Allgemeine Zeitung. Nr. 123. Augsburg, 2. Mai 1840.uns begleitenden Araber kannten jedoch diesen Namen nicht. Schon tausend Schritte vor den Tempeln stießen wir auf einen, auf den Hinterfüßen hockenden Löwen aus rothem Stein, nur wenig vom Sande verschüttet und bis auf den abgeschlagenen Kopf ohne Verstümmlung. Wahrscheinlich liegen noch mehrere seiner Cameraden neben ihm vergraben; auch beginnen schon von hier aus die einzelnen Schutthaufen zerstörter Gebäude auf beiden Seiten des Wegs, so daß man annehmen darf, daß hier im Alterthum eine nicht unbedeutende Stadt gestanden haben muß. Der erste, den höchsten Platz einnehmende Tempel, östlich von den andern gelegen, trägt auf seinen Quadern noch die Spuren eines ehemaligen Ueberzugs aus feinem und sehr festem Stuck. Seine innern Wände sind mit auf den freien Stein eingegrabenen Bildern und Hieroglyphen bedeckt, deren Gegenstände aber nur sehr undeutlich zu erkennen sind. Der Gott mit der Widdermaske (Ammon) kommt am häufigsten vor, hier aber opfert ihm ein König oder Feldherr, neben welchem auch ein halber Ring noch sichtbar war, den ich abzeichnete, da ich in Champollion und Wilkinson keinen ähnlichen auffinden konnte; leider ist mir aber das Blättchen mit der Skizze seitdem verloren gegangen. Dem Eingang gegenüber steht wie gewöhnlich ein ganz einfacher Altar in Form eines Würfels. Die Menge außerhalb aufgehäufter Trümmer deutet auf noch mehrere ansehnliche Gebäude in der Nähe, und ähnliche Steinhaufen ziehen sich gleich einer Straße weit nach der Plaine hinab. Der zweite Tempel, ungefähr 200 Schritte von dem ersten abwärts gegen Westen gelegen, war von viel größerem Umfang, so wie auch von höherer Pracht und Zierlichkeit. Sechs aufeinanderstoßende Thore desselben nebst mehreren sie verbindenden Säulenschäften stehen noch aufrecht, alles gedrängt voll sehr elegant ausgeführter Sculpturen, doch überall ohne irgend eine Spur von Färbung. Ueber jedem der Thore sieht man die geflügelte Kugel mit Schlangen umgeben, und eine breite Auffahrt aus Westen hat fast alle ihre Sphinxe auf beiden Seiten erhalten, viele davon noch ganz unbeschädigt. Es sind dieselben dickwolligen Schafe (nicht Widder) wie die in Merawi, nur viel kleiner als jene, derengleichen in Aegypten nirgends angetroffen werden, und also wieder auf weibliches Regiment hindeuten. Fünf- bis sechshundert Schritte weiter, in derselben nach Westen sich erstreckenden Linie, stößt man auf den dritten und kleinsten Tempel, der höchst wahrscheinlich weit neuer als die andern ist, und im verdorbensten römischen Styl widerlicher Ueberladung den völligen Verfall der Kunst verräth, obgleich auch er zum Theil mit ägyptischen Verzierungen, aber ohne Hieroglyphen und Bildwerke, ausgeschmückt ist, mehr den phantastischen Undingen in einer unserer älteren Gartenanlagen als einem den Göttern geweihten, religiösen Gebäude ähnlich. Aus einer viel älteren Epoche und als der edelste von allen erscheint dagegen der nahe dabei liegende vierte Tempel, obgleich er an Größe den letztbeschriebenen kaum zur Hälfte übertrifft. Sein Eingang ist von Osten, wie bei dem ersten und dritten, denn nur der zweite hat ihn umgekehrt von Westen her. Dieser Eingang hat die Form der ägyptischen Pylonen, auf deren schmalen Seiten sich zwei Riesenschlangen um den Stiel einer kolossalen Blume in die Höhe winden, und in der Figur eines Gottes enden (Osiris, wie ich vermuthe), der den Nilschlüssel in der Hand trägt. Auf der linken breiten Vorderseite der Pylonen neben dem Thor sieht man das bekannte, sich fast auf jedem