Allgemeine Zeitung. Nr. 112. Augsburg, 21. April 1840.Erfolgs finden ließen; dann erst habe ich angenommen. Ich sagte ehrlich, was ich für nothwendig, für unvermeidlich hielt. Ich sagte, daß die Transaction nützlich sey; ich sagte dieß den Deputirten, wie ich es jetzt der Pairskammer sage. Verweigern die Kammern mir ihre Unterstützung, so bin ich bereit zurückzutreten. Man wird also nicht von mir sagen können, daß ich den Sieg escamotirt habe. Wissen Sie, wie man es macht, wenn man den Sieg escamotirt? Man benützt eine Partei, um zur Gewalt zu gelangen und wirft sich dann in die Arme einer andern Partei." Hr. Villemain, empfindlich über diese Anspielung auf seine Theilnahme an der Coalition, die ihn ins Ministerium gebracht, wollte alsbald das Wort wieder ergreifen, trat es aber Hrn. v. Bourdeau ab, dem alten Minister der Restauration, der am Tage zuvor Erläuterung verlangt hatte, was das Wort parlamentarisch heißen solle, nachdem Hr. Thiers eine Stunde darüber gesprochen hatte. Heute beschränkte er sich auf die Versicherung, daß die Coalition eine große Calamität für Frankreich gewesen. Der Minister Graf Jaubert entgegnete, er habe die Coalition vertheidigen wollen, an welcher er nur nach langem Widerstreben Theil genommen; da aber ein glänzender Redner (Villemain) zu sprechen verlange, derselbe, der sonst immer die Coalition so siegreich vertheidigt habe, so trete er ihm gerne seine Rede ab. (Gelächter.) Hr. Villemain antwortete, es handle sich hier nicht von der Coalition. Dann wiederholte er mit neuen Wendungen die alten Klagen. Als die Kammer zur Abstimmung schritt, fanden sich 196 Votanten; 143 erklärten sich für das Gesetz, 59 dagegen. Das Ministerium erhielt also eine Majorität von 90 Stimmen. (So steht in den uns zugekommenen stenographirten Mittheilungen; indessen muß hier ein kleiner Irrthum von 4-6 in der Zahlangabe stattfinden.) (Courrier francais.) Wir wußten wohl, daß der Conseilpräsident die in dem Berichte des Herzogs von Broglie ausgedrückten Meinungen nicht bestätigen konnte. Er hat sich in der That mit derselben Offenheit und mit noch größerer Energie als vor der Deputirtenkammer ausgesprochen. Hr. Thiers verpflichtet sich nicht zur Beibehaltung der amoviblen Beamten, für welche man eine Art von Inamovibilität von ihm verlangt hatte; er behält sich im Gegentheil für die Regierung freie Hand vor, und erklärt nur diejenigen, die sich der Ansicht der Regierung mit Aufrichtigkeit anschließen, beibehalten zu wollen. Hr. v. Broglie hatte gesagt, daß die Regierung nur Eine Politik, nämlich die von zehn Jahren her, befolgen könne; Hr. Thiers antwortet, daß diejenigen, welche scheiterten, indem sie die Regierung der Rechten zuwandten, sich nicht darüber wundern dürften, wenn er die Majorität auf einem neuen Boden zu reformiren suche. Allerdings lassen solche auf der Tribune improvisirte Programme viel zu wünschen übrig, und wir für unsern Theil sind darin nicht mit Hrn. Thiers einig, daß die im Kreise der innern Politik aufgeworfenen Fragen ihre Bedeutung nach dem Aufhören der Gefahr verloren hätten; denn wir blicken auf den Grund der Sachen, und sehen darin nur das, was zu lösen war und nicht gelöst ward. Dieser Zwiespalt zwischen Hrn. Thiers und unsern Freunden ist bekannt; wäre er nicht vorhanden, so würde die Linke ihren Theil an der Staatsgewalt, so wie an der Verantwortlichkeit genommen haben. Die von dem