Allgemeine Zeitung. Nr. 121. Augsburg, 30. April 1840.die gegenwärtigen Minister wollten aber nicht das Gegentheil von dem thun was sie auf den Bänken der Kammer gethan hätten. Diese Aeußerungen des Hrn. Thiers erweckten rauschenden und fast einstimmigen Beifall. Hr. Dupin erklärt hierauf, man könne ihm nicht übel nehmen, wenn er mit sich selbst consequent bleibe. Er wolle, daß man entweder offen die ganze Wahlfrage vorlege, oder er werde sich widersetzen, die Frage in Erwägung zu ziehen. Man rief zur Abstimmung, als noch Hr. Odilon-Barrot auftrat, und der Rechtlichkeit und dem Muthe des Ministeriums seine Huldigung darbrachte. Er wiederholte, daß hier nicht von der Wahlreform die Rede sey. Er habe, bevor er noch Hrn. v. Remilly selbst gehört, gleich am Tage nach dem Votum der geheimen Fonds, wo man den Vorschlag auf die conservativsten Männer, die Anhänger des Status quo gestützt habe, geglaubt, daß eine Art von Macchiavellismus dabei im Spiele sey, um die Meinungen einander gegenüber zu stellen; er habe geglaubt, daß es sich hier von einem Manöuvre der alten Majorität handle, die sich das unschuldige Vergnügen machen wollte, die verschiedenen Schattirungen, die sich einander angeschlossen, in Verlegenheit zu setzen. Dieses Manöuvre sey aber durch den Muth und die Aufrichtigkeit, die dem Conseilpräsidenten sehr zur Ehre gereichten, vereitelt. Er habe erklärt, daß seine Meinung als Minister dieselbe sey, wie er sie auf den Bänken der Opposition gehegt habe, und daß er sich dem Vorschlage, die Frage in Erwägung zu ziehen, nicht widersetze. Von diesem Augenblick an nehme die Frage einen neuen bedeutungsvollen Charakter an, und wenn es nach dieser so bestimmten Erklärung des neuen Cabinets in diesen Mauern Männer gebe, die noch mehr Muth und Rechtlichkeit in sich fühlen, so mögen sie sich zeigen, und die Staatsgewalt werde dann ihnen gehören. (Lebhafte Sensation.) Der Präsident ließ hierauf darüber abstimmen, ob der Vorschlag in Erwägung gezogen werden soll. Die Kammer votirte mit sehr starker, aus dem linken Centrum und der Linken bestehenden Majorität dafür. [irrelevantes Material] In der Sitzung der Deputirtenkammer am 25 April wurden für die Deputation in das Schloß zur Gratulation am 1 Mai durch Loos unter Andern die Namen der HH. Laffitte und Arago gezogen. Die Petition eines Franzosen, Hrn. Molineau, von Amsterdam, welcher die Aufmerksamkeit der Kammer für die Folgen in Anspruch nimmt, welche der deutsche Zollverein für den französischen Handel habe, wird von der Commission zur Zuweisung an die Minister des Handels und der auswärtigen Angelegenheiten beantragt. Hr. Thiers erklärte, das Cabinet nehme diese Zuweisung an. "Unterhandlungen (sagt er) sind mit dem deutschen Zollverein begonnen und werden fortgesetzt werden. Man hat die französische Regierung beschuldigt, daß sie nichts gethan habe, das Zustandekommen dieses Zollvereins zu hindern. Dieser Tadel ist unbegründet, und es freut mich, die früheren Regierungen dießfalls in Schutz nehmen zu können. Welche Mittel hätten wir gehabt, diesen Verein zu hindern? Im Interesse aller Staaten, die denselben bilden, lag es, ihm beizutreten. Nord-, Mittel- und Süd-Deutschland vereinigten sich zu diesem Zweck. Vielleicht hätte man den Beitritt einiger Gränzstaaten Frankreichs hindern können, wenn man ihnen Concessionen gemacht hätte, z. B. Baden durch Verminderung des Einfuhrzolls auf das Schlachtvieh. Zur Rechtfertigung der vorhergehenden Verwaltungen muß ich sagen, daß zweimal Anerbietungen in diesem Sinn gemacht wurden; sie blieben ohne Resultat, weil Baden seine Forderungen zu hoch stellte. So viel über das Geschehene. Was mich betrifft, so bedaure ich keineswegs, daß wir mit den deutschen Staaten keine Handelsverträge geschlossen, denn hätte man damals