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Allgemeine Zeitung. Nr. 118. Augsburg, 27. April 1840.

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Unterhaltung, deren erste Folge die Ernennung des türkischen Exkapudan Pascha (Achmed Pascha) zum Kapudan Pascha in ägyptischen Diensten für die beiden vereinigten Flotten war; er soll zugleich den Oberbefehl über alle hier befindlichen Landtruppen übernehmen. Dieser Act hat hier außerordentliche Sensation gemacht; man schreibt denselben auch einer Verrätherei bei, die Chosrew Pascha sich gegen Mehemed Ali habe zu schulden kommen lassen. Auf Anrathen, wie man sagt, des Hrn. v. Pontois, sich mit Mehemed Ali wo möglich direct zu verständigen, habe Chosrew Pascha vor einiger Zeit eine confidentielle Correspondenz mit demselben eröffnet, und besonders darauf gedrungen, daß er ihm klar und deutlich zu erkennen gebe, was seine äußersten Bedingungen zur Abschließung eines Friedens wären; er sehe ein, daß die verbündeten Mächte die Sachen zu ihrem Vortheile in die Länge ziehen wollten etc. Mehemed Ali, glaubend, daß Chosrew Pascha es endlich aufrichtig mit ihm meine, schrieb ihm denn auch in ganz vertraulicher Weise. Sobald jedoch Chosrew Pascha seinen Brief in Händen hatte, soll er nichts angelegentlicher zu thun gehabt haben, als denselben dem englischen und dem russischen Gesandten in Konstantinopel mitzutheilen, worüber denn Mehemed Ali aufs äußerste aufgebracht ist, und sich nun zu Allem berechtigt glaubt. Durch die Ernennung des Ex-Kapudan Pascha zum Kapudan Pascha seiner Flotte (türkisch-ägyptischen) eignet er sich die türkische nun gänzlich zu, welche früher immer unter dem Commando ihres Chefs und nach Absetzung Achmed Pascha's unter dem Befehl von Mustapha Pascha blieb. Indessen nimmt der Unmuth an Bord der türkischen Schiffe immer mehr zu; der deutlichste Beweis davon ist, daß auf einem griechischen Schiffe unter russischer Flagge der Obrist der türkischen Landungstruppen mit einem Linienschiffscapitän und 79 Matrosen entwich. Auch hat der neue Kapudan Pascha gleich darauf angetragen, daß man die Quarantäne der Schiffe aufhebe, und zum wenigsten den Officieren erlaube ans Land zu gehen, was denn auch bewilligt wurde. Man spricht von einer entdeckten Verschwörung, nach welcher in Einer Nacht die Türken sich all ihrer Boote zur Flucht bedienen sollten, um nach Caramanien zu segeln. Die Araber und Türken sind wie Katzen und Hunde auf einander, deßwegen hat die viel besprochene Fusion der Officiere und Matrosen nie stattfinden können; man wagte sie nicht in Vollzug zu bringen, ungeachtet Allem, was in Briefen von hier darüber berichtet worden. - Hr. Cochelet, der jene Ernennung des Kapudan Pascha erst spät erfuhr, begab sich am 2 d. morgens 8 Uhr zum Pascha, und blieb mit ihm bis um 11 Uhr; er beklagt, daß der Pascha sich zu einem solchen Schritt habe hinreißen lassen, Staatsstreiche könnten zu nichts führen; der Pascha soll ihm wiederholt haben, daß er wisse großes Spiel zu spielen, und daß er entschlossen sey, es jetzt gänzlich durchzuspielen. Strenge Befehle sind wiederum nach dem Innern abgegangen, den Anmarsch der Truppen zu beschleunigen, von denen ein Theil bei Damanhur (nicht weit vom Mahmudie-Canal gelegen) und ein Theil bei Ramley zwischen hier und Abukir lagern wird. Kurschid Pascha geht nach Syrien mit seinen Truppen. Neue Aushebungen sollen die Regimenter in Syrien verstärken, da dieselben sehr durch Krankheiten gelichtet werden. Aus Syrien nichts besonderes Interessantes. Ibrahim Pascha