Conseilpräsidenten über die auswärtige Politik ausgedrückte Ansicht kann von allen Freunden ihres Landes zugegeben werden. Hr. Thiers täuscht sich weder über die Vortheile noch über die Nachtheile der englischen Allianz und ist entschlossen, sie nöthigenfalls zu brechen. Durch diese Sprache wird jede Besorgniß gehoben, und man darf annehmen, daß das Ministerium nichts übereilen und auf jedes Ereigniß gefaßt seyn wird. Die Rede des Conseilpräsidenten hat die orientalische Frage um einen beträchtlichen Schritt vorgerückt. England weiß jetzt, was Frankreich will, und was es nicht will. Zu Gunsten des Gesetzesentwurfs über die Rentenconversion hat sich bis jetzt allein Hr. Bechard aus dem Bureau der Deputirtenkammer eingeschrieben. [irrelevantes Material] In der Sitzung der Deputirtenkammer am 16 April verlas der Präsident ein Schreiben des Conseilpräsidenten des Inhalts, daß derselbe der Discussion über die geheimen Fonds in der Pairskammer beiwohnen müsse, und daher die Deputirten bitte, die Discussion über die Rentenconversion auf den folgenden Tag zu verschieben. Die Kammer beschloß, diese Erörterung auf den folgenden Montag auszusetzen. (Constitutionnel.) Die Regierung hat erfahren, daß das französische Fahrzeug la jeune Gabrielle, das an der spanischen Küste von den Carlisten gekapert worden, zurückgegeben wurde. Die ganze Mannschaft ward auf Befehl Cabrera's, der fortwährend in Mora sehr krank ist, in Freiheit gesetzt. Ein Franzose, der seit drei Monaten in dieser Stadt zurückgehalten war, hat ebenfalls die Freiheit erhalten. Paris, 16 April. Man muß bekennen, die Stellung des Ministeriums vom 1 März ist eine ganz außerordentliche, und die keiner der vorhergehenden Ministerien gleicht. Wer einen Feind hat, hat gewöhnlich den Feind dieses Feindes zum Freund. Hier aber ist das Umgekehrte der Fall, und die entgegengesetztesten Ursachen bringen die ganz nämliche Wirkung hervor. Der National bekämpft das Ministerium auf Leben und Tod, ihm ist es nicht radical genug und zu conservativ; die Gazette de France ihrerseits macht ihm gleichfalls den Krieg, ungefähr aus den nämlichen Gründen wie der National, was denn in hohem Grade die Ehrlichkeit der Gesinnungen der Gazette beweist, es sey denn, daß sie selbst nicht recht wisse, welchen Plan sie eigentlich verfolgen soll, was wohl hie und da nicht unwahrscheinlich ist; aber auch das Journal des Debats hat sein Schwert gegen die neuen Minister gezogen, und ist, trotz aller verwahrenden Formeln, voll des giftigsten Grolles; ihm, natürlich, ist das Ministerium Thiers, das den 12 Mai gestürzt, und das Ministerium Mole vereitelt hat, unendlich viel zu radical, und so haben wir denn das Resultat, daß die drei Hauptorgane der drei Hauptfarben, die unter einander sich in den Tod hassen, in brüderlicher Eintracht verbunden sind, um den 1 März zu verfolgen. Wenn ich sage in brüderlicher Eintracht, so ist dieß nicht ganz wörtlich zu verstehen, denn die Natur der Sache und die Wahrheit sind oft stärker, als alle Convenienz eines interessirten Spieles. So z. B. kann das Journal des Debats, trotz alles Zornes gegen Hrn. Thiers, nicht zugeben, daß die Gazette, hinter den Namen des Hrn. v. Villele versteckt, alle Ministerien seit 1830 und mit ihnen den ganzen jetzigen politischen Zustand der Dinge in Frankreich beschimpfe, und z. B. die gefertigten und angefangenen öffentlichen Arbeiten für eitle