Concessionen gemacht, so wären die Opfer, die wir jedem der einzelnen Staaten hätten bringen müssen, zu bedeutend gewesen. Besser war es, abzuwarten, bis der deutsche Zollverein sich gebildet. Indem man mit allen Vereinsstaaten zusammen unterhandelt, sieht man besser, welche Concessionen zu machen, welche zu verweigern sind. Die passende Gelegenheit ist jetzt da; wir können unterhandeln, müssen uns aber auf Zugeständnisse gefaßt machen, denn wenn wir in nichts nachgeben, thun dieß die deutschen Staaten auch nicht. Wir werden also die unumgänglich nothwendigen Concessionen hinsichtlich unsrer Zölle machen. Wir werden dieselben der Kammer vorlegen, und erklärt sich diese dafür, so werden wir auf dieser Basis unterhandeln; im andern Falle dürfen wir über Mangel an Absatzwegen nicht klagen. Frankreich könnte vom deutschen Zollverein eine Verminderung der Zölle auf seine Seidenwaaren, seine Weine, Tücher, Baumwollenzeuge erlangen, müßte aber dafür die Einfuhrzölle herabsetzen auf Eisen, Manufacturwaaren, Schlachtvieh ... (Murren.) Ich sage nicht, wie groß die Opfer seyn werden; denn ich kann auf der Rednerbühne keinen Handelsvertrag improvisiren. Ich wollte nur im Allgemeinen andeuten, hinsichtlich welcher Industriezweige wir Opfer bringen müßten, und für welch andere wir Begünstigungen hoffen dürften. Dabei wollte ich der Kammer bemerken, daß in Betreff des Zollwesens nichts zu erhalten ist, wenn man nichts dagegen gibt." (Beifall.) Die Kammer beschloß, diese Bittschrift nach dem Antrag der Commission dem Ministerium zu überweisen. Die Deputirten versammelten sich am 25 auch in den Bureaux, um deren Präsidenten und Secretäre neu zu wählen. Unter 18 Ernennungen fielen 13 auf Mitglieder der Linken und des linken Centrums. [irrelevantes Material] Die Pairskammer fuhr am 25 April in Erörterung des Entwurfs über Immobiliarverkäufe fort. Der General Pelet, Pair von Frankreich, Director des Generaldepots des Kriegs, hat am 22 April Sr. Maj. die fünfte Lieferung der neuen französischen Karte vorgelegt, die aus den Blättern Epinal, Eure, Pontarlier, Gray, Bar le Duc, Troyes, Fontainebleau, Chartres, Rouen, Neufchatel, Evreux, Caen besteht, so wie den 7ten Band des Memorial du depot general de la guerre, welcher den zweiten Theil der geometrischen Beschreibung Frankreichs begreift. Paris, 25 April. Das Namensfest des Königs rückt heran, und noch herrscht tiefe Stille über die Feierlichkeiten, die es verherrlichen sollen, es sey denn, daß man hierzu die Vermählung des Herzogs von Nemours mit der Prinzessin Victoria bestimmt, die seit einigen Tagen auf französischem Gebiet angelangt ist. - Die letzten Beschlüsse der Kammer haben den systematischen Gegnern des Ministeriums einen harten Schlag beigebracht: es war so deutlich, daß sie von der Conversion der Rente wie von dem Vorschlage Remilly's, die Beamten in der Kammer betreffend, hofften, das Ministerium werde in die Falle gehen, und mit sich selbst oder seinen Anhängern der linken Seite in Widerspruch gerathen. Diese wohlwollende Hoffnung aber wurde die beidenmale durch eine aufrichtige und gewandte Dazwischenkunst des Ministerpräsidenten vereitelt. Der Grundsatz der Rentenverminderung ist ausgesprochen, eben so jener, daß die Vermehrung der Beamten in der Deputirtenkammer ein vorbeugendes Gesetz nothwendig mache. Hätte man die Conservativen auf ihr Gewissen fragen können, was sie wirklich wollen, so hätten sie antworten müssen: das Gegentheil. Und dennoch waren sie es, die jetzt das Ministerium in dieser doppelten Verhandlung herausgefordert hatten. Diese durchaus falsche Taktik, in der die persönliche Leidenschaft und die Mißgunst die leitenden Motive abgeben, mag noch öfter die gegenwärtigen Minister wollten aber nicht das Gegentheil von dem thun was sie auf