Allgemeine Zeitung. Nr. 124. Augsburg, 3. Mai 1840.Wir wünschen, daß die gemischte Commission, deren Mitglieder von beiden Seiten gleichmäßig gegen die Vorurtheile ihrer Landsleute zu kämpfen hatten, ihre Arbeiten schnell endige. Der Handelsminister hat versprochen, daß die Resultate des Tractats in dem von dem Cabinet den Kammern bald vorzulegenden Zollgesetze mit aufgenommen seyn werden. Sonach kann die Lösung nicht mehr lange auf sich warten lassen. (Siecle.) Die Deputirten, welche den einheimischen Zucker unterstützen, und der Berichterstatter der Commission haben sich diesen Morgen (27) versammelt. Die Versammlung war fast einstimmig der Ansicht, der vom letzten Ministerium vorgelegte Gesetzesentwurf solle aufrecht erhalten werden, wenn man für den einheimischen Zucker die Wiederherstellung des Gesetzes von 1837 nicht durchsetzen könne. Die Deputirten, welche den Zucker der Seehäfen und der Colonien unterstützen, versammeln sich diesen Abend, um den Antheil, den sie an der nächsten Donnerstag zu eröffnenden Erörterung nehmen werden, zu bestimmen. Paris, 27 April. Es scheint gewiß zu seyn, daß die Pairskammer die Reduction der Rente verwerfen wird, weil die Majorität der Deputirtenkammer, die für das Gesetz stimmte, nicht stark genug war, um ihr die Hände zu binden. Ebenso wird aus dem Gesetzesvorschlag von Remilly nichts werden; er wird einer Commission übergeben, und wohl nicht mehr in Discussion kommen. In dieser Sache hat die conservative Partei ihre ganze Ungeschicklichkeit gezeigt; sie ist gegen die Maaßregel, aber ihre Chefs sehen darin ein Mittel, das Ministerium in Verlegenheit zu setzen, und es vielleicht mit der linken Seite zu überwerfen, sie ließen sie daher, anstatt sie sogleich in den Bureaux zu verwerfen, zur Berathung kommen, in der Ueberzeugung, daß sie sie anhalten könnten, wenn sie wollten. Der Erfolg war, daß sie das Ministerium mehr als je in die Hände der linken Seite gegeben, und der Wahlreform, welche unter allen Dingen das ist, was sie am meisten fürchten, einen großen Vorschub geleistet haben. Es ist allerdings ein großes Uebel, daß die Deputirten sich aller höhern Stellen in der Administration bemächtigen. Sie entmuthigen die Beamten nicht nur durch die Stellen, welche sie sich persönlich geben lassen, sondern durch den Einfluß, den sie auf die Beförderungen in allen Theilen der Verwaltung ausüben, theils zu Gunsten ihrer Verwandten, theils zu Gunsten der einflußreichen Wähler ihrer Arrondissements. In England bezahlt der Candidat seine Stimmen mit Geld, hier mit Versprechungen von Stellen und Gunstbezeugungen auf Kosten des Budget, und bei der Ungewißheit der Majoritäten sind die Minister zu schwach, um diesem Andrang zu widerstehen. Die Abhülfe, welche die linke Seite sucht, besteht in einer Reform des Wahlgesetzes, durch welche die Zahl der Wähler und der Wählbaren ausgedehnt würde, und die Deputirten einen Gehalt erhielten, lauter Maaßregeln, welche direct gegen ihren Zweck gingen. Man klagt, daß Wähler und Gewählte zu schwach seyen, um der Versuchung zu widerstehen, sich der Macht, welche sie in Händen haben, zu ihrem persönlichen Vortheil zu bedienen, und sucht die Abhülfe darin, daß man diese Macht auf Classen ausdehnt, welche noch weniger im Stande wären, ihr zu widerstehen. Dieß sind übrigens in diesem Augenblick müßige Fragen, denn das große Interesse gegenwärtig ist die Besorgniß wegen der künftigen Ernte, welche durch die unbegreiflich schöne Witterung in größter Gefahr ist. Im Süden ist Regen gefallen, so daß zwischen Bordeaux und Orange die Staaten gut stehen; auch in der Normandie hat es ein wenig geregnet, aber in der ganzen Mitte von Frankreich, im