unnütze Verschwendung, und die Veränderungen im öffentlichen Unterricht für gleich zwecklos und überflüssig erkläre; freilich hat das Journal des Debats in dieser letzten Beziehung leichtes Spiel gegen Hrn. v. Villele, denn während seiner ganzen Herrschaft hat er sich vor dem Vorwurfe, irgend etwas für die Schulen zu thun, sorgfältig verwahrt. Aufrichtig, wir glauben nicht, daß man das Ministerium wegen dieser seltsamen Fehde Aller gegen Einen beklagen solle, im Gegentheil, es liegt in diesem ganz unlogischen Zusammentreffen der unvereinbarsten Elemente etwas, was für seine Lebensfähigkeit, wenn gleich für eine schwierige Geburt spricht. Zu den Curiosis der Opposition gegen das Ministerium vom 1 März, wir sollten sagen gegen Thiers, Erfolgs finden ließen; dann erst habe ich angenommen. Ich sagte ehrlich, was ich für nothwendig, für unvermeidlich hielt. Ich sagte, daß die Transaction nützlich sey; ich sagte dieß den Deputirten, wie ich es jetzt der Pairskammer sage. Verweigern die Kammern mir ihre Unterstützung, so bin ich bereit zurückzutreten. Man wird also nicht von mir sagen können, daß ich den Sieg escamotirt habe. Wissen Sie, wie man es macht, wenn man den Sieg escamotirt? Man benützt eine Partei, um zur Gewalt zu gelangen und wirft sich dann in die Arme einer andern Partei.“ Hr. Villemain, empfindlich über diese Anspielung auf seine Theilnahme an der Coalition, die ihn ins Ministerium gebracht, wollte alsbald das Wort wieder ergreifen, trat es aber Hrn. v. Bourdeau ab, dem alten Minister der Restauration, der am Tage zuvor Erläuterung verlangt hatte, was das Wort parlamentarisch heißen solle, nachdem Hr. Thiers eine Stunde darüber gesprochen hatte. Heute beschränkte er sich auf die Versicherung, daß die Coalition eine große Calamität für Frankreich gewesen. Der Minister Graf Jaubert entgegnete, er habe die Coalition vertheidigen wollen, an welcher er nur nach langem Widerstreben Theil genommen; da aber ein glänzender Redner (Villemain) zu sprechen verlange, derselbe, der sonst immer die Coalition so siegreich vertheidigt habe, so trete er ihm gerne seine Rede ab. (Gelächter.) Hr. Villemain antwortete, es handle sich hier nicht von der Coalition. Dann wiederholte er mit neuen Wendungen die alten Klagen. Als die Kammer zur Abstimmung schritt, fanden sich 196 Votanten; 143 erklärten sich für das Gesetz, 59 dagegen. Das Ministerium erhielt also eine Majorität von 90 Stimmen. (So steht in den uns zugekommenen stenographirten Mittheilungen; indessen muß hier ein kleiner Irrthum von 4-6 in der Zahlangabe stattfinden.) (Courrier français.) Wir wußten wohl, daß der Conseilpräsident die in dem Berichte des Herzogs von Broglie ausgedrückten Meinungen nicht bestätigen konnte. Er hat sich in der That mit derselben Offenheit und mit noch größerer Energie als vor der Deputirtenkammer ausgesprochen. Hr. Thiers verpflichtet sich nicht zur Beibehaltung der amoviblen Beamten, für welche man eine Art von Inamovibilität von ihm verlangt hatte; er behält sich im Gegentheil für die Regierung freie Hand vor, und erklärt nur diejenigen, die sich der Ansicht der Regierung mit Aufrichtigkeit anschließen, beibehalten zu wollen. Hr. v. Broglie hatte gesagt, daß die Regierung nur Eine Politik, nämlich die von zehn Jahren her, befolgen könne; Hr. Thiers antwortet, daß diejenigen, welche scheiterten, indem sie die Regierung der Rechten zuwandten, sich