ägyptischen Monument wiederholende Bild des Riesen, gewöhnlich einen Herrscher in der Gestalt des siegenden Osiris darstellend, mit der einen Hand das Schwert erhebend und in der andern Gefangene am Schopf haltend. Hier aber übertrifft die Collection von Köpfen, die der Riese gepackt hat, an Quantität alle ägyptischen Darstellungen dieser Art, die ich je gesehen habe. Es gleicht dieß seltsame Gebilde völlig einem unserer Stammbäume in Form eines aufsteigenden Kandelabers, und enthält zuerst oben drei gigantische Häupter, die mit langen Hälsen einer aus dem andern emporwachsen, und von denen sich unförmlich lange Arme nach beiden Seiten horizontal ausstrecken; in den Zwischenräumen dieser sechs Arme aber finden noch fünfundzwanzig kleinere Köpfe Raum, und diese ganze Maschine hält der Riese an dem langen Haarbüschel des obersten Kolossalhauptes mit der linken Hand und schwingt in der rechten, statt des Schwertes, hier eine vernichtende Keule. Auf der rechten Seite des Thores (und dieß ist wiederum nur den äthiopischen Monumenten eigenthümlich) ist eine Riesin abgebildet, von gleicher Größe mit ihrem gegenüberstehenden Pendant, und auch in gleicher Stellung mit derselben ungeheuren Kopfsammlung in der Hand. Beide Darstellungen sind nicht ohne imposante Wirkung, verrathen aber dennoch ebenfalls nur den Verfall und nicht den rohen Anfang der Kunst, und alle Physiognomien sind weit entfernt von jenem bewunderungswürdig charakteristischen nationellen Ausdruck, den z. B. bei den ähnlichen Bildern in Theben und Ypsambul die Köpfe der Besiegten haben, so daß man aus den Zügen ihres Antlitzes noch heute fast mit Bestimmtheit ihr Vaterland errathen kann. Das Innere des Tempels war ganz leer an Sculpturen oder Hieroglyphen, und scheint nie fertig geworden zu seyn. Nur kahle, zerbröckelte Wände und hohe Steinhaufen boten sich hier dem Auge dar. Dagegen befanden sich auf sämmtlichen Außenwänden sorgsam ausgeführte und zum Theil wohlerhaltene riesige Gebilde. Besonders sind die Sculpturen auf der südlichen Seite im besten Zustand, und führen uns hier ganz dieselbe Procession von fünf Gottheiten, eine hinter der andern vor, die man im Typhonium zu Dschebel-Barkal abgebildet sieht. Abermals ist es aber eine Königin mit ihrer Gesellschaftsdame, die ihnen hier opfert. Auch die andern Wände scheinen mehrere weibliche Figuren mit den Göttern vermischt zu enthalten; sie sind aber zu undeutlich und verwischt, um sich genau davon überzeugen zu können. Der Tempel hatte, wie Nr. 2, oben eine weit ausgeladene Krönung nach altägyptischer Weise, von der jedoch nur noch einige Bruchstücke und, hier zum erstenmal, noch mit etwas Farbenspuren versehen, übrig sind. Gewaltsame Zerstörung durch Menschen ist bei allen diesen Monumenten klar ersichtlich, und einige eingegrabene Kreuze auf den Mauern lassen leider vermuthen, daß christlicher Fanatismus, auch bis hierher dringend, thätig fromm zum Ziel der Kunstvernichtung mitgewirkt habe. Tödtliche Ermüdung, 35 Grad Hitze im Schatten des Tempels und ein brennender Kopfschmerz, von dem ich fast fortwährend geplagt wurde, dazu statt stärkender Nahrung nichts mehr als schwarzes Wasser aus den stinkenden Schläuchen und halb verschimmelter Zwieback müssen die Magerkeit dieser Beschreibung entschuldigen, wie die Unmöglichkeit, in der ich mich befand, allein wie ich war, hinreichende Copien von den merkwürdigsten der genannten Gegenstände zu nehmen. Ich wage zu behaupten, daß Wenige an meiner Stelle unter solchen Umständen mehr zu unternehmen im Stande gewesen seyn