Allgemeine Zeitung. Nr. 106. Augsburg, 15. April 1840.haben. Nun ist aber der Napismus, wenn er auch bei oberflächlicher Ansicht eine entfernte Verwandtschaft mit der österreichischen Politik zu haben scheinen möchte, doch in seinen Grundtendenzen dem aufrichtigen Wesen und den jedenfalls wohlwollenden Absichten jener Politik so fremd und so entgegengesetzt, daß es ein großer Mißgriff seyn würde, sich seiner als Stütze bedienen zu wollen - ein Mißgriff, der sich den gewiegten Staatsmännern an der Donau wahrlich nicht zutrauen läßt, denn sie würden dadurch nur fremden Zwecken in die Hände arbeiten, was schwerlich ihre Absicht seyn kann. Vom Napismus ist also gänzlich zu abstrahiren, weil es Oesterreichs Interesse weder seyn kann noch darf, denselben unter die Fittige seines kaiserlichen Adlers zu nehmen. Die große Majorität aber, die man die liberale Partei zu nennen pflegt, nährt seit den Zeiten des Freiheitskampfes ein aus den damaligen Verhältnissen hervorgegangenes und tiefgewurzeltes Mißtrauen gegen das Wiener Cabinet. Weil ich doch einmal bei den Gerüchten bin, so muß ich noch einer andern vermuthlich eben so schlecht begründeten Nachricht von der angeblichen Abberufung des russischen Gesandten erwähnen, welche sich vor einigen Tagen nach der letzten Ankunft eines Dampfbootes von Syra in der Stadt verbreitete. - Auch im Innern gibt es keine Neuigkeiten von Wichtigkeit. Der Minister des Innern hält es für zweckmäßig, zur Erleichterung der Gemeindelasten die Zahl der Gemeinden durch Zusammenschmelzung mehrerer kleineren in größere Demen zu vermindern, und beabsichtigt hierüber die Meinung der Provincialräthe einzuholen. Da sich nun aber der Einberufung dieser seit dem Jahre 1837 bereits gewählten Provincialabgeordneten man weiß nicht welche Schwierigkeiten entgegenstellen, so hat der Minister durch den Staatsrath ein provisorisches Ausnahmegesetz sanctioniren lassen, wodurch die Wahlen der neuen Gemeindevorsteher, die nach Ablauf der zweiten dreijährigen Frist schon in diesem Monat stattfinden sollten, noch um einige Monate vertagt werden. Diese Maaßregel wird von den unabhängigen Blättern aufs lebhafteste angegriffen, indem sie es als den ersten Schritt auf einer sehr gefährlichen Bahn bezeichnen, wenn die organische Wirkung unwiderruflicher Grundgesetze, wie das Gemeindegesetz eines ist, durch provisorische Gesetze oder bloße Ordonnanzen nach Belieben suspendirt werden kann. Ferner sprechen die Blätter von einer auffallenden Meinungsverschiedenheit, oder vielmehr Rechnungsdifferenz zwischen dem Finanzdirectorium und dem Generalintendanten der Finanzen. Letzterer hat in einem vor etwa sechs Wochen abgefaßten Memoire die Lage der Finanzen als sehr günstig dargestellt; das Directorium soll nun dagegen einen sehr abweichenden Bericht erstattet haben. Wahrscheinlich dürfte doch der Generalintendant das Ding am besten verstehen. Uebrigens gibt diese Differenz einen neuen schlagenden Beweis ab, wie es selbst für die höchstgestellten Personen in einem Staate nur bei völliger Oeffentlichkeit möglich ist, über diese wichtigsten Fragen eine klare Einsicht zu haben, und keiner Art von Illusion, absichtlicher oder unabsichtlicher, ausgesetzt zu seyn. Hier plaidiren im Cabinet des Königs der Intendant und der Director, jener für ein Plus, dieser für ein Minus; jener, wie es heißt, von der französischen, dieser von der englischen Gesandtschaft unterstützt; wer hat nun Recht? In Ländern aber, wo die intelligentesten Männer, vom Volk erwählt, in den Kammern zur Berathung über den Staatshaushalt zusammentreten, ist ein so unbegreiflicher Widerspruch gewiß noch nie gehört worden. - Ueber die Resultate der