im Ganzen aus 860 Mann aller Waffengattungen bestehend, auf der Höhe von Ten-Salmet angekommen war, kamen aus dieser Schlucht 8000 Reiter hervor. Die kleine Colonne gerieth, weit vom Lager entfernt, in eine sehr gefährliche Lage. Obrist Yussuf gab daher Befehl, ein Carré zu formiren, zu welchem alle als Plänkler zerstreuten Truppen sich vereinigen sollten. Um aber dieses Manöuvre auszuführen, mußte man die Feinde abhalten, auf die Infanterie sich zu stürzen, ehe das Viereck gebildet war. Die 4te Escadron der Spahis, unter dem Befehl des Capitäns Montebello, erhielt Befehl, auf die Araber loszugehen, und diese bis zur Formirung des Carré's zu beschäftigen. Diese 65 Tapfern und ihr Anführer, ein Sohn des Marschall Lannes, fochten eine halbe Stunde lang gegen mehr als 1000 Reiter; zuletzt war Alles im Handgemeng mit blanker Waffe. Ein Drittheil der Escadron wurde theils getödtet, theils verwundet. Inzwischen war das Viereck gebildet, welches, von vier Seiten sein Feuer auf den Feind sprühend, tapfer Stand hielt, bis gegen Abend Cavallerieverstärkungen aus Oran anlangten. Die Araber hatten das Viereck umringt, und schienen dasselbe als ihre sichere Beute zu betrachten. Die Munition fing eben an der Colonne auszugehen, als die Ankunft des Generals Parchappe sie rettete. Die Franzosen ergriffen nun wieder die Offensive und verfolgten die Reiter Buhamedis bis 3 1/2 Lieues über Messerghin hinaus. Der Verlust der Franzosen betrug 41 Todte und 52 Verwundete, während die Araber über 400 Mann verloren haben sollen.
_ Paris, 4 April. Versöhnung, das ist das Thema des Ministeriums – ein nicht so schweres Geschäft, als es anfangs scheinen mochte. Die Conciliation ist ein Kind der Sicherheit und Ruhe; diese wird geboren aus Abspannung der Parteien, ihrer gänzlichen Verflachung, und diese ist seit der Juliusrevolution vollendet. Die Geister sind abgeritten, durchgemüdet, sie hängen kaum noch trümmerhaft zusammen, alle große Nahrung ist ihnen benommen. Nur die Zeitungsschreiber machen hier und da noch Spectakel mit dem Parteigeist. Aber Ein ernsthaft Ding ist übrig: der Volksgeist nach unten, obwohl gedämpft, halb erstickt, niedergehalten, durch Polizei bewältigt; dort aber glimmen die Flammen, aus denen Irruptionen der Zukunft möglich werden. Der Kampf des Juste-Milieu, seiner Nuancen, der Oppositionsmänner ist leidenschaftslos, was die Gesinnungen und Interessen anbetrifft; nur die Persönlichkeiten waren im Kampf, und nur diese drohten Gefahr durch Aufruf an die Leidenschaften von unten. Das Ministerium Thiers hat also gar kein schweres Versöhnungsgeschäft. Das Schwierige ist die Administration. Welchen Impuls ihr geben? Das ganze Corpus der Administration ist unheilbar knechtisch gesinnt und mittelmäßig, ohne Einfluß auf Geist und Gesinnung des Landes. Die an der Thüre klopfenden Remplaçants entbehren aller Erfahrung, Schößlinge negirender Gesinnungen, die nur gar zu leicht in administrative Plackereien umschlagen. Lange Zeit wird dazu gehören, einen respectablen Verwaltungskörper zu organisiren, besonders da die Tendenz der Regierung ist, keine freien Gemeinden sich bilden zu lassen, keine localen Thätigkeiten und Einflüsse zu befördern. Hr. Cousin sorgt für Bildung der Schulanstalten durch Aggregirte und Concurse; aber bis jetzt fehlen fast überall die Subjecte, und lange Zeit wird noch verfließen, ehe die Schulen erstarken. Die Jugend leider ist in schlechter Modeschule groß gezogen; die HH. Michelet und Quinet, Lerminier und andere haben ihnen allerlei verworrenen Hegelianismus aus siebenter Hand, bunten Pantheismus, und ich weiß nicht was für Poesie, Philosophie, Historie, den Deutschen flüchtig und schlecht abgelernt, vorgebrockt; aus diesem Wortchaos und Gedankenwust muß die Jugend erst heraus zum Ernst und zur Tiefe, wenn sie Elemente tüchtigerer Schulbildung abgeben will.
