Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 122. Augsburg, 1. Mai 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

erscheinen läßt. Wir waren indeß so ermüdet, daß wir vor der Hand nur wenige Blicke auf alle die Herrlichkeiten unter dem Mondlicht warfen, und nach dem Genuß einer schnell an der Spirituslampe gekochten Tasse Thee die Teppiche auf den Boden unserer Duodezzelte breiten ließen und, den Sattel zum Kopfkissen, so köstlich wie auf Eiderdun bis zum Anbruch des Tages schliefen.

(Fortsetzung folgt.)

Algier.

Der Herzog von Orleans ist heute nach Buffarik abgegangen, um das Commando seiner Division zu übernehmen, während der Marschall Valee nach dem Osten der Metidscha aufgebrochen ist, in der Absicht, wie man allgemein glaubt, den Seehafen Dellys zu besitzen. Wird, nach Scherschel und Dellys, auch Medeah occupirt, so ist die Ruhe der Metidscha gesichert, da man die Räuberstämme, welche die Gegend bisher so unsicher machten, alsdann im Rücken fassen kann. Drei Dampfboote sind in vergangener Nacht abgegangen, wahrscheinlich um bei der Expedition gegen Dellys mitzuwirken. - Abd-El-Kader steht, wie es heißt, ziemlich nahe bei uns. Mehrere Eingeborene versichern sogar, er sey vor einigen Tagen mit einer kleinen Reiterschaar in die Metidscha und auf den Sahel gekommen, um die Gegend zu recognosciren. Es wäre dieß gar nicht unmöglich; indessen circuliren so viele seltsame Gerüchte hier, daß man darein billig einiges Mißtrauen setzen darf. Eines dieser Gerüchte, von dem sich jedenfalls sagen läßt: "se non e vero, e ben trovato," muß ich Ihnen doch wiederholen. Man erzählt, der Emir habe an den Marschall Valee einen Brief geschrieben, etwa folgenden Inhalts: "Um Blutvergießen zu vermeiden und dem Krieg ein Ende zu machen, schlage ich dir vor, unsern Streit durch einen Zweikampf zu entscheiden. Bei meinem Rang als Sultan kann ich mich nur mit einem König, wie ich bin, schlagen. Aber ich will dir, wenn du hiermit einverstanden bist, einen meiner Chalifas schicken, der sich mit dir messen soll." - Der Gouverneur soll hierauf erwiedert haben: "Ich nehme die Ausforderung an. Da es aber bei uns der Brauch ist, daß der Geforderte die Wahl der Waffen hat, und meine specielle Waffe die Artillerie ist, so wähle ich die Kanone und überlasse es deinem Chalifa, die Entfernung festzusetzen."

Von dem Siege Ben-Ganahs über den Chalifa Abd-El-Kaders werden Sie im Moniteur gelesen haben. Das officielle Blatt hat dieses wichtige Ereigniß so lakonisch und unvollständig gemeldet, daß einige nähere Angaben darüber nicht unpassend seyn dürften. Der Chalifa oder General Abd-El-Kaders, welcher im Namen seines Gebieters Biscara besetzt hielt, ist Ben-Asus-Ulid-Sidi-Hassan, derselbe, der einst als Abgesandter des Farhat-ben-Sa d zum Herzog von Rovigo kam und die indirecte Ursache der Niedermetzelung des Stammes El-Uffia bei dem Lager Maison carree war. Seitdem die Würde eines Scheikh-el-Arab oder Oberhaupts der Araber des Dscherid dem Oheim des Erbey's Achmet, Ben-Ganah übertragen worden, nahm der Einfluß des Ben-Asus in jenen Südsteppen mehr und mehr ab. Letzterer hatte anfangs nur eine kleine Macht von 300 regulären Infanteristen und 50 Reitern. Abd-El-Kader schickte aber Verstärkungen nebst zwei Kanonen nach dem Land Zab, damit sein General dort operiren und die Ruhe der Provinz Constantine stören könne. General Galbois, welcher diese Provinz mit vieler Klugheit verwaltet, war kaum von diesen Planen unterrichtet, als er dem Scheikh-el-Arab Befehl gab, die Unternehmungen des