den Bänken der Kammer gethan hätten. Diese Aeußerungen des Hrn. Thiers erweckten rauschenden und fast einstimmigen Beifall. Hr. Dupin erklärt hierauf, man könne ihm nicht übel nehmen, wenn er mit sich selbst consequent bleibe. Er wolle, daß man entweder offen die ganze Wahlfrage vorlege, oder er werde sich widersetzen, die Frage in Erwägung zu ziehen. Man rief zur Abstimmung, als noch Hr. Odilon-Barrot auftrat, und der Rechtlichkeit und dem Muthe des Ministeriums seine Huldigung darbrachte. Er wiederholte, daß hier nicht von der Wahlreform die Rede sey. Er habe, bevor er noch Hrn. v. Remilly selbst gehört, gleich am Tage nach dem Votum der geheimen Fonds, wo man den Vorschlag auf die conservativsten Männer, die Anhänger des Status quo gestützt habe, geglaubt, daß eine Art von Macchiavellismus dabei im Spiele sey, um die Meinungen einander gegenüber zu stellen; er habe geglaubt, daß es sich hier von einem Manöuvre der alten Majorität handle, die sich das unschuldige Vergnügen machen wollte, die verschiedenen Schattirungen, die sich einander angeschlossen, in Verlegenheit zu setzen. Dieses Manöuvre sey aber durch den Muth und die Aufrichtigkeit, die dem Conseilpräsidenten sehr zur Ehre gereichten, vereitelt. Er habe erklärt, daß seine Meinung als Minister dieselbe sey, wie er sie auf den Bänken der Opposition gehegt habe, und daß er sich dem Vorschlage, die Frage in Erwägung zu ziehen, nicht widersetze. Von diesem Augenblick an nehme die Frage einen neuen bedeutungsvollen Charakter an, und wenn es nach dieser so bestimmten Erklärung des neuen Cabinets in diesen Mauern Männer gebe, die noch mehr Muth und Rechtlichkeit in sich fühlen, so mögen sie sich zeigen, und die Staatsgewalt werde dann ihnen gehören. (Lebhafte Sensation.) Der Präsident ließ hierauf darüber abstimmen, ob der Vorschlag in Erwägung gezogen werden soll. Die Kammer votirte mit sehr starker, aus dem linken Centrum und der Linken bestehenden Majorität dafür. [irrelevantes Material] In der Sitzung der Deputirtenkammer am 25 April wurden für die Deputation in das Schloß zur Gratulation am 1 Mai durch Loos unter Andern die Namen der HH. Laffitte und Arago gezogen. Die Petition eines Franzosen, Hrn. Molineau, von Amsterdam, welcher die Aufmerksamkeit der Kammer für die Folgen in Anspruch nimmt, welche der deutsche Zollverein für den französischen Handel habe, wird von der Commission zur Zuweisung an die Minister des Handels und der auswärtigen Angelegenheiten beantragt. Hr. Thiers erklärte, das Cabinet nehme diese Zuweisung an. „Unterhandlungen (sagt er) sind mit dem deutschen Zollverein begonnen und werden fortgesetzt werden. Man hat die französische Regierung beschuldigt, daß sie nichts gethan habe, das Zustandekommen dieses Zollvereins zu hindern. Dieser Tadel ist unbegründet, und es freut mich, die früheren Regierungen dießfalls in Schutz nehmen zu können. Welche Mittel hätten wir gehabt, diesen Verein zu hindern? Im Interesse aller Staaten, die denselben bilden, lag es, ihm beizutreten. Nord-, Mittel- und Süd-Deutschland vereinigten sich zu diesem Zweck. Vielleicht hätte man den Beitritt einiger Gränzstaaten Frankreichs hindern können, wenn man ihnen Concessionen gemacht hätte, z. B. Baden durch Verminderung des Einfuhrzolls auf das Schlachtvieh. Zur Rechtfertigung der vorhergehenden Verwaltungen muß ich sagen, daß zweimal Anerbietungen in diesem Sinn gemacht wurden; sie blieben ohne Resultat, weil Baden seine Forderungen zu hoch stellte. So viel über das Geschehene. Was mich betrifft, so bedaure ich keineswegs, daß wir mit den deutschen Staaten keine Handelsverträge geschlossen, denn hätte man damals Concessionen gemacht, so wären die Opfer, die wir jedem der einzelnen Staaten hätten bringen müssen, zu bedeutend gewesen. Besser war