würden. (Fortsetzung folgt.) Die nordwestliche Durchfahrt. Das Ausland urtheilt über den neulich gelieferten Bericht von Dease und Simpson: "Die englischen Blätter haben die uns begleitenden Araber kannten jedoch diesen Namen nicht. Schon tausend Schritte vor den Tempeln stießen wir auf einen, auf den Hinterfüßen hockenden Löwen aus rothem Stein, nur wenig vom Sande verschüttet und bis auf den abgeschlagenen Kopf ohne Verstümmlung. Wahrscheinlich liegen noch mehrere seiner Cameraden neben ihm vergraben; auch beginnen schon von hier aus die einzelnen Schutthaufen zerstörter Gebäude auf beiden Seiten des Wegs, so daß man annehmen darf, daß hier im Alterthum eine nicht unbedeutende Stadt gestanden haben muß. Der erste, den höchsten Platz einnehmende Tempel, östlich von den andern gelegen, trägt auf seinen Quadern noch die Spuren eines ehemaligen Ueberzugs aus feinem und sehr festem Stuck. Seine innern Wände sind mit auf den freien Stein eingegrabenen Bildern und Hieroglyphen bedeckt, deren Gegenstände aber nur sehr undeutlich zu erkennen sind. Der Gott mit der Widdermaske (Ammon) kommt am häufigsten vor, hier aber opfert ihm ein König oder Feldherr, neben welchem auch ein halber Ring noch sichtbar war, den ich abzeichnete, da ich in Champollion und Wilkinson keinen ähnlichen auffinden konnte; leider ist mir aber das Blättchen mit der Skizze seitdem verloren gegangen. Dem Eingang gegenüber steht wie gewöhnlich ein ganz einfacher Altar in Form eines Würfels. Die Menge außerhalb aufgehäufter Trümmer deutet auf noch mehrere ansehnliche Gebäude in der Nähe, und ähnliche Steinhaufen ziehen sich gleich einer Straße weit nach der Plaine hinab. Der zweite Tempel, ungefähr 200 Schritte von dem ersten abwärts gegen Westen gelegen, war von viel größerem Umfang, so wie auch von höherer Pracht und Zierlichkeit. Sechs aufeinanderstoßende Thore desselben nebst mehreren sie verbindenden Säulenschäften stehen noch aufrecht, alles gedrängt voll sehr elegant ausgeführter Sculpturen, doch überall ohne irgend eine Spur von Färbung. Ueber jedem der Thore sieht man die geflügelte Kugel mit Schlangen umgeben, und eine breite Auffahrt aus Westen hat fast alle ihre Sphinxe auf beiden Seiten erhalten, viele davon noch ganz unbeschädigt. Es sind dieselben dickwolligen Schafe (nicht Widder) wie die in Merawi, nur viel kleiner als jene, derengleichen in Aegypten nirgends angetroffen werden, und also wieder auf weibliches Regiment hindeuten. Fünf- bis sechshundert Schritte weiter, in derselben nach Westen sich erstreckenden Linie, stößt man auf den dritten und kleinsten Tempel, der höchst wahrscheinlich weit neuer als die andern ist, und im verdorbensten römischen Styl widerlicher Ueberladung den völligen Verfall der Kunst verräth, obgleich auch er zum Theil mit ägyptischen Verzierungen, aber ohne Hieroglyphen und Bildwerke, ausgeschmückt ist, mehr den phantastischen Undingen in einer unserer älteren Gartenanlagen als einem den Göttern geweihten, religiösen Gebäude ähnlich. Aus einer viel älteren Epoche und als der edelste von allen erscheint dagegen der nahe dabei liegende vierte Tempel, obgleich er an Größe den letztbeschriebenen kaum zur Hälfte übertrifft. Sein Eingang ist von Osten, wie bei dem ersten und dritten, denn nur der zweite hat ihn umgekehrt von Westen her. Dieser Eingang hat die Form der ägyptischen Pylonen, auf deren schmalen Seiten sich zwei Riesenschlangen um den Stiel einer kolossalen Blume in die Höhe winden, und in der Figur eines Gottes enden (Osiris, wie ich vermuthe), der den Nilschlüssel in der Hand