Ben-Asus zu hindern. Dieser Auftrag konnte Ben-Ganah nur willkommen seyn, denn er, wie die Stämme unter seinen Befehlen, gehören jenem Theil des arabischen Volks an, der sich rühmt, von jeder Vermischung mit den Urbewohnern des Landes freigeblieben zu seyn und das Blut der ersten mohammedanischen Krieger, welche Nordafrika eroberten, in seinen Adern rein bewahrt zu haben. Er hegt die tiefste Verachtung und den glühendsten Haß gegen die Partei, auf welche Abd-El-Kader in der Provinz Constantine sich stützen zu müssen glaubte. Diese Partei besteht ausschließlich aus Schauiad (Name einiger Kabylenstämme im Osten) und aus Arabern, die mehr oder minder durch Heirathen mit den Kabylen sich vermischt haben. Ben-Ganah nennt in seinem aristokratischen Stolz Abd-El-Kader den "Sohn eines Stallknechts." Man kann daraus entnehmen, was Ben-Ganah von den Unterthanen Abd-El-Kaders hält, von jenen rohen Arabern des Westens, welche mehr als all' ihre Landsleute mit den Urbewohnern, nämlich mit dem besiegten Volk sich vermischt haben. Von solchen Gesinnungen beseelt stieß Ben-Ganah am 24 März bei Selsus, auf der Straße von Biscara nach Setif, auf den Feind. Der Chalifa Abd-El-Kaders hatte seine Infanterie am Fuß eines Berges in Schlachtordnung gestellt; die Cavallerie stand hinter dem regulären Bataillon, die Artillerie auf den Flügeln. Zweimal griff Ben-Ganah die feindliche Armee an und zweimal wichen seine Reiter, bestürzt über das Kanonenfeuer. Ben-Ganah sammelte nun um sich alle Mitglieder seiner zahlreichen Familie und stellte sich an ihre Spitze in der Richtung der Kanonenmündungen. Dann entblößte er seinen Bernuß von der linken Schulter, zeigte den Soldaten des Emirs das Ehrenkreuz auf seiner Brust und statt aller Antwort auf deren Geschrei: "Apostat! Knecht der Ungläubigen!" führte er die Seinigen zu einem dritten Angriff vor. Die Reiter der Wüste, angefeuert durch die glänzende Tapferkeit ihres Häuptlings, stürzten sich nun mit Wuth auf die Kanonen, die ihnen kurz zuvor so großen Schrecken eingejagt hatten. Ihr Angriff war unwiderstehlich, in wenigen Minuten war Abd-El-Kaders Infanterie niedergehauen, die Cavallerie in die Flucht geschlagen, zwei Kanonen, drei Fahnen erobert, und der Boden mit den weggeworfenen Waffen der Flüchtlinge bedeckt. Kaum war die Nachricht dieses Treffens nach Biscara gelangt, als die Einwohner, froh des Abd-El-Kader'schen Generals los zu seyn, Ben-Ganah ihre Thore öffneten. Ben-Asus flüchtete sich zuerst zu Sidi-Achmet-ben-Omar, einem andern Chalifa in partibus, der sich in der Ebene Medschana herumtreibt und nirgends Anhang findet; auch dort hielt er sich aber nicht mehr für sicher und ging nach Medeah. Da ein so denkwürdiger Sieg, in so weiter Entfernung von Constantine erfochten, von so manchen Eingebornen bezweifelt werden konnte, wurden die 1020 Ohren, welche der Scheikh-el-Arab dem General Galbois geschickt hatte, in Constantine öffentlich ausgestellt. Die Mehrzahl der Einwohner freute sich darüber; die Stämme der Medschana namentlich feierten diese Siegesnachricht mit großen Festen, und hoffen, nun auch Ben-Omars, der sie so oft als möglich plündert, los zu werden. An Ben-Ganah ist eine bedeutende Summe Geldes abgeschickt worden, und man wird ihm alle Hülfsmittel liefern, damit er seinen Sieg verfolge und Abd-El-Kader in der Provinz Titteri beschäftige. Neben dem Scheikh-el-Arab fällt ein guter Theil des Verdienstes unserer Erfolge in der Provinz Constantine dem General Galbois zu, der unter den Eingeborenen die rechten Männer auszuwählen versteht.