nicht darüber wundern dürften, wenn er die Majorität auf einem neuen Boden zu reformiren suche. Allerdings lassen solche auf der Tribune improvisirte Programme viel zu wünschen übrig, und wir für unsern Theil sind darin nicht mit Hrn. Thiers einig, daß die im Kreise der innern Politik aufgeworfenen Fragen ihre Bedeutung nach dem Aufhören der Gefahr verloren hätten; denn wir blicken auf den Grund der Sachen, und sehen darin nur das, was zu lösen war und nicht gelöst ward. Dieser Zwiespalt zwischen Hrn. Thiers und unsern Freunden ist bekannt; wäre er nicht vorhanden, so würde die Linke ihren Theil an der Staatsgewalt, so wie an der Verantwortlichkeit genommen haben. Die von dem Conseilpräsidenten über die auswärtige Politik ausgedrückte Ansicht kann von allen Freunden ihres Landes zugegeben werden. Hr. Thiers täuscht sich weder über die Vortheile noch über die Nachtheile der englischen Allianz und ist entschlossen, sie nöthigenfalls zu brechen. Durch diese Sprache wird jede Besorgniß gehoben, und man darf annehmen, daß das Ministerium nichts übereilen und auf jedes Ereigniß gefaßt seyn wird. Die Rede des Conseilpräsidenten hat die orientalische Frage um einen beträchtlichen Schritt vorgerückt. England weiß jetzt, was Frankreich will, und was es nicht will. Zu Gunsten des Gesetzesentwurfs über die Rentenconversion hat sich bis jetzt allein Hr. Bechard aus dem Bureau der Deputirtenkammer eingeschrieben. [irrelevantes Material] In der Sitzung der Deputirtenkammer am 16 April verlas der Präsident ein Schreiben des Conseilpräsidenten des Inhalts, daß derselbe der Discussion über die geheimen Fonds in der Pairskammer beiwohnen müsse, und daher die Deputirten bitte, die Discussion über die Rentenconversion auf den folgenden Tag zu verschieben. Die Kammer beschloß, diese Erörterung auf den folgenden Montag auszusetzen. (Constitutionnel.) Die Regierung hat erfahren, daß das französische Fahrzeug la jeune Gabrielle, das an der spanischen Küste von den Carlisten gekapert worden, zurückgegeben wurde. Die ganze Mannschaft ward auf Befehl Cabrera's, der fortwährend in Mora sehr krank ist, in Freiheit gesetzt. Ein Franzose, der seit drei Monaten in dieser Stadt zurückgehalten war, hat ebenfalls die Freiheit erhalten. Paris, 16 April. Man muß bekennen, die Stellung des Ministeriums vom 1 März ist eine ganz außerordentliche, und die keiner der vorhergehenden Ministerien gleicht. Wer einen Feind hat, hat gewöhnlich den Feind dieses Feindes zum Freund. Hier aber ist das Umgekehrte der Fall, und die entgegengesetztesten Ursachen bringen die ganz nämliche Wirkung hervor. Der National bekämpft das Ministerium auf Leben und Tod, ihm ist es nicht radical genug und zu conservativ; die Gazette de France ihrerseits macht ihm gleichfalls den Krieg, ungefähr aus den nämlichen Gründen wie der National, was denn in hohem Grade die Ehrlichkeit der Gesinnungen der Gazette beweist, es sey denn, daß sie selbst nicht recht wisse, welchen Plan sie eigentlich verfolgen soll, was wohl hie und da nicht unwahrscheinlich ist; aber auch das Journal des Débats hat sein Schwert gegen die neuen Minister gezogen, und ist, trotz aller verwahrenden Formeln, voll des giftigsten Grolles; ihm, natürlich, ist das Ministerium Thiers, das den 12 Mai gestürzt, und das Ministerium Molé vereitelt hat, unendlich viel zu radical, und so haben wir denn das Resultat, daß die drei Hauptorgane