Allgemeine Zeitung. Nr. 102. Augsburg, 11. April 1840.unser verehrter Großherzog soll schon eine namhafte Summe für sein Exemplar unterzeichnet haben. Preußen. Berlin, 5 April. Der russische Thronfolger, der hier seit drei Tagen verweilt, erschien heute (Sonntag) bei der Kirchenparade, und ward, seinem Aeußern nach, allgemein als stärker geworden, wenn nicht eben auch als wohler aussehend denn früher befunden. Der Prinz würde erst morgen früh seine Weiterreise antreten; da jedoch bekanntlich kein Russe am Montag abreist, so muß schon die Nacht geopfert werden, und so wird Se. kaiserl. Hoh. heute Abend zunächst nach Weimar und dann nach Darmstadt sich begeben. Unser König hat sich während der Anwesenheit seines Enkels von seinem Unwohlseyn gänzlich erholt, und seit vorgestern wird kein Bulletin mehr ausgegeben. Gestern hat Se. Maj. auch die überraschende Nachricht erhalten, daß die Kaiserin von Rußland nun doch noch in diesem Frühjahr den väterlichen Hof besuchen werde, und zwar denkt Ihre Maj. im Monat Mai nach Schloß Fischbach in Schlesien, dem reizenden Aufenthalt ihrer mütterlichen Freundin, der Prinzessin Wilhelm, zu kommen, dort einige Wochen in der gesunden Gebirgsluft zu verweilen, dann nach Berlin, und von hier endlich nach Ems zu reisen. - Auch in der Umgebung des Großfürsten glaubte man, daß die zur Expedition nach Chiwa verwandten Truppen jetzt schon wieder in Orenburg angekommen seyn werden. Die ganze Expedition soll übrigens auf den Antrag des Generals Perowsky unternommen worden seyn, der über das Gelingen derselben, da er des Anschlusses der Kirgisenstämme sicher war, keinen Zweifel hegte; doch hat er allerdings so ungewöhnliche Witterungserscheinungen als Hinderniß nicht erwarten können. Glücklicherweise war sein Truppencorps nur sehr klein; die größte Stärke desselben bestand eben aus den Kirgisen, die sich ihm in der Steppe angeschlossen hatten. Oesterreich. Wien, 5 April. Ein neapolitanischer Courier ist in verflossener Nacht hier eingetroffen, und soll wichtige Depeschen überbracht haben, die, wie man vermuthet, über den Streit handeln, der zwischen England und Neapel bezüglich des Schwefelmonopols ausgebrochen ist. Derselbe Courier ist im Laufe des Tages über Berlin nach St. Petersburg weiter gegangen. Es scheint, daß die neapolitanische Regierung sich Rath erbittet, um darnach ihr Betragen einzurichten. Es wäre sehr zu bedauern, wenn man sich nicht auf gütlichem Wege verständigte. Es ist aber kaum denkbar, daß es anders seyn könne. - Ein österreichischer Courier ist aus London eingetroffen, der gleichfalls wichtige Depeschen überbracht habe, die auf den Orient sich beziehen sollen. Man glaubt, daß die orientalischen Angelegenheiten sich ihrem Ende nähern. Es wird jedoch wohl erst abgewartet werden müssen, wie das neue Ministerium in Frankreich sie wirklich aufzufassen gedenkt, denn bevor die Mächte genau unter sich einig sind, kann schwerlich die Zeit und Art bestimmt werden, wie jene Differenz völlig beseitigt werden soll. Serbien. Von der türkischen Gränze, 24 März. Die Vorgänge in Serbien während der letzten Monate haben an der innern Selbstständigkeit dieses Landes, welche durch Milosch nicht nur factisch begründet, sondern auch von der Pforte anerkannt war, unablässig gerüttelt, und der letztern ihren verlornen Einfluß in dem Maaße wieder verschafft, daß sie diesen nun - ob zum Glück oder Unglück des Landes? muß die Zukunft lehren - auch auf die innern Angelegenheiten fast eben so wie in andern unmittelbar abhängigen Provinzen ausübt. Das zweifelhafte Verdienst dieser Gestalt der Dinge gebührt den sogenannten