erscheinen läßt. Wir waren indeß so ermüdet, daß wir vor der Hand nur wenige Blicke auf alle die Herrlichkeiten unter dem Mondlicht warfen, und nach dem Genuß einer schnell an der Spirituslampe gekochten Tasse Thee die Teppiche auf den Boden unserer Duodezzelte breiten ließen und, den Sattel zum Kopfkissen, so köstlich wie auf Eiderdun bis zum Anbruch des Tages schliefen.

(Fortsetzung folgt.)

Algier.

Der Herzog von Orleans ist heute nach Buffarik abgegangen, um das Commando seiner Division zu übernehmen, während der Marschall Valée nach dem Osten der Metidscha aufgebrochen ist, in der Absicht, wie man allgemein glaubt, den Seehafen Dellys zu besitzen. Wird, nach Scherschel und Dellys, auch Medeah occupirt, so ist die Ruhe der Metidscha gesichert, da man die Räuberstämme, welche die Gegend bisher so unsicher machten, alsdann im Rücken fassen kann. Drei Dampfboote sind in vergangener Nacht abgegangen, wahrscheinlich um bei der Expedition gegen Dellys mitzuwirken. – Abd-El-Kader steht, wie es heißt, ziemlich nahe bei uns. Mehrere Eingeborene versichern sogar, er sey vor einigen Tagen mit einer kleinen Reiterschaar in die Metidscha und auf den Sahel gekommen, um die Gegend zu recognosciren. Es wäre dieß gar nicht unmöglich; indessen circuliren so viele seltsame Gerüchte hier, daß man darein billig einiges Mißtrauen setzen darf. Eines dieser Gerüchte, von dem sich jedenfalls sagen läßt: „se non è vero, è ben trovato,“ muß ich Ihnen doch wiederholen. Man erzählt, der Emir habe an den Marschall Valée einen Brief geschrieben, etwa folgenden Inhalts: „Um Blutvergießen zu vermeiden und dem Krieg ein Ende zu machen, schlage ich dir vor, unsern Streit durch einen Zweikampf zu entscheiden. Bei meinem Rang als Sultan kann ich mich nur mit einem König, wie ich bin, schlagen. Aber ich will dir, wenn du hiermit einverstanden bist, einen meiner Chalifas schicken, der sich mit dir messen soll.“ – Der Gouverneur soll hierauf erwiedert haben: „Ich nehme die Ausforderung an. Da es aber bei uns der Brauch ist, daß der Geforderte die Wahl der Waffen hat, und meine specielle Waffe die Artillerie ist, so wähle ich die Kanone und überlasse es deinem Chalifa, die Entfernung festzusetzen.“

Von dem Siege Ben-Ganahs über den Chalifa Abd-El-Kaders werden Sie im Moniteur gelesen haben. Das officielle Blatt hat dieses wichtige Ereigniß so lakonisch und unvollständig gemeldet, daß einige nähere Angaben darüber nicht unpassend seyn dürften. Der Chalifa oder General Abd-El-Kaders, welcher im Namen seines Gebieters Biscara besetzt hielt, ist Ben-Asus-Ulid-Sidi-Hassan, derselbe, der einst als Abgesandter des Farhat-ben-Sa d zum Herzog von Rovigo kam und die indirecte Ursache der Niedermetzelung des Stammes El-Uffia bei dem Lager Maison carrée war. Seitdem die Würde eines Scheikh-el-Arab oder Oberhaupts der Araber des Dscherid dem Oheim des Erbey's Achmet, Ben-Ganah übertragen worden, nahm der Einfluß des Ben-Asus in jenen Südsteppen mehr und mehr ab. Letzterer hatte anfangs nur eine kleine Macht von 300 regulären Infanteristen und 50 Reitern. Abd-El-Kader schickte aber Verstärkungen nebst zwei Kanonen nach dem Land Zab, damit sein General dort operiren und die Ruhe der Provinz Constantine stören könne. General Galbois, welcher diese Provinz mit vieler Klugheit verwaltet, war kaum von diesen Planen unterrichtet, als er dem Scheikh-el-Arab Befehl gab, die Unternehmungen des Ben-Asus zu hindern. Dieser Auftrag konnte Ben-Ganah nur willkommen seyn, denn er, wie die Stämme unter seinen Befehlen, gehören jenem Theil des arabischen Volks an, der sich rühmt, von jeder Vermischung