der drei Hauptfarben, die unter einander sich in den Tod hassen, in brüderlicher Eintracht verbunden sind, um den 1 März zu verfolgen. Wenn ich sage in brüderlicher Eintracht, so ist dieß nicht ganz wörtlich zu verstehen, denn die Natur der Sache und die Wahrheit sind oft stärker, als alle Convenienz eines interessirten Spieles. So z. B. kann das Journal des Débats, trotz alles Zornes gegen Hrn. Thiers, nicht zugeben, daß die Gazette, hinter den Namen des Hrn. v. Villele versteckt, alle Ministerien seit 1830 und mit ihnen den ganzen jetzigen politischen Zustand der Dinge in Frankreich beschimpfe, und z. B. die gefertigten und angefangenen öffentlichen Arbeiten für eitle unnütze Verschwendung, und die Veränderungen im öffentlichen Unterricht für gleich zwecklos und überflüssig erkläre; freilich hat das Journal des Débats in dieser letzten Beziehung leichtes Spiel gegen Hrn. v. Villèle, denn während seiner ganzen Herrschaft hat er sich vor dem Vorwurfe, irgend etwas für die Schulen zu thun, sorgfältig verwahrt. Aufrichtig, wir glauben nicht, daß man das Ministerium wegen dieser seltsamen Fehde Aller gegen Einen beklagen solle, im Gegentheil, es liegt in diesem ganz unlogischen Zusammentreffen der unvereinbarsten Elemente etwas, was für seine Lebensfähigkeit, wenn gleich für eine schwierige Geburt spricht. Zu den Curiosis der Opposition gegen das Ministerium vom 1 März, wir sollten sagen gegen Thiers, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0005" n="0893"/> Erfolgs finden ließen; dann erst habe ich angenommen. Ich sagte ehrlich, was ich für nothwendig, für unvermeidlich hielt. Ich sagte, daß die Transaction nützlich sey; ich sagte dieß den Deputirten, wie ich es jetzt der Pairskammer sage. Verweigern die Kammern mir ihre Unterstützung, so bin ich bereit zurückzutreten. Man wird also nicht von mir sagen können, daß ich den Sieg escamotirt habe. Wissen Sie, wie man es macht, wenn man den Sieg escamotirt? 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Thiers verpflichtet sich nicht zur Beibehaltung der amoviblen Beamten, für welche man eine Art von Inamovibilität von ihm verlangt hatte; er behält sich im Gegentheil für die Regierung freie Hand vor, und erklärt nur diejenigen, die sich der Ansicht der Regierung mit Aufrichtigkeit anschließen, beibehalten zu wollen. Hr. v. Broglie hatte gesagt, daß die Regierung nur Eine Politik, nämlich die von zehn Jahren her, befolgen könne; Hr. Thiers antwortet, daß diejenigen, welche scheiterten, indem sie die Regierung der Rechten zuwandten, sich nicht darüber wundern dürften, wenn er die Majorität auf einem neuen Boden zu reformiren suche. Allerdings lassen solche auf der Tribune improvisirte Programme viel zu wünschen übrig, und wir für unsern Theil sind darin nicht mit Hrn. Thiers einig, daß die im Kreise der innern Politik aufgeworfenen Fragen ihre Bedeutung nach dem Aufhören der Gefahr verloren hätten; denn wir blicken auf den Grund der Sachen, und sehen darin nur das, was zu lösen war und nicht gelöst ward. Dieser Zwiespalt zwischen Hrn. Thiers und unsern Freunden ist bekannt; wäre er nicht vorhanden, so würde die Linke ihren Theil an der Staatsgewalt, so wie an der Verantwortlichkeit genommen haben. Die von dem Conseilpräsidenten über die auswärtige Politik ausgedrückte Ansicht kann von allen Freunden ihres Landes zugegeben werden. Hr. Thiers täuscht sich weder über die Vortheile noch über die Nachtheile der englischen Allianz und ist entschlossen, sie nöthigenfalls zu brechen. Durch diese Sprache wird jede Besorgniß gehoben, und man darf annehmen, daß das Ministerium nichts übereilen und auf jedes Ereigniß gefaßt seyn wird. Die Rede des Conseilpräsidenten hat die orientalische Frage um einen beträchtlichen Schritt vorgerückt. 