Elsaß, in Nord-Frankreich und in der Bretagne ist große Gefahr gänzlichen Mißwachses, wenn die gegenwärtige Witterung nicht schnell ändert, wozu gar kein Anschein ist. Man mag nicht an das Elend denken, das daraus folgen würde, denn schon jetzt ist es groß genug. Das platte Land wird von Haufen von Bettlern durchzogen, welche Lebensmittel unter Drohungen verlangen. In der Bretagne scheint das Volk von einer abergläubischen Furcht vor der Zukunft ergriffen zu seyn. Das Futter fehlt fast gänzlich, und seit 14 Tagen hat der Preis von Hen um 40 Proc. aufgeschlagen. Die Fabriken fangen an unter diesem Zustand sehr zu leiden. Hier geben die großen Bauten der Stadt einer beträchtlichen Menge von Arbeitern Beschäftigung; das Hotel de Ville, zu dem 6,298,000 Fr. ausgesetzt sind, macht schnelle Fortschritte, ebenso die Kirche von St. Vincent de Paul, welche auf 3,069,000 Fr. angeschlagen ist; der Platz de la Concorde, dessen Verschönerung 1,600,000 Fr. kostet, wird gerade vollendet. Andere große Bauten sind im Werk, wie die Verschönerung der Champs elyses, welche in einigen Monaten angefangen werden sollen, und die gothische Kirche, welche auf dem Platz Bellechasse gebaut werden soll. Der Plan dazu ist von dem deutschen Architekten Gau gemacht. Er ist ein wegen seiner großen Ehrlichkeit bei der Stadt sehr beliebter Baumeister, da er seinen Anschlag nie überschreitet, und man erzählt sich, daß er bei dem Bau des Gefängnisses von Laroquette, da er sah, daß die Kosten den Anschlag überstiegen haben, den Ueberschuß aus seiner Tasche bezahlt habe. Die Stadt hat andere weitaussehende Plane von Arbeiten, besonders das Durchbrechen großer Straßen in den östlichen Quartieren der Stadt, um sie wieder zu beleben und der Mode entgegenzuarbeiten, welche die Bevölkerung an das Westende treibt. Allein es ist eine Politik, deren Richtigkeit sehr zu bezweifeln wäre, dieser Tendenz entgegenarbeiten zu wollen, denn diese großen Ausgaben sind nur vermittelst der Beibehaltung des hohen Octroi möglich, während dessen Herabsetzung mehr thun würde, die Stadt in allen Quartieren zu beleben, als alle künstlichen Mittel. Der unmäßige Anwachs der Vorstädte außerhalb der Mauern, und die Abnahme der Zahl der Fremden, namentlich der Engländer, welche seit einigen Jahren sehr bemerklich ist, sollten die Stadt belehrt haben, daß sie die Preise der Lebensbedürfnisse viel zu hoch gesteigert hat. Der Ertrag des Octroi nimmt freilich in ruhigen Zeiten zu, aber die geringste politische Unruhe ist hinreichend, ihn auf lange Zeit zu reduciren; so haben ihn die sehr unbedeutenden Unruhen vom Mai des letzten Jahres um 1,800,000 Fr. vermindert. Im Jahr 1838, wo alle andern Artikel zugenommen hatten, fiel der Ertrag des Octroi auf Brennmaterial, was ein so deutlicher Beweis war, daß man es über die Kräfte der Consumenten gesteigert hatte, daß die Stadt ihr Octroi auf Steinkohlen herabsetzte; aber solche partielle Herabsetzungen helfen wenig, denn es sind nicht die 50 Cent., welche die Stadt vom Hektoliter Steinkohlen erhob, die den Preis desselben in der Stadt aufs doppelte von dem außerhalb treiben, sondern die Existenz einer Classe von Zwischenhändlern, welche das System des Octroi hervorbringt. Das ganze System ist den Städten verderblich, und nicht gerade die Höhe des einen oder des andern Artikels des Tarifs. Paris, 28 April. Die gestern erlassene königliche Ordonnanz ergänzt die Amnestie, die eine frühere Ordonnanz vom 8 Mai 1837 nur den in wirklicher Haft befindlich gewesenen politischen Verurtheilten zugestanden hatte: alle wegen politischen Verbrecher vor dem 8 Mai 1837 verurtheilten Personen sind in der neuen Amnestie begriffen, also