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Allgemeine Zeitung. Nr. 124. Augsburg, 3. Mai 1840.

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und Marrast, die sich seit 1835 in London aufhielten; letzterer hatte sich später nach Spanien begeben. Diese Anordnung wird hoffentlich einen guten Eindruck auf die radicale Partei machen und deren Groll gegen die regierende Dynastie vermindern. - Vorgestern starb Hr. Tripier, Rath am Cassationshofe und ausgezeichneter Rechtsgelehrter. Das Ministerium bietet die erledigte Stelle dem Deputirten Hrn. Dupont (de l'Eure) an, und diese Wahl wird allgemein gebilligt, man betrachtet sie als eine dem Hrn. Dupont schuldige Genugthung, da derselbe, ehemals Präsident eines Appellationshofes, unter der Restauration ungesetzlicher Weise dieses Amtes beraubt und seit der Revolution von 1830, zu deren Erfolg er nicht wenig beigetragen, nicht besser behandelt wurde. Justizminister im August 1830, wurde er bald entfernt, und seine Nachfolger waren taub, wenn ein für ihn passendes Amt sich erledigt fand. Obwohl Hr. Dupont, seit er Mitglied der Kammer ist, sein Vermögen beinahe ganz zugesetzt hat, verweigert er die Annahme jenes Amtes, sowohl wegen des in der Motion des Hrn. v. Remilly ausgesprochenen Grundsatzes, dem er ganz beipflichtet, als weil die Ernennung von einer Regierung ausgeht, die er des Undanks bezichtigt. Seine politischen Freunde, insbesondere Hr. Laffitte, geben sich alle Mühe, diesen Entschluß wankend zu machen, es ist ihnen aber bis heute noch nicht geglückt.

Bis jetzt hat das Journal des Debats immer noch eine Art Waffenstillstand gegen das Ministerium beobachtet. In Folge der Abstimmung über die Motion von Remilly ist es aber zur offenen Feindschaft übergegangen. Die Juste-Milieu-Ultraropalisten oder Conservativen, deren Sache das Journal des Debats führt, fühlen, daß sie in der Remilly'schen Motion in ihrer eigenen Schlinge gefangen worden sind, daß ihnen die Taktik des Ministeriums den Untergang droht. "Geht der Antrag auf Beschränkung der passiven Wahlfähigkeit durch, sagen sie unter sich, so ist nichts so natürlich, ja es ist unerläßlich, daß nach Beendigung der Session die Kammer aufgelöst wird. In diesem Fall dürfte wohl mehr als die Hälfte der modernen Ultraroyalisten auf dem Walplatz bleiben, und durch die Getreuen des Hrn. Thiers ersetzt werden. Alsdann kann Hr. Thiers durchsetzen, was er will (dieß heißt zu deutsch, er kann alle jetzt von sogenannten Conservativen besetzten Stellen den Seinigen überliefern), und um die Macht der richtigen Mitte ist es aus und zu Ende - das Ministerium Thiers wird sich verewigen." So läßt sich erklären, warum das Journal des Debats das Ministerium der Unentschiedenheit anklagt, warum es bedauert, daß es nicht lieber sogleich alle Conservativen absetzt, und die Männer der Linken in die Stellen bringt - daß es das Provisorium so lange fortbestehen läßt. Diese Mäßigung des Ministeriums ist dem Journal ein Gräuel; es sollte mit Feuer und Schwert unter die Angestellten fahren. Dazu ist aber Hr. Thiers zu klug. Er will diese Mitte erst gehörig reif werden lassen, und hofft, sie werde dann von selbst fallen. Das Gouvernement personnel betreffend, so ist zu glauben, daß es, das Hin- und Herzerrens endlich müde, sich nach einem dauernden Zustand sehnt und eingesehen hat, es werde mit dem Ministerium Thiers, wenn es sich auch stark nach der Linken hinneige, immer noch am leidlichsten fahren. Ein Beweis davon ist die Amnestie, welche keineswegs darauf berechnet ist, das neue Ministerium bei der Nation in Mißcredit zu bringen. Die dynastische Linke sieht alles dieß im ruhigen Vertrauen auf die guten Absichten des Ministeriums mit an, und läßt es gewähren. Ihre Mäßigung ist in der That so musterhaft, als die Leidenschaftlichkeit der sonst so gemäßigten Mitte ihrem Ansehen im Publicum verderblich ist. - Am verflossenen 10 April haben die Jünger und Verehrer Dr. Hahnemanns in dessen Hotel in der Straße Milan wiederum seinen Geburtstag gefeiert. Es war sein fünfundachtzigster. Der Jubelgreis ist noch jung an Körper und Geist, und mehr als je mit Ausübung seiner Kunst beschäftigt. Es war eine glänzende Gesellschaft anwesend, und große Virtuosen auf verschiedenen Instrumenten ließen sich hören. Hübsche Gedichte wurden in deutscher Sprache vorgetragen. Insbesondere verdient bemerkt zu werden, daß eine in Gyps geformte Statue, ein Meisterwerk Woltrecks aus Dessau, im Parterre des Hotels aufgestellt war, umgeben von den schönen Büsten Reinharts in Rom und Franz Baaders in München, die Hr. Woltreck hier hat gießen lassen. Die Statue stellt Hahnemanns Apotheose dar. In antikem Gewande sitzt der kräftige, durch eine hochgewölbte Stirne sich auszeichnende schöne Greis auf einem Felsen, und zeigt im Hochgefühl seiner Schöpfung mit dem Griffel in der Rechten auf eine Tafel in der Linken, worauf die Worte stehen: Similia similibus curantur. Woltreck hat an diesem schönen Kunstwerk den ganzen verflossenen Winter gearbeitet, und zwar aus eigenem Antriebe. Er gedenkt es in Rom in Marmor zu meißeln.