Patrioten, oder, mit andern Worten, der Opposition unter Milosch. Ich will diese Behauptung in Kürze etwas detailliren. Die Macht und das Ansehen des Fürsten Milosch, seine Strenge, die oft bis zur Härte stieg, seine Beschränkung der Primaten, welche auf Unkosten des gemeinen Mannes nach immer größern Vorrechten strebten, hatten ihm unter diesen Primaten eine Menge Gegner geschaffen, die mehr als einmal vergeblich versuchten, die von ihm gegründete Ordnung im Lande zu ändern. Dieses Ziel zu erreichen gab es, wie sie allmählich einsahen, keinen geeignetern Weg, als sich der Pforte in die Arme zu werfen. Dieser Schritt versprach in den letzten Jahren darum großen Erfolg, weil sich zufälligerweise damit das Interesse der Schutzmacht Serbiens vereinigte. Rußland mußte nämlich ebenfalls eine Aenderung wünschen, um seinen unter Milosch durch dessen intime Verhältnisse zu dem englischen Obrist Hodges sehr bedroht erachteteten Einfluß wieder zu gewinnen. Es sah ein, daß es durch eine Wiederherstellung oder Steigerung des türkischen Einflusses nur dem eigenen den Weg bahne, daher seine Agenten angewiesen wurden, die serbischen Patrioten bei der Pforte zu unterstützen. So gelang die Einführung des organischen Status und als unausbleiblich vorausgesehene Folge hievon der Sturz des Fürsten Milosch; dann die Berufung von Männern, die das ungeschmälerte Vertrauen Rußlands besaßen, an die Spitze der provisorischen Regierung, wozu unbedingt die Genehmigung der Pforte erfolgte. Als später ein Mitglied der Regentschaft, Hr. Jephrem Obrenowitsch, Bruder des Fürsten Milosch, sonst das ergebenste Organ Rußlands, mit Schrecken die nachtheiligen Folgen dieses äußern Einflusses, das Sinken der innern Selbstständigkeit Serbiens und die Fortschritte der Anarchie wahrzunehmen glaubte, und deßhalb eine gemäßigtere, diesen Uebelständen vorbeugende Bahn einzuschlagen rieth, worüber er mit seinen beiden Collegen zerfiel, fanden es diese in ihrem Interesse, die Pforte zu noch weitern Eingriffen aufzufordern. Sie besorgten nämlich, daß nach dem Regierungsantritt des jungen Fürsten Michael dieser sich vorzugsweise an seinen Oheim anschließen werde. Um dem vorzubeugen, wurden Intriguen in Konstantinopel eingeleitet; man suchte Hrn. Jephrems Treue, seine Anhänglichkeit an das Statut zu verdächtigen, und in Folge dessen wurde die Pforte veranlaßt zu befehlen, daß dem jungen Fürsten die beiden Regentschaftsmitglieder Petroniewitsch und Wucsitsch als Räthe zur Seite stehen, auf deren Rath er hören solle. Damit war der mit so großen Opfern errungenen Selbstständigkeit Serbiens aufs entschiedenste der Stab gebrochen, und dieses Land gleichsam der unmittelbaren Herrschaft der Pforte wieder unterstellt. Sie hat hienach das Recht, die Regierung Serbiens, wie in allen andern Provinzen, beliebig zu ändern. Serbien wird dadurch der Spielball jedmöglichen Einflusses bei der Pforte; der Fürst selbst erscheint als bloße Form, und der Wille der Nation, von dem selbst unter dem als Despoten und Tyrannen verschrienen Milosch alle Institutionen vorzugsweise abhängig waren, verliert jedes Ansehen, jedes Recht. - Die Verlesung des großherrlichen Fermans beim Regierungsantritt des Fürsten Michael, wodurch er für volljährig erklärt, zugleich aber die Anordnung wegen der neuen fürstlichen Räthe getroffen wird, hat schon vielen Serben die Augen geöffnet; die große Mehrzahl des Senats hat sich sogleich gegen letztere offen erklärt, vorläufig zwar nur unter dem Vorgeben: "das Volk wolle nicht drei, sondern nur Einen Fürsten", im Stillen aber hauptsächlich wohl um gegen den hiemit bethätigten grellen Eingriff der