Untersuchung gegen die Philorthodoxen verlautet noch immer nichts Näheres. Der Aeon fährt übrigens in seiner Mission fort, Zeter und Wehe über Israel zu rufen. So verkündete er neulich, daß der orthodoxe Glaube und die ganze anatolische Kirche in der größten Gefahr sey - weil in einer von dem Ministerialrath Rangabe übersetzten Campe'schen Jugendschrift ein kleiner angeblich gegen das anatolische Dogma verstoßender Satz über die Strafen nach dem Tode sich finde. Die Athene beruhigt ihn darüber, indem sie nachwies, daß dieser Satz nicht gegen das Dogma streite; das Artigste bei der Sache aber ist, daß der Redacteur des Aeon selbst das Buch in seiner Druckerei gedruckt hatte, und daß er in seiner Eigenschaft als Zelot erst laut wurde, nachdem er als Buchdrucker den Lohn dafür eingestrichen hatte. Uebrigens sind die leitenden Artikel dieses Blattes, von denen der letzte wieder gegen Sir Howard Douglas und die Verwaltung der jonischen Inseln zu Felde zieht, nicht ohne Talent geschrieben. - Die ungewöhnliche Witterung zu Anfang dieses Monats und das starke Schneegestöber in den Bergen hat unter den Heerden großen Verlust angerichtet. Der Aeon schätzt den Schaden für den Peloponnes allein (hoffentlich übertrieben) auf zwei Millionen Drachmen. Nach der Fama soll um dieselbe Zeit im Norden von Akarnanien, bei Vonitza am Golf von Arta, auch ein ansehnlicher Bergsturz stattgehabt haben, und von dieser Stelle drei Viertelstunden lang ein starker Rauch aufgestiegen seyn; vielleicht nur die Ausdünstungen der innern wärmeren Erdschichten. Nähere Nachrichten über das Naturereigniß fehlen noch. - Der Prinz von Oranien wird bis zum 24 hier verweilen. In einigen Tagen erwartet man auch einen erneuten Besuch des Erzherzogs Friedrich von Oesterreich. Türkei. Von der türkischen Gränze, 1 April. Der Vladika von Montenegro hat in letzter Zeit an seine Unterthanen eine aus Rußland erhaltene beträchtliche Quantität Getreide im Werth von circa 40,000 fl. C. M. gegen Zahlung oder als Vorschuß gegen Pfänder vertheilen lassen. Dieß ist die Veranlassung, daß man jetzt eine seltene Sammlung von Waffen, die als Faustpfänder in Cetinje zusammenflossen, in der Wohnung des Vladika sehen kann. Dieselbe ist wegen ihrer Mannichfaltigkeit sehr interessant. Man erblickt darunter herrliche, zum Theil kostbare Exemplare, größtentheils aus der Blüthezeit des Halbmondes herstammend, von den Türken erobert, sonst aber auch Waffenstücke der alten Saracenen und den meisten Nationen der Welt. - An den Gränzen Montenegro's herrscht vollkommene Ruhe; mit dem Statthalter von Herzegowina werden, unter Vermittlung der Behörden des streitigen Bezirks Grahowo, dessen christliche Einwohner schon mehrmals gegen die Türken sich auflehnten und auch kürzlich wieder auf Andringen der benachbarten und glaubensverwandten Montenegriner die türkischen Steuereinsammler davon jagten, eifrige Friedensverhandlungen gepflogen, die einen nahen Abschluß erwarten lassen. - Auf der österreichischen Gränze haben die Vermessungs- und Gränz-Berichtigungsarbeiten wieder ihren Anfang genommen, wobei die Montenegriner jetzt nicht nur ganz ruhig sich verhalten, sondern sogar bei jedem Anlasse größte Bereitwilligkeit zeigen; allein die schlechte Witterung hindert und hemmt die Arbeiten außerordentlich. Man erwartet zu denselben den russischen Hofrath Tscheffkin, welcher einen Ausflug nach Wien unternommen hat, hier zurück. - Auch in Albanien und sämmtlichen türkischen Provinzen in Europa erhält sich ungestörte Ruhe. - In Bosnien scheint der Hattischerif von Gülhaneh keine Aenderung zur Folge zu haben. Die Bekanntmachung desselben hatte die Gemüther in dem Grade aufgeregt, daß