Niederlande

Das Amsterdam'sche Handelsblad schreibt aus dem Haag vom 24 April: Heute waren die Abtheilungen der zweiten Kammer der Generalstaaten versammelt, um die Antworten der Regierung auf die Bedenken der Generalstaaten zu untersuchen. Wie man vernimmt, soll diese Untersuchung den nächsten Montag (27) fortgesetzt werden. Im Allgemeinen sollen die Mitglieder erklärt haben, daß sie auf ihren frühern Gesinnungen verharrten, und aufs neue die Nothwendigkeit vorgestellt haben, wirksame Ersparnisse und Vereinfachungen, namentlich in den Finanzen, einzuführen. Auch scheint allgemeine Aufklärung verlangt worden zu seyn über die Art und Weise, wie die Regierung für die Bedürfnisse des Syndicats sorgen will, und welche Geldmittel dazu verwandt werden sollen. - Man spricht wieder von einigen andern Veränderungen im Grundgesetz, welche die Regierung mit nächstem in Vorschlag bringen soll.

Italien.

Der französische Consul in Neapel hat unterm 18 April an die französischen Handelsagenten folgendes Circularschreiben erlassen: "Ich habe die Ehre, Ihnen zu melden, daß der englische Gesandte, Hr. Temple, nachdem die Versuche einer Beilegung des Streites zwischen den Höfen von Neapel und London fehlgeschlagen, drei englischen Kriegsschiffen Befehl gegeben hat, die Repressalien zu beginnen und der Fahrzeuge unter neapolitanischer Flagge sich zu bemächtigen; letztere werden als Unterpfand behalten und nach Malta gebracht. Das Dampfboot Hydra kreuzt zu diesem Zweck am Eingang des Golfs von Neapel. Sie wissen, daß Sie Franzosen zugehörige Waaren auf neapolitanischen Schiffen als französisches Eigenthum erklären und dadurch gegen Confiscation sichern können; dieß hindert übrigens nicht die Wegnahme der Fahrzeuge. Wenn sich in Ihrem Hafen neapolitanische Schiffe finden, die in Folge einer Uebereinkunft mit der französischen Regierung nach Afrika segelfertig sind, so brauchen Sie ihnen nur Zeugnisse auszustellen, daß sie französisches Eigenthum führen und diese Zeugnisse vom englischen Consul ihrer Stadt visiren zu lassen. Hr. Temple hat eingewilligt, daß der englische Admiral diese Fahrzeuge passiren lasse."

