Allgemeine Zeitung. Nr. 121. Augsburg, 30. April 1840.zu ähnlichen Auftritten Anlaß geben, und dem Ministerium wird stets das leichte Mittel bleiben, seine Feinde zu beschämen: es braucht nur aufrichtig bei seiner aufgepflanzten Fahne zu verharren, und der klar ausgesprochenen öffentlichen Meinung zu folgen. Diese öffentliche Meinung, was auch die Ultrablätter dagegen sagen mögen, ist, daß seit Jahren kein Ministerium mehr Vertrauen eingeflößt hat, als das gegenwärtige, und daß dessen Vorstand, wie vorsichtig er sich in ruhigen Momenten zu verhalten strebe, bei irgend einem Streite, der die Ehre des Landes beträfe, mit Würde und Festigkeit auftreten würde. Im Innern selbst sind es vorerst die großen öffentlichen Arbeiten, Eisenbahnen u. s. w., auf welche die Nation zählt, so wie ferner eine kräftige Ermunterung und Unterstützung der Ansiedelung in Algier. Es gehörte mehr als Ungeschicklichkeit, es gehörte böser Wille dazu, eine so günstige Stellung nicht zu benutzen, dem Ministerpräsidenten aber möchte das eine so wenig als das andere vorzuwerfen seyn, sein eigenes Interesse, sein Ruhm sind hier die besten Schildhalter seiner Pflicht. Viele Personen hoffen noch, daß das Gesetz über die Conversion der Rente in der Pairskammer durchfallen werde, da es bekannt ist, daß die Pairs viele Capitalien auf dem großen Buche haben, und man außerdem meint, der König selbst sey gegen die Conversion. Indessen darf man nicht sehr auf die Willensfestigkeit der Pairskammer zählen; es liegen immer Gründe genug vor, die sie von einer systematischen, oder, was noch schlimmer ist, von einer interessirten Opposition abhalten werden, und was Ludwig Philipp angeht, so möge man nicht vergessen, daß er persönlich bei der Frage nicht betheiligt ist. - Der neueste Gesetzesentwurf Cousins, wegen Errichtung eines Lehrstuhls für slavische Litteratur, hat den legitimistischen Blättern Gelegenheit gegeben, ihren unmächtigen und grotesken Zorn wieder einmal auszulassen. Die France, das Lieblingsjournal des Pariser legitimistischen hohen Adels, fragt, was denn das sey, die slavische Sprache? wahrscheinlich ein Patois, das man, dahinten weit in ..... Ungarn spreche, und dafür wolle der Minister des Unterrichts einen eigenen Lehrstuhl errichten. So viel, was die geistige Cultur der France angeht. Moralische Bedeutung dieses angenehmen Blattes: 187 Abonnenten! Paris, 25 April. Hr. Thiers hat sich gestern wiederum auf eine feine Art aus einer Schlinge gezogen, die für ihn verderblich zu werden drohte. Seine erste Rede, die von allen Parteien als äußerst schwach getadelt wird, war auf Schrauben gesetzt; er wollte das Terrain sondiren, um nach den Umständen sodann mit seinem Vertagungsprojecte hervorzurücken (man s. meinen Brief von gestern); indessen erkannte er während der Vorträge der auf ihn folgenden Sprecher, daß seine Rede keinen Beifall erhalten hatte; er fürchtete, die Linke, mit alleiniger Ausnahme einiger Freunde des Hrn. Barrot, möchte gegen ihn stimmen. Da machte er schnell eine Seitenwendung, und sprach ganz im Sinne der Motion des Hrn. v. Remilly, die dann mit großer Mehrheit in Berücksichtigung genommen wurde. Nunmehr wird dieselbe in einer andern Sitzung in ihren einzelnen Theilen näher geprüft; und Hr. Thiers, der kein Freund von ihr ist, weil sie das Cabinet mancher Springfedern beraubt, die Zahl seiner Anhänger zu vermehren, muß auf andere Mittel sinnen, um sie zu neutralisiren. - Die Ursache der geringen Mehrheit, womit das Gesetz über die Rentenconversion angenommen wurde, lag zunächst in der Verwerfung des Vorschlags, die Renten der Gemeinden und öffentlichen