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Der National bekämpft das Ministerium auf Leben und Tod, ihm ist es nicht radical genug und zu conservativ; die Gazette de France ihrerseits macht ihm gleichfalls den Krieg, ungefähr aus den nämlichen Gründen wie der National, was denn in hohem Grade die Ehrlichkeit der Gesinnungen der Gazette beweist, es sey denn, daß sie selbst nicht recht wisse, welchen Plan sie eigentlich verfolgen soll, was wohl hie und da nicht unwahrscheinlich ist; aber auch das Journal des Débats hat sein Schwert gegen die neuen Minister gezogen, und ist, trotz aller verwahrenden Formeln, voll des giftigsten Grolles; ihm, natürlich, ist das Ministerium Thiers, das den 12 Mai gestürzt, und das Ministerium Molé vereitelt hat, unendlich viel zu radical, und so haben wir denn das Resultat, daß die drei Hauptorgane der drei Hauptfarben, die unter einander sich in den Tod hassen, in brüderlicher Eintracht verbunden sind, um den 1 März zu verfolgen. Wenn ich sage in brüderlicher Eintracht, so ist dieß nicht ganz wörtlich zu verstehen, denn die Natur der Sache und die Wahrheit sind oft stärker, als alle Convenienz eines interessirten Spieles. So z. B. kann das Journal des Débats, trotz alles Zornes gegen Hrn. Thiers, nicht zugeben, daß die Gazette, hinter den Namen des Hrn. v. Villele versteckt, alle Ministerien seit 1830 und mit ihnen den ganzen jetzigen politischen Zustand der Dinge in Frankreich beschimpfe, und z. B. die gefertigten und angefangenen öffentlichen Arbeiten für eitle unnütze Verschwendung, und die Veränderungen im öffentlichen Unterricht für gleich zwecklos und überflüssig erkläre; freilich hat das Journal des Débats in dieser letzten Beziehung leichtes Spiel gegen Hrn. v. Villèle, denn während seiner ganzen Herrschaft hat er sich vor dem Vorwurfe, irgend etwas für die Schulen zu thun, sorgfältig verwahrt. Aufrichtig, wir glauben nicht, daß man das Ministerium wegen dieser seltsamen Fehde Aller gegen Einen beklagen solle, im Gegentheil, es liegt in diesem ganz unlogischen Zusammentreffen der unvereinbarsten Elemente etwas, was für seine Lebensfähigkeit, wenn gleich für eine schwierige Geburt spricht. Zu den Curiosis der Opposition gegen das Ministerium vom 1 März, wir sollten sagen gegen Thiers,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0893/0005]
Erfolgs finden ließen; dann erst habe ich angenommen. Ich sagte ehrlich, was ich für nothwendig, für unvermeidlich hielt. Ich sagte, daß die Transaction nützlich sey; ich sagte dieß den Deputirten, wie ich es jetzt der Pairskammer sage. Verweigern die Kammern mir ihre Unterstützung, so bin ich bereit zurückzutreten. Man wird also nicht von mir sagen können, daß ich den Sieg escamotirt habe. Wissen Sie, wie man es macht, wenn man den Sieg escamotirt? Man benützt eine Partei, um zur Gewalt zu gelangen und wirft sich dann in die Arme einer andern Partei.“ Hr. Villemain, empfindlich über diese Anspielung auf seine Theilnahme an der Coalition, die ihn ins Ministerium gebracht, wollte alsbald das Wort wieder ergreifen, trat es aber Hrn. v. Bourdeau ab, dem alten Minister der Restauration, der am Tage zuvor Erläuterung verlangt hatte, was das Wort parlamentarisch heißen solle, nachdem Hr. Thiers eine Stunde darüber gesprochen hatte. Heute beschränkte er sich auf die Versicherung, daß die Coalition eine große Calamität für Frankreich gewesen. Der Minister Graf Jaubert entgegnete, er habe die Coalition vertheidigen wollen, an welcher er nur nach langem Widerstreben Theil genommen; da aber ein glänzender Redner (Villemain) zu sprechen verlange, derselbe, der sonst immer die Coalition so siegreich vertheidigt habe, so trete er ihm gerne seine Rede ab. (Gelächter.) Hr. Villemain antwortete, es handle sich hier nicht von der Coalition. Dann wiederholte er mit neuen Wendungen die alten Klagen. Als die Kammer zur Abstimmung schritt, fanden sich 196 Votanten; 143 erklärten sich für das Gesetz, 59 dagegen. Das Ministerium erhielt also eine Majorität von 90 Stimmen. (So steht in den uns zugekommenen stenographirten Mittheilungen; indessen muß hier ein kleiner Irrthum von 4-6 in der Zahlangabe stattfinden.)
(Courrier français.) Wir wußten wohl, daß der Conseilpräsident die in dem Berichte des Herzogs von Broglie ausgedrückten Meinungen nicht bestätigen konnte. Er hat sich in der That mit derselben Offenheit und mit noch größerer Energie als vor der Deputirtenkammer ausgesprochen. Hr. Thiers verpflichtet sich nicht zur Beibehaltung der amoviblen Beamten, für welche man eine Art von Inamovibilität von ihm verlangt hatte; er behält sich im Gegentheil für die Regierung freie Hand vor, und erklärt nur diejenigen, die sich der Ansicht der Regierung mit Aufrichtigkeit anschließen, beibehalten zu wollen. Hr. v. Broglie hatte gesagt, daß die Regierung nur Eine Politik, nämlich die von zehn Jahren her, befolgen könne; Hr. Thiers antwortet, daß diejenigen, welche scheiterten, indem sie die Regierung der Rechten zuwandten, sich nicht darüber wundern dürften, wenn er die Majorität auf einem neuen Boden zu reformiren suche. Allerdings lassen solche auf der Tribune improvisirte Programme viel zu wünschen übrig, und wir für unsern Theil sind darin nicht mit Hrn. Thiers einig, daß die im Kreise der innern Politik aufgeworfenen Fragen ihre Bedeutung nach dem Aufhören der Gefahr verloren hätten; denn wir blicken auf den Grund der Sachen, und sehen darin nur das, was zu lösen war und nicht gelöst ward. Dieser Zwiespalt zwischen Hrn. Thiers und unsern Freunden ist bekannt; wäre er nicht vorhanden, so würde die Linke ihren Theil an der Staatsgewalt, so wie an der Verantwortlichkeit genommen haben. Die von dem Conseilpräsidenten über die auswärtige Politik ausgedrückte Ansicht kann von allen Freunden ihres Landes zugegeben werden. Hr. Thiers täuscht sich weder über die Vortheile noch über die Nachtheile der englischen Allianz und ist entschlossen, sie nöthigenfalls zu brechen. Durch diese Sprache wird jede Besorgniß gehoben, und man darf annehmen, daß das Ministerium nichts übereilen und auf jedes Ereigniß gefaßt seyn wird. Die Rede des Conseilpräsidenten hat die orientalische Frage um einen beträchtlichen Schritt vorgerückt. England weiß jetzt, was Frankreich will, und was es nicht will.
Zu Gunsten des Gesetzesentwurfs über die Rentenconversion hat sich bis jetzt allein Hr. Bechard aus dem Bureau der Deputirtenkammer eingeschrieben.