insbesondere die in contumaciam Verurtheilten, z. B. die HH. Cavaignac Wir wünschen, daß die gemischte Commission, deren Mitglieder von beiden Seiten gleichmäßig gegen die Vorurtheile ihrer Landsleute zu kämpfen hatten, ihre Arbeiten schnell endige. Der Handelsminister hat versprochen, daß die Resultate des Tractats in dem von dem Cabinet den Kammern bald vorzulegenden Zollgesetze mit aufgenommen seyn werden. Sonach kann die Lösung nicht mehr lange auf sich warten lassen. (Siecle.) Die Deputirten, welche den einheimischen Zucker unterstützen, und der Berichterstatter der Commission haben sich diesen Morgen (27) versammelt. Die Versammlung war fast einstimmig der Ansicht, der vom letzten Ministerium vorgelegte Gesetzesentwurf solle aufrecht erhalten werden, wenn man für den einheimischen Zucker die Wiederherstellung des Gesetzes von 1837 nicht durchsetzen könne. Die Deputirten, welche den Zucker der Seehäfen und der Colonien unterstützen, versammeln sich diesen Abend, um den Antheil, den sie an der nächsten Donnerstag zu eröffnenden Erörterung nehmen werden, zu bestimmen. Paris, 27 April. Es scheint gewiß zu seyn, daß die Pairskammer die Reduction der Rente verwerfen wird, weil die Majorität der Deputirtenkammer, die für das Gesetz stimmte, nicht stark genug war, um ihr die Hände zu binden. Ebenso wird aus dem Gesetzesvorschlag von Remilly nichts werden; er wird einer Commission übergeben, und wohl nicht mehr in Discussion kommen. In dieser Sache hat die conservative Partei ihre ganze Ungeschicklichkeit gezeigt; sie ist gegen die Maaßregel, aber ihre Chefs sehen darin ein Mittel, das Ministerium in Verlegenheit zu setzen, und es vielleicht mit der linken Seite zu überwerfen, sie ließen sie daher, anstatt sie sogleich in den Bureaux zu verwerfen, zur Berathung kommen, in der Ueberzeugung, daß sie sie anhalten könnten, wenn sie wollten. Der Erfolg war, daß sie das Ministerium mehr als je in die Hände der linken Seite gegeben, und der Wahlreform, welche unter allen Dingen das ist, was sie am meisten fürchten, einen großen Vorschub geleistet haben. Es ist allerdings ein großes Uebel, daß die Deputirten sich aller höhern Stellen in der Administration bemächtigen. Sie entmuthigen die Beamten nicht nur durch die Stellen, welche sie sich persönlich geben lassen, sondern durch den Einfluß, den sie auf die Beförderungen in allen Theilen der Verwaltung ausüben, theils zu Gunsten ihrer Verwandten, theils zu Gunsten der einflußreichen Wähler ihrer Arrondissements. In England bezahlt der Candidat seine Stimmen mit Geld, hier mit Versprechungen von Stellen und Gunstbezeugungen auf Kosten des Budget, und bei der Ungewißheit der Majoritäten sind die Minister zu schwach, um diesem Andrang zu widerstehen. Die Abhülfe, welche die linke Seite sucht, besteht in einer Reform des Wahlgesetzes, durch welche die Zahl der Wähler und der Wählbaren ausgedehnt würde, und die Deputirten einen Gehalt erhielten, lauter Maaßregeln, welche direct gegen ihren Zweck gingen. Man klagt, daß Wähler und Gewählte zu schwach seyen, um der Versuchung zu widerstehen, sich der Macht, welche sie in Händen haben, zu ihrem persönlichen Vortheil zu bedienen, und sucht die Abhülfe darin, daß man diese Macht auf Classen ausdehnt, welche noch weniger im Stande wären, ihr zu widerstehen. Dieß sind übrigens in diesem Augenblick müßige Fragen, denn das große Interesse gegenwärtig ist die Besorgniß wegen der künftigen Ernte, welche durch die unbegreiflich schöne Witterung in größter Gefahr ist. Im Süden ist Regen gefallen, so daß zwischen Bordeaux und Orange die Staaten gut stehen; auch in der Normandie hat es ein wenig geregnet, aber in der