eine Explosion fast unvermeidlich schien, allein diese hat sich gelegt und die gewohnte Schlaffheit und Apathie ist wieder an ihre Stelle getreten, von dem Hattischerif haben. Nun ist aber der Napismus, wenn er auch bei oberflächlicher Ansicht eine entfernte Verwandtschaft mit der österreichischen Politik zu haben scheinen möchte, doch in seinen Grundtendenzen dem aufrichtigen Wesen und den jedenfalls wohlwollenden Absichten jener Politik so fremd und so entgegengesetzt, daß es ein großer Mißgriff seyn würde, sich seiner als Stütze bedienen zu wollen – ein Mißgriff, der sich den gewiegten Staatsmännern an der Donau wahrlich nicht zutrauen läßt, denn sie würden dadurch nur fremden Zwecken in die Hände arbeiten, was schwerlich ihre Absicht seyn kann. Vom Napismus ist also gänzlich zu abstrahiren, weil es Oesterreichs Interesse weder seyn kann noch darf, denselben unter die Fittige seines kaiserlichen Adlers zu nehmen. Die große Majorität aber, die man die liberale Partei zu nennen pflegt, nährt seit den Zeiten des Freiheitskampfes ein aus den damaligen Verhältnissen hervorgegangenes und tiefgewurzeltes Mißtrauen gegen das Wiener Cabinet. Weil ich doch einmal bei den Gerüchten bin, so muß ich noch einer andern vermuthlich eben so schlecht begründeten Nachricht von der angeblichen Abberufung des russischen Gesandten erwähnen, welche sich vor einigen Tagen nach der letzten Ankunft eines Dampfbootes von Syra in der Stadt verbreitete. – Auch im Innern gibt es keine Neuigkeiten von Wichtigkeit. Der Minister des Innern hält es für zweckmäßig, zur Erleichterung der Gemeindelasten die Zahl der Gemeinden durch Zusammenschmelzung mehrerer kleineren in größere Demen zu vermindern, und beabsichtigt hierüber die Meinung der Provincialräthe einzuholen. Da sich nun aber der Einberufung dieser seit dem Jahre 1837 bereits gewählten Provincialabgeordneten man weiß nicht welche Schwierigkeiten entgegenstellen, so hat der Minister durch den Staatsrath ein provisorisches Ausnahmegesetz sanctioniren lassen, wodurch die Wahlen der neuen Gemeindevorsteher, die nach Ablauf der zweiten dreijährigen Frist schon in diesem Monat stattfinden sollten, noch um einige Monate vertagt werden. Diese Maaßregel wird von den unabhängigen Blättern aufs lebhafteste angegriffen, indem sie es als den ersten Schritt auf einer sehr gefährlichen Bahn bezeichnen, wenn die organische Wirkung unwiderruflicher Grundgesetze, wie das Gemeindegesetz eines ist, durch provisorische Gesetze oder bloße Ordonnanzen nach Belieben suspendirt werden kann. Ferner sprechen die Blätter von einer auffallenden Meinungsverschiedenheit, oder vielmehr Rechnungsdifferenz zwischen dem Finanzdirectorium und dem Generalintendanten der Finanzen. Letzterer hat in einem vor etwa sechs Wochen abgefaßten Memoire die Lage der Finanzen als sehr günstig dargestellt; das Directorium soll nun dagegen einen sehr abweichenden Bericht erstattet haben. Wahrscheinlich dürfte doch der Generalintendant das Ding am besten verstehen. Uebrigens gibt diese Differenz einen neuen schlagenden Beweis ab, wie es selbst für die höchstgestellten Personen in einem Staate nur bei völliger Oeffentlichkeit möglich ist, über diese wichtigsten Fragen eine klare Einsicht zu haben, und keiner Art von Illusion, absichtlicher oder unabsichtlicher, ausgesetzt zu seyn. Hier plaidiren im Cabinet des Königs der Intendant und der Director, jener für ein Plus, dieser für ein Minus; jener, wie es heißt, von der französischen, dieser von der englischen Gesandtschaft unterstützt; wer hat nun Recht? In Ländern aber, wo die intelligentesten Männer, vom Volk erwählt, in den Kammern zur Berathung über den Staatshaushalt