mit den Urbewohnern des Landes freigeblieben zu seyn und das Blut der ersten mohammedanischen Krieger, welche Nordafrika eroberten, in seinen Adern rein bewahrt zu haben. Er hegt die tiefste Verachtung und den glühendsten Haß gegen die Partei, auf welche Abd-El-Kader in der Provinz Constantine sich stützen zu müssen glaubte. Diese Partei besteht ausschließlich aus Schauiad (Name einiger Kabylenstämme im Osten) und aus Arabern, die mehr oder minder durch Heirathen mit den Kabylen sich vermischt haben. Ben-Ganah nennt in seinem aristokratischen Stolz Abd-El-Kader den „Sohn eines Stallknechts.“ Man kann daraus entnehmen, was Ben-Ganah von den Unterthanen Abd-El-Kaders hält, von jenen rohen Arabern des Westens, welche mehr als all' ihre Landsleute mit den Urbewohnern, nämlich mit dem besiegten Volk sich vermischt haben. Von solchen Gesinnungen beseelt stieß Ben-Ganah am 24 März bei Selsus, auf der Straße von Biscara nach Setif, auf den Feind. Der Chalifa Abd-El-Kaders hatte seine Infanterie am Fuß eines Berges in Schlachtordnung gestellt; die Cavallerie stand hinter dem regulären Bataillon, die Artillerie auf den Flügeln. Zweimal griff Ben-Ganah die feindliche Armee an und zweimal wichen seine Reiter, bestürzt über das Kanonenfeuer. Ben-Ganah sammelte nun um sich alle Mitglieder seiner zahlreichen Familie und stellte sich an ihre Spitze in der Richtung der Kanonenmündungen. Dann entblößte er seinen Bernuß von der linken Schulter, zeigte den Soldaten des Emirs das Ehrenkreuz auf seiner Brust und statt aller Antwort auf deren Geschrei: „Apostat! Knecht der Ungläubigen!“ führte er die Seinigen zu einem dritten Angriff vor. Die Reiter der Wüste, angefeuert durch die glänzende Tapferkeit ihres Häuptlings, stürzten sich nun mit Wuth auf die Kanonen, die ihnen kurz zuvor so großen Schrecken eingejagt hatten. Ihr Angriff war unwiderstehlich, in wenigen Minuten war Abd-El-Kaders Infanterie niedergehauen, die Cavallerie in die Flucht geschlagen, zwei Kanonen, drei Fahnen erobert, und der Boden mit den weggeworfenen Waffen der Flüchtlinge bedeckt. Kaum war die Nachricht dieses Treffens nach Biscara gelangt, als die Einwohner, froh des Abd-El-Kader'schen Generals los zu seyn, Ben-Ganah ihre Thore öffneten. Ben-Asus flüchtete sich zuerst zu Sidi-Achmet-ben-Omar, einem andern Chalifa in partibus, der sich in der Ebene Medschana herumtreibt und nirgends Anhang findet; auch dort hielt er sich aber nicht mehr für sicher und ging nach Medeah. Da ein so denkwürdiger Sieg, in so weiter Entfernung von Constantine erfochten, von so manchen Eingebornen bezweifelt werden konnte, wurden die 1020 Ohren, welche der Scheikh-el-Arab dem General Galbois geschickt hatte, in Constantine öffentlich ausgestellt. Die Mehrzahl der Einwohner freute sich darüber; die Stämme der Medschana namentlich feierten diese Siegesnachricht mit großen Festen, und hoffen, nun auch Ben-Omars, der sie so oft als möglich plündert, los zu werden. An Ben-Ganah ist eine bedeutende Summe Geldes abgeschickt worden, und man wird ihm alle Hülfsmittel liefern, damit er seinen Sieg verfolge und Abd-El-Kader in der Provinz Titteri beschäftige. Neben dem Scheikh-el-Arab fällt ein guter Theil des Verdienstes unserer Erfolge in der Provinz Constantine dem General Galbois zu, der unter den Eingeborenen die rechten Männer auszuwählen versteht.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0011" n="0971"/>
erscheinen läßt. Wir waren indeß so ermüdet, daß wir vor der Hand nur wenige Blicke auf alle die Herrlichkeiten unter dem Mondlicht warfen, und nach dem Genuß einer schnell an der Spirituslampe gekochten Tasse Thee die Teppiche auf den Boden unserer Duodezzelte breiten ließen und, den Sattel zum Kopfkissen, so köstlich wie auf Eiderdun bis zum Anbruch des Tages schliefen.</p><lb/>