Pforte in unser verehrter Großherzog soll schon eine namhafte Summe für sein Exemplar unterzeichnet haben. Preußen. Berlin, 5 April. Der russische Thronfolger, der hier seit drei Tagen verweilt, erschien heute (Sonntag) bei der Kirchenparade, und ward, seinem Aeußern nach, allgemein als stärker geworden, wenn nicht eben auch als wohler aussehend denn früher befunden. Der Prinz würde erst morgen früh seine Weiterreise antreten; da jedoch bekanntlich kein Russe am Montag abreist, so muß schon die Nacht geopfert werden, und so wird Se. kaiserl. Hoh. heute Abend zunächst nach Weimar und dann nach Darmstadt sich begeben. Unser König hat sich während der Anwesenheit seines Enkels von seinem Unwohlseyn gänzlich erholt, und seit vorgestern wird kein Bulletin mehr ausgegeben. Gestern hat Se. Maj. auch die überraschende Nachricht erhalten, daß die Kaiserin von Rußland nun doch noch in diesem Frühjahr den väterlichen Hof besuchen werde, und zwar denkt Ihre Maj. im Monat Mai nach Schloß Fischbach in Schlesien, dem reizenden Aufenthalt ihrer mütterlichen Freundin, der Prinzessin Wilhelm, zu kommen, dort einige Wochen in der gesunden Gebirgsluft zu verweilen, dann nach Berlin, und von hier endlich nach Ems zu reisen. – Auch in der Umgebung des Großfürsten glaubte man, daß die zur Expedition nach Chiwa verwandten Truppen jetzt schon wieder in Orenburg angekommen seyn werden. Die ganze Expedition soll übrigens auf den Antrag des Generals Perowsky unternommen worden seyn, der über das Gelingen derselben, da er des Anschlusses der Kirgisenstämme sicher war, keinen Zweifel hegte; doch hat er allerdings so ungewöhnliche Witterungserscheinungen als Hinderniß nicht erwarten können. Glücklicherweise war sein Truppencorps nur sehr klein; die größte Stärke desselben bestand eben aus den Kirgisen, die sich ihm in der Steppe angeschlossen hatten. Oesterreich. Wien, 5 April. Ein neapolitanischer Courier ist in verflossener Nacht hier eingetroffen, und soll wichtige Depeschen überbracht haben, die, wie man vermuthet, über den Streit handeln, der zwischen England und Neapel bezüglich des Schwefelmonopols ausgebrochen ist. Derselbe Courier ist im Laufe des Tages über Berlin nach St. Petersburg weiter gegangen. Es scheint, daß die neapolitanische Regierung sich Rath erbittet, um darnach ihr Betragen einzurichten. Es wäre sehr zu bedauern, wenn man sich nicht auf gütlichem Wege verständigte. Es ist aber kaum denkbar, daß es anders seyn könne. – Ein österreichischer Courier ist aus London eingetroffen, der gleichfalls wichtige Depeschen überbracht habe, die auf den Orient sich beziehen sollen. Man glaubt, daß die orientalischen Angelegenheiten sich ihrem Ende nähern. Es wird jedoch wohl erst abgewartet werden müssen, wie das neue Ministerium in Frankreich sie wirklich aufzufassen gedenkt, denn bevor die Mächte genau unter sich einig sind, kann schwerlich die Zeit und Art bestimmt werden, wie jene Differenz völlig beseitigt werden soll. Serbien. Von der türkischen Gränze, 24 März. Die Vorgänge in Serbien während der letzten Monate haben an der innern Selbstständigkeit dieses Landes, welche durch Milosch nicht nur factisch begründet, sondern auch von der Pforte anerkannt war, unablässig gerüttelt, und der letztern ihren verlornen Einfluß in dem Maaße wieder verschafft, daß sie diesen nun – ob zum Glück oder Unglück des Landes? muß die Zukunft lehren – auch auf die innern Angelegenheiten fast eben so wie in andern unmittelbar abhängigen Provinzen ausübt. Das zweifelhafte Verdienst dieser Gestalt der Dinge gebührt den sogenannten Patrioten, oder, mit andern Worten, der Opposition unter