Alle Zweifel sind gehoben: England hat in vorletzter Nacht vier neapolitanische Schiffe, die von Marseille

und Marrast, die sich seit 1835 in London aufhielten; letzterer hatte sich später nach Spanien begeben. Diese Anordnung wird hoffentlich einen guten Eindruck auf die radicale Partei machen und deren Groll gegen die regierende Dynastie vermindern. – Vorgestern starb Hr. Tripier, Rath am Cassationshofe und ausgezeichneter Rechtsgelehrter. Das Ministerium bietet die erledigte Stelle dem Deputirten Hrn. Dupont (de l'Eure) an, und diese Wahl wird allgemein gebilligt, man betrachtet sie als eine dem Hrn. Dupont schuldige Genugthung, da derselbe, ehemals Präsident eines Appellationshofes, unter der Restauration ungesetzlicher Weise dieses Amtes beraubt und seit der Revolution von 1830, zu deren Erfolg er nicht wenig beigetragen, nicht besser behandelt wurde. Justizminister im August 1830, wurde er bald entfernt, und seine Nachfolger waren taub, wenn ein für ihn passendes Amt sich erledigt fand. Obwohl Hr. Dupont, seit er Mitglied der Kammer ist, sein Vermögen beinahe ganz zugesetzt hat, verweigert er die Annahme jenes Amtes, sowohl wegen des in der Motion des Hrn. v. Remilly ausgesprochenen Grundsatzes, dem er ganz beipflichtet, als weil die Ernennung von einer Regierung ausgeht, die er des Undanks bezichtigt. Seine politischen Freunde, insbesondere Hr. Laffitte, geben sich alle Mühe, diesen Entschluß wankend zu machen, es ist ihnen aber bis heute noch nicht geglückt.

Bis jetzt hat das Journal des Débats immer noch eine Art Waffenstillstand gegen das Ministerium beobachtet. In Folge der Abstimmung über die Motion von Remilly ist es aber zur offenen Feindschaft übergegangen. Die Juste-Milieu-Ultraropalisten oder Conservativen, deren Sache das Journal des Débats führt, fühlen, daß sie in der Remilly'schen Motion in ihrer eigenen Schlinge gefangen worden sind, daß ihnen die Taktik des Ministeriums den Untergang droht. „Geht der Antrag auf Beschränkung der passiven Wahlfähigkeit durch, sagen sie unter sich, so ist nichts so natürlich, ja es ist unerläßlich, daß nach Beendigung der Session die Kammer aufgelöst wird. In diesem Fall dürfte wohl mehr als die Hälfte der modernen Ultraroyalisten auf dem Walplatz bleiben, und durch die Getreuen des Hrn. Thiers ersetzt werden. Alsdann kann Hr. Thiers durchsetzen, was er will (dieß heißt zu deutsch, er kann alle jetzt von sogenannten Conservativen besetzten Stellen den Seinigen überliefern), und um die Macht der richtigen Mitte ist es aus und zu Ende – das Ministerium Thiers wird sich verewigen.“ So läßt sich erklären, warum das Journal des Débats das Ministerium der Unentschiedenheit anklagt, warum es bedauert, daß es nicht lieber sogleich alle Conservativen absetzt, und die Männer der Linken in die Stellen bringt – daß es das Provisorium so lange fortbestehen läßt. Diese Mäßigung des Ministeriums ist dem Journal ein Gräuel; es sollte mit Feuer und Schwert unter die Angestellten fahren. Dazu ist aber Hr. Thiers zu klug. Er will diese Mitte erst gehörig reif werden lassen, und hofft, sie werde dann von selbst fallen. Das Gouvernement personnel betreffend, so ist zu glauben, daß es, das Hin- und Herzerrens endlich müde, sich nach einem dauernden Zustand sehnt und eingesehen hat, es werde mit dem Ministerium Thiers, wenn es sich auch stark nach der Linken hinneige, immer noch am leidlichsten fahren. Ein Beweis davon ist die Amnestie, welche keineswegs darauf berechnet ist, das neue Ministerium bei der Nation in Mißcredit zu bringen. Die dynastische Linke sieht alles dieß im ruhigen Vertrauen auf die guten Absichten des Ministeriums mit an, und läßt es gewähren. Ihre Mäßigung ist in der That so musterhaft, als die Leidenschaftlichkeit der sonst so gemäßigten Mitte ihrem Ansehen im Publicum verderblich ist. – Am verflossenen 10 April haben die Jünger und Verehrer Dr. Hahnemanns in dessen Hotel in der Straße Milan wiederum seinen Geburtstag gefeiert. Es war sein fünfundachtzigster. Der Jubelgreis ist noch jung an Körper und Geist, und mehr als je mit Ausübung seiner Kunst beschäftigt. Es war eine glänzende Gesellschaft anwesend, und große Virtuosen auf verschiedenen Instrumenten ließen sich hören. Hübsche Gedichte wurden in deutscher Sprache vorgetragen. Insbesondere verdient bemerkt zu werden, daß eine in Gyps geformte Statue, ein Meisterwerk Woltrecks aus Dessau, im Parterre des Hotels aufgestellt war, umgeben von den schönen Büsten Reinharts in Rom und Franz Baaders in München, die Hr. Woltreck hier hat gießen lassen. Die Statue stellt Hahnemanns Apotheose dar. In antikem Gewande sitzt der kräftige, durch eine hochgewölbte Stirne sich auszeichnende schöne Greis auf einem Felsen, und zeigt im Hochgefühl seiner Schöpfung mit dem Griffel in der Rechten auf eine Tafel in der Linken, worauf die Worte stehen: Similia similibus curantur. Woltreck hat an diesem schönen Kunstwerk den ganzen verflossenen Winter gearbeitet, und zwar aus eigenem Antriebe. Er gedenkt es in Rom in Marmor zu meißeln.