_ Paris, 5 April. Hr. Thiers darf weder die Conservativen, noch die Linke verletzen; er schwebt gleichsam zwischen zwei Systemen und in dieser Alternative kann er weder freie Wahlen im Personal treffen, noch einen bedeutenden Regierungsact vollführen. Sonach ist dieses Cabinet, das so thätig, so neu auftreten wollte, zur Unmacht verurtheilt, und sieht sich auf die alten Elemente verwiesen. Man darf inzwischen nicht glauben, daß dieses System nicht seine Mission habe. Vor einigen Tagen sagte ein vormaliger Minister von dem Conseilpräsidenten: „Er unterliegt einem doppelten Verhängniß: der englischen Allianz und der Linken.“ Diese Neigung auf die Seite Englands ist eine wunde Stelle für Thiers. Die englische Allianz ist in Frankreich nicht populär, und stellt sich überall als ein Hinderniß entgegen; bei allen Fragen der Nationalehre stößt man dort auf eine Opposition gegen unsere Ansichten und unsere Interessen. So spricht man z. B. gegenwärtig mehr als jemals von einer auf die drei Punkte Oran, Algier und Bona beschränkten Besetzung Algiers. In dem Streite zwischen Neapel und England würde unsere Ehre fordern, daß wir für die Unabhängigkeit eines Königs Partei nähmen, welcher der regierenden Familie so nahe steht. Die Stellung des neuen Ministeriums ist aber in Bezug auf England von der Art, daß es nur sehr beschränkte Remonstrationen machen kann, ja vielleicht die Hand zu einem dem Völkerrecht und unsern Interessen widerstrebenden Verfahren bieten muß. Die Pairskammer wird schwierig, und hält sich zu einer großen Opposition bereit. Ich spreche hier nicht bloß von Hrn. v. Molé, sondern auch von dem Marschall Soult. Die dem Schlosse ergebenen Pairs wollen zu einem Hrn. Thiers feindseligen System zusammen halten. Es fragt sich, ob er im Stande ist, diese Schwierigkeiten zu überwinden.
In Lons le Saulnier sind Unordnungen von ziemlicher Bedeutung vorgefallen. Die Ruhestörer zogen unter dem Vorwande, daß auf dem Schlosse von Cousances, dessen Besitzer der Legitimist Hr. Vaunoir ist, Kartoffeln angehäuft worden seyen, in Masse dahin. Sie plünderten es vollständig aus. Die Magistrate traten dazwischen, aber die Autorität des Präfecten ward verachtet. Er wurde von einem zu der Zusammenrottung gehörenden Individuum am Halse gepackt, und mußte den Degen zu seiner Vertheidigung ziehen. Man glaubt übrigens, daß diese Unordnungen keine weitern traurigen Folgen nach sich gezogen haben werden.
Niederlande.
_ Vom Niederrhein, 3 April. In den letzten Tagen waren die Abtheilungen der Generalstaaten mit den von der Regierung vorgeschlagenen Entwürfen zur Veränderung des Grundgesetzes beschäftigt, und wenn auch einige derselben Beifall fanden, so war dieß doch mit der Mehrzahl nicht der Fall. Die Aufhebung des zehnjährigen Budgets fand Beifall, aber man konnte sich nicht mit der Ansicht verständigen, daß die Ausgaben für zwei Jahre und die Einnahmen für unbestimmte Zeit sollten festgestellt werden. Das letzte namentlich wirft man mit der allgemeinen Anklage gegen die Regierung zusammen, daß sie in den Finanzen nicht offen zu Werke gehe; darin liegt auch wohl der Grund, weßhalb alle Abtheilungen der Kammer ohne Unterschied auf die Feststellung der Ministerverantwortlichkeit dringen, weil sonst jeder Angriff gegen die Finanzverwaltung als gegen den König selbst
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