Milosch. Ich will diese Behauptung in Kürze etwas detailliren. Die Macht und das Ansehen des Fürsten Milosch, seine Strenge, die oft bis zur Härte stieg, seine Beschränkung der Primaten, welche auf Unkosten des gemeinen Mannes nach immer größern Vorrechten strebten, hatten ihm unter diesen Primaten eine Menge Gegner geschaffen, die mehr als einmal vergeblich versuchten, die von ihm gegründete Ordnung im Lande zu ändern. Dieses Ziel zu erreichen gab es, wie sie allmählich einsahen, keinen geeignetern Weg, als sich der Pforte in die Arme zu werfen. Dieser Schritt versprach in den letzten Jahren darum großen Erfolg, weil sich zufälligerweise damit das Interesse der Schutzmacht Serbiens vereinigte. Rußland mußte nämlich ebenfalls eine Aenderung wünschen, um seinen unter Milosch durch dessen intime Verhältnisse zu dem englischen Obrist Hodges sehr bedroht erachteteten Einfluß wieder zu gewinnen. Es sah ein, daß es durch eine Wiederherstellung oder Steigerung des türkischen Einflusses nur dem eigenen den Weg bahne, daher seine Agenten angewiesen wurden, die serbischen Patrioten bei der Pforte zu unterstützen. So gelang die Einführung des organischen Status und als unausbleiblich vorausgesehene Folge hievon der Sturz des Fürsten Milosch; dann die Berufung von Männern, die das ungeschmälerte Vertrauen Rußlands besaßen, an die Spitze der provisorischen Regierung, wozu unbedingt die Genehmigung der Pforte erfolgte. Als später ein Mitglied der Regentschaft, Hr. Jephrem Obrenowitsch, Bruder des Fürsten Milosch, sonst das ergebenste Organ Rußlands, mit Schrecken die nachtheiligen Folgen dieses äußern Einflusses, das Sinken der innern Selbstständigkeit Serbiens und die Fortschritte der Anarchie wahrzunehmen glaubte, und deßhalb eine gemäßigtere, diesen Uebelständen vorbeugende Bahn einzuschlagen rieth, worüber er mit seinen beiden Collegen zerfiel, fanden es diese in ihrem Interesse, die Pforte zu noch weitern Eingriffen aufzufordern. Sie besorgten nämlich, daß nach dem Regierungsantritt des jungen Fürsten Michael dieser sich vorzugsweise an seinen Oheim anschließen werde. Um dem vorzubeugen, wurden Intriguen in Konstantinopel eingeleitet; man suchte Hrn. Jephrems Treue, seine Anhänglichkeit an das Statut zu verdächtigen, und in Folge dessen wurde die Pforte veranlaßt zu befehlen, daß dem jungen Fürsten die beiden Regentschaftsmitglieder Petroniewitsch und Wucsitsch als Räthe zur Seite stehen, auf deren Rath er hören solle. Damit war der mit so großen Opfern errungenen Selbstständigkeit Serbiens aufs entschiedenste der Stab gebrochen, und dieses Land gleichsam der unmittelbaren Herrschaft der Pforte wieder unterstellt. Sie hat hienach das Recht, die Regierung Serbiens, wie in allen andern Provinzen, beliebig zu ändern. Serbien wird dadurch der Spielball jedmöglichen Einflusses bei der Pforte; der Fürst selbst erscheint als bloße Form, und der Wille der Nation, von dem selbst unter dem als Despoten und Tyrannen verschrienen Milosch alle Institutionen vorzugsweise abhängig waren, verliert jedes Ansehen, jedes Recht. – Die Verlesung des großherrlichen Fermans beim Regierungsantritt des Fürsten Michael, wodurch er für volljährig erklärt, zugleich aber die Anordnung wegen der neuen fürstlichen Räthe getroffen wird, hat schon vielen Serben die Augen geöffnet; die große Mehrzahl des Senats hat sich sogleich gegen letztere offen erklärt, vorläufig zwar nur unter dem Vorgeben: „das Volk wolle nicht drei, sondern nur Einen Fürsten“, im Stillen aber hauptsächlich wohl um gegen den hiemit bethätigten grellen Eingriff der Pforte in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0007" n="0815"/> unser verehrter Großherzog soll schon eine namhafte Summe für sein Exemplar unterzeichnet haben.