Niederlande

Das Amsterdam'sche Handelsblad schreibt aus dem Haag vom 24 April: Heute waren die Abtheilungen der zweiten Kammer der Generalstaaten versammelt, um die Antworten der Regierung auf die Bedenken der Generalstaaten zu untersuchen. Wie man vernimmt, soll diese Untersuchung den nächsten Montag (27) fortgesetzt werden. Im Allgemeinen sollen die Mitglieder erklärt haben, daß sie auf ihren frühern Gesinnungen verharrten, und aufs neue die Nothwendigkeit vorgestellt haben, wirksame Ersparnisse und Vereinfachungen, namentlich in den Finanzen, einzuführen. Auch scheint allgemeine Aufklärung verlangt worden zu seyn über die Art und Weise, wie die Regierung für die Bedürfnisse des Syndicats sorgen will, und welche Geldmittel dazu verwandt werden sollen. – Man spricht wieder von einigen andern Veränderungen im Grundgesetz, welche die Regierung mit nächstem in Vorschlag bringen soll.

Italien.

Der französische Consul in Neapel hat unterm 18 April an die französischen Handelsagenten folgendes Circularschreiben erlassen: „Ich habe die Ehre, Ihnen zu melden, daß der englische Gesandte, Hr. Temple, nachdem die Versuche einer Beilegung des Streites zwischen den Höfen von Neapel und London fehlgeschlagen, drei englischen Kriegsschiffen Befehl gegeben hat, die Repressalien zu beginnen und der Fahrzeuge unter neapolitanischer Flagge sich zu bemächtigen; letztere werden als Unterpfand behalten und nach Malta gebracht. Das Dampfboot Hydra kreuzt zu diesem Zweck am Eingang des Golfs von Neapel. Sie wissen, daß Sie Franzosen zugehörige Waaren auf neapolitanischen Schiffen als französisches Eigenthum erklären und dadurch gegen Confiscation sichern können; dieß hindert übrigens nicht die Wegnahme der Fahrzeuge. Wenn sich in Ihrem Hafen neapolitanische Schiffe finden, die in Folge einer Uebereinkunft mit der französischen Regierung nach Afrika segelfertig sind, so brauchen Sie ihnen nur Zeugnisse auszustellen, daß sie französisches Eigenthum führen und diese Zeugnisse vom englischen Consul ihrer Stadt visiren zu lassen. Hr. Temple hat eingewilligt, daß der englische Admiral diese Fahrzeuge passiren lasse.“

Alle Zweifel sind gehoben: England hat in vorletzter Nacht vier neapolitanische Schiffe, die von Marseille