        <p>(Fortsetzung folgt.)</p><lb/>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Algier.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Algier,</hi> 18 April.</dateline>
          <p> Der Herzog von Orleans ist heute nach Buffarik abgegangen, um das Commando seiner Division zu übernehmen, während der Marschall Valée nach dem Osten der Metidscha aufgebrochen ist, in der Absicht, wie man allgemein glaubt, den Seehafen Dellys zu besitzen. Wird, nach Scherschel und Dellys, auch Medeah occupirt, so ist die Ruhe der Metidscha gesichert, da man die Räuberstämme, welche die Gegend bisher so unsicher machten, alsdann im Rücken fassen kann. Drei Dampfboote sind in vergangener Nacht abgegangen, wahrscheinlich um bei der Expedition gegen Dellys mitzuwirken. &#x2013; Abd-El-Kader steht, wie es heißt, ziemlich nahe bei uns. Mehrere Eingeborene versichern sogar, er sey vor einigen Tagen mit einer kleinen Reiterschaar in die Metidscha und auf den Sahel gekommen, um die Gegend zu recognosciren. Es wäre dieß gar nicht unmöglich; indessen circuliren so viele seltsame Gerüchte hier, daß man darein billig einiges Mißtrauen setzen darf. Eines dieser Gerüchte, von dem sich jedenfalls sagen läßt: &#x201E;se non è vero, è ben trovato,&#x201C; muß ich Ihnen doch wiederholen. Man erzählt, der Emir habe an den Marschall Valée einen Brief geschrieben, etwa folgenden Inhalts: &#x201E;Um Blutvergießen zu vermeiden und dem Krieg ein Ende zu machen, schlage ich dir vor, unsern Streit durch einen Zweikampf zu entscheiden. Bei meinem Rang als Sultan kann ich mich nur mit einem König, wie ich bin, schlagen. Aber ich will dir, wenn du hiermit einverstanden bist, einen meiner Chalifas schicken, der sich mit dir messen soll.&#x201C; &#x2013; Der Gouverneur soll hierauf erwiedert haben: &#x201E;Ich nehme die Ausforderung an. Da es aber bei uns der Brauch ist, daß der Geforderte die Wahl der Waffen hat, und meine specielle Waffe die Artillerie ist, so wähle ich die Kanone und überlasse es deinem Chalifa, die Entfernung festzusetzen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Von dem Siege Ben-Ganahs über den Chalifa Abd-El-Kaders werden Sie im Moniteur gelesen haben. Das officielle Blatt hat dieses wichtige Ereigniß so lakonisch und unvollständig gemeldet, daß einige nähere Angaben darüber nicht unpassend seyn dürften. Der Chalifa oder General Abd-El-Kaders, welcher im Namen seines Gebieters Biscara besetzt hielt, ist Ben-Asus-Ulid-Sidi-Hassan, derselbe, der einst als Abgesandter des Farhat-ben-Sa d zum Herzog von Rovigo kam und die indirecte Ursache der Niedermetzelung des Stammes El-Uffia bei dem Lager Maison carrée war. Seitdem die Würde eines Scheikh-el-Arab oder Oberhaupts der Araber des Dscherid dem Oheim des Erbey's Achmet, Ben-Ganah übertragen worden, nahm der Einfluß des Ben-Asus in jenen Südsteppen mehr und mehr ab. Letzterer hatte anfangs nur eine kleine Macht von 300 regulären Infanteristen und 50 Reitern. Abd-El-Kader schickte aber Verstärkungen nebst zwei Kanonen nach dem Land Zab, damit sein General dort operiren und die Ruhe der Provinz Constantine stören könne. General Galbois, welcher diese Provinz mit vieler Klugheit verwaltet, war kaum von diesen Planen unterrichtet, als er dem Scheikh-el-Arab Befehl gab, die Unternehmungen des Ben-Asus zu hindern. Dieser Auftrag konnte Ben-Ganah nur willkommen seyn, denn er, wie die Stämme unter seinen Befehlen, gehören