trägt. Auf der linken breiten Vorderseite der Pylonen neben dem Thor sieht man das bekannte, sich fast auf jedem ägyptischen Monument wiederholende Bild des Riesen, gewöhnlich einen Herrscher in der Gestalt des siegenden Osiris darstellend, mit der einen Hand das Schwert erhebend und in der andern Gefangene am Schopf haltend. Hier aber übertrifft die Collection von Köpfen, die der Riese gepackt hat, an Quantität alle ägyptischen Darstellungen dieser Art, die ich je gesehen habe. Es gleicht dieß seltsame Gebilde völlig einem unserer Stammbäume in Form eines aufsteigenden Kandelabers, und enthält zuerst oben drei gigantische Häupter, die mit langen Hälsen einer aus dem andern emporwachsen, und von denen sich unförmlich lange Arme nach beiden Seiten horizontal ausstrecken; in den Zwischenräumen dieser sechs Arme aber finden noch fünfundzwanzig kleinere Köpfe Raum, und diese ganze Maschine hält der Riese an dem langen Haarbüschel des obersten Kolossalhauptes mit der linken Hand und schwingt in der rechten, statt des Schwertes, hier eine vernichtende Keule. Auf der rechten Seite des Thores (und dieß ist wiederum nur den äthiopischen Monumenten eigenthümlich) ist eine Riesin abgebildet, von gleicher Größe mit ihrem gegenüberstehenden Pendant, und auch in gleicher Stellung mit derselben ungeheuren Kopfsammlung in der Hand. Beide Darstellungen sind nicht ohne imposante Wirkung, verrathen aber dennoch ebenfalls nur den Verfall und nicht den rohen Anfang der Kunst, und alle Physiognomien sind weit entfernt von jenem bewunderungswürdig charakteristischen nationellen Ausdruck, den z. B. bei den ähnlichen Bildern in Theben und Ypsambul die Köpfe der Besiegten haben, so daß man aus den Zügen ihres Antlitzes noch heute fast mit Bestimmtheit ihr Vaterland errathen kann. Das Innere des Tempels war ganz leer an Sculpturen oder Hieroglyphen, und scheint nie fertig geworden zu seyn. Nur kahle, zerbröckelte Wände und hohe Steinhaufen boten sich hier dem Auge dar. Dagegen befanden sich auf sämmtlichen Außenwänden sorgsam ausgeführte und zum Theil wohlerhaltene riesige Gebilde. Besonders sind die Sculpturen auf der südlichen Seite im besten Zustand, und führen uns hier ganz dieselbe Procession von fünf Gottheiten, eine hinter der andern vor, die man im Typhonium zu Dschebel-Barkal abgebildet sieht. Abermals ist es aber eine Königin mit ihrer Gesellschaftsdame, die ihnen hier opfert. Auch die andern Wände scheinen mehrere weibliche Figuren mit den Göttern vermischt zu enthalten; sie sind aber zu undeutlich und verwischt, um sich genau davon überzeugen zu können. Der Tempel hatte, wie Nr. 2, oben eine weit ausgeladene Krönung nach altägyptischer Weise, von der jedoch nur noch einige Bruchstücke und, hier zum erstenmal, noch mit etwas Farbenspuren versehen, übrig sind. Gewaltsame Zerstörung durch Menschen ist bei allen diesen Monumenten klar ersichtlich, und einige eingegrabene Kreuze auf den Mauern lassen leider vermuthen, daß christlicher Fanatismus, auch bis hierher dringend, thätig fromm zum Ziel der Kunstvernichtung mitgewirkt habe. Tödtliche Ermüdung, 35 Grad Hitze im Schatten des Tempels und ein brennender Kopfschmerz, von dem ich fast fortwährend geplagt wurde, dazu statt stärkender Nahrung nichts mehr als schwarzes Wasser aus den stinkenden Schläuchen und halb verschimmelter Zwieback müssen die Magerkeit dieser Beschreibung entschuldigen, wie die Unmöglichkeit, in der ich mich befand, allein wie ich war, hinreichende Copien von den merkwürdigsten der genannten Gegenstände zu nehmen. Ich wage zu