zusammentreten, ist ein so unbegreiflicher Widerspruch gewiß noch nie gehört worden. – Ueber die Resultate der Untersuchung gegen die Philorthodoxen verlautet noch immer nichts Näheres. Der Aeon fährt übrigens in seiner Mission fort, Zeter und Wehe über Israel zu rufen. So verkündete er neulich, daß der orthodoxe Glaube und die ganze anatolische Kirche in der größten Gefahr sey – weil in einer von dem Ministerialrath Rangabe übersetzten Campe'schen Jugendschrift ein kleiner angeblich gegen das anatolische Dogma verstoßender Satz über die Strafen nach dem Tode sich finde. Die Athene beruhigt ihn darüber, indem sie nachwies, daß dieser Satz nicht gegen das Dogma streite; das Artigste bei der Sache aber ist, daß der Redacteur des Aeon selbst das Buch in seiner Druckerei gedruckt hatte, und daß er in seiner Eigenschaft als Zelot erst laut wurde, nachdem er als Buchdrucker den Lohn dafür eingestrichen hatte. Uebrigens sind die leitenden Artikel dieses Blattes, von denen der letzte wieder gegen Sir Howard Douglas und die Verwaltung der jonischen Inseln zu Felde zieht, nicht ohne Talent geschrieben. – Die ungewöhnliche Witterung zu Anfang dieses Monats und das starke Schneegestöber in den Bergen hat unter den Heerden großen Verlust angerichtet. Der Aeon schätzt den Schaden für den Peloponnes allein (hoffentlich übertrieben) auf zwei Millionen Drachmen. Nach der Fama soll um dieselbe Zeit im Norden von Akarnanien, bei Vonitza am Golf von Arta, auch ein ansehnlicher Bergsturz stattgehabt haben, und von dieser Stelle drei Viertelstunden lang ein starker Rauch aufgestiegen seyn; vielleicht nur die Ausdünstungen der innern wärmeren Erdschichten. Nähere Nachrichten über das Naturereigniß fehlen noch. – Der Prinz von Oranien wird bis zum 24 hier verweilen. In einigen Tagen erwartet man auch einen erneuten Besuch des Erzherzogs Friedrich von Oesterreich. Türkei. Von der türkischen Gränze, 1 April. Der Vladika von Montenegro hat in letzter Zeit an seine Unterthanen eine aus Rußland erhaltene beträchtliche Quantität Getreide im Werth von circa 40,000 fl. C. M. gegen Zahlung oder als Vorschuß gegen Pfänder vertheilen lassen. Dieß ist die Veranlassung, daß man jetzt eine seltene Sammlung von Waffen, die als Faustpfänder in Cetinje zusammenflossen, in der Wohnung des Vladika sehen kann. Dieselbe ist wegen ihrer Mannichfaltigkeit sehr interessant. Man erblickt darunter herrliche, zum Theil kostbare Exemplare, größtentheils aus der Blüthezeit des Halbmondes herstammend, von den Türken erobert, sonst aber auch Waffenstücke der alten Saracenen und den meisten Nationen der Welt. – An den Gränzen Montenegro's herrscht vollkommene Ruhe; mit dem Statthalter von Herzegowina werden, unter Vermittlung der Behörden des streitigen Bezirks Grahowo, dessen christliche Einwohner schon mehrmals gegen die Türken sich auflehnten und auch kürzlich wieder auf Andringen der benachbarten und glaubensverwandten Montenegriner die türkischen Steuereinsammler davon jagten, eifrige Friedensverhandlungen gepflogen, die einen nahen Abschluß erwarten lassen. – Auf der österreichischen Gränze haben die Vermessungs- und Gränz-Berichtigungsarbeiten wieder ihren Anfang genommen, wobei die Montenegriner jetzt nicht nur ganz ruhig sich verhalten, sondern sogar bei jedem Anlasse größte Bereitwilligkeit zeigen; allein die schlechte Witterung hindert und hemmt die Arbeiten außerordentlich. Man erwartet zu denselben den russischen Hofrath Tscheffkin, welcher einen Ausflug nach Wien unternommen hat, hier zurück. – Auch in Albanien und sämmtlichen türkischen Provinzen in Europa erhält sich ungestörte Ruhe. – In Bosnien scheint der Hattischerif von