es, abzuwarten, bis der deutsche Zollverein sich gebildet. Indem man mit allen Vereinsstaaten zusammen unterhandelt, sieht man besser, welche Concessionen zu machen, welche zu verweigern sind. Die passende Gelegenheit ist jetzt da; wir können unterhandeln, müssen uns aber auf Zugeständnisse gefaßt machen, denn wenn wir in nichts nachgeben, thun dieß die deutschen Staaten auch nicht. Wir werden also die unumgänglich nothwendigen Concessionen hinsichtlich unsrer Zölle machen. Wir werden dieselben der Kammer vorlegen, und erklärt sich diese dafür, so werden wir auf dieser Basis unterhandeln; im andern Falle dürfen wir über Mangel an Absatzwegen nicht klagen. Frankreich könnte vom deutschen Zollverein eine Verminderung der Zölle auf seine Seidenwaaren, seine Weine, Tücher, Baumwollenzeuge erlangen, müßte aber dafür die Einfuhrzölle herabsetzen auf Eisen, Manufacturwaaren, Schlachtvieh ... (Murren.) Ich sage nicht, wie groß die Opfer seyn werden; denn ich kann auf der Rednerbühne keinen Handelsvertrag improvisiren. Ich wollte nur im Allgemeinen andeuten, hinsichtlich welcher Industriezweige wir Opfer bringen müßten, und für welch andere wir Begünstigungen hoffen dürften. Dabei wollte ich der Kammer bemerken, daß in Betreff des Zollwesens nichts zu erhalten ist, wenn man nichts dagegen gibt.“ (Beifall.) Die Kammer beschloß, diese Bittschrift nach dem Antrag der Commission dem Ministerium zu überweisen. Die Deputirten versammelten sich am 25 auch in den Bureaux, um deren Präsidenten und Secretäre neu zu wählen. Unter 18 Ernennungen fielen 13 auf Mitglieder der Linken und des linken Centrums. [irrelevantes Material] Die Pairskammer fuhr am 25 April in Erörterung des Entwurfs über Immobiliarverkäufe fort. Der General Pelet, Pair von Frankreich, Director des Generaldepots des Kriegs, hat am 22 April Sr. Maj. die fünfte Lieferung der neuen französischen Karte vorgelegt, die aus den Blättern Epinal, Eure, Pontarlier, Gray, Bar le Duc, Troyes, Fontainebleau, Chartres, Rouen, Neufchatel, Evreux, Caen besteht, so wie den 7ten Band des Mémorial du dépôt général de la guerre, welcher den zweiten Theil der geometrischen Beschreibung Frankreichs begreift. Paris, 25 April. Das Namensfest des Königs rückt heran, und noch herrscht tiefe Stille über die Feierlichkeiten, die es verherrlichen sollen, es sey denn, daß man hierzu die Vermählung des Herzogs von Nemours mit der Prinzessin Victoria bestimmt, die seit einigen Tagen auf französischem Gebiet angelangt ist. – Die letzten Beschlüsse der Kammer haben den systematischen Gegnern des Ministeriums einen harten Schlag beigebracht: es war so deutlich, daß sie von der Conversion der Rente wie von dem Vorschlage Remilly's, die Beamten in der Kammer betreffend, hofften, das Ministerium werde in die Falle gehen, und mit sich selbst oder seinen Anhängern der linken Seite in Widerspruch gerathen. Diese wohlwollende Hoffnung aber wurde die beidenmale durch eine aufrichtige und gewandte Dazwischenkunst des Ministerpräsidenten vereitelt. Der Grundsatz der Rentenverminderung ist ausgesprochen, eben so jener, daß die Vermehrung der Beamten in der Deputirtenkammer ein vorbeugendes Gesetz nothwendig mache. Hätte man die Conservativen auf ihr Gewissen fragen können, was sie wirklich wollen, so hätten sie antworten müssen: das Gegentheil. Und dennoch waren sie es, die jetzt das Ministerium in dieser doppelten Verhandlung herausgefordert hatten. Diese durchaus falsche Taktik, in der die persönliche Leidenschaft und die Mißgunst die leitenden Motive abgeben, mag noch öfter <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0004" n="0964"/> die gegenwärtigen Minister wollten aber nicht das Gegentheil von dem thun was sie auf den Bänken der Kammer gethan hätten. Diese Aeußerungen des Hrn. Thiers