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[0988/0004] und Marrast, die sich seit 1835 in London aufhielten; letzterer hatte sich später nach Spanien begeben. Diese Anordnung wird hoffentlich einen guten Eindruck auf die radicale Partei machen und deren Groll gegen die regierende Dynastie vermindern. – Vorgestern starb Hr. Tripier, Rath am Cassationshofe und ausgezeichneter Rechtsgelehrter. Das Ministerium bietet die erledigte Stelle dem Deputirten Hrn. Dupont (de l'Eure) an, und diese Wahl wird allgemein gebilligt, man betrachtet sie als eine dem Hrn. Dupont schuldige Genugthung, da derselbe, ehemals Präsident eines Appellationshofes, unter der Restauration ungesetzlicher Weise dieses Amtes beraubt und seit der Revolution von 1830, zu deren Erfolg er nicht wenig beigetragen, nicht besser behandelt wurde. Justizminister im August 1830, wurde er bald entfernt, und seine Nachfolger waren taub, wenn ein für ihn passendes Amt sich erledigt fand. Obwohl Hr. Dupont, seit er Mitglied der Kammer ist, sein Vermögen beinahe ganz zugesetzt hat, verweigert er die Annahme jenes Amtes, sowohl wegen des in der Motion des Hrn. v. Remilly ausgesprochenen Grundsatzes, dem er ganz beipflichtet, als weil die Ernennung von einer Regierung ausgeht, die er des Undanks bezichtigt. Seine politischen Freunde, insbesondere Hr. Laffitte, geben sich alle Mühe, diesen Entschluß wankend zu machen, es ist ihnen aber bis heute noch nicht geglückt. _ Paris, 28 April. Bis jetzt hat das Journal des Débats immer noch eine Art Waffenstillstand gegen das Ministerium beobachtet. In Folge der Abstimmung über die Motion von Remilly ist es aber zur offenen Feindschaft übergegangen. Die Juste-Milieu-Ultraropalisten oder Conservativen, deren Sache das Journal des Débats führt, fühlen, daß sie in der Remilly'schen Motion in ihrer eigenen Schlinge gefangen worden sind, daß ihnen die Taktik des Ministeriums den Untergang droht. „Geht der Antrag auf Beschränkung der passiven Wahlfähigkeit durch, sagen sie unter sich, so ist nichts so natürlich, ja es ist unerläßlich, daß nach Beendigung der Session die Kammer aufgelöst wird. In diesem Fall dürfte wohl mehr als die Hälfte der modernen Ultraroyalisten auf dem Walplatz bleiben, und durch die Getreuen des Hrn. Thiers ersetzt werden. Alsdann kann Hr. Thiers durchsetzen, was er will (dieß heißt zu deutsch, er kann alle jetzt von sogenannten Conservativen besetzten Stellen den Seinigen überliefern), und um die Macht der richtigen Mitte ist es aus und zu Ende – das Ministerium Thiers wird sich verewigen.“ So läßt sich erklären, warum das Journal des Débats das Ministerium der Unentschiedenheit anklagt, warum es bedauert, daß es nicht lieber sogleich alle Conservativen absetzt, und die Männer der Linken in die Stellen bringt – daß es das Provisorium so lange fortbestehen läßt. Diese Mäßigung des Ministeriums ist dem Journal ein Gräuel; es sollte mit Feuer und Schwert unter die Angestellten fahren. Dazu ist aber Hr. Thiers zu klug. Er will diese Mitte erst gehörig reif werden lassen, und hofft, sie werde dann von selbst fallen. Das Gouvernement personnel betreffend, so ist zu glauben, daß es, das Hin- und Herzerrens endlich müde, sich nach einem dauernden Zustand sehnt und eingesehen hat, es werde mit dem Ministerium Thiers, wenn es sich auch stark nach der Linken hinneige, immer noch am leidlichsten fahren. Ein Beweis davon ist die Amnestie, welche keineswegs darauf berechnet ist, das neue Ministerium bei der Nation in Mißcredit zu bringen. Die dynastische Linke sieht alles dieß im ruhigen Vertrauen auf die guten Absichten des Ministeriums mit an, und läßt es gewähren. Ihre Mäßigung ist in der That so musterhaft, als die Leidenschaftlichkeit der sonst so gemäßigten Mitte ihrem Ansehen im Publicum verderblich ist. – Am verflossenen 10 April haben die Jünger und Verehrer Dr. Hahnemanns in dessen Hotel in der Straße Milan wiederum seinen Geburtstag gefeiert. Es war sein fünfundachtzigster. Der Jubelgreis ist noch jung an Körper und Geist, und mehr als je mit Ausübung seiner Kunst beschäftigt. Es war eine glänzende Gesellschaft anwesend, und große Virtuosen auf verschiedenen Instrumenten ließen sich hören. Hübsche Gedichte wurden in deutscher Sprache vorgetragen. Insbesondere verdient bemerkt zu werden, daß eine in Gyps geformte Statue, ein Meisterwerk Woltrecks aus Dessau, im Parterre des Hotels aufgestellt war, umgeben von den schönen Büsten Reinharts in Rom und Franz Baaders in München, die Hr. Woltreck hier hat gießen lassen. Die Statue stellt Hahnemanns Apotheose dar. In antikem Gewande sitzt der kräftige, durch eine hochgewölbte Stirne sich auszeichnende schöne Greis auf einem Felsen, und zeigt im Hochgefühl seiner Schöpfung mit dem Griffel in der Rechten auf eine Tafel in der Linken, worauf die Worte stehen: Similia similibus curantur. Woltreck hat