behaupten, daß Wenige an meiner Stelle unter solchen Umständen mehr zu unternehmen im Stande gewesen seyn würden. (Fortsetzung folgt.) Die nordwestliche Durchfahrt. Das Ausland urtheilt über den neulich gelieferten Bericht von Dease und Simpson: „Die englischen Blätter haben die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0011" n="0979"/> uns begleitenden Araber kannten jedoch diesen Namen nicht. Schon tausend Schritte vor den Tempeln stießen wir auf einen, auf den Hinterfüßen hockenden Löwen aus rothem Stein, nur wenig vom Sande verschüttet und bis auf den abgeschlagenen Kopf ohne Verstümmlung. Wahrscheinlich liegen noch mehrere seiner Cameraden neben ihm vergraben; auch beginnen schon von hier aus die einzelnen Schutthaufen zerstörter Gebäude auf beiden Seiten des Wegs, so daß man annehmen darf, daß hier im Alterthum eine nicht unbedeutende Stadt gestanden haben muß.</p><lb/> <p>Der erste, den höchsten Platz einnehmende Tempel, östlich von den andern gelegen, trägt auf seinen Quadern noch die Spuren eines ehemaligen Ueberzugs aus feinem und sehr festem Stuck. Seine innern Wände sind mit auf den freien Stein eingegrabenen Bildern und Hieroglyphen bedeckt, deren Gegenstände aber nur sehr undeutlich zu erkennen sind. Der Gott mit der Widdermaske (Ammon) kommt am häufigsten vor, hier aber opfert ihm ein König oder Feldherr, neben welchem auch ein halber Ring noch sichtbar war, den ich abzeichnete, da ich in Champollion und Wilkinson keinen ähnlichen auffinden konnte; leider ist mir aber das Blättchen mit der Skizze seitdem verloren gegangen. Dem Eingang gegenüber steht wie gewöhnlich ein ganz einfacher Altar in Form eines Würfels. Die Menge außerhalb aufgehäufter Trümmer deutet auf noch mehrere ansehnliche Gebäude in der Nähe, und ähnliche Steinhaufen ziehen sich gleich einer Straße weit nach der Plaine hinab.</p><lb/> <p>Der zweite Tempel, ungefähr 200 Schritte von dem ersten abwärts gegen Westen gelegen, war von viel größerem Umfang, so wie auch von höherer Pracht und Zierlichkeit. Sechs aufeinanderstoßende Thore desselben nebst mehreren sie verbindenden Säulenschäften stehen noch aufrecht, alles gedrängt voll sehr elegant ausgeführter Sculpturen, doch überall ohne irgend eine Spur von Färbung. Ueber jedem der Thore sieht man die geflügelte Kugel mit Schlangen umgeben, und eine breite Auffahrt aus Westen hat fast alle ihre Sphinxe auf beiden Seiten erhalten, viele davon noch ganz unbeschädigt. 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Sein Eingang ist von Osten, wie bei dem ersten und dritten, denn nur der zweite hat ihn umgekehrt von Westen her. Dieser Eingang hat die Form der ägyptischen Pylonen, auf deren schmalen Seiten sich zwei Riesenschlangen um den Stiel einer kolossalen Blume in die Höhe winden, und in der Figur eines Gottes enden (Osiris, wie ich vermuthe), der den Nilschlüssel in der Hand trägt. Auf der linken breiten Vorderseite der Pylonen neben dem Thor sieht man das bekannte, sich fast auf jedem ägyptischen Monument wiederholende Bild des Riesen, gewöhnlich einen Herrscher in der Gestalt des siegenden Osiris darstellend, mit der einen Hand das Schwert erhebend und in der andern Gefangene am Schopf haltend. Hier aber übertrifft die Collection von Köpfen, die der Riese gepackt hat, an Quantität alle ägyptischen Darstellungen dieser Art, die ich je gesehen habe. Es gleicht dieß seltsame Gebilde völlig einem unserer Stammbäume in Form eines aufsteigenden Kandelabers, und enthält zuerst oben drei gigantische Häupter, die mit langen Hälsen einer aus dem