erweckten rauschenden und fast einstimmigen Beifall. Hr. <hi rendition="#g">Dupin</hi> erklärt hierauf, man könne ihm nicht übel nehmen, wenn er mit sich selbst consequent bleibe. Er wolle, daß man entweder offen die ganze Wahlfrage vorlege, oder er werde sich widersetzen, die Frage in Erwägung zu ziehen. Man rief zur Abstimmung, als noch Hr. <hi rendition="#g">Odilon</hi>-<hi rendition="#g">Barrot</hi> auftrat, und der Rechtlichkeit und dem Muthe des Ministeriums seine Huldigung darbrachte. Er wiederholte, daß hier nicht von der Wahlreform die Rede sey. Er habe, bevor er noch Hrn. v. Remilly selbst gehört, gleich am Tage nach dem Votum der geheimen Fonds, wo man den Vorschlag auf die conservativsten Männer, die Anhänger des Status quo gestützt habe, geglaubt, daß eine Art von Macchiavellismus dabei im Spiele sey, um die Meinungen einander gegenüber zu stellen; er habe geglaubt, daß es sich hier von einem Manöuvre der alten Majorität handle, die sich das unschuldige Vergnügen machen wollte, die verschiedenen Schattirungen, die sich einander angeschlossen, in Verlegenheit zu setzen. Dieses Manöuvre sey aber durch den Muth und die Aufrichtigkeit, die dem Conseilpräsidenten sehr zur Ehre gereichten, vereitelt. Er habe erklärt, daß seine Meinung als Minister dieselbe sey, wie er sie auf den Bänken der Opposition gehegt habe, und daß er sich dem Vorschlage, die Frage in Erwägung zu ziehen, nicht widersetze. Von diesem Augenblick an nehme die Frage einen neuen bedeutungsvollen Charakter an, und wenn es nach dieser so bestimmten Erklärung des neuen Cabinets in diesen Mauern Männer gebe, die noch mehr Muth und Rechtlichkeit in sich fühlen, so mögen sie sich zeigen, und die Staatsgewalt werde dann ihnen gehören. (Lebhafte Sensation.) Der <hi rendition="#g">Präsident</hi> ließ hierauf darüber abstimmen, ob der Vorschlag in Erwägung gezogen werden soll. Die Kammer votirte mit sehr starker, aus dem linken Centrum und der Linken bestehenden Majorität dafür.</p><lb/> <p><bibl><gap reason="insignificant"/></bibl> In der Sitzung der <hi rendition="#g">Deputirtenkammer</hi> am 25 April wurden für die Deputation in das Schloß zur Gratulation am 1 Mai durch Loos unter Andern die Namen der HH. Laffitte und Arago gezogen. Die Petition eines Franzosen, Hrn. Molineau, von Amsterdam, welcher die Aufmerksamkeit der Kammer für die Folgen in Anspruch nimmt, welche der deutsche Zollverein für den französischen Handel habe, wird von der Commission zur Zuweisung an die Minister des Handels und der auswärtigen Angelegenheiten beantragt. Hr. <hi rendition="#g">Thiers</hi> erklärte, das Cabinet nehme diese Zuweisung an. „Unterhandlungen (sagt er) sind mit dem deutschen Zollverein begonnen und werden fortgesetzt werden. Man hat die französische Regierung beschuldigt, daß sie nichts gethan habe, das Zustandekommen dieses Zollvereins zu hindern. Dieser Tadel ist unbegründet, und es freut mich, die früheren Regierungen dießfalls in Schutz nehmen zu können. Welche Mittel hätten wir gehabt, diesen Verein zu hindern? Im Interesse aller Staaten, die denselben bilden, lag es, ihm beizutreten. Nord-, Mittel- und Süd-Deutschland vereinigten sich zu diesem Zweck. Vielleicht hätte man den Beitritt einiger Gränzstaaten Frankreichs hindern können, wenn man ihnen Concessionen gemacht hätte, z. B. Baden durch Verminderung des Einfuhrzolls auf das Schlachtvieh. Zur Rechtfertigung der vorhergehenden Verwaltungen muß ich sagen, daß zweimal Anerbietungen in diesem Sinn gemacht wurden; sie blieben ohne Resultat, weil Baden seine Forderungen zu hoch stellte. So viel über das Geschehene. Was mich betrifft, so bedaure ich keineswegs, daß wir mit den deutschen Staaten keine Handelsverträge geschlossen, denn hätte man damals Concessionen gemacht, so wären