Anstalten von der Maaßregel auszunehmen; man zählt an 60 Deputirte, die deßhalb dem ganzen Gesetze schwarze Kugeln gegeben haben. Jene Anstalten sind in vielen Fällen durch Verordnungen und Instructionen der oberen Behörden genöthigt, ihre Gelder in Staatspapieren unterzubringen; deßhalb wollten viele Personen eine Ausnahme zu ihren Gunsten aufgestellt wissen. - Der Conseilpräsident hat nunmehr selbst mehreren seiner Collegen in der Kammer erzählt, er habe die nach Persien abgegangene Gesandtschaft zurückgerufen. Er fügte als Beweggrund, außer dem der Entfernung und der Kosten, bei, es sey eine Anzahl junger Leute dieser Gesandtschaft beigegeben; bekomme einer derselben in der Mitte eines solchen uncultivirten Volkes Händel und werde mißhandelt, so sey Frankreich genöthigt, um diese Insulte zu rächen, irgend eine kriegerische Demonstration zu machen, von der man nicht wissen könnte, wie weit sie führe. Belgien. Brüssel, 22 April. Der Dr. Moreau, Geburtshelfer I. Maj. der Königin der Belgier, wird von Paris zu Brüssel erwartet. - Der Herzog von Sachsen-Coburg-Cohary, sein Sohn, der Prinz August, und seine Tochter, die Prinzessin Victoria, werden morgen nach Paris abreisen. Eine Deputation wird an der Gränze die Verlobte des Herzogs von Nemours empfangen. Brüssel, 23 April. Der König wird heute Nachmittags nach Frankreich abreisen; er wird nicht den nämlichen Weg wie seine erlauchten Verwandten nehmen. Se. Maj. wird über Tournai und Lille reisen, zu Arras übernachten und morgen über Amiens im Schlosse St. Cloud eintreffen. In der gestrigen Sitzung der Repräsentantenkammer unterbrach der Justizminister, Hr. Leclercq, die Discussion wegen Uebernahme der 4000 Actien zur rheinischen Eisenbahn, und sagte: "Die Sache mit dem Hrn. Vandersmissen hat zu dem Zweifel Anlaß gegeben, ob die von dem Tractat stipulirte Amnestie auf alle Provinzen anzuwenden sey. Nach der Befestigung unserer Unabhängigkeit wäre es jedoch der Gesinnung des Landes nicht entsprechend, wenn nicht gleich milde gegen Alle gehandelt würde, welche die Pflicht gegen das Vaterland vergessen haben mögen. Aus diesen vom Cabinet getheilten Gründen schlage ich folgendes Gesetz vor: jede Verfolgung wegen politischer Vergehen, die vor dem 19 April 1839 begangen worden, ist untersagt. - Wenn wir hier nicht von Verurtheilungen sprechen, so geschieht dieß, weil das Begnadigungsrecht dem Könige zusteht. Brüssel, 21 April. Prüfen wir das neue Ministerium nach seiner nun officiell bekannt gemachten Zusammensetzung, so ergibt sich auf den ersten Blick ein Uebergewicht des liberalen Elements, denn das einzige Glied, das einen Anstrich katholischer Farbe hat, ist Hr. Liedts, der Minister des Innern, und gleich als hätte man die Beruhigung, die er den Katholiken zu gewähren bestimmt gewesen, schon für zu bedeutend gehalten, so hat man das Fach des öffentlichen Unterrichts von seinem Departement abgetrennt, und mit dem Ministerium der öffentlichen Bauten unter Hrn. Rogier vereinigt. Die Bedeutsamkeit dieser Aenderung, auf die man im Publicum gar nicht gefaßt war, wird hauptsächlich dann hervortreten, wenn von dem Gesetze über die Organisation der mittlern und niedern Schulen die Rede seyn wird. Was das doctrinäre Element im neuen Ministerium betrifft, so können wir demselben keine besondere Bedeutung mehr beilegen: durch die jüngste Coalition hat sich der Doctrinarismus in Liberalismus aufgelöst, und eine, wenn gleich einstweilen nicht sehr ausgesprochene, Oppositionsstellung gegen den Katholicismus angenommen. Die HH. Lebeau und Rogier können sich daher nicht mehr versprechen, als Neutrale