ganzen Mitte von Frankreich, im Elsaß, in Nord-Frankreich und in der Bretagne ist große Gefahr gänzlichen Mißwachses, wenn die gegenwärtige Witterung nicht schnell ändert, wozu gar kein Anschein ist. Man mag nicht an das Elend denken, das daraus folgen würde, denn schon jetzt ist es groß genug. Das platte Land wird von Haufen von Bettlern durchzogen, welche Lebensmittel unter Drohungen verlangen. In der Bretagne scheint das Volk von einer abergläubischen Furcht vor der Zukunft ergriffen zu seyn. Das Futter fehlt fast gänzlich, und seit 14 Tagen hat der Preis von Hen um 40 Proc. aufgeschlagen. Die Fabriken fangen an unter diesem Zustand sehr zu leiden. Hier geben die großen Bauten der Stadt einer beträchtlichen Menge von Arbeitern Beschäftigung; das Hotel de Ville, zu dem 6,298,000 Fr. ausgesetzt sind, macht schnelle Fortschritte, ebenso die Kirche von St. Vincent de Paul, welche auf 3,069,000 Fr. angeschlagen ist; der Platz de la Concorde, dessen Verschönerung 1,600,000 Fr. kostet, wird gerade vollendet. Andere große Bauten sind im Werk, wie die Verschönerung der Champs élysés, welche in einigen Monaten angefangen werden sollen, und die gothische Kirche, welche auf dem Platz Bellechasse gebaut werden soll. Der Plan dazu ist von dem deutschen Architekten Gau gemacht. Er ist ein wegen seiner großen Ehrlichkeit bei der Stadt sehr beliebter Baumeister, da er seinen Anschlag nie überschreitet, und man erzählt sich, daß er bei dem Bau des Gefängnisses von Laroquette, da er sah, daß die Kosten den Anschlag überstiegen haben, den Ueberschuß aus seiner Tasche bezahlt habe. Die Stadt hat andere weitaussehende Plane von Arbeiten, besonders das Durchbrechen großer Straßen in den östlichen Quartieren der Stadt, um sie wieder zu beleben und der Mode entgegenzuarbeiten, welche die Bevölkerung an das Westende treibt. Allein es ist eine Politik, deren Richtigkeit sehr zu bezweifeln wäre, dieser Tendenz entgegenarbeiten zu wollen, denn diese großen Ausgaben sind nur vermittelst der Beibehaltung des hohen Octroi möglich, während dessen Herabsetzung mehr thun würde, die Stadt in allen Quartieren zu beleben, als alle künstlichen Mittel. Der unmäßige Anwachs der Vorstädte außerhalb der Mauern, und die Abnahme der Zahl der Fremden, namentlich der Engländer, welche seit einigen Jahren sehr bemerklich ist, sollten die Stadt belehrt haben, daß sie die Preise der Lebensbedürfnisse viel zu hoch gesteigert hat. Der Ertrag des Octroi nimmt freilich in ruhigen Zeiten zu, aber die geringste politische Unruhe ist hinreichend, ihn auf lange Zeit zu reduciren; so haben ihn die sehr unbedeutenden Unruhen vom Mai des letzten Jahres um 1,800,000 Fr. vermindert. Im Jahr 1838, wo alle andern Artikel zugenommen hatten, fiel der Ertrag des Octroi auf Brennmaterial, was ein so deutlicher Beweis war, daß man es über die Kräfte der Consumenten gesteigert hatte, daß die Stadt ihr Octroi auf Steinkohlen herabsetzte; aber solche partielle Herabsetzungen helfen wenig, denn es sind nicht die 50 Cent., welche die Stadt vom Hektoliter Steinkohlen erhob, die den Preis desselben in der Stadt aufs doppelte von dem außerhalb treiben, sondern die Existenz einer Classe von Zwischenhändlern, welche das System des Octroi hervorbringt. Das ganze System ist den Städten verderblich, und nicht gerade die Höhe des einen oder des andern Artikels des Tarifs. Paris, 28 April. Die gestern erlassene königliche Ordonnanz ergänzt die Amnestie, die eine frühere Ordonnanz vom 8 Mai 1837 nur den in wirklicher Haft befindlich gewesenen politischen Verurtheilten zugestanden hatte: alle wegen politischen Verbrecher vor dem 8 Mai 1837 verurtheilten Personen sind in der