die Opfer, die wir jedem der einzelnen Staaten hätten bringen müssen, zu bedeutend gewesen. Besser war es, abzuwarten, bis der deutsche Zollverein sich gebildet. Indem man mit allen Vereinsstaaten zusammen unterhandelt, sieht man besser, welche Concessionen zu machen, welche zu verweigern sind. Die passende Gelegenheit ist jetzt da; wir können unterhandeln, müssen uns aber auf Zugeständnisse gefaßt machen, denn wenn wir in nichts nachgeben, thun dieß die deutschen Staaten auch nicht. Wir werden also die unumgänglich nothwendigen Concessionen hinsichtlich unsrer Zölle machen. Wir werden dieselben der Kammer vorlegen, und erklärt sich diese dafür, so werden wir auf dieser Basis unterhandeln; im andern Falle dürfen wir über Mangel an Absatzwegen nicht klagen. Frankreich könnte vom deutschen Zollverein eine Verminderung der Zölle auf seine Seidenwaaren, seine Weine, Tücher, Baumwollenzeuge erlangen, müßte aber dafür die Einfuhrzölle herabsetzen auf Eisen, Manufacturwaaren, Schlachtvieh ... (Murren.) Ich sage nicht, wie groß die Opfer seyn werden; denn ich kann auf der Rednerbühne keinen Handelsvertrag improvisiren. Ich wollte nur im Allgemeinen andeuten, hinsichtlich welcher Industriezweige wir Opfer bringen müßten, und für welch andere wir Begünstigungen hoffen dürften. Dabei wollte ich der Kammer bemerken, daß in Betreff des Zollwesens nichts zu erhalten ist, wenn man nichts dagegen gibt.“ (Beifall.) Die Kammer beschloß, diese Bittschrift nach dem Antrag der Commission dem Ministerium zu überweisen.</p><lb/> <p>Die Deputirten versammelten sich am 25 auch in den Bureaux, um deren Präsidenten und Secretäre neu zu wählen. Unter 18 Ernennungen fielen 13 auf Mitglieder der Linken und des linken Centrums.</p><lb/> <p><bibl><gap reason="insignificant"/></bibl> Die <hi rendition="#g">Pairskammer</hi> fuhr am 25 April in Erörterung des Entwurfs über Immobiliarverkäufe fort.</p><lb/> <p>Der General Pelet, Pair von Frankreich, Director des Generaldepots des Kriegs, hat am 22 April Sr. Maj. die fünfte Lieferung der neuen französischen Karte vorgelegt, die aus den Blättern Epinal, Eure, Pontarlier, Gray, Bar le Duc, Troyes, Fontainebleau, Chartres, Rouen, Neufchatel, Evreux, Caen besteht, so wie den 7ten Band des Mémorial du dépôt général de la guerre, welcher den zweiten Theil der geometrischen Beschreibung Frankreichs begreift.</p> </div><lb/> <div n="2"> <byline> <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 25 April.</dateline> <p> Das Namensfest des Königs rückt heran, und noch herrscht tiefe Stille über die Feierlichkeiten, die es verherrlichen sollen, es sey denn, daß man hierzu die Vermählung des Herzogs von Nemours mit der Prinzessin Victoria bestimmt, die seit einigen Tagen auf französischem Gebiet angelangt ist. – Die letzten Beschlüsse der Kammer haben den systematischen Gegnern des Ministeriums einen harten Schlag beigebracht: es war so deutlich, daß sie von der Conversion der Rente wie von dem Vorschlage Remilly's, die Beamten in der Kammer betreffend, hofften, das Ministerium werde in die Falle gehen, und mit sich selbst oder seinen Anhängern der linken Seite in Widerspruch gerathen. Diese wohlwollende Hoffnung aber wurde die beidenmale durch eine aufrichtige und gewandte Dazwischenkunst des Ministerpräsidenten vereitelt. Der Grundsatz der Rentenverminderung ist ausgesprochen, eben so jener, daß die Vermehrung der Beamten in der Deputirtenkammer ein vorbeugendes Gesetz nothwendig mache. Hätte man die Conservativen auf ihr Gewissen fragen können, was sie wirklich wollen, so hätten sie antworten müssen: das Gegentheil. Und dennoch waren sie es, die jetzt das Ministerium in dieser doppelten Verhandlung herausgefordert hatten. Diese durchaus falsche Taktik, in der die persönliche Leidenschaft und die Mißgunst die leitenden Motive abgeben, mag noch öfter<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0964/0004]