jenem Theil des arabischen Volks an, der sich rühmt, von jeder Vermischung mit den Urbewohnern des Landes freigeblieben zu seyn und das Blut der ersten mohammedanischen Krieger, welche Nordafrika eroberten, in seinen Adern rein bewahrt zu haben. Er hegt die tiefste Verachtung und den glühendsten Haß gegen die Partei, auf welche Abd-El-Kader in der Provinz Constantine sich stützen zu müssen glaubte. Diese Partei besteht ausschließlich aus <hi rendition="#g">Schauiad</hi> (Name einiger Kabylenstämme im Osten) und aus Arabern, die mehr oder minder durch Heirathen mit den Kabylen sich vermischt haben. Ben-Ganah nennt in seinem aristokratischen Stolz Abd-El-Kader den &#x201E;Sohn eines Stallknechts.&#x201C; Man kann daraus entnehmen, was Ben-Ganah von den Unterthanen Abd-El-Kaders hält, von jenen rohen Arabern des Westens, welche mehr als all' ihre Landsleute mit den Urbewohnern, nämlich mit dem besiegten Volk sich vermischt haben. Von solchen Gesinnungen beseelt stieß Ben-Ganah am 24 März bei Selsus, auf der Straße von Biscara nach Setif, auf den Feind. Der Chalifa Abd-El-Kaders hatte seine Infanterie am Fuß eines Berges in Schlachtordnung gestellt; die Cavallerie stand hinter dem regulären Bataillon, die Artillerie auf den Flügeln. Zweimal griff Ben-Ganah die feindliche Armee an und zweimal wichen seine Reiter, bestürzt über das Kanonenfeuer. Ben-Ganah sammelte nun um sich alle Mitglieder seiner zahlreichen Familie und stellte sich an ihre Spitze in der Richtung der Kanonenmündungen. Dann entblößte er seinen Bernuß von der linken Schulter, zeigte den Soldaten des Emirs das Ehrenkreuz auf seiner Brust und statt aller Antwort auf deren Geschrei: &#x201E;Apostat! Knecht der Ungläubigen!&#x201C; führte er die Seinigen zu einem dritten Angriff vor. Die Reiter der Wüste, angefeuert durch die glänzende Tapferkeit ihres Häuptlings, stürzten sich nun mit Wuth auf die Kanonen, die ihnen kurz zuvor so großen Schrecken eingejagt hatten. Ihr Angriff war unwiderstehlich, in wenigen Minuten war Abd-El-Kaders Infanterie niedergehauen, die Cavallerie in die Flucht geschlagen, zwei Kanonen, drei Fahnen erobert, und der Boden mit den weggeworfenen Waffen der Flüchtlinge bedeckt. Kaum war die Nachricht dieses Treffens nach Biscara gelangt, als die Einwohner, froh des Abd-El-Kader'schen Generals los zu seyn, Ben-Ganah ihre Thore öffneten. Ben-Asus flüchtete sich zuerst zu Sidi-Achmet-ben-Omar, einem andern Chalifa in partibus, der sich in der Ebene Medschana herumtreibt und nirgends Anhang findet; auch dort hielt er sich aber nicht mehr für sicher und ging nach Medeah. Da ein so denkwürdiger Sieg, in so weiter Entfernung von Constantine erfochten, von so manchen Eingebornen bezweifelt werden konnte, wurden die 1020 Ohren, welche der Scheikh-el-Arab dem General Galbois geschickt hatte, in Constantine öffentlich ausgestellt. Die Mehrzahl der Einwohner freute sich darüber; die Stämme der Medschana namentlich feierten diese Siegesnachricht mit großen Festen, und hoffen, nun auch Ben-Omars, der sie so oft als möglich plündert, los zu werden. An Ben-Ganah ist eine bedeutende Summe Geldes abgeschickt worden, und man wird ihm alle Hülfsmittel liefern, damit er seinen Sieg verfolge und Abd-El-Kader in der Provinz Titteri beschäftige. Neben dem Scheikh-el-Arab fällt ein guter Theil des Verdienstes unserer Erfolge in der Provinz Constantine dem General Galbois zu, der unter den Eingeborenen die rechten Männer auszuwählen versteht.