</p><lb/> </div> </div> <div type="jArticle" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Preußen.</hi> </head><lb/> <div n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Berlin,</hi> 5 April.</dateline> <p> Der russische Thronfolger, der hier seit drei Tagen verweilt, erschien heute (Sonntag) bei der Kirchenparade, und ward, seinem Aeußern nach, allgemein als stärker geworden, wenn nicht eben auch als wohler aussehend denn früher befunden. Der Prinz würde erst morgen früh seine Weiterreise antreten; da jedoch bekanntlich kein Russe am Montag abreist, so muß schon die Nacht geopfert werden, und so wird Se. kaiserl. Hoh. heute Abend zunächst nach Weimar und dann nach Darmstadt sich begeben. Unser König hat sich während der Anwesenheit seines Enkels von seinem Unwohlseyn gänzlich erholt, und seit vorgestern wird kein Bulletin mehr ausgegeben. Gestern hat Se. Maj. auch die überraschende Nachricht erhalten, daß die Kaiserin von Rußland nun doch noch in diesem Frühjahr den väterlichen Hof besuchen werde, und zwar denkt Ihre Maj. im Monat Mai nach Schloß Fischbach in Schlesien, dem reizenden Aufenthalt ihrer mütterlichen Freundin, der Prinzessin Wilhelm, zu kommen, dort einige Wochen in der gesunden Gebirgsluft zu verweilen, dann nach Berlin, und von hier endlich nach Ems zu reisen. – Auch in der Umgebung des Großfürsten glaubte man, daß die zur Expedition nach Chiwa verwandten Truppen jetzt schon wieder in Orenburg angekommen seyn werden. Die ganze Expedition soll übrigens auf den Antrag des Generals Perowsky unternommen worden seyn, der über das Gelingen derselben, da er des Anschlusses der Kirgisenstämme sicher war, keinen Zweifel hegte; doch hat er allerdings so ungewöhnliche Witterungserscheinungen als Hinderniß nicht erwarten können. 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Es ist aber kaum denkbar, daß es anders seyn könne. – Ein österreichischer Courier ist aus London eingetroffen, der gleichfalls wichtige Depeschen überbracht habe, die auf den Orient sich beziehen sollen. Man glaubt, daß die orientalischen Angelegenheiten sich ihrem Ende nähern. 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Das zweifelhafte Verdienst dieser Gestalt der Dinge gebührt den sogenannten Patrioten, oder, mit andern Worten, der Opposition unter Milosch. Ich will diese Behauptung in Kürze etwas detailliren. Die Macht und das Ansehen des Fürsten Milosch, seine Strenge, die oft bis zur Härte stieg, seine Beschränkung der Primaten, welche auf Unkosten des gemeinen Mannes nach immer größern Vorrechten strebten, hatten ihm unter diesen Primaten eine Menge Gegner geschaffen, die mehr als einmal vergeblich versuchten, die von ihm gegründete Ordnung im Lande zu ändern. Dieses Ziel zu erreichen gab es, wie sie allmählich einsahen, keinen geeignetern Weg, als sich der Pforte in die Arme zu werfen. Dieser Schritt versprach in den letzten Jahren darum großen Erfolg, weil sich zufälligerweise damit das Interesse der Schutzmacht Serbiens vereinigte. Rußland mußte nämlich ebenfalls eine Aenderung wünschen, um seinen unter Milosch durch dessen intime Verhältnisse zu dem englischen Obrist Hodges sehr bedroht erachteteten Einfluß wieder zu gewinnen. Es sah ein, daß es durch eine Wiederherstellung oder Steigerung des türkischen Einflusses nur dem eigenen den Weg bahne, daher seine Agenten angewiesen wurden, die serbischen Patrioten bei der Pforte zu unterstützen. So gelang die Einführung des organischen Status und als unausbleiblich