andern emporwachsen, und von denen sich unförmlich lange Arme nach beiden Seiten horizontal ausstrecken; in den Zwischenräumen dieser sechs Arme aber finden noch fünfundzwanzig kleinere Köpfe Raum, und diese ganze Maschine hält der Riese an dem langen Haarbüschel des obersten Kolossalhauptes mit der linken Hand und schwingt in der rechten, statt des Schwertes, hier eine vernichtende Keule. Auf der rechten Seite des Thores (und dieß ist wiederum nur den äthiopischen Monumenten eigenthümlich) ist eine <hi rendition="#g">Riesin</hi> abgebildet, von gleicher Größe mit ihrem gegenüberstehenden Pendant, und auch in gleicher Stellung mit derselben ungeheuren Kopfsammlung in der Hand. 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Abermals ist es aber eine Königin mit ihrer Gesellschaftsdame, die ihnen hier opfert. Auch die andern Wände scheinen mehrere weibliche Figuren mit den Göttern vermischt zu enthalten; sie sind aber zu undeutlich und verwischt, um sich genau davon überzeugen zu können. Der Tempel hatte, wie Nr. 2, oben eine weit ausgeladene Krönung nach altägyptischer Weise, von der jedoch nur noch einige Bruchstücke und, hier zum erstenmal, noch mit etwas Farbenspuren versehen, übrig sind. 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Der erste, den höchsten Platz einnehmende Tempel, östlich von den andern gelegen, trägt auf seinen Quadern noch die Spuren eines ehemaligen Ueberzugs aus feinem und sehr festem Stuck. Seine innern Wände sind mit auf den freien Stein eingegrabenen Bildern und Hieroglyphen bedeckt, deren Gegenstände aber nur sehr undeutlich zu erkennen sind. Der Gott mit der Widdermaske (Ammon) kommt am häufigsten vor, hier aber opfert ihm ein König oder Feldherr, neben welchem auch ein halber Ring noch sichtbar war, den ich abzeichnete, da ich in Champollion und Wilkinson keinen ähnlichen auffinden konnte; leider ist mir aber das Blättchen mit der Skizze seitdem verloren gegangen. Dem Eingang gegenüber steht wie gewöhnlich ein ganz einfacher Altar in Form eines Würfels. Die Menge außerhalb aufgehäufter Trümmer deutet auf noch mehrere ansehnliche Gebäude in der Nähe, und ähnliche Steinhaufen ziehen sich gleich einer Straße weit nach der Plaine hinab.
Der zweite Tempel, ungefähr 200 Schritte von dem ersten abwärts gegen Westen gelegen, war von viel größerem Umfang, so wie auch von höherer Pracht und Zierlichkeit. Sechs aufeinanderstoßende Thore desselben nebst mehreren sie verbindenden Säulenschäften stehen noch aufrecht, alles gedrängt voll sehr elegant ausgeführter Sculpturen, doch überall ohne irgend eine Spur von Färbung. Ueber jedem der Thore sieht man die geflügelte Kugel mit Schlangen umgeben, und eine breite Auffahrt aus Westen hat fast alle ihre Sphinxe auf beiden Seiten erhalten, viele davon noch ganz unbeschädigt. Es sind dieselben dickwolligen Schafe (nicht Widder) wie die in Merawi, nur viel kleiner als jene, derengleichen in Aegypten nirgends angetroffen werden, und also wieder auf weibliches Regiment hindeuten.
Fünf- bis sechshundert Schritte weiter, in derselben nach Westen sich erstreckenden Linie, stößt man auf den dritten und kleinsten Tempel, der höchst wahrscheinlich weit neuer als die andern ist, und im verdorbensten römischen Styl widerlicher Ueberladung den völligen Verfall der Kunst verräth, obgleich auch er zum Theil mit ägyptischen Verzierungen, aber ohne Hieroglyphen und Bildwerke, ausgeschmückt ist, mehr den phantastischen Undingen in einer unserer älteren Gartenanlagen als einem den Göttern geweihten, religiösen Gebäude ähnlich.