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0971/0011] erscheinen läßt. Wir waren indeß so ermüdet, daß wir vor der Hand nur wenige Blicke auf alle die Herrlichkeiten unter dem Mondlicht warfen, und nach dem Genuß einer schnell an der Spirituslampe gekochten Tasse Thee die Teppiche auf den Boden unserer Duodezzelte breiten ließen und, den Sattel zum Kopfkissen, so köstlich wie auf Eiderdun bis zum Anbruch des Tages schliefen. (Fortsetzung folgt.) Algier. _ Algier, 18 April. Der Herzog von Orleans ist heute nach Buffarik abgegangen, um das Commando seiner Division zu übernehmen, während der Marschall Valée nach dem Osten der Metidscha aufgebrochen ist, in der Absicht, wie man allgemein glaubt, den Seehafen Dellys zu besitzen. Wird, nach Scherschel und Dellys, auch Medeah occupirt, so ist die Ruhe der Metidscha gesichert, da man die Räuberstämme, welche die Gegend bisher so unsicher machten, alsdann im Rücken fassen kann. Drei Dampfboote sind in vergangener Nacht abgegangen, wahrscheinlich um bei der Expedition gegen Dellys mitzuwirken. – Abd-El-Kader steht, wie es heißt, ziemlich nahe bei uns. Mehrere Eingeborene versichern sogar, er sey vor einigen Tagen mit einer kleinen Reiterschaar in die Metidscha und auf den Sahel gekommen, um die Gegend zu recognosciren. Es wäre dieß gar nicht unmöglich; indessen circuliren so viele seltsame Gerüchte hier, daß man darein billig einiges Mißtrauen setzen darf. Eines dieser Gerüchte, von dem sich jedenfalls sagen läßt: „se non è vero, è ben trovato,“ muß ich Ihnen doch wiederholen. Man erzählt, der Emir habe an den Marschall Valée einen Brief geschrieben, etwa folgenden Inhalts: „Um Blutvergießen zu vermeiden und dem Krieg ein Ende zu machen, schlage ich dir vor, unsern Streit durch einen Zweikampf zu entscheiden. Bei meinem Rang als Sultan kann ich mich nur mit einem König, wie ich bin, schlagen. Aber ich will dir, wenn du hiermit einverstanden bist, einen meiner Chalifas schicken, der sich mit dir messen soll.“ – Der Gouverneur soll hierauf erwiedert haben: „Ich nehme die Ausforderung an. Da es aber bei uns der Brauch ist, daß der Geforderte die Wahl der Waffen hat, und meine specielle Waffe die Artillerie ist, so wähle ich die Kanone und überlasse es deinem Chalifa, die Entfernung festzusetzen.“ Von dem Siege Ben-Ganahs über den Chalifa Abd-El-Kaders werden Sie im Moniteur gelesen haben. Das officielle Blatt hat dieses wichtige Ereigniß so lakonisch und unvollständig gemeldet, daß einige nähere Angaben darüber nicht unpassend seyn dürften. Der Chalifa oder General Abd-El-Kaders, welcher im Namen seines Gebieters Biscara besetzt hielt, ist Ben-Asus-Ulid-Sidi-Hassan, derselbe, der einst als Abgesandter des Farhat-ben-Sa d zum Herzog von Rovigo kam und die indirecte Ursache der Niedermetzelung des Stammes El-Uffia bei dem Lager Maison carrée war. Seitdem die Würde eines Scheikh-el-Arab oder Oberhaupts der Araber des Dscherid dem Oheim des Erbey's Achmet, Ben-Ganah übertragen worden, nahm der Einfluß des Ben-Asus in jenen Südsteppen mehr und mehr ab. Letzterer hatte anfangs nur eine kleine Macht von 300 regulären Infanteristen und 50 Reitern. Abd-El-Kader schickte aber Verstärkungen nebst zwei Kanonen nach dem Land Zab, damit sein General dort operiren und die Ruhe der Provinz Constantine stören könne. General Galbois, welcher diese Provinz mit vieler Klugheit verwaltet, war kaum von diesen Planen unterrichtet, als er dem Scheikh-el-Arab Befehl gab, die Unternehmungen des Ben-Asus zu hindern. Dieser Auftrag konnte Ben-Ganah nur willkommen seyn, denn er, wie die Stämme unter seinen Befehlen, gehören jenem Theil des arabischen Volks an, der sich rühmt, von jeder Vermischung mit den Urbewohnern des Landes freigeblieben zu seyn