vorausgesehene Folge hievon der Sturz des Fürsten Milosch; dann die Berufung von Männern, die das ungeschmälerte Vertrauen Rußlands besaßen, an die Spitze der provisorischen Regierung, wozu unbedingt die Genehmigung der Pforte erfolgte. Als später ein Mitglied der Regentschaft, Hr. Jephrem Obrenowitsch, Bruder des Fürsten Milosch, sonst das ergebenste Organ Rußlands, mit Schrecken die nachtheiligen Folgen dieses äußern Einflusses, das Sinken der innern Selbstständigkeit Serbiens und die Fortschritte der Anarchie wahrzunehmen glaubte, und deßhalb eine gemäßigtere, diesen Uebelständen vorbeugende Bahn einzuschlagen rieth, worüber er mit seinen beiden Collegen zerfiel, fanden es diese in ihrem Interesse, die Pforte zu noch weitern Eingriffen aufzufordern. Sie besorgten nämlich, daß nach dem Regierungsantritt des jungen Fürsten Michael dieser sich vorzugsweise an seinen Oheim anschließen werde. Um dem vorzubeugen, wurden Intriguen in Konstantinopel eingeleitet; man suchte Hrn. Jephrems Treue, seine Anhänglichkeit an das Statut zu verdächtigen, und in Folge dessen wurde die Pforte veranlaßt zu befehlen, daß dem jungen Fürsten die beiden Regentschaftsmitglieder Petroniewitsch und Wucsitsch als Räthe zur Seite stehen, auf deren Rath er hören solle. Damit war der mit so großen Opfern errungenen Selbstständigkeit Serbiens aufs entschiedenste der Stab gebrochen, und dieses Land gleichsam der unmittelbaren Herrschaft der Pforte wieder unterstellt. Sie hat hienach das Recht, die Regierung Serbiens, wie in allen andern Provinzen, beliebig zu ändern. Serbien wird dadurch der Spielball jedmöglichen Einflusses bei der Pforte; der Fürst selbst erscheint als bloße Form, und der Wille der Nation, von dem selbst unter dem als Despoten und Tyrannen verschrienen Milosch alle Institutionen vorzugsweise abhängig waren, verliert jedes Ansehen, jedes Recht. – Die Verlesung des großherrlichen Fermans beim Regierungsantritt des Fürsten Michael, wodurch er für volljährig erklärt, zugleich aber die Anordnung wegen der neuen fürstlichen Räthe getroffen wird, hat schon vielen Serben die Augen geöffnet; die große Mehrzahl des Senats hat sich sogleich gegen letztere offen erklärt, vorläufig zwar nur unter dem Vorgeben: „das Volk wolle nicht drei, sondern nur Einen Fürsten“, im Stillen aber hauptsächlich wohl um gegen den hiemit bethätigten grellen Eingriff der Pforte in<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0815/0007]
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Oesterreich.
_ Wien, 5 April. Ein neapolitanischer Courier ist in verflossener Nacht hier eingetroffen, und soll wichtige Depeschen überbracht haben, die, wie man vermuthet, über den Streit handeln, der zwischen England und Neapel bezüglich des Schwefelmonopols ausgebrochen ist. Derselbe Courier ist im Laufe des Tages über Berlin nach St. Petersburg weiter gegangen. Es scheint, daß die neapolitanische Regierung sich Rath erbittet, um darnach ihr Betragen einzurichten. Es wäre sehr zu bedauern, wenn man sich nicht auf gütlichem Wege verständigte. Es ist aber kaum denkbar, daß es anders seyn könne. – Ein österreichischer Courier ist aus London eingetroffen, der gleichfalls wichtige Depeschen überbracht habe, die auf den Orient sich beziehen sollen. Man glaubt, daß die orientalischen Angelegenheiten sich ihrem Ende nähern. Es wird jedoch wohl erst abgewartet werden müssen, wie das neue Ministerium in Frankreich sie wirklich aufzufassen gedenkt, denn bevor die Mächte genau unter sich einig sind, kann schwerlich die Zeit und Art bestimmt werden, wie jene Differenz völlig beseitigt werden soll.
Serbien.