hielt sich fortwährend in Marasch auf, Soliman Pascha manchmal in Beyruth, Said aber hauptsächlich in St. Jean d'Acre, welches man immer mehr befestigt. - Nachschrift am 7. Nach Ankunft des gestrigen Paketboots hat Hr. Cochelet dem Pascha die besten Versicherungen gegeben, daß Frankreich hoffe, die orientalische Frage günstig für ihn zu beendigen; er müsse sich nur ruhig verhalten, alle auffallenden Schritte vermeiden und sich noch zu einigen Abtretungen verstehen; die alliirten Mächte fingen an sich der Politik Frankreichs zu nähern. Es soll dem Pascha jetzt leid thun, sich zur Ernennung des Kapudan Pascha haben hinreißen zu lassen, es wäre wahrscheinlich nicht geschehen, wenn er eine Post früher die Instructionen des Hrn. Thiers gekannt hätte. - Sämmtliche Officiere der türkischen Flotte wünschen nach Konstantinopel zurückzukehren, und es sind hauptsächlich ihre Briefe, welche die in dieser Hinsicht von Lord Ponsonby dem Pascha gemachten Anmuthungen verursacht haben. Bis jetzt ließ das Betragen Mehemed Ali's immer vermuthen, daß er nur die Schiffe zurückhalten wolle, daß aber die Mannschaft nach Konstantinopel zurückkehren könne, besonders die Officiere. Jetzt ist die Sache entschieden. - Der neue Kapudan Pascha Mehemed Ali's, hat strenges Gericht über die in der neulich entdeckten Verschwörung begriffenen Officiere und Unterofficiere gehalten: 15 der ersteren sind zu Gemeinen degradirt worden, viele der letztern haben 3 bis 400 Stockprügel erhalten. - Die heute aus Cairo erhaltenen Briefe versichern, daß alle Buden geschlossen sind, daß keiner von den Budenhändlern in der verflossenen Woche einen Piaster bezahlt habe. Da sie sich gänzlich dem Dienste der Nationalgarde widmen müssen, so können sie ihren Geschäften nicht weiter vorstehen; wer wird aber ihre Schulden an die ausländischen Kaufleute bezahlen?

Unterhaltung, deren erste Folge die Ernennung des türkischen Exkapudan Pascha (Achmed Pascha) zum Kapudan Pascha in ägyptischen Diensten für die beiden vereinigten Flotten war; er soll zugleich den Oberbefehl über alle hier befindlichen Landtruppen übernehmen. Dieser Act hat hier außerordentliche Sensation gemacht; man schreibt denselben auch einer Verrätherei bei, die Chosrew Pascha sich gegen Mehemed Ali habe zu schulden kommen lassen. Auf Anrathen, wie man sagt, des Hrn. v. Pontois, sich mit Mehemed Ali wo möglich direct zu verständigen, habe Chosrew Pascha vor einiger Zeit eine confidentielle Correspondenz mit demselben eröffnet, und besonders darauf gedrungen, daß er ihm klar und deutlich zu erkennen gebe, was seine äußersten Bedingungen zur Abschließung eines Friedens wären; er sehe ein, daß die verbündeten Mächte die Sachen zu ihrem Vortheile in die Länge ziehen wollten etc. Mehemed Ali, glaubend, daß Chosrew Pascha es endlich aufrichtig mit ihm meine, schrieb ihm denn auch in ganz vertraulicher Weise. Sobald jedoch Chosrew Pascha seinen Brief in Händen hatte, soll er nichts angelegentlicher zu thun gehabt haben, als denselben dem englischen und dem russischen Gesandten in Konstantinopel mitzutheilen, worüber denn Mehemed Ali aufs äußerste aufgebracht ist, und sich nun zu Allem berechtigt glaubt. Durch die Ernennung des Ex-Kapudan Pascha zum Kapudan Pascha seiner Flotte (türkisch-ägyptischen) eignet er sich die türkische nun gänzlich zu, welche früher immer unter dem Commando ihres Chefs und nach Absetzung Achmed Pascha's unter dem Befehl von Mustapha Pascha blieb. Indessen nimmt der Unmuth an Bord der türkischen Schiffe immer mehr zu; der