und das Blut der ersten mohammedanischen Krieger, welche Nordafrika eroberten, in seinen Adern rein bewahrt zu haben. Er hegt die tiefste Verachtung und den glühendsten Haß gegen die Partei, auf welche Abd-El-Kader in der Provinz Constantine sich stützen zu müssen glaubte. Diese Partei besteht ausschließlich aus Schauiad (Name einiger Kabylenstämme im Osten) und aus Arabern, die mehr oder minder durch Heirathen mit den Kabylen sich vermischt haben. Ben-Ganah nennt in seinem aristokratischen Stolz Abd-El-Kader den „Sohn eines Stallknechts.“ Man kann daraus entnehmen, was Ben-Ganah von den Unterthanen Abd-El-Kaders hält, von jenen rohen Arabern des Westens, welche mehr als all' ihre Landsleute mit den Urbewohnern, nämlich mit dem besiegten Volk sich vermischt haben. Von solchen Gesinnungen beseelt stieß Ben-Ganah am 24 März bei Selsus, auf der Straße von Biscara nach Setif, auf den Feind. Der Chalifa Abd-El-Kaders hatte seine Infanterie am Fuß eines Berges in Schlachtordnung gestellt; die Cavallerie stand hinter dem regulären Bataillon, die Artillerie auf den Flügeln. Zweimal griff Ben-Ganah die feindliche Armee an und zweimal wichen seine Reiter, bestürzt über das Kanonenfeuer. Ben-Ganah sammelte nun um sich alle Mitglieder seiner zahlreichen Familie und stellte sich an ihre Spitze in der Richtung der Kanonenmündungen. Dann entblößte er seinen Bernuß von der linken Schulter, zeigte den Soldaten des Emirs das Ehrenkreuz auf seiner Brust und statt aller Antwort auf deren Geschrei: „Apostat! Knecht der Ungläubigen!“ führte er die Seinigen zu einem dritten Angriff vor. Die Reiter der Wüste, angefeuert durch die glänzende Tapferkeit ihres Häuptlings, stürzten sich nun mit Wuth auf die Kanonen, die ihnen kurz zuvor so großen Schrecken eingejagt hatten. Ihr Angriff war unwiderstehlich, in wenigen Minuten war Abd-El-Kaders Infanterie niedergehauen, die Cavallerie in die Flucht geschlagen, zwei Kanonen, drei Fahnen erobert, und der Boden mit den weggeworfenen Waffen der Flüchtlinge bedeckt. Kaum war die Nachricht dieses Treffens nach Biscara gelangt, als die Einwohner, froh des Abd-El-Kader'schen Generals los zu seyn, Ben-Ganah ihre Thore öffneten. Ben-Asus flüchtete sich zuerst zu Sidi-Achmet-ben-Omar, einem andern Chalifa in partibus, der sich in der Ebene Medschana herumtreibt und nirgends Anhang findet; auch dort hielt er sich aber nicht mehr für sicher und ging nach Medeah. Da ein so denkwürdiger Sieg, in so weiter Entfernung von Constantine erfochten, von so manchen Eingebornen bezweifelt werden konnte, wurden die 1020 Ohren, welche der Scheikh-el-Arab dem General Galbois geschickt hatte, in Constantine öffentlich ausgestellt. Die Mehrzahl der Einwohner freute sich darüber; die Stämme der Medschana namentlich feierten diese Siegesnachricht mit großen Festen, und hoffen, nun auch Ben-Omars, der sie so oft als möglich plündert, los zu werden. An Ben-Ganah ist eine bedeutende Summe Geldes abgeschickt worden, und man wird ihm alle Hülfsmittel liefern, damit er seinen Sieg verfolge und Abd-El-Kader in der Provinz Titteri beschäftige. Neben dem Scheikh-el-Arab fällt ein guter Theil des Verdienstes unserer Erfolge in der Provinz Constantine dem General Galbois zu, der unter den Eingeborenen die rechten Männer auszuwählen versteht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_122_18400501
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_122_18400501/11
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 122. Augsburg, 1. Mai 1840, S. 0971. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_122_18400501/11>, abgerufen am 21.11.2024.