Aus einer viel älteren Epoche und als der edelste von allen erscheint dagegen der nahe dabei liegende vierte Tempel, obgleich er an Größe den letztbeschriebenen kaum zur Hälfte übertrifft. Sein Eingang ist von Osten, wie bei dem ersten und dritten, denn nur der zweite hat ihn umgekehrt von Westen her. Dieser Eingang hat die Form der ägyptischen Pylonen, auf deren schmalen Seiten sich zwei Riesenschlangen um den Stiel einer kolossalen Blume in die Höhe winden, und in der Figur eines Gottes enden (Osiris, wie ich vermuthe), der den Nilschlüssel in der Hand trägt. Auf der linken breiten Vorderseite der Pylonen neben dem Thor sieht man das bekannte, sich fast auf jedem ägyptischen Monument wiederholende Bild des Riesen, gewöhnlich einen Herrscher in der Gestalt des siegenden Osiris darstellend, mit der einen Hand das Schwert erhebend und in der andern Gefangene am Schopf haltend. Hier aber übertrifft die Collection von Köpfen, die der Riese gepackt hat, an Quantität alle ägyptischen Darstellungen dieser Art, die ich je gesehen habe. Es gleicht dieß seltsame Gebilde völlig einem unserer Stammbäume in Form eines aufsteigenden Kandelabers, und enthält zuerst oben drei gigantische Häupter, die mit langen Hälsen einer aus dem andern emporwachsen, und von denen sich unförmlich lange Arme nach beiden Seiten horizontal ausstrecken; in den Zwischenräumen dieser sechs Arme aber finden noch fünfundzwanzig kleinere Köpfe Raum, und diese ganze Maschine hält der Riese an dem langen Haarbüschel des obersten Kolossalhauptes mit der linken Hand und schwingt in der rechten, statt des Schwertes, hier eine vernichtende Keule. Auf der rechten Seite des Thores (und dieß ist wiederum nur den äthiopischen Monumenten eigenthümlich) ist eine Riesin abgebildet, von gleicher Größe mit ihrem gegenüberstehenden Pendant, und auch in gleicher Stellung mit derselben ungeheuren Kopfsammlung in der Hand. Beide Darstellungen sind nicht ohne imposante Wirkung, verrathen aber dennoch ebenfalls nur den Verfall und nicht den rohen Anfang der Kunst, und alle Physiognomien sind weit entfernt von jenem bewunderungswürdig charakteristischen nationellen Ausdruck, den z. B. bei den ähnlichen Bildern in Theben und Ypsambul die Köpfe der Besiegten haben, so daß man aus den Zügen ihres Antlitzes noch heute fast mit Bestimmtheit ihr Vaterland errathen kann. Das Innere des Tempels war ganz leer an Sculpturen oder Hieroglyphen, und scheint nie fertig geworden zu seyn. Nur kahle, zerbröckelte Wände und hohe Steinhaufen boten sich hier dem Auge dar. Dagegen befanden sich auf sämmtlichen Außenwänden sorgsam ausgeführte und zum Theil wohlerhaltene riesige Gebilde. Besonders sind die Sculpturen auf der südlichen Seite im besten Zustand, und führen uns hier ganz dieselbe Procession von fünf Gottheiten, eine hinter der andern vor, die man im Typhonium zu Dschebel-Barkal abgebildet sieht. Abermals ist es aber eine Königin mit ihrer Gesellschaftsdame, die ihnen hier opfert. Auch die andern Wände scheinen mehrere weibliche Figuren mit den Göttern vermischt zu enthalten; sie sind aber zu undeutlich und verwischt, um sich genau davon überzeugen zu können. Der Tempel hatte, wie Nr. 2, oben eine weit ausgeladene Krönung nach altägyptischer Weise, von der jedoch nur noch einige Bruchstücke und, hier zum erstenmal, noch mit etwas Farbenspuren versehen, übrig sind. Gewaltsame Zerstörung durch Menschen ist bei allen diesen Monumenten klar ersichtlich, und einige eingegrabene Kreuze auf den Mauern lassen leider vermuthen, daß christlicher Fanatismus, auch bis hierher dringend, thätig fromm zum Ziel der Kunstvernichtung mitgewirkt habe.
Tödtliche Ermüdung, 35 Grad Hitze im Schatten des Tempels und ein brennender Kopfschmerz, von dem ich fast fortwährend geplagt wurde, dazu statt stärkender Nahrung nichts mehr als schwarzes Wasser aus den stinkenden Schläuchen und halb verschimmelter Zwieback müssen die Magerkeit dieser Beschreibung entschuldigen, wie die Unmöglichkeit, in der ich mich befand, allein wie ich war, hinreichende Copien von den merkwürdigsten der genannten Gegenstände zu nehmen. Ich wage zu behaupten, daß Wenige an meiner Stelle unter solchen Umständen mehr zu unternehmen im Stande gewesen seyn würden.
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Die nordwestliche Durchfahrt.
Das Ausland urtheilt über den neulich gelieferten Bericht von Dease und Simpson: „Die englischen Blätter haben die
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
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