mitten inne zu stehen; der Gesinnung nach waren sie es im Grunde nie; aber zu ähnlichen Auftritten Anlaß geben, und dem Ministerium wird stets das leichte Mittel bleiben, seine Feinde zu beschämen: es braucht nur aufrichtig bei seiner aufgepflanzten Fahne zu verharren, und der klar ausgesprochenen öffentlichen Meinung zu folgen. Diese öffentliche Meinung, was auch die Ultrablätter dagegen sagen mögen, ist, daß seit Jahren kein Ministerium mehr Vertrauen eingeflößt hat, als das gegenwärtige, und daß dessen Vorstand, wie vorsichtig er sich in ruhigen Momenten zu verhalten strebe, bei irgend einem Streite, der die Ehre des Landes beträfe, mit Würde und Festigkeit auftreten würde. Im Innern selbst sind es vorerst die großen öffentlichen Arbeiten, Eisenbahnen u. s. w., auf welche die Nation zählt, so wie ferner eine kräftige Ermunterung und Unterstützung der Ansiedelung in Algier. Es gehörte mehr als Ungeschicklichkeit, es gehörte böser Wille dazu, eine so günstige Stellung nicht zu benutzen, dem Ministerpräsidenten aber möchte das eine so wenig als das andere vorzuwerfen seyn, sein eigenes Interesse, sein Ruhm sind hier die besten Schildhalter seiner Pflicht. Viele Personen hoffen noch, daß das Gesetz über die Conversion der Rente in der Pairskammer durchfallen werde, da es bekannt ist, daß die Pairs viele Capitalien auf dem großen Buche haben, und man außerdem meint, der König selbst sey gegen die Conversion. Indessen darf man nicht sehr auf die Willensfestigkeit der Pairskammer zählen; es liegen immer Gründe genug vor, die sie von einer systematischen, oder, was noch schlimmer ist, von einer interessirten Opposition abhalten werden, und was Ludwig Philipp angeht, so möge man nicht vergessen, daß er persönlich bei der Frage nicht betheiligt ist. – Der neueste Gesetzesentwurf Cousins, wegen Errichtung eines Lehrstuhls für slavische Litteratur, hat den legitimistischen Blättern Gelegenheit gegeben, ihren unmächtigen und grotesken Zorn wieder einmal auszulassen. Die France, das Lieblingsjournal des Pariser legitimistischen hohen Adels, fragt, was denn das sey, die slavische Sprache? wahrscheinlich ein Patois, das man, dahinten weit in ..... Ungarn spreche, und dafür wolle der Minister des Unterrichts einen eigenen Lehrstuhl errichten. So viel, was die geistige Cultur der France angeht. Moralische Bedeutung dieses angenehmen Blattes: 187 Abonnenten! Paris, 25 April. Hr. Thiers hat sich gestern wiederum auf eine feine Art aus einer Schlinge gezogen, die für ihn verderblich zu werden drohte. Seine erste Rede, die von allen Parteien als äußerst schwach getadelt wird, war auf Schrauben gesetzt; er wollte das Terrain sondiren, um nach den Umständen sodann mit seinem Vertagungsprojecte hervorzurücken (man s. meinen Brief von gestern); indessen erkannte er während der Vorträge der auf ihn folgenden Sprecher, daß seine Rede keinen Beifall erhalten hatte; er fürchtete, die Linke, mit alleiniger Ausnahme einiger Freunde des Hrn. Barrot, möchte gegen ihn stimmen. Da machte er schnell eine Seitenwendung, und sprach ganz im Sinne der Motion des Hrn. v. Remilly, die dann mit großer Mehrheit in Berücksichtigung genommen wurde. Nunmehr wird dieselbe in einer andern Sitzung in ihren einzelnen Theilen näher geprüft; und Hr. Thiers, der kein Freund von ihr ist, weil sie das Cabinet mancher Springfedern beraubt, die Zahl seiner Anhänger zu vermehren, muß auf andere Mittel sinnen, um sie zu neutralisiren. – Die Ursache der geringen Mehrheit, womit das Gesetz über die Rentenconversion angenommen wurde, lag zunächst in der Verwerfung des Vorschlags, die Renten der Gemeinden und öffentlichen Anstalten von der Maaßregel auszunehmen; man zählt an 60 Deputirte, die deßhalb dem ganzen Gesetze schwarze Kugeln gegeben haben. Jene Anstalten sind in vielen Fällen durch Verordnungen und Instructionen der oberen Behörden genöthigt, ihre Gelder in Staatspapieren unterzubringen; deßhalb wollten viele Personen eine Ausnahme zu ihren Gunsten aufgestellt wissen. – Der Conseilpräsident hat nunmehr selbst mehreren seiner Collegen in der Kammer erzählt, er habe die nach Persien abgegangene Gesandtschaft zurückgerufen. Er fügte als Beweggrund, außer dem der Entfernung und der Kosten, bei, es sey eine Anzahl junger Leute dieser Gesandtschaft beigegeben; bekomme einer derselben in der Mitte eines solchen uncultivirten Volkes Händel und werde mißhandelt, so sey Frankreich genöthigt, um diese Insulte zu rächen, irgend eine kriegerische Demonstration zu machen, von der man nicht wissen könnte, wie weit sie führe. Belgien. Brüssel, 22 April. Der Dr. Moreau, Geburtshelfer I. Maj. der Königin der Belgier, wird von Paris zu Brüssel erwartet. – Der Herzog von Sachsen-Coburg-Cohary, sein Sohn, der Prinz August, und seine Tochter, die Prinzessin Victoria, werden morgen nach Paris abreisen. Eine Deputation wird an der Gränze die Verlobte des Herzogs von Nemours empfangen. Brüssel, 23 April. Der König wird heute Nachmittags nach Frankreich abreisen; er wird nicht den nämlichen Weg wie seine erlauchten Verwandten nehmen. Se. Maj. wird über Tournai und Lille reisen, zu Arras übernachten und morgen über Amiens im Schlosse St. Cloud eintreffen. In der gestrigen Sitzung der Repräsentantenkammer unterbrach der Justizminister, Hr. Leclercq, die Discussion wegen Uebernahme der 4000 Actien zur rheinischen Eisenbahn, und sagte: „Die Sache mit dem Hrn. Vandersmissen hat zu dem Zweifel Anlaß gegeben, ob die von dem Tractat stipulirte Amnestie auf alle Provinzen anzuwenden sey. Nach der Befestigung unserer Unabhängigkeit wäre es jedoch der Gesinnung des Landes nicht entsprechend, wenn nicht gleich milde gegen Alle gehandelt würde, welche die Pflicht gegen das Vaterland vergessen haben mögen. Aus diesen vom Cabinet getheilten Gründen schlage ich folgendes Gesetz vor: jede Verfolgung wegen politischer Vergehen, die vor dem 19 April 1839 begangen worden, ist untersagt. – Wenn wir hier nicht von Verurtheilungen sprechen, so geschieht dieß, weil das Begnadigungsrecht dem Könige zusteht. Brüssel, 21 April. Prüfen wir das neue Ministerium nach seiner nun officiell bekannt gemachten Zusammensetzung, so ergibt sich auf den ersten Blick ein Uebergewicht des liberalen Elements, denn das einzige Glied, das einen Anstrich katholischer Farbe hat, ist Hr. Liedts, der Minister des Innern, und gleich als hätte man die Beruhigung, die er den Katholiken zu gewähren bestimmt gewesen, schon für zu bedeutend gehalten, so hat man das Fach des öffentlichen Unterrichts von seinem Departement abgetrennt, und mit dem Ministerium der öffentlichen Bauten unter Hrn. Rogier vereinigt. Die Bedeutsamkeit dieser Aenderung, auf die man im Publicum gar nicht gefaßt war, wird hauptsächlich dann hervortreten, wenn von dem Gesetze über die Organisation der mittlern und niedern Schulen die Rede seyn wird. Was das doctrinäre Element im neuen Ministerium betrifft, so können wir demselben keine besondere Bedeutung mehr beilegen: durch die jüngste Coalition hat sich der Doctrinarismus in Liberalismus aufgelöst, und eine, wenn gleich einstweilen nicht sehr ausgesprochene, Oppositionsstellung gegen den Katholicismus angenommen. Die HH. Lebeau und Rogier können sich daher nicht mehr versprechen, als Neutrale mitten inne zu stehen; der Gesinnung nach waren sie es im Grunde nie; aber <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0005" n="0965"/> zu ähnlichen Auftritten Anlaß geben, und dem Ministerium wird stets das leichte Mittel bleiben, seine Feinde zu beschämen: es braucht nur aufrichtig bei seiner aufgepflanzten Fahne zu verharren, und der klar ausgesprochenen öffentlichen Meinung zu folgen. 