deutlichste Beweis davon ist, daß auf einem griechischen Schiffe unter russischer Flagge der Obrist der türkischen Landungstruppen mit einem Linienschiffscapitän und 79 Matrosen entwich. Auch hat der neue Kapudan Pascha gleich darauf angetragen, daß man die Quarantäne der Schiffe aufhebe, und zum wenigsten den Officieren erlaube ans Land zu gehen, was denn auch bewilligt wurde. Man spricht von einer entdeckten Verschwörung, nach welcher in Einer Nacht die Türken sich all ihrer Boote zur Flucht bedienen sollten, um nach Caramanien zu segeln. Die Araber und Türken sind wie Katzen und Hunde auf einander, deßwegen hat die viel besprochene Fusion der Officiere und Matrosen nie stattfinden können; man wagte sie nicht in Vollzug zu bringen, ungeachtet Allem, was in Briefen von hier darüber berichtet worden. – Hr. Cochelet, der jene Ernennung des Kapudan Pascha erst spät erfuhr, begab sich am 2 d. morgens 8 Uhr zum Pascha, und blieb mit ihm bis um 11 Uhr; er beklagt, daß der Pascha sich zu einem solchen Schritt habe hinreißen lassen, Staatsstreiche könnten zu nichts führen; der Pascha soll ihm wiederholt haben, daß er wisse großes Spiel zu spielen, und daß er entschlossen sey, es jetzt gänzlich durchzuspielen. Strenge Befehle sind wiederum nach dem Innern abgegangen, den Anmarsch der Truppen zu beschleunigen, von denen ein Theil bei Damanhur (nicht weit vom Mahmudie-Canal gelegen) und ein Theil bei Ramley zwischen hier und Abukir lagern wird. Kurschid Pascha geht nach Syrien mit seinen Truppen. Neue Aushebungen sollen die Regimenter in Syrien verstärken, da dieselben sehr durch Krankheiten gelichtet werden. Aus Syrien nichts besonderes Interessantes. Ibrahim Pascha hielt sich fortwährend in Marasch auf, Soliman Pascha manchmal in Beyruth, Said aber hauptsächlich in St. Jean d'Acre, welches man immer mehr befestigt. – Nachschrift am 7. Nach Ankunft des gestrigen Paketboots hat Hr. Cochelet dem Pascha die besten Versicherungen gegeben, daß Frankreich hoffe, die orientalische Frage günstig für ihn zu beendigen; er müsse sich nur ruhig verhalten, alle auffallenden Schritte vermeiden und sich noch zu einigen Abtretungen verstehen; die alliirten Mächte fingen an sich der Politik Frankreichs zu nähern. Es soll dem Pascha jetzt leid thun, sich zur Ernennung des Kapudan Pascha haben hinreißen zu lassen, es wäre wahrscheinlich nicht geschehen, wenn er eine Post früher die Instructionen des Hrn. Thiers gekannt hätte. – Sämmtliche Officiere der türkischen Flotte wünschen nach Konstantinopel zurückzukehren, und es sind hauptsächlich ihre Briefe, welche die in dieser Hinsicht von Lord Ponsonby dem Pascha gemachten Anmuthungen verursacht haben. Bis jetzt ließ das Betragen Mehemed Ali's immer vermuthen, daß er nur die Schiffe zurückhalten wolle, daß aber die Mannschaft nach Konstantinopel zurückkehren könne, besonders die Officiere. Jetzt ist die Sache entschieden. – Der neue Kapudan Pascha Mehemed Ali's, hat strenges Gericht über die in der neulich entdeckten Verschwörung begriffenen Officiere und Unterofficiere gehalten: 15 der ersteren sind zu Gemeinen degradirt worden, viele der letztern haben 3 bis 400 Stockprügel erhalten. – Die heute aus Cairo erhaltenen Briefe versichern, daß alle Buden geschlossen sind, daß keiner von den Budenhändlern in der verflossenen Woche einen Piaster bezahlt habe. Da sie sich gänzlich dem Dienste der Nationalgarde widmen müssen, so können sie ihren Geschäften nicht weiter vorstehen; wer wird aber ihre Schulden an die ausländischen Kaufleute bezahlen?