die gegenwärtigen Minister wollten aber nicht das Gegentheil von dem thun was sie auf den Bänken der Kammer gethan hätten. Diese Aeußerungen des Hrn. Thiers erweckten rauschenden und fast einstimmigen Beifall. Hr. Dupin erklärt hierauf, man könne ihm nicht übel nehmen, wenn er mit sich selbst consequent bleibe. Er wolle, daß man entweder offen die ganze Wahlfrage vorlege, oder er werde sich widersetzen, die Frage in Erwägung zu ziehen. Man rief zur Abstimmung, als noch Hr. Odilon-Barrot auftrat, und der Rechtlichkeit und dem Muthe des Ministeriums seine Huldigung darbrachte. Er wiederholte, daß hier nicht von der Wahlreform die Rede sey. Er habe, bevor er noch Hrn. v. Remilly selbst gehört, gleich am Tage nach dem Votum der geheimen Fonds, wo man den Vorschlag auf die conservativsten Männer, die Anhänger des Status quo gestützt habe, geglaubt, daß eine Art von Macchiavellismus dabei im Spiele sey, um die Meinungen einander gegenüber zu stellen; er habe geglaubt, daß es sich hier von einem Manöuvre der alten Majorität handle, die sich das unschuldige Vergnügen machen wollte, die verschiedenen Schattirungen, die sich einander angeschlossen, in Verlegenheit zu setzen. Dieses Manöuvre sey aber durch den Muth und die Aufrichtigkeit, die dem Conseilpräsidenten sehr zur Ehre gereichten, vereitelt. Er habe erklärt, daß seine Meinung als Minister dieselbe sey, wie er sie auf den Bänken der Opposition gehegt habe, und daß er sich dem Vorschlage, die Frage in Erwägung zu ziehen, nicht widersetze. Von diesem Augenblick an nehme die Frage einen neuen bedeutungsvollen Charakter an, und wenn es nach dieser so bestimmten Erklärung des neuen Cabinets in diesen Mauern Männer gebe, die noch mehr Muth und Rechtlichkeit in sich fühlen, so mögen sie sich zeigen, und die Staatsgewalt werde dann ihnen gehören. (Lebhafte Sensation.) Der Präsident ließ hierauf darüber abstimmen, ob der Vorschlag in Erwägung gezogen werden soll. Die Kammer votirte mit sehr starker, aus dem linken Centrum und der Linken bestehenden Majorität dafür.
_ In der Sitzung der Deputirtenkammer am 25 April wurden für die Deputation in das Schloß zur Gratulation am 1 Mai durch Loos unter Andern die Namen der HH. Laffitte und Arago gezogen. Die Petition eines Franzosen, Hrn. Molineau, von Amsterdam, welcher die Aufmerksamkeit der Kammer für die Folgen in Anspruch nimmt, welche der deutsche Zollverein für den französischen Handel habe, wird von der Commission zur Zuweisung an die Minister des Handels und der auswärtigen Angelegenheiten beantragt. Hr. Thiers erklärte, das Cabinet nehme diese Zuweisung an. „Unterhandlungen (sagt er) sind mit dem deutschen Zollverein begonnen und werden fortgesetzt werden. Man hat die französische Regierung beschuldigt, daß sie nichts gethan habe, das Zustandekommen dieses Zollvereins zu hindern. Dieser Tadel ist unbegründet, und es freut mich, die früheren Regierungen dießfalls in Schutz nehmen zu können. Welche Mittel hätten wir gehabt, diesen Verein zu hindern? Im Interesse aller Staaten, die denselben bilden, lag es, ihm beizutreten. Nord-, Mittel- und Süd-Deutschland vereinigten sich zu diesem Zweck. Vielleicht hätte man den Beitritt einiger Gränzstaaten Frankreichs hindern können, wenn man ihnen Concessionen gemacht hätte, z. B. Baden durch Verminderung des Einfuhrzolls auf das Schlachtvieh. Zur Rechtfertigung der vorhergehenden Verwaltungen muß ich sagen, daß zweimal Anerbietungen in diesem Sinn gemacht wurden; sie blieben ohne Resultat, weil Baden seine Forderungen zu hoch stellte. So viel über das Geschehene. Was mich betrifft, so bedaure ich keineswegs, daß wir mit den deutschen Staaten keine