Gülhaneh keine Aenderung zur Folge zu haben. Die Bekanntmachung desselben hatte die Gemüther in dem Grade aufgeregt, daß eine Explosion fast unvermeidlich schien, allein diese hat sich gelegt und die gewohnte Schlaffheit und Apathie ist wieder an ihre Stelle getreten, von dem Hattischerif <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0007" n="0847"/> haben. Nun ist aber der Napismus, wenn er auch bei oberflächlicher Ansicht eine entfernte Verwandtschaft mit der österreichischen Politik zu haben scheinen möchte, doch in seinen Grundtendenzen dem aufrichtigen Wesen und den jedenfalls wohlwollenden Absichten jener Politik so fremd und so entgegengesetzt, daß es ein großer Mißgriff seyn würde, sich seiner als Stütze bedienen zu wollen – ein Mißgriff, der sich den gewiegten Staatsmännern an der Donau wahrlich nicht zutrauen läßt, denn sie würden dadurch nur fremden Zwecken in die Hände arbeiten, was schwerlich ihre Absicht seyn kann. Vom Napismus ist also gänzlich zu abstrahiren, weil es Oesterreichs Interesse weder seyn kann noch darf, denselben unter die Fittige seines kaiserlichen Adlers zu nehmen. Die große Majorität aber, die man die liberale Partei zu nennen pflegt, nährt seit den Zeiten des Freiheitskampfes ein aus den damaligen Verhältnissen hervorgegangenes und tiefgewurzeltes Mißtrauen gegen das Wiener Cabinet. Weil ich doch einmal bei den Gerüchten bin, so muß ich noch einer andern vermuthlich eben so schlecht begründeten Nachricht von der angeblichen Abberufung des russischen Gesandten erwähnen, welche sich vor einigen Tagen nach der letzten Ankunft eines Dampfbootes von Syra in der Stadt verbreitete. – Auch im Innern gibt es keine Neuigkeiten von Wichtigkeit. Der Minister des Innern hält es für zweckmäßig, zur Erleichterung der Gemeindelasten die Zahl der Gemeinden durch Zusammenschmelzung mehrerer kleineren in größere Demen zu vermindern, und beabsichtigt hierüber die Meinung der Provincialräthe einzuholen. 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Letzterer hat in einem vor etwa sechs Wochen abgefaßten Memoire die Lage der Finanzen als sehr günstig dargestellt; das Directorium soll nun dagegen einen sehr abweichenden Bericht erstattet haben. Wahrscheinlich dürfte doch der Generalintendant das Ding am besten verstehen. Uebrigens gibt diese Differenz einen neuen schlagenden Beweis ab, wie es selbst für die höchstgestellten Personen in einem Staate nur bei völliger Oeffentlichkeit möglich ist, über diese wichtigsten Fragen eine klare Einsicht zu haben, und keiner Art von Illusion, absichtlicher oder unabsichtlicher, ausgesetzt zu seyn. Hier plaidiren im Cabinet des Königs der Intendant und der Director, jener für ein Plus, dieser für ein Minus; jener, wie es heißt, von der französischen, dieser von der englischen Gesandtschaft unterstützt; wer hat nun Recht? In Ländern aber, wo die intelligentesten Männer, vom Volk erwählt, in den Kammern zur Berathung über den Staatshaushalt zusammentreten, ist ein so unbegreiflicher Widerspruch gewiß noch nie gehört worden. – Ueber die Resultate der Untersuchung gegen die Philorthodoxen verlautet noch immer nichts Näheres. Der Aeon fährt übrigens in seiner Mission fort, Zeter und Wehe über Israel zu rufen. So verkündete er neulich, daß der orthodoxe Glaube und die ganze anatolische Kirche in der größten Gefahr sey – weil in einer von dem Ministerialrath Rangabe übersetzten Campe'schen Jugendschrift ein kleiner angeblich gegen das anatolische Dogma verstoßender Satz über die Strafen nach dem Tode sich finde. Die Athene beruhigt ihn darüber, indem sie nachwies, daß dieser Satz nicht gegen das Dogma streite; das Artigste bei der Sache aber ist, daß der Redacteur des Aeon selbst das Buch in seiner Druckerei gedruckt hatte, und daß er in seiner Eigenschaft als Zelot erst laut wurde, nachdem er als Buchdrucker den Lohn dafür eingestrichen hatte. Uebrigens sind die leitenden Artikel dieses Blattes, von denen der letzte wieder gegen Sir Howard Douglas und die Verwaltung der jonischen Inseln zu Felde zieht, nicht ohne Talent geschrieben. – Die ungewöhnliche Witterung zu Anfang dieses Monats und das starke Schneegestöber in den Bergen hat unter den Heerden großen Verlust angerichtet. Der Aeon schätzt den Schaden für den Peloponnes allein (hoffentlich übertrieben) auf zwei Millionen Drachmen. Nach der Fama soll um dieselbe Zeit im Norden von Akarnanien, bei Vonitza am Golf von Arta, auch ein ansehnlicher Bergsturz stattgehabt haben, und von dieser Stelle drei Viertelstunden lang ein starker Rauch aufgestiegen seyn; vielleicht nur die Ausdünstungen der innern wärmeren Erdschichten. Nähere Nachrichten über das Naturereigniß fehlen noch. – Der Prinz von Oranien wird bis zum 24 hier verweilen. In einigen Tagen erwartet man auch einen erneuten Besuch des Erzherzogs Friedrich von Oesterreich.</p><lb/> </div> </div> <div type="jArticle" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Türkei.</hi> </head><lb/> <div n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Von der türkischen Gränze,</hi> 1 April.</dateline> <p> Der Vladika von Montenegro hat in letzter Zeit an seine Unterthanen eine aus Rußland erhaltene beträchtliche Quantität Getreide im Werth von circa 40,000 fl. C. M. gegen Zahlung oder als Vorschuß gegen Pfänder vertheilen lassen. Dieß ist die Veranlassung, daß man jetzt eine seltene Sammlung von Waffen, die als Faustpfänder in Cetinje zusammenflossen, in der Wohnung des Vladika sehen kann. Dieselbe ist wegen ihrer Mannichfaltigkeit sehr interessant. Man erblickt darunter herrliche, zum Theil kostbare Exemplare, größtentheils aus der Blüthezeit des Halbmondes herstammend, von den Türken erobert, sonst aber auch Waffenstücke der alten Saracenen und den meisten Nationen der Welt. – An den Gränzen Montenegro's herrscht vollkommene Ruhe; mit dem Statthalter von Herzegowina werden, unter Vermittlung der Behörden des streitigen Bezirks Grahowo, dessen christliche Einwohner schon mehrmals gegen die Türken sich auflehnten und auch kürzlich wieder auf Andringen der benachbarten und glaubensverwandten Montenegriner die türkischen Steuereinsammler davon jagten, eifrige Friedensverhandlungen gepflogen, die einen nahen Abschluß erwarten lassen. – Auf der österreichischen Gränze haben die Vermessungs- und Gränz-Berichtigungsarbeiten wieder ihren Anfang genommen, wobei die Montenegriner jetzt nicht nur ganz ruhig sich verhalten, sondern sogar bei jedem Anlasse größte Bereitwilligkeit zeigen; allein die schlechte Witterung hindert und hemmt die Arbeiten außerordentlich. Man erwartet zu denselben den russischen Hofrath Tscheffkin, welcher einen Ausflug nach Wien unternommen hat, hier zurück. – Auch in Albanien und sämmtlichen türkischen Provinzen in Europa erhält sich ungestörte Ruhe. – In Bosnien scheint der Hattischerif von Gülhaneh keine Aenderung zur Folge zu haben. Die Bekanntmachung desselben hatte die Gemüther in dem Grade aufgeregt, daß eine Explosion fast unvermeidlich schien, allein diese hat sich gelegt und die gewohnte Schlaffheit und Apathie ist wieder an ihre Stelle getreten, von dem Hattischerif<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0847/0007]