_ In der Sitzung der Deputirtenkammer am 16 April verlas der Präsident ein Schreiben des Conseilpräsidenten des Inhalts, daß derselbe der Discussion über die geheimen Fonds in der Pairskammer beiwohnen müsse, und daher die Deputirten bitte, die Discussion über die Rentenconversion auf den folgenden Tag zu verschieben. Die Kammer beschloß, diese Erörterung auf den folgenden Montag auszusetzen.
(Constitutionnel.) Die Regierung hat erfahren, daß das französische Fahrzeug la jeune Gabrielle, das an der spanischen Küste von den Carlisten gekapert worden, zurückgegeben wurde. Die ganze Mannschaft ward auf Befehl Cabrera's, der fortwährend in Mora sehr krank ist, in Freiheit gesetzt. Ein Franzose, der seit drei Monaten in dieser Stadt zurückgehalten war, hat ebenfalls die Freiheit erhalten.
_ Paris, 16 April. Man muß bekennen, die Stellung des Ministeriums vom 1 März ist eine ganz außerordentliche, und die keiner der vorhergehenden Ministerien gleicht. Wer einen Feind hat, hat gewöhnlich den Feind dieses Feindes zum Freund. Hier aber ist das Umgekehrte der Fall, und die entgegengesetztesten Ursachen bringen die ganz nämliche Wirkung hervor. Der National bekämpft das Ministerium auf Leben und Tod, ihm ist es nicht radical genug und zu conservativ; die Gazette de France ihrerseits macht ihm gleichfalls den Krieg, ungefähr aus den nämlichen Gründen wie der National, was denn in hohem Grade die Ehrlichkeit der Gesinnungen der Gazette beweist, es sey denn, daß sie selbst nicht recht wisse, welchen Plan sie eigentlich verfolgen soll, was wohl hie und da nicht unwahrscheinlich ist; aber auch das Journal des Débats hat sein Schwert gegen die neuen Minister gezogen, und ist, trotz aller verwahrenden Formeln, voll des giftigsten Grolles; ihm, natürlich, ist das Ministerium Thiers, das den 12 Mai gestürzt, und das Ministerium Molé vereitelt hat, unendlich viel zu radical, und so haben wir denn das Resultat, daß die drei Hauptorgane der drei Hauptfarben, die unter einander sich in den Tod hassen, in brüderlicher Eintracht verbunden sind, um den 1 März zu verfolgen. Wenn ich sage in brüderlicher Eintracht, so ist dieß nicht ganz wörtlich zu verstehen, denn die Natur der Sache und die Wahrheit sind oft stärker, als alle Convenienz eines interessirten Spieles. So z. B. kann das Journal des Débats, trotz alles Zornes gegen Hrn. Thiers, nicht zugeben, daß die Gazette, hinter den Namen des Hrn. v. Villele versteckt, alle Ministerien seit 1830 und mit ihnen den ganzen jetzigen politischen Zustand der Dinge in Frankreich beschimpfe, und z. B. die gefertigten und angefangenen öffentlichen Arbeiten für eitle unnütze Verschwendung, und die Veränderungen im öffentlichen Unterricht für gleich zwecklos und überflüssig erkläre; freilich hat das Journal des Débats in dieser letzten Beziehung leichtes Spiel gegen Hrn. v. Villèle, denn während seiner ganzen Herrschaft hat er sich vor dem Vorwurfe, irgend etwas für die Schulen zu thun, sorgfältig verwahrt. Aufrichtig, wir glauben nicht, daß man das Ministerium wegen dieser seltsamen Fehde Aller gegen Einen beklagen solle, im Gegentheil, es liegt in diesem ganz unlogischen Zusammentreffen der unvereinbarsten Elemente etwas, was für seine Lebensfähigkeit, wenn gleich für eine schwierige Geburt spricht. Zu den Curiosis der Opposition gegen das Ministerium vom 1 März, wir sollten sagen gegen Thiers,
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