Handelsverträge geschlossen, denn hätte man damals Concessionen gemacht, so wären die Opfer, die wir jedem der einzelnen Staaten hätten bringen müssen, zu bedeutend gewesen. Besser war es, abzuwarten, bis der deutsche Zollverein sich gebildet. Indem man mit allen Vereinsstaaten zusammen unterhandelt, sieht man besser, welche Concessionen zu machen, welche zu verweigern sind. Die passende Gelegenheit ist jetzt da; wir können unterhandeln, müssen uns aber auf Zugeständnisse gefaßt machen, denn wenn wir in nichts nachgeben, thun dieß die deutschen Staaten auch nicht. Wir werden also die unumgänglich nothwendigen Concessionen hinsichtlich unsrer Zölle machen. Wir werden dieselben der Kammer vorlegen, und erklärt sich diese dafür, so werden wir auf dieser Basis unterhandeln; im andern Falle dürfen wir über Mangel an Absatzwegen nicht klagen. Frankreich könnte vom deutschen Zollverein eine Verminderung der Zölle auf seine Seidenwaaren, seine Weine, Tücher, Baumwollenzeuge erlangen, müßte aber dafür die Einfuhrzölle herabsetzen auf Eisen, Manufacturwaaren, Schlachtvieh ... (Murren.) Ich sage nicht, wie groß die Opfer seyn werden; denn ich kann auf der Rednerbühne keinen Handelsvertrag improvisiren. Ich wollte nur im Allgemeinen andeuten, hinsichtlich welcher Industriezweige wir Opfer bringen müßten, und für welch andere wir Begünstigungen hoffen dürften. Dabei wollte ich der Kammer bemerken, daß in Betreff des Zollwesens nichts zu erhalten ist, wenn man nichts dagegen gibt.“ (Beifall.) Die Kammer beschloß, diese Bittschrift nach dem Antrag der Commission dem Ministerium zu überweisen.
Die Deputirten versammelten sich am 25 auch in den Bureaux, um deren Präsidenten und Secretäre neu zu wählen. Unter 18 Ernennungen fielen 13 auf Mitglieder der Linken und des linken Centrums.
_ Die Pairskammer fuhr am 25 April in Erörterung des Entwurfs über Immobiliarverkäufe fort.
Der General Pelet, Pair von Frankreich, Director des Generaldepots des Kriegs, hat am 22 April Sr. Maj. die fünfte Lieferung der neuen französischen Karte vorgelegt, die aus den Blättern Epinal, Eure, Pontarlier, Gray, Bar le Duc, Troyes, Fontainebleau, Chartres, Rouen, Neufchatel, Evreux, Caen besteht, so wie den 7ten Band des Mémorial du dépôt général de la guerre, welcher den zweiten Theil der geometrischen Beschreibung Frankreichs begreift.
_ Paris, 25 April. Das Namensfest des Königs rückt heran, und noch herrscht tiefe Stille über die Feierlichkeiten, die es verherrlichen sollen, es sey denn, daß man hierzu die Vermählung des Herzogs von Nemours mit der Prinzessin Victoria bestimmt, die seit einigen Tagen auf französischem Gebiet angelangt ist. – Die letzten Beschlüsse der Kammer haben den systematischen Gegnern des Ministeriums einen harten Schlag beigebracht: es war so deutlich, daß sie von der Conversion der Rente wie von dem Vorschlage Remilly's, die Beamten in der Kammer betreffend, hofften, das Ministerium werde in die Falle gehen, und mit sich selbst oder seinen Anhängern der linken Seite in Widerspruch gerathen. Diese wohlwollende Hoffnung aber wurde die beidenmale durch eine aufrichtige und gewandte Dazwischenkunst des Ministerpräsidenten vereitelt. Der Grundsatz der Rentenverminderung ist ausgesprochen, eben so jener, daß die Vermehrung der Beamten in der Deputirtenkammer ein vorbeugendes Gesetz nothwendig mache. Hätte man die Conservativen auf ihr Gewissen fragen können, was sie wirklich wollen, so hätten sie antworten müssen: das Gegentheil. Und dennoch waren sie es, die jetzt das Ministerium in dieser doppelten Verhandlung herausgefordert hatten. Diese durchaus falsche Taktik, in der die persönliche Leidenschaft und die Mißgunst die leitenden Motive abgeben, mag noch öfter
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |