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Allgemeine Zeitung. Nr. 108. Augsburg, 17. April 1840.

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Augsburger Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Freitag
Nr. 108.
17 April 1840.

Großbritannien.

Fortsetzung der Unterhausverhandlungen über China.

Auf Sir J. Grahams Rede nahm der Kriegsminister Hr. J. B. Macaulay, vormals Mitglied des großen Raths von Indien, das Wort. "Die Anklage des Hrn. Baronets, sagte er, lautet dahin, wir hätten Ihrer Maj. Repräsentanten in China nicht mit zureichenden Vollmachten und Instructionen ausgerüstet; man scheint vergessen zu haben, daß China 15000 Meilen von England entfernt ist, wir folglich nicht dieselben Communicationsmittel mit jenem Lande haben, wie mit minder entfernten Gegenden. Indien liegt uns viel näher als China, und doch ist es die Ueberzeugung aller, die ein Urtheil in der Sache haben, daß Indien nur in Indien regiert werden kann. Die Behörden im Mutterland zeichnen bloß allgemeine Umrisse vor oder stellen allgemeine politische Grundsätze auf, aber den Behörden in Indien überlassen sie die Details jeder nothwendig werdenden Maaßregel. (Hört!) Es ist wohl bekannt, daß Lord Clive und Lord Hastings die Instructionen, die sie aus England erhielten, als unnützes Papier, als Maculatur behandelten, und thaten sie das nicht, so besäße England jetzt kein indisches Reich. Für China gilt diese Wahrheit in einem noch höhern Grade, denn China liegt in noch weiterer Ferne, und die wenige Kenntniß, die wir von diesem Lande haben oder erlangen, beruht auf den verstohlenen Einblicken von Canton aus, welche eben so gut irre führen als sichere Belehrung geben können. Die Chinesen besitzen keine Litteratur, aus welcher der Fremde sich über Land und Volk, über ihre Sitten, Gewohnheiten, Gesetze und gesellschaftlichen Verhältnisse belehren könnte, und jedem Forscher in diesen Dingen treten an der Schwelle des Reichs tausend Schwierigkeiten entgegen. Unter solchen Umständen kann die Regierung China unmöglich so genau kennen, wie etwa eine Colonie des vereinigten Königreichs. Dieß war unter andern die Ansicht des Ministeriums Grey - einer Verwaltung, für deren Handlungen die Verantwortlichkeit zu übernehmen der Hr. Baronet (Graham) sich bereit erklärt hat. Lord Grey's Regierung gab ihrem Repräsentanten in China keine detaillirten Instructionen, sondern nur einige allgemeine Vorschriften. Der Herzog v. Wellington befolgte als Staatssecretär des Auswärtigen dieselbe Bahn." Der Minister ging nun auf Widerlegung der einzelnen Beschuldigungen ein. Den ersten Tadel betreffend, daß die Regierung unterlassen habe, den Theil des Geheimenrathsbefehls, welcher dem Handelsaufseher in Canton zu residiren vorschreibt, wieder aufzuheben, behauptet er, über diesen Punkt habe sich nie der mindeste Streit mit den Chinesen erhoben, und derselbe stehe mit den Umständen, die zu dem jetzigen Zerwürfniß mit China geführt, außer allem Zusammenhang. Gegen den Hauptvorwurf, daß die Regierung ihrem Oberaufseher nicht den Befehl ertheilt habe, den unerlaubten Opiumhandel zu unterdrücken, erörterte der Redner, daß weder unter Lord Grey, zu dessen Ministerium Sir J. Graham gehörte, noch durch den Herzog von Wellington ein solcher Befehl ertheilt worden sey. Ein solcher Befehl, meinte er, würde auch unwirksam bleiben; könne ja doch England mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln den Schmuggelhandel im eigenen Lande so wenig hindern, daß z. B. die Hälfte des in Irland verbrauchten Tabaks geschmuggelt sey. Ein Verbot der Opiumeinfuhr in China von Seite der englischen Behörden würde nur die Wirkung haben, daß die Opiumflotte sich längs der Küste zerstreue, um ihre Waaren da und dort ans Land zu werfen. Die Folge wäre, daß, während bis jetzt der in Canton concentrirte Handel von dem Oberaufseher in Schranken gehalten werden konnte, Feindseligkeiten gegen China von Seite der Opiumhändler unvermeidlich wären. (Dieser Fall ist bereits eingetreten. S. Nr. 105 der Allgem. Z. Beilage.) "Es wird, fuhr Hr. Macaulay fort, immer und immer wiederholt, die Regierung beginne einen Krieg mit China, um die Contrebande mit Opium zu unterstützen. Gott verhüte, daß ein so abgeschmackter wie scheußlicher Gedanke einem brittischen Minister je in den Sinn komme! Es läßt sich freilich bezweifeln, ob es von China weise gethan war, die Einfuhr eines Artikels ganz zu verbieten, welcher bei verständiger Anwendung als schmerzstillende Arznei die heilsamsten Wirkungen hervorbringen kann, denn daß das Opium, wie andere Gottesgaben, von den Menschen mißbraucht wird, beweist nichts gegen dasselbe. Ebenso läßt sich bezweifeln, ob es weise war, durch die Mittel, mit denen man es versucht hat, den Ausfluß der kostbaren Metalle aus China verhindern zu wollen. Was Spanien auf dem Höhepunkt seiner Macht mißlungen, was Großbritannien mit der größten Marine und mit Hülfe der besten öffentlichen Diener in der Welt nicht vermag - die Verhinderung heimlicher Ein- und Ausfuhr, die kann China nicht mit seinen unbeholfenen Kriegsdschunken und durch seine feilen Mandarinen möglich machen. Indeß räum' ich ein, daß China vollkommen berechtigt ist, das Opium von seinen Küsten auszuschließen und die Ausfuhr des Silbers zu verbieten, und daß

Augsburger Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Freitag
Nr. 108.
17 April 1840.

Großbritannien.

Fortsetzung der Unterhausverhandlungen über China.

Auf Sir J. Grahams Rede nahm der Kriegsminister Hr. J. B. Macaulay, vormals Mitglied des großen Raths von Indien, das Wort. „Die Anklage des Hrn. Baronets, sagte er, lautet dahin, wir hätten Ihrer Maj. Repräsentanten in China nicht mit zureichenden Vollmachten und Instructionen ausgerüstet; man scheint vergessen zu haben, daß China 15000 Meilen von England entfernt ist, wir folglich nicht dieselben Communicationsmittel mit jenem Lande haben, wie mit minder entfernten Gegenden. Indien liegt uns viel näher als China, und doch ist es die Ueberzeugung aller, die ein Urtheil in der Sache haben, daß Indien nur in Indien regiert werden kann. Die Behörden im Mutterland zeichnen bloß allgemeine Umrisse vor oder stellen allgemeine politische Grundsätze auf, aber den Behörden in Indien überlassen sie die Details jeder nothwendig werdenden Maaßregel. (Hört!) Es ist wohl bekannt, daß Lord Clive und Lord Hastings die Instructionen, die sie aus England erhielten, als unnützes Papier, als Maculatur behandelten, und thaten sie das nicht, so besäße England jetzt kein indisches Reich. Für China gilt diese Wahrheit in einem noch höhern Grade, denn China liegt in noch weiterer Ferne, und die wenige Kenntniß, die wir von diesem Lande haben oder erlangen, beruht auf den verstohlenen Einblicken von Canton aus, welche eben so gut irre führen als sichere Belehrung geben können. Die Chinesen besitzen keine Litteratur, aus welcher der Fremde sich über Land und Volk, über ihre Sitten, Gewohnheiten, Gesetze und gesellschaftlichen Verhältnisse belehren könnte, und jedem Forscher in diesen Dingen treten an der Schwelle des Reichs tausend Schwierigkeiten entgegen. Unter solchen Umständen kann die Regierung China unmöglich so genau kennen, wie etwa eine Colonie des vereinigten Königreichs. Dieß war unter andern die Ansicht des Ministeriums Grey – einer Verwaltung, für deren Handlungen die Verantwortlichkeit zu übernehmen der Hr. Baronet (Graham) sich bereit erklärt hat. Lord Grey's Regierung gab ihrem Repräsentanten in China keine detaillirten Instructionen, sondern nur einige allgemeine Vorschriften. Der Herzog v. Wellington befolgte als Staatssecretär des Auswärtigen dieselbe Bahn.“ Der Minister ging nun auf Widerlegung der einzelnen Beschuldigungen ein. Den ersten Tadel betreffend, daß die Regierung unterlassen habe, den Theil des Geheimenrathsbefehls, welcher dem Handelsaufseher in Canton zu residiren vorschreibt, wieder aufzuheben, behauptet er, über diesen Punkt habe sich nie der mindeste Streit mit den Chinesen erhoben, und derselbe stehe mit den Umständen, die zu dem jetzigen Zerwürfniß mit China geführt, außer allem Zusammenhang. Gegen den Hauptvorwurf, daß die Regierung ihrem Oberaufseher nicht den Befehl ertheilt habe, den unerlaubten Opiumhandel zu unterdrücken, erörterte der Redner, daß weder unter Lord Grey, zu dessen Ministerium Sir J. Graham gehörte, noch durch den Herzog von Wellington ein solcher Befehl ertheilt worden sey. Ein solcher Befehl, meinte er, würde auch unwirksam bleiben; könne ja doch England mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln den Schmuggelhandel im eigenen Lande so wenig hindern, daß z. B. die Hälfte des in Irland verbrauchten Tabaks geschmuggelt sey. Ein Verbot der Opiumeinfuhr in China von Seite der englischen Behörden würde nur die Wirkung haben, daß die Opiumflotte sich längs der Küste zerstreue, um ihre Waaren da und dort ans Land zu werfen. Die Folge wäre, daß, während bis jetzt der in Canton concentrirte Handel von dem Oberaufseher in Schranken gehalten werden konnte, Feindseligkeiten gegen China von Seite der Opiumhändler unvermeidlich wären. (Dieser Fall ist bereits eingetreten. S. Nr. 105 der Allgem. Z. Beilage.) „Es wird, fuhr Hr. Macaulay fort, immer und immer wiederholt, die Regierung beginne einen Krieg mit China, um die Contrebande mit Opium zu unterstützen. Gott verhüte, daß ein so abgeschmackter wie scheußlicher Gedanke einem brittischen Minister je in den Sinn komme! Es läßt sich freilich bezweifeln, ob es von China weise gethan war, die Einfuhr eines Artikels ganz zu verbieten, welcher bei verständiger Anwendung als schmerzstillende Arznei die heilsamsten Wirkungen hervorbringen kann, denn daß das Opium, wie andere Gottesgaben, von den Menschen mißbraucht wird, beweist nichts gegen dasselbe. Ebenso läßt sich bezweifeln, ob es weise war, durch die Mittel, mit denen man es versucht hat, den Ausfluß der kostbaren Metalle aus China verhindern zu wollen. Was Spanien auf dem Höhepunkt seiner Macht mißlungen, was Großbritannien mit der größten Marine und mit Hülfe der besten öffentlichen Diener in der Welt nicht vermag – die Verhinderung heimlicher Ein- und Ausfuhr, die kann China nicht mit seinen unbeholfenen Kriegsdschunken und durch seine feilen Mandarinen möglich machen. Indeß räum' ich ein, daß China vollkommen berechtigt ist, das Opium von seinen Küsten auszuschließen und die Ausfuhr des Silbers zu verbieten, und daß