neuen Amnestie begriffen, also insbesondere die in contumaciam Verurtheilten, z. B. die HH. Cavaignac <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0003" n="0987"/> Wir wünschen, daß die gemischte Commission, deren Mitglieder von beiden Seiten gleichmäßig gegen die Vorurtheile ihrer Landsleute zu kämpfen hatten, ihre Arbeiten schnell endige. Der Handelsminister hat versprochen, daß die Resultate des Tractats in dem von dem Cabinet den Kammern bald vorzulegenden Zollgesetze mit aufgenommen seyn werden. Sonach kann die Lösung nicht mehr lange auf sich warten lassen.</p><lb/> <p>(<hi rendition="#g">Siecle</hi>.) Die Deputirten, welche den einheimischen Zucker unterstützen, und der Berichterstatter der Commission haben sich diesen Morgen (27) versammelt. Die Versammlung war fast einstimmig der Ansicht, der vom letzten Ministerium vorgelegte Gesetzesentwurf solle aufrecht erhalten werden, wenn man für den einheimischen Zucker die Wiederherstellung des Gesetzes von 1837 nicht durchsetzen könne. Die Deputirten, welche den Zucker der Seehäfen und der Colonien unterstützen, versammeln sich diesen Abend, um den Antheil, den sie an der nächsten Donnerstag zu eröffnenden Erörterung nehmen werden, zu bestimmen.</p> </div><lb/> <div n="2"> <byline> <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 27 April.</dateline> <p> Es scheint gewiß zu seyn, daß die Pairskammer die Reduction der Rente verwerfen wird, weil die Majorität der Deputirtenkammer, die für das Gesetz stimmte, nicht stark genug war, um ihr die Hände zu binden. Ebenso wird aus dem Gesetzesvorschlag von Remilly nichts werden; er wird einer Commission übergeben, und wohl nicht mehr in Discussion kommen. In dieser Sache hat die conservative Partei ihre ganze Ungeschicklichkeit gezeigt; sie ist gegen die Maaßregel, aber ihre Chefs sehen darin ein Mittel, das Ministerium in Verlegenheit zu setzen, und es vielleicht mit der linken Seite zu überwerfen, sie ließen sie daher, anstatt sie sogleich in den Bureaux zu verwerfen, zur Berathung kommen, in der Ueberzeugung, daß sie sie anhalten könnten, wenn sie wollten. Der Erfolg war, daß sie das Ministerium mehr als je in die Hände der linken Seite gegeben, und der Wahlreform, welche unter allen Dingen das ist, was sie am meisten fürchten, einen großen Vorschub geleistet haben. Es ist allerdings ein großes Uebel, daß die Deputirten sich aller höhern Stellen in der Administration bemächtigen. Sie entmuthigen die Beamten nicht nur durch die Stellen, welche sie sich persönlich geben lassen, sondern durch den Einfluß, den sie auf die Beförderungen in allen Theilen der Verwaltung ausüben, theils zu Gunsten ihrer Verwandten, theils zu Gunsten der einflußreichen Wähler ihrer Arrondissements. In England bezahlt der Candidat seine Stimmen mit Geld, hier mit Versprechungen von Stellen und Gunstbezeugungen auf Kosten des Budget, und bei der Ungewißheit der Majoritäten sind die Minister zu schwach, um diesem Andrang zu widerstehen. Die Abhülfe, welche die linke Seite sucht, besteht in einer Reform des Wahlgesetzes, durch welche die Zahl der Wähler und der Wählbaren ausgedehnt würde, und die Deputirten einen Gehalt erhielten, lauter Maaßregeln, welche direct gegen ihren Zweck gingen. Man klagt, daß Wähler und Gewählte zu schwach seyen, um der Versuchung zu widerstehen, sich der Macht, welche sie in Händen haben, zu ihrem persönlichen Vortheil zu bedienen, und sucht die Abhülfe darin, daß man diese Macht auf Classen ausdehnt, welche noch weniger im Stande wären, ihr zu widerstehen. Dieß sind übrigens in diesem Augenblick müßige Fragen, denn das große Interesse gegenwärtig ist die Besorgniß wegen der künftigen Ernte, welche durch die unbegreiflich schöne Witterung in größter Gefahr ist. Im Süden ist Regen gefallen, so daß zwischen Bordeaux und Orange die Staaten gut stehen; auch in der Normandie hat es ein wenig geregnet, aber in der ganzen Mitte von Frankreich, im Elsaß, in Nord-Frankreich und in der Bretagne ist große Gefahr gänzlichen Mißwachses, wenn die gegenwärtige Witterung nicht schnell ändert, wozu gar kein Anschein ist. Man mag nicht an das Elend denken, das daraus folgen würde, denn schon jetzt ist es groß genug. Das platte Land wird von Haufen von Bettlern durchzogen, welche Lebensmittel unter Drohungen verlangen. In der Bretagne scheint das Volk von einer abergläubischen Furcht vor der Zukunft ergriffen zu seyn. Das Futter fehlt fast gänzlich, und seit 14 Tagen hat der Preis von Hen um 40 Proc. aufgeschlagen. Die Fabriken fangen an unter diesem Zustand sehr zu leiden. Hier geben die großen Bauten der Stadt einer beträchtlichen Menge von Arbeitern Beschäftigung; das Hotel de Ville, zu dem 6,298,000 Fr. ausgesetzt sind, macht schnelle Fortschritte, ebenso die Kirche von St. Vincent de Paul, welche auf 3,069,000 Fr. angeschlagen ist; der Platz de la Concorde, dessen Verschönerung 1,600,000 Fr. kostet, wird gerade vollendet. Andere große Bauten sind im Werk, wie die Verschönerung der Champs élysés, welche in einigen Monaten angefangen werden sollen, und die gothische Kirche, welche auf dem Platz Bellechasse gebaut werden soll. Der Plan dazu ist von dem deutschen Architekten Gau gemacht. Er ist ein wegen seiner großen Ehrlichkeit bei der Stadt sehr beliebter Baumeister, da er seinen Anschlag nie überschreitet, und man erzählt sich, daß er bei dem Bau des Gefängnisses von Laroquette, da er sah, daß die Kosten den Anschlag überstiegen haben, den Ueberschuß aus seiner Tasche bezahlt habe. Die Stadt hat andere weitaussehende Plane von Arbeiten, besonders das Durchbrechen großer Straßen in den östlichen Quartieren der Stadt, um sie wieder zu beleben und der Mode entgegenzuarbeiten, welche die Bevölkerung an das Westende treibt. Allein es ist eine Politik, deren Richtigkeit sehr zu bezweifeln wäre, dieser Tendenz entgegenarbeiten zu wollen, denn diese großen Ausgaben sind nur vermittelst der Beibehaltung des hohen Octroi möglich, während dessen Herabsetzung mehr thun würde, die Stadt in allen Quartieren zu beleben, als alle künstlichen Mittel. Der unmäßige Anwachs der Vorstädte außerhalb der Mauern, und die Abnahme der Zahl der Fremden, namentlich der Engländer, welche seit einigen Jahren sehr bemerklich ist, sollten die Stadt belehrt haben, daß sie die Preise der Lebensbedürfnisse viel zu hoch gesteigert hat. Der Ertrag des Octroi nimmt freilich in ruhigen Zeiten zu, aber die geringste politische Unruhe ist hinreichend, ihn auf lange Zeit zu reduciren; so haben ihn die sehr unbedeutenden Unruhen vom Mai des letzten Jahres um 1,800,000 Fr. vermindert. Im Jahr 1838, wo alle andern Artikel zugenommen hatten, fiel der Ertrag des Octroi auf Brennmaterial, was ein so deutlicher Beweis war, daß man es über die Kräfte der Consumenten gesteigert hatte, daß die Stadt ihr Octroi auf Steinkohlen herabsetzte; aber solche partielle Herabsetzungen helfen wenig, denn es sind nicht die 50 Cent., welche die Stadt vom Hektoliter Steinkohlen erhob, die den Preis desselben in der Stadt aufs doppelte von dem außerhalb treiben, sondern die Existenz einer Classe von Zwischenhändlern, welche das System des Octroi hervorbringt. 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Wir wünschen, daß die gemischte Commission, deren Mitglieder von beiden Seiten gleichmäßig gegen die Vorurtheile ihrer Landsleute zu kämpfen hatten, ihre Arbeiten schnell endige. Der Handelsminister hat versprochen, daß die Resultate des Tractats in dem von dem Cabinet den Kammern bald vorzulegenden Zollgesetze mit aufgenommen seyn werden. Sonach kann die Lösung nicht mehr lange auf sich warten lassen.