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Thiers, der kein Freund von ihr ist, weil sie das Cabinet mancher Springfedern beraubt, die Zahl seiner Anhänger zu vermehren, muß auf andere Mittel sinnen, um sie zu neutralisiren. – Die Ursache der geringen Mehrheit, womit das Gesetz über die Rentenconversion angenommen wurde, lag zunächst in der Verwerfung des Vorschlags, die Renten der Gemeinden und öffentlichen Anstalten von der Maaßregel auszunehmen; man zählt an 60 Deputirte, die deßhalb dem ganzen Gesetze schwarze Kugeln gegeben haben. Jene Anstalten sind in vielen Fällen durch Verordnungen und Instructionen der oberen Behörden <hi rendition="#g">genöthigt</hi>, ihre Gelder in Staatspapieren unterzubringen; deßhalb wollten viele Personen eine Ausnahme zu ihren Gunsten aufgestellt wissen. – Der Conseilpräsident hat nunmehr selbst mehreren seiner Collegen in der Kammer erzählt, er habe die nach Persien abgegangene Gesandtschaft zurückgerufen. 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_ Paris, 25 April. Hr. Thiers hat sich gestern wiederum auf eine feine Art aus einer Schlinge gezogen, die für ihn verderblich zu werden drohte. Seine erste Rede, die von allen Parteien als äußerst schwach getadelt wird, war auf Schrauben gesetzt; er wollte das Terrain sondiren, um nach den Umständen sodann mit seinem Vertagungsprojecte hervorzurücken (man s. meinen Brief von gestern); indessen erkannte er während der Vorträge der auf ihn folgenden Sprecher, daß seine Rede keinen Beifall erhalten hatte; er fürchtete, die Linke, mit alleiniger Ausnahme einiger Freunde des Hrn. Barrot, möchte gegen ihn stimmen. Da machte er schnell eine Seitenwendung, und sprach ganz im Sinne der Motion des Hrn. v. Remilly, die dann mit großer Mehrheit in Berücksichtigung genommen wurde. Nunmehr wird dieselbe in einer andern Sitzung in ihren einzelnen Theilen näher geprüft; und Hr. Thiers, der kein Freund von ihr ist, weil sie das Cabinet mancher Springfedern beraubt, die Zahl seiner Anhänger zu vermehren, muß auf andere Mittel sinnen, um sie zu neutralisiren. – Die Ursache der geringen Mehrheit, womit das Gesetz über die Rentenconversion angenommen wurde, lag zunächst in der Verwerfung des Vorschlags, die Renten der Gemeinden und öffentlichen Anstalten von der Maaßregel auszunehmen; man zählt an 60 Deputirte, die deßhalb dem ganzen Gesetze schwarze Kugeln gegeben haben. Jene Anstalten sind in vielen Fällen durch Verordnungen und Instructionen der oberen Behörden genöthigt, ihre Gelder in Staatspapieren unterzubringen; deßhalb wollten viele Personen eine Ausnahme zu ihren Gunsten aufgestellt wissen. – Der Conseilpräsident hat nunmehr selbst mehreren seiner Collegen in der Kammer erzählt, er habe die nach Persien abgegangene Gesandtschaft zurückgerufen. Er fügte als Beweggrund, außer dem der Entfernung und der Kosten, bei, es sey eine Anzahl junger Leute dieser Gesandtschaft beigegeben; bekomme einer derselben in der Mitte eines solchen uncultivirten Volkes Händel und werde mißhandelt, so sey Frankreich genöthigt, um diese Insulte zu rächen, irgend eine kriegerische Demonstration zu machen, von der man nicht wissen könnte, wie weit sie führe.
Belgien.
_ Brüssel, 22 April. Der Dr. Moreau, Geburtshelfer I. Maj. der Königin der Belgier, wird von Paris zu Brüssel erwartet. – Der Herzog von Sachsen-Coburg-Cohary, sein Sohn, der Prinz August, und seine Tochter, die Prinzessin Victoria, werden morgen nach Paris abreisen. Eine Deputation wird an der Gränze die Verlobte des Herzogs von Nemours empfangen.
_ Brüssel, 23 April. Der König wird heute Nachmittags nach Frankreich abreisen; er wird nicht den nämlichen Weg wie seine erlauchten Verwandten nehmen. Se. Maj. wird über Tournai und Lille reisen, zu Arras übernachten und morgen über Amiens im Schlosse St. Cloud eintreffen.
In der gestrigen Sitzung der Repräsentantenkammer unterbrach der Justizminister, Hr. Leclercq, die Discussion wegen Uebernahme der 4000 Actien zur rheinischen Eisenbahn, und sagte: „Die Sache mit dem Hrn. Vandersmissen hat zu dem Zweifel Anlaß gegeben, ob die von dem Tractat stipulirte Amnestie auf alle Provinzen anzuwenden sey. Nach der Befestigung unserer Unabhängigkeit wäre es jedoch der Gesinnung des Landes nicht entsprechend, wenn nicht gleich milde gegen Alle gehandelt würde, welche die Pflicht gegen das Vaterland vergessen haben mögen. Aus diesen vom Cabinet getheilten Gründen schlage ich folgendes Gesetz vor: jede Verfolgung wegen politischer Vergehen, die vor dem 19 April 1839 begangen worden, ist untersagt. – Wenn wir hier nicht von Verurtheilungen sprechen, so geschieht dieß, weil das Begnadigungsrecht dem Könige zusteht.
_ Brüssel, 21 April. Prüfen wir das neue Ministerium nach seiner nun officiell bekannt gemachten Zusammensetzung, so ergibt sich auf den ersten Blick ein Uebergewicht des liberalen Elements, denn das einzige Glied, das einen Anstrich katholischer Farbe hat, ist Hr. Liedts, der Minister des Innern, und gleich als hätte man die Beruhigung, die er den Katholiken zu gewähren bestimmt gewesen, schon für zu bedeutend gehalten, so hat man das Fach des öffentlichen Unterrichts von seinem Departement abgetrennt, und mit dem Ministerium der öffentlichen Bauten unter Hrn. Rogier vereinigt. Die Bedeutsamkeit dieser Aenderung, auf die man im Publicum gar nicht gefaßt war, wird hauptsächlich dann hervortreten, wenn von dem Gesetze über die Organisation der mittlern und niedern Schulen die Rede seyn wird. Was das doctrinäre Element im neuen Ministerium betrifft, so können wir demselben keine besondere Bedeutung mehr beilegen: durch die jüngste Coalition hat sich der Doctrinarismus in Liberalismus aufgelöst, und eine, wenn gleich einstweilen nicht sehr ausgesprochene, Oppositionsstellung gegen den Katholicismus angenommen. Die HH. Lebeau und Rogier können sich daher nicht mehr versprechen, als Neutrale mitten inne zu stehen; der Gesinnung nach waren sie es im Grunde nie; aber
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