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Es ist wohl bekannt, daß Lord Clive und Lord Hastings die Instructionen, die sie aus England erhielten, als unnützes Papier, als Maculatur behandelten, und thaten sie das nicht, so besäße England jetzt kein indisches Reich. Für China gilt diese Wahrheit in einem noch höhern Grade, denn China liegt in noch weiterer Ferne, und die wenige Kenntniß, die wir von diesem Lande haben oder erlangen, beruht auf den verstohlenen Einblicken von Canton aus, welche eben so gut irre führen als sichere Belehrung geben können. Die Chinesen besitzen keine Litteratur, aus welcher der Fremde sich über Land und Volk, über ihre Sitten, Gewohnheiten, Gesetze und gesellschaftlichen Verhältnisse belehren könnte, und jedem Forscher in diesen Dingen treten an der Schwelle des Reichs tausend Schwierigkeiten entgegen. Unter solchen Umständen kann die Regierung China unmöglich so genau kennen, wie etwa eine Colonie des vereinigten Königreichs. Dieß war unter andern die Ansicht des Ministeriums Grey &#x2013; einer Verwaltung, für deren Handlungen die Verantwortlichkeit zu übernehmen der Hr. Baronet (Graham) sich bereit erklärt hat. Lord Grey's Regierung gab ihrem Repräsentanten in China keine detaillirten Instructionen, sondern nur einige allgemeine Vorschriften. Der Herzog v. Wellington befolgte als Staatssecretär des Auswärtigen dieselbe Bahn.&#x201C; Der Minister ging nun auf Widerlegung der einzelnen Beschuldigungen ein. Den ersten Tadel betreffend, daß die Regierung unterlassen habe, den Theil des Geheimenrathsbefehls, welcher dem Handelsaufseher in Canton zu residiren vorschreibt, wieder aufzuheben, behauptet er, über diesen Punkt habe sich nie der mindeste Streit mit den Chinesen erhoben, und derselbe stehe mit den Umständen, die zu dem jetzigen Zerwürfniß mit China geführt, außer allem Zusammenhang. Gegen den Hauptvorwurf, daß die Regierung ihrem Oberaufseher nicht den Befehl ertheilt habe, den unerlaubten Opiumhandel zu unterdrücken, erörterte der Redner, daß weder unter Lord Grey, zu dessen Ministerium Sir J. Graham gehörte, noch durch den Herzog von Wellington ein solcher Befehl ertheilt worden sey. Ein solcher Befehl, meinte er, würde auch unwirksam bleiben; könne ja doch England mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln den Schmuggelhandel im eigenen Lande so wenig hindern, daß z. B. die Hälfte des in Irland verbrauchten Tabaks geschmuggelt sey. Ein Verbot der Opiumeinfuhr in China von Seite der englischen Behörden würde nur die Wirkung haben, daß die Opiumflotte sich längs der Küste zerstreue, um ihre Waaren da und dort ans Land zu werfen. Die Folge wäre, daß, während bis jetzt der in Canton concentrirte Handel von dem Oberaufseher in Schranken gehalten werden konnte, Feindseligkeiten gegen China von Seite der Opiumhändler unvermeidlich wären. (Dieser Fall ist bereits eingetreten. S. Nr. 105 der Allgem. Z. Beilage.) &#x201E;Es wird, fuhr Hr. Macaulay fort, immer und immer wiederholt, die Regierung beginne einen Krieg mit China, um die Contrebande mit Opium zu unterstützen. Gott verhüte, daß ein so abgeschmackter wie scheußlicher Gedanke einem brittischen Minister je in den Sinn