_ Von der türkischen Gränze, 24 März. Die Vorgänge in Serbien während der letzten Monate haben an der innern Selbstständigkeit dieses Landes, welche durch Milosch nicht nur factisch begründet, sondern auch von der Pforte anerkannt war, unablässig gerüttelt, und der letztern ihren verlornen Einfluß in dem Maaße wieder verschafft, daß sie diesen nun – ob zum Glück oder Unglück des Landes? muß die Zukunft lehren – auch auf die innern Angelegenheiten fast eben so wie in andern unmittelbar abhängigen Provinzen ausübt. Das zweifelhafte Verdienst dieser Gestalt der Dinge gebührt den sogenannten Patrioten, oder, mit andern Worten, der Opposition unter Milosch. Ich will diese Behauptung in Kürze etwas detailliren. Die Macht und das Ansehen des Fürsten Milosch, seine Strenge, die oft bis zur Härte stieg, seine Beschränkung der Primaten, welche auf Unkosten des gemeinen Mannes nach immer größern Vorrechten strebten, hatten ihm unter diesen Primaten eine Menge Gegner geschaffen, die mehr als einmal vergeblich versuchten, die von ihm gegründete Ordnung im Lande zu ändern. Dieses Ziel zu erreichen gab es, wie sie allmählich einsahen, keinen geeignetern Weg, als sich der Pforte in die Arme zu werfen. Dieser Schritt versprach in den letzten Jahren darum großen Erfolg, weil sich zufälligerweise damit das Interesse der Schutzmacht Serbiens vereinigte. Rußland mußte nämlich ebenfalls eine Aenderung wünschen, um seinen unter Milosch durch dessen intime Verhältnisse zu dem englischen Obrist Hodges sehr bedroht erachteteten Einfluß wieder zu gewinnen. Es sah ein, daß es durch eine Wiederherstellung oder Steigerung des türkischen Einflusses nur dem eigenen den Weg bahne, daher seine Agenten angewiesen wurden, die serbischen Patrioten bei der Pforte zu unterstützen. So gelang die Einführung des organischen Status und als unausbleiblich vorausgesehene Folge hievon der Sturz des Fürsten Milosch; dann die Berufung von Männern, die das ungeschmälerte Vertrauen Rußlands besaßen, an die Spitze der provisorischen Regierung, wozu unbedingt die Genehmigung der Pforte erfolgte. Als später ein Mitglied der Regentschaft, Hr. Jephrem Obrenowitsch, Bruder des Fürsten Milosch, sonst das ergebenste Organ Rußlands, mit Schrecken die nachtheiligen Folgen dieses äußern Einflusses, das Sinken der innern Selbstständigkeit Serbiens und die Fortschritte der Anarchie wahrzunehmen glaubte, und deßhalb eine gemäßigtere, diesen Uebelständen vorbeugende Bahn einzuschlagen rieth, worüber er mit seinen beiden Collegen zerfiel, fanden es diese in ihrem Interesse, die Pforte zu noch weitern Eingriffen aufzufordern. Sie besorgten nämlich, daß nach dem Regierungsantritt des jungen Fürsten Michael dieser sich vorzugsweise an seinen Oheim anschließen werde. Um dem vorzubeugen, wurden Intriguen in Konstantinopel eingeleitet; man suchte Hrn. Jephrems Treue, seine Anhänglichkeit an das Statut zu verdächtigen, und in Folge dessen wurde die Pforte veranlaßt zu befehlen, daß dem jungen Fürsten die beiden Regentschaftsmitglieder Petroniewitsch und Wucsitsch als Räthe zur Seite stehen, auf deren Rath er hören solle. Damit war der mit so großen Opfern errungenen Selbstständigkeit Serbiens aufs entschiedenste der Stab gebrochen, und dieses Land gleichsam der unmittelbaren Herrschaft der Pforte wieder unterstellt. Sie hat hienach das Recht, die Regierung Serbiens, wie in allen andern Provinzen, beliebig zu ändern. Serbien wird dadurch der Spielball jedmöglichen Einflusses bei der Pforte; der Fürst selbst erscheint als bloße Form, und der Wille der Nation, von dem selbst unter dem als Despoten und Tyrannen verschrienen Milosch alle Institutionen vorzugsweise abhängig waren, verliert jedes Ansehen, jedes Recht. – Die Verlesung des großherrlichen Fermans beim Regierungsantritt des Fürsten Michael, wodurch er für volljährig erklärt, zugleich aber die Anordnung wegen der neuen fürstlichen Räthe getroffen wird, hat schon vielen Serben die Augen geöffnet; die große Mehrzahl des Senats hat sich sogleich gegen letztere offen erklärt, vorläufig zwar nur unter dem Vorgeben: „das Volk wolle nicht drei, sondern nur Einen Fürsten“, im Stillen aber hauptsächlich wohl um gegen den hiemit bethätigten grellen Eingriff der Pforte in
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
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