haben. Nun ist aber der Napismus, wenn er auch bei oberflächlicher Ansicht eine entfernte Verwandtschaft mit der österreichischen Politik zu haben scheinen möchte, doch in seinen Grundtendenzen dem aufrichtigen Wesen und den jedenfalls wohlwollenden Absichten jener Politik so fremd und so entgegengesetzt, daß es ein großer Mißgriff seyn würde, sich seiner als Stütze bedienen zu wollen – ein Mißgriff, der sich den gewiegten Staatsmännern an der Donau wahrlich nicht zutrauen läßt, denn sie würden dadurch nur fremden Zwecken in die Hände arbeiten, was schwerlich ihre Absicht seyn kann. Vom Napismus ist also gänzlich zu abstrahiren, weil es Oesterreichs Interesse weder seyn kann noch darf, denselben unter die Fittige seines kaiserlichen Adlers zu nehmen. Die große Majorität aber, die man die liberale Partei zu nennen pflegt, nährt seit den Zeiten des Freiheitskampfes ein aus den damaligen Verhältnissen hervorgegangenes und tiefgewurzeltes Mißtrauen gegen das Wiener Cabinet. Weil ich doch einmal bei den Gerüchten bin, so muß ich noch einer andern vermuthlich eben so schlecht begründeten Nachricht von der angeblichen Abberufung des russischen Gesandten erwähnen, welche sich vor einigen Tagen nach der letzten Ankunft eines Dampfbootes von Syra in der Stadt verbreitete. – Auch im Innern gibt es keine Neuigkeiten von Wichtigkeit. Der Minister des Innern hält es für zweckmäßig, zur Erleichterung der Gemeindelasten die Zahl der Gemeinden durch Zusammenschmelzung mehrerer kleineren in größere Demen zu vermindern, und beabsichtigt hierüber die Meinung der Provincialräthe einzuholen. Da sich nun aber der Einberufung dieser seit dem Jahre 1837 bereits gewählten Provincialabgeordneten man weiß nicht welche Schwierigkeiten entgegenstellen, so hat der Minister durch den Staatsrath ein provisorisches Ausnahmegesetz sanctioniren lassen, wodurch die Wahlen der neuen Gemeindevorsteher, die nach Ablauf der zweiten dreijährigen Frist schon in diesem Monat stattfinden sollten, noch um einige Monate vertagt werden. Diese Maaßregel wird von den unabhängigen Blättern aufs lebhafteste angegriffen, indem sie es als den ersten Schritt auf einer sehr gefährlichen Bahn bezeichnen, wenn die organische Wirkung unwiderruflicher Grundgesetze, wie das Gemeindegesetz eines ist, durch provisorische Gesetze oder bloße Ordonnanzen nach Belieben suspendirt werden kann. Ferner sprechen die Blätter von einer auffallenden Meinungsverschiedenheit, oder vielmehr Rechnungsdifferenz zwischen dem Finanzdirectorium und dem Generalintendanten der Finanzen. Letzterer hat in einem vor etwa sechs Wochen abgefaßten Memoire die Lage der Finanzen als sehr günstig dargestellt; das Directorium soll nun dagegen einen sehr abweichenden Bericht erstattet haben. Wahrscheinlich dürfte doch der Generalintendant das Ding am besten verstehen. Uebrigens gibt diese Differenz einen neuen schlagenden Beweis ab, wie es selbst für die höchstgestellten Personen in einem Staate nur bei völliger Oeffentlichkeit möglich ist, über diese wichtigsten Fragen eine klare Einsicht zu haben, und keiner Art von Illusion, absichtlicher oder unabsichtlicher, ausgesetzt zu seyn. Hier plaidiren im Cabinet des Königs der Intendant und der Director, jener für ein Plus, dieser für ein Minus; jener, wie es heißt, von der französischen, dieser von der englischen Gesandtschaft unterstützt; wer hat nun Recht? In Ländern aber, wo die intelligentesten Männer, vom Volk erwählt, in den Kammern zur Berathung über den Staatshaushalt zusammentreten, ist ein so unbegreiflicher Widerspruch gewiß noch nie gehört worden. – Ueber die Resultate der Untersuchung gegen die Philorthodoxen verlautet noch immer nichts Näheres. Der Aeon fährt übrigens in seiner Mission fort, Zeter und Wehe über Israel zu rufen. So verkündete er neulich, daß der orthodoxe Glaube und die ganze