komme! Es läßt sich freilich bezweifeln, ob es von China weise gethan war, die Einfuhr eines Artikels ganz zu verbieten, welcher bei verständiger Anwendung als schmerzstillende Arznei die heilsamsten Wirkungen hervorbringen kann, denn daß das Opium, wie andere Gottesgaben, von den Menschen mißbraucht wird, beweist nichts gegen dasselbe. Ebenso läßt sich bezweifeln, ob es weise war, durch die Mittel, mit denen man es versucht hat, den Ausfluß der kostbaren Metalle aus China verhindern zu wollen. Was Spanien auf dem Höhepunkt seiner Macht mißlungen, was Großbritannien mit der größten Marine und mit Hülfe der besten öffentlichen Diener in der Welt nicht vermag &#x2013; die Verhinderung heimlicher Ein- und Ausfuhr, die kann China nicht mit seinen unbeholfenen Kriegsdschunken und durch seine feilen Mandarinen möglich machen. Indeß räum' ich ein, daß China vollkommen berechtigt ist, das Opium von seinen Küsten auszuschließen und die Ausfuhr des Silbers zu verbieten, und daß<lb/></p>
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[0857/0001] Augsburger Allgemeine Zeitung. Mit allerhöchsten Privilegien. Freitag Nr. 108. 17 April 1840. Großbritannien. _ London, 10 April. Fortsetzung der Unterhausverhandlungen über China. Auf Sir J. Grahams Rede nahm der Kriegsminister Hr. J. B. Macaulay, vormals Mitglied des großen Raths von Indien, das Wort. „Die Anklage des Hrn. Baronets, sagte er, lautet dahin, wir hätten Ihrer Maj. Repräsentanten in China nicht mit zureichenden Vollmachten und Instructionen ausgerüstet; man scheint vergessen zu haben, daß China 15000 Meilen von England entfernt ist, wir folglich nicht dieselben Communicationsmittel mit jenem Lande haben, wie mit minder entfernten Gegenden. Indien liegt uns viel näher als China, und doch ist es die Ueberzeugung aller, die ein Urtheil in der Sache haben, daß Indien nur in Indien regiert werden kann. Die Behörden im Mutterland zeichnen bloß allgemeine Umrisse vor oder stellen allgemeine politische Grundsätze auf, aber den Behörden in Indien überlassen sie die Details jeder nothwendig werdenden Maaßregel. (Hört!) Es ist wohl bekannt, daß Lord Clive und Lord Hastings die Instructionen, die sie aus England erhielten, als unnützes Papier, als Maculatur behandelten, und thaten sie das nicht, so besäße England jetzt kein indisches Reich. Für China gilt diese Wahrheit in einem noch höhern Grade, denn China liegt in noch weiterer Ferne, und die wenige Kenntniß, die wir von diesem Lande haben oder erlangen, beruht auf den verstohlenen Einblicken von Canton aus, welche eben so gut irre führen als sichere Belehrung geben können. Die Chinesen besitzen keine Litteratur, aus welcher der Fremde sich über Land und Volk, über ihre Sitten, Gewohnheiten, Gesetze und gesellschaftlichen Verhältnisse belehren könnte, und jedem Forscher in diesen Dingen treten an der Schwelle des Reichs tausend Schwierigkeiten entgegen. Unter solchen Umständen kann die Regierung China unmöglich so genau kennen, wie etwa eine Colonie des vereinigten Königreichs. Dieß war unter andern die Ansicht des Ministeriums Grey – einer Verwaltung, für deren Handlungen die Verantwortlichkeit zu übernehmen der Hr. Baronet (Graham) sich bereit erklärt hat. Lord Grey's Regierung gab ihrem Repräsentanten in China keine detaillirten Instructionen, sondern nur einige allgemeine Vorschriften. Der Herzog v. Wellington befolgte als Staatssecretär des Auswärtigen dieselbe Bahn.“ Der Minister ging nun auf Widerlegung der einzelnen Beschuldigungen ein. Den ersten Tadel betreffend, daß die Regierung unterlassen habe, den Theil des Geheimenrathsbefehls, welcher dem Handelsaufseher in Canton zu residiren vorschreibt, wieder aufzuheben, behauptet er, über diesen Punkt habe sich nie der mindeste Streit mit den Chinesen erhoben, und derselbe stehe mit den Umständen, die zu dem jetzigen Zerwürfniß mit China geführt, außer allem Zusammenhang. Gegen den Hauptvorwurf, daß die Regierung ihrem Oberaufseher nicht den Befehl ertheilt habe, den unerlaubten Opiumhandel zu unterdrücken, erörterte der Redner, daß weder unter Lord Grey, zu dessen Ministerium Sir J. Graham gehörte, noch durch den Herzog von Wellington ein solcher Befehl ertheilt worden sey. Ein solcher Befehl, meinte er, würde auch unwirksam bleiben; könne ja doch England mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln den Schmuggelhandel im eigenen Lande so wenig hindern, daß z. B. die Hälfte des in Irland verbrauchten Tabaks geschmuggelt sey. Ein Verbot der Opiumeinfuhr in China von Seite der englischen Behörden würde nur die Wirkung haben, daß die Opiumflotte sich längs der Küste zerstreue, um ihre Waaren da und dort ans Land zu werfen. Die Folge wäre, daß, während bis jetzt der in Canton concentrirte Handel von dem Oberaufseher in Schranken gehalten werden konnte, Feindseligkeiten gegen China von Seite der Opiumhändler unvermeidlich wären. (Dieser Fall ist bereits eingetreten. S. Nr. 105 der Allgem. Z. Beilage.) „Es wird, fuhr Hr. Macaulay fort, immer und immer wiederholt, die Regierung beginne einen Krieg mit China, um die Contrebande mit Opium zu unterstützen. Gott verhüte, daß ein so abgeschmackter wie scheußlicher Gedanke einem brittischen Minister je in den Sinn komme! Es läßt sich freilich bezweifeln, ob es von China weise gethan war, die Einfuhr eines Artikels ganz zu verbieten, welcher bei verständiger Anwendung als schmerzstillende Arznei die heilsamsten Wirkungen hervorbringen kann, denn daß das Opium, wie andere Gottesgaben, von den Menschen mißbraucht wird, beweist nichts gegen dasselbe. Ebenso läßt sich bezweifeln, ob es weise war, durch die Mittel, mit denen man es versucht hat, den Ausfluß der kostbaren Metalle aus China verhindern zu wollen. Was Spanien auf dem Höhepunkt seiner Macht mißlungen, was Großbritannien mit der größten Marine und mit Hülfe der besten öffentlichen Diener in der Welt nicht vermag – die Verhinderung heimlicher Ein- und Ausfuhr, die kann China nicht mit seinen unbeholfenen Kriegsdschunken und durch seine feilen Mandarinen möglich machen. Indeß räum' ich ein, daß China vollkommen berechtigt ist, das Opium von seinen Küsten auszuschließen und die Ausfuhr des Silbers zu verbieten, und daß

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 108. Augsburg, 17. April 1840, S. 0857. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_108_18400417/1>, abgerufen am 21.11.2024.