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Unterhaltung, deren erste Folge die Ernennung des türkischen Exkapudan Pascha (Achmed Pascha) zum Kapudan Pascha in ägyptischen Diensten für die beiden vereinigten Flotten war; er soll zugleich den Oberbefehl über alle hier befindlichen Landtruppen übernehmen. Dieser Act hat hier außerordentliche Sensation gemacht; man schreibt denselben auch einer Verrätherei bei, die Chosrew Pascha sich gegen Mehemed Ali habe zu schulden kommen lassen. Auf Anrathen, wie man sagt, des Hrn. v. Pontois, sich mit Mehemed Ali wo möglich direct zu verständigen, habe Chosrew Pascha vor einiger Zeit eine confidentielle Correspondenz mit demselben eröffnet, und besonders darauf gedrungen, daß er ihm klar und deutlich zu erkennen gebe, was seine äußersten Bedingungen zur Abschließung eines Friedens wären; er sehe ein, daß die verbündeten Mächte die Sachen zu ihrem Vortheile in die Länge ziehen wollten etc. Mehemed Ali, glaubend, daß Chosrew Pascha es endlich aufrichtig mit ihm meine, schrieb ihm denn auch in ganz vertraulicher Weise. Sobald jedoch Chosrew Pascha seinen Brief in Händen hatte, soll er nichts angelegentlicher zu thun gehabt haben, als denselben dem englischen und dem russischen Gesandten in Konstantinopel mitzutheilen, worüber denn Mehemed Ali aufs äußerste aufgebracht ist, und sich nun zu Allem berechtigt glaubt. Durch die Ernennung des Ex-Kapudan Pascha zum Kapudan Pascha seiner Flotte (türkisch-ägyptischen) eignet er sich die türkische nun gänzlich zu, welche früher immer unter dem Commando ihres Chefs und nach Absetzung Achmed Pascha's unter dem Befehl von Mustapha Pascha blieb. Indessen nimmt der Unmuth an Bord der türkischen Schiffe immer mehr zu; der deutlichste Beweis davon ist, daß auf einem griechischen Schiffe unter russischer Flagge der Obrist der türkischen Landungstruppen mit einem Linienschiffscapitän und 79 Matrosen entwich. Auch hat der neue Kapudan Pascha gleich darauf angetragen, daß man die Quarantäne der Schiffe aufhebe, und zum wenigsten den Officieren erlaube ans Land zu gehen, was denn auch bewilligt wurde. Man spricht von einer entdeckten Verschwörung, nach welcher in Einer Nacht die Türken sich all ihrer Boote zur Flucht bedienen sollten, um nach Caramanien zu segeln. Die Araber und Türken sind wie Katzen und Hunde auf einander, deßwegen hat die viel besprochene Fusion der Officiere und Matrosen nie stattfinden können; man wagte sie nicht in Vollzug zu bringen, ungeachtet Allem, was in Briefen von hier darüber berichtet worden. &#x2013; Hr. Cochelet, der jene Ernennung des Kapudan Pascha erst spät erfuhr, begab sich am 2 d. morgens 8 Uhr zum Pascha, und blieb mit ihm bis um 11 Uhr; er beklagt, daß der Pascha sich zu einem solchen Schritt habe hinreißen lassen, Staatsstreiche könnten zu nichts führen; der Pascha soll ihm wiederholt haben, daß er wisse großes Spiel zu spielen, und daß er entschlossen sey, es jetzt gänzlich durchzuspielen. Strenge Befehle sind wiederum nach dem Innern abgegangen, den Anmarsch der Truppen zu beschleunigen, von denen ein Theil bei Damanhur (nicht weit vom Mahmudie-Canal gelegen) und ein Theil bei Ramley zwischen hier und Abukir lagern wird. Kurschid Pascha geht nach Syrien mit seinen Truppen. Neue Aushebungen sollen die Regimenter in Syrien verstärken, da dieselben sehr durch Krankheiten gelichtet werden. Aus Syrien nichts besonderes Interessantes. Ibrahim Pascha hielt sich fortwährend in Marasch auf, Soliman Pascha manchmal in Beyruth, Said aber hauptsächlich in St. Jean d'Acre, welches man immer mehr befestigt. &#x2013; <hi rendition="#g">Nachschrift</hi> am 7. Nach Ankunft des gestrigen Paketboots hat Hr. Cochelet dem Pascha die besten Versicherungen gegeben, daß Frankreich hoffe, die orientalische Frage günstig für ihn zu beendigen; er müsse sich nur ruhig verhalten, alle auffallenden Schritte vermeiden und sich noch zu einigen Abtretungen verstehen; die alliirten Mächte fingen an sich der Politik Frankreichs zu nähern. Es soll dem Pascha jetzt leid thun, sich zur Ernennung des Kapudan Pascha haben hinreißen zu lassen, es wäre wahrscheinlich nicht geschehen, wenn er eine Post früher die Instructionen des Hrn. Thiers gekannt hätte. &#x2013; Sämmtliche Officiere der türkischen Flotte wünschen nach Konstantinopel zurückzukehren, und es sind hauptsächlich ihre Briefe, welche die in dieser Hinsicht von Lord Ponsonby dem Pascha gemachten Anmuthungen verursacht haben. Bis jetzt ließ das Betragen Mehemed Ali's immer vermuthen, daß er nur die Schiffe zurückhalten wolle, daß aber die Mannschaft nach Konstantinopel zurückkehren könne, besonders die Officiere. Jetzt ist die Sache entschieden. &#x2013; Der neue Kapudan Pascha Mehemed Ali's, hat strenges Gericht über die in der neulich entdeckten Verschwörung begriffenen Officiere und Unterofficiere gehalten: 15 der ersteren sind zu Gemeinen degradirt worden, viele der letztern haben 3 bis 400 Stockprügel erhalten. &#x2013; Die heute aus Cairo erhaltenen Briefe versichern, daß alle Buden geschlossen sind, daß keiner von den Budenhändlern in der verflossenen Woche einen Piaster bezahlt habe. 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[0944/0008] Unterhaltung, deren erste Folge die Ernennung des türkischen Exkapudan Pascha (Achmed Pascha) zum Kapudan Pascha in ägyptischen Diensten für die beiden vereinigten Flotten war; er soll zugleich den Oberbefehl über alle hier befindlichen Landtruppen übernehmen. Dieser Act hat hier außerordentliche Sensation gemacht; man schreibt denselben auch einer Verrätherei bei, die Chosrew Pascha sich gegen Mehemed Ali habe zu schulden kommen lassen. Auf Anrathen, wie man sagt, des Hrn. v. Pontois, sich mit Mehemed Ali wo möglich direct zu verständigen, habe Chosrew Pascha vor einiger Zeit eine confidentielle Correspondenz mit demselben eröffnet, und besonders darauf gedrungen, daß er ihm klar und deutlich zu erkennen gebe, was seine äußersten Bedingungen zur Abschließung eines Friedens wären; er sehe ein, daß die verbündeten Mächte die Sachen zu ihrem Vortheile in die Länge ziehen wollten etc. Mehemed Ali, glaubend, daß Chosrew Pascha es endlich aufrichtig mit ihm meine, schrieb ihm denn auch in ganz vertraulicher Weise. Sobald jedoch Chosrew Pascha seinen Brief in Händen hatte, soll er nichts angelegentlicher zu thun gehabt haben, als denselben dem englischen und dem russischen Gesandten in Konstantinopel mitzutheilen, worüber denn Mehemed Ali aufs äußerste aufgebracht ist, und sich nun zu Allem berechtigt glaubt. Durch die Ernennung des Ex-Kapudan Pascha zum Kapudan Pascha seiner Flotte (türkisch-ägyptischen) eignet er sich die türkische nun gänzlich zu, welche früher immer unter dem Commando ihres Chefs und nach Absetzung Achmed Pascha's unter dem Befehl von Mustapha Pascha blieb. Indessen nimmt der Unmuth an Bord der türkischen Schiffe immer mehr zu; der deutlichste Beweis davon ist, daß auf einem griechischen Schiffe unter russischer Flagge der Obrist der türkischen Landungstruppen mit einem Linienschiffscapitän und 79 Matrosen entwich. Auch hat der neue Kapudan Pascha gleich darauf angetragen, daß man die Quarantäne der Schiffe aufhebe, und zum wenigsten den Officieren erlaube ans Land zu gehen, was denn auch bewilligt wurde. Man spricht von einer entdeckten Verschwörung, nach welcher in Einer Nacht die Türken sich all ihrer Boote zur Flucht bedienen sollten, um nach Caramanien zu segeln. Die Araber und Türken sind wie Katzen und Hunde auf einander, deßwegen hat die viel besprochene Fusion der Officiere und Matrosen nie stattfinden können; man wagte sie nicht in Vollzug zu bringen, ungeachtet Allem, was in Briefen von hier darüber berichtet worden. – Hr. Cochelet, der jene Ernennung des Kapudan Pascha erst spät erfuhr, begab sich am 2 d. morgens 8 Uhr zum Pascha, und blieb mit ihm bis um 11 Uhr; er beklagt, daß der Pascha sich zu einem solchen Schritt habe hinreißen lassen, Staatsstreiche könnten zu nichts führen; der Pascha soll ihm wiederholt haben, daß er wisse großes Spiel zu spielen, und daß er entschlossen sey, es jetzt gänzlich durchzuspielen. Strenge Befehle sind wiederum nach dem Innern abgegangen, den Anmarsch der Truppen zu beschleunigen, von denen ein Theil bei Damanhur (nicht weit vom Mahmudie-Canal gelegen) und ein Theil bei Ramley zwischen hier und Abukir lagern wird. Kurschid Pascha geht nach Syrien mit seinen Truppen. Neue Aushebungen sollen die Regimenter in Syrien verstärken, da dieselben sehr durch Krankheiten gelichtet werden. Aus Syrien nichts besonderes Interessantes. Ibrahim Pascha hielt sich fortwährend in Marasch auf, Soliman Pascha manchmal in Beyruth, Said aber hauptsächlich in St. Jean d'Acre, welches man immer mehr befestigt. – Nachschrift am 7. Nach Ankunft des gestrigen Paketboots hat Hr. Cochelet dem Pascha die besten Versicherungen gegeben, daß Frankreich hoffe, die orientalische Frage günstig für ihn zu beendigen; er müsse sich nur ruhig verhalten, alle auffallenden Schritte vermeiden und sich noch zu einigen Abtretungen verstehen; die alliirten Mächte fingen an sich der Politik Frankreichs zu nähern. Es soll dem Pascha jetzt leid thun, sich zur Ernennung des Kapudan Pascha haben hinreißen zu lassen, es wäre wahrscheinlich nicht geschehen, wenn er eine Post früher die Instructionen des Hrn. Thiers gekannt hätte. – Sämmtliche Officiere der türkischen Flotte wünschen nach Konstantinopel zurückzukehren, und es sind hauptsächlich ihre Briefe, welche die in dieser Hinsicht von Lord Ponsonby dem Pascha gemachten Anmuthungen verursacht haben. Bis jetzt ließ das Betragen Mehemed Ali's immer vermuthen, daß er nur die Schiffe zurückhalten wolle, daß aber die Mannschaft nach Konstantinopel zurückkehren könne, besonders die Officiere. Jetzt ist die Sache entschieden. – Der neue Kapudan Pascha Mehemed Ali's, hat strenges Gericht über die in der neulich entdeckten Verschwörung begriffenen Officiere und Unterofficiere gehalten: 15 der ersteren sind zu Gemeinen degradirt worden, viele der letztern haben 3 bis 400 Stockprügel erhalten. – Die heute aus Cairo erhaltenen Briefe versichern, daß alle Buden geschlossen sind, daß keiner von den Budenhändlern in der verflossenen Woche einen Piaster bezahlt habe. 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Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 118. Augsburg, 27. April 1840, S. 0944. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_118_18400427/8>, abgerufen am 29.04.2024.