anatolische Kirche in der größten Gefahr sey – weil in einer von dem Ministerialrath Rangabe übersetzten Campe'schen Jugendschrift ein kleiner angeblich gegen das anatolische Dogma verstoßender Satz über die Strafen nach dem Tode sich finde. Die Athene beruhigt ihn darüber, indem sie nachwies, daß dieser Satz nicht gegen das Dogma streite; das Artigste bei der Sache aber ist, daß der Redacteur des Aeon selbst das Buch in seiner Druckerei gedruckt hatte, und daß er in seiner Eigenschaft als Zelot erst laut wurde, nachdem er als Buchdrucker den Lohn dafür eingestrichen hatte. Uebrigens sind die leitenden Artikel dieses Blattes, von denen der letzte wieder gegen Sir Howard Douglas und die Verwaltung der jonischen Inseln zu Felde zieht, nicht ohne Talent geschrieben. – Die ungewöhnliche Witterung zu Anfang dieses Monats und das starke Schneegestöber in den Bergen hat unter den Heerden großen Verlust angerichtet. Der Aeon schätzt den Schaden für den Peloponnes allein (hoffentlich übertrieben) auf zwei Millionen Drachmen. Nach der Fama soll um dieselbe Zeit im Norden von Akarnanien, bei Vonitza am Golf von Arta, auch ein ansehnlicher Bergsturz stattgehabt haben, und von dieser Stelle drei Viertelstunden lang ein starker Rauch aufgestiegen seyn; vielleicht nur die Ausdünstungen der innern wärmeren Erdschichten. Nähere Nachrichten über das Naturereigniß fehlen noch. – Der Prinz von Oranien wird bis zum 24 hier verweilen. In einigen Tagen erwartet man auch einen erneuten Besuch des Erzherzogs Friedrich von Oesterreich.
Türkei.
_ Von der türkischen Gränze, 1 April. Der Vladika von Montenegro hat in letzter Zeit an seine Unterthanen eine aus Rußland erhaltene beträchtliche Quantität Getreide im Werth von circa 40,000 fl. C. M. gegen Zahlung oder als Vorschuß gegen Pfänder vertheilen lassen. Dieß ist die Veranlassung, daß man jetzt eine seltene Sammlung von Waffen, die als Faustpfänder in Cetinje zusammenflossen, in der Wohnung des Vladika sehen kann. Dieselbe ist wegen ihrer Mannichfaltigkeit sehr interessant. Man erblickt darunter herrliche, zum Theil kostbare Exemplare, größtentheils aus der Blüthezeit des Halbmondes herstammend, von den Türken erobert, sonst aber auch Waffenstücke der alten Saracenen und den meisten Nationen der Welt. – An den Gränzen Montenegro's herrscht vollkommene Ruhe; mit dem Statthalter von Herzegowina werden, unter Vermittlung der Behörden des streitigen Bezirks Grahowo, dessen christliche Einwohner schon mehrmals gegen die Türken sich auflehnten und auch kürzlich wieder auf Andringen der benachbarten und glaubensverwandten Montenegriner die türkischen Steuereinsammler davon jagten, eifrige Friedensverhandlungen gepflogen, die einen nahen Abschluß erwarten lassen. – Auf der österreichischen Gränze haben die Vermessungs- und Gränz-Berichtigungsarbeiten wieder ihren Anfang genommen, wobei die Montenegriner jetzt nicht nur ganz ruhig sich verhalten, sondern sogar bei jedem Anlasse größte Bereitwilligkeit zeigen; allein die schlechte Witterung hindert und hemmt die Arbeiten außerordentlich. Man erwartet zu denselben den russischen Hofrath Tscheffkin, welcher einen Ausflug nach Wien unternommen hat, hier zurück. – Auch in Albanien und sämmtlichen türkischen Provinzen in Europa erhält sich ungestörte Ruhe. – In Bosnien scheint der Hattischerif von Gülhaneh keine Aenderung zur Folge zu haben. Die Bekanntmachung desselben hatte die Gemüther in dem Grade aufgeregt, daß eine Explosion fast unvermeidlich schien, allein diese hat sich gelegt und die gewohnte Schlaffheit und Apathie ist wieder an ihre Stelle getreten, von dem Hattischerif
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