(Siecle.) Die Deputirten, welche den einheimischen Zucker unterstützen, und der Berichterstatter der Commission haben sich diesen Morgen (27) versammelt. Die Versammlung war fast einstimmig der Ansicht, der vom letzten Ministerium vorgelegte Gesetzesentwurf solle aufrecht erhalten werden, wenn man für den einheimischen Zucker die Wiederherstellung des Gesetzes von 1837 nicht durchsetzen könne. Die Deputirten, welche den Zucker der Seehäfen und der Colonien unterstützen, versammeln sich diesen Abend, um den Antheil, den sie an der nächsten Donnerstag zu eröffnenden Erörterung nehmen werden, zu bestimmen.
_ Paris, 27 April. Es scheint gewiß zu seyn, daß die Pairskammer die Reduction der Rente verwerfen wird, weil die Majorität der Deputirtenkammer, die für das Gesetz stimmte, nicht stark genug war, um ihr die Hände zu binden. Ebenso wird aus dem Gesetzesvorschlag von Remilly nichts werden; er wird einer Commission übergeben, und wohl nicht mehr in Discussion kommen. In dieser Sache hat die conservative Partei ihre ganze Ungeschicklichkeit gezeigt; sie ist gegen die Maaßregel, aber ihre Chefs sehen darin ein Mittel, das Ministerium in Verlegenheit zu setzen, und es vielleicht mit der linken Seite zu überwerfen, sie ließen sie daher, anstatt sie sogleich in den Bureaux zu verwerfen, zur Berathung kommen, in der Ueberzeugung, daß sie sie anhalten könnten, wenn sie wollten. Der Erfolg war, daß sie das Ministerium mehr als je in die Hände der linken Seite gegeben, und der Wahlreform, welche unter allen Dingen das ist, was sie am meisten fürchten, einen großen Vorschub geleistet haben. Es ist allerdings ein großes Uebel, daß die Deputirten sich aller höhern Stellen in der Administration bemächtigen. Sie entmuthigen die Beamten nicht nur durch die Stellen, welche sie sich persönlich geben lassen, sondern durch den Einfluß, den sie auf die Beförderungen in allen Theilen der Verwaltung ausüben, theils zu Gunsten ihrer Verwandten, theils zu Gunsten der einflußreichen Wähler ihrer Arrondissements. In England bezahlt der Candidat seine Stimmen mit Geld, hier mit Versprechungen von Stellen und Gunstbezeugungen auf Kosten des Budget, und bei der Ungewißheit der Majoritäten sind die Minister zu schwach, um diesem Andrang zu widerstehen. Die Abhülfe, welche die linke Seite sucht, besteht in einer Reform des Wahlgesetzes, durch welche die Zahl der Wähler und der Wählbaren ausgedehnt würde, und die Deputirten einen Gehalt erhielten, lauter Maaßregeln, welche direct gegen ihren Zweck gingen. Man klagt, daß Wähler und Gewählte zu schwach seyen, um der Versuchung zu widerstehen, sich der Macht, welche sie in Händen haben, zu ihrem persönlichen Vortheil zu bedienen, und sucht die Abhülfe darin, daß man diese Macht auf Classen ausdehnt, welche noch weniger im Stande wären, ihr zu widerstehen. Dieß sind übrigens in diesem Augenblick müßige Fragen, denn das große Interesse gegenwärtig ist die Besorgniß wegen der künftigen Ernte, welche durch die unbegreiflich schöne Witterung in größter Gefahr ist. Im Süden ist Regen gefallen, so daß zwischen Bordeaux und Orange die Staaten gut stehen; auch in der Normandie hat es ein wenig geregnet, aber in der ganzen Mitte von Frankreich, im Elsaß, in Nord-Frankreich und in der Bretagne ist große Gefahr gänzlichen Mißwachses, wenn die gegenwärtige Witterung nicht schnell ändert, wozu gar kein Anschein ist. Man mag nicht an das Elend denken, das daraus folgen würde, denn schon jetzt ist es groß genug. Das platte Land wird von Haufen von Bettlern durchzogen, welche Lebensmittel unter Drohungen verlangen. In der Bretagne scheint das Volk von einer abergläubischen Furcht vor der Zukunft ergriffen zu seyn. Das Futter fehlt fast gänzlich, und seit 14 Tagen hat der Preis von Hen um 40 Proc. aufgeschlagen. Die Fabriken fangen an unter diesem Zustand sehr zu leiden. Hier geben die großen Bauten der Stadt einer beträchtlichen Menge von Arbeitern Beschäftigung; das Hotel de Ville, zu dem 6,298,000 Fr. ausgesetzt sind, macht schnelle Fortschritte, ebenso die Kirche von St. Vincent de Paul, welche auf 3,069,000 Fr. angeschlagen ist; der Platz de la Concorde, dessen Verschönerung 1,600,000 Fr. kostet, wird gerade vollendet. Andere große Bauten sind im Werk, wie die Verschönerung der Champs élysés, welche in einigen Monaten angefangen werden sollen, und die gothische Kirche, welche auf dem Platz Bellechasse gebaut werden soll. Der Plan dazu ist von dem deutschen Architekten Gau gemacht. Er ist ein wegen seiner großen Ehrlichkeit bei der Stadt sehr beliebter Baumeister, da er seinen Anschlag nie überschreitet, und man erzählt sich, daß er bei dem Bau des Gefängnisses von Laroquette, da er sah, daß die Kosten den Anschlag überstiegen haben, den Ueberschuß aus seiner Tasche bezahlt habe. Die Stadt hat andere weitaussehende Plane von Arbeiten, besonders das Durchbrechen großer Straßen in den östlichen Quartieren der Stadt, um sie wieder zu beleben und der Mode entgegenzuarbeiten, welche die Bevölkerung an das Westende treibt. Allein es ist eine Politik, deren Richtigkeit sehr zu bezweifeln wäre, dieser Tendenz entgegenarbeiten zu wollen, denn diese großen Ausgaben sind nur vermittelst der Beibehaltung des hohen Octroi möglich, während dessen Herabsetzung mehr thun würde, die Stadt in allen Quartieren zu beleben, als alle künstlichen Mittel. Der unmäßige Anwachs der Vorstädte außerhalb der Mauern, und die Abnahme der Zahl der Fremden, namentlich der Engländer, welche seit einigen Jahren sehr bemerklich ist, sollten die Stadt belehrt haben, daß sie die Preise der Lebensbedürfnisse viel zu hoch gesteigert hat. Der Ertrag des Octroi nimmt freilich in ruhigen Zeiten zu, aber die geringste politische Unruhe ist hinreichend, ihn auf lange Zeit zu reduciren; so haben ihn die sehr unbedeutenden Unruhen vom Mai des letzten Jahres um 1,800,000 Fr. vermindert. Im Jahr 1838, wo alle andern Artikel zugenommen hatten, fiel der Ertrag des Octroi auf Brennmaterial, was ein so deutlicher Beweis war, daß man es über die Kräfte der Consumenten gesteigert hatte, daß die Stadt ihr Octroi auf Steinkohlen herabsetzte; aber solche partielle Herabsetzungen helfen wenig, denn es sind nicht die 50 Cent., welche die Stadt vom Hektoliter Steinkohlen erhob, die den Preis desselben in der Stadt aufs doppelte von dem außerhalb treiben, sondern die Existenz einer Classe von Zwischenhändlern, welche das System des Octroi hervorbringt. Das ganze System ist den Städten verderblich, und nicht gerade die Höhe des einen oder des andern Artikels des Tarifs.
_ Paris, 28 April. Die gestern erlassene königliche Ordonnanz ergänzt die Amnestie, die eine frühere Ordonnanz vom 8 Mai 1837 nur den in wirklicher Haft befindlich gewesenen politischen Verurtheilten zugestanden hatte: alle wegen politischen Verbrecher vor dem 8 Mai 1837 verurtheilten Personen sind in der neuen Amnestie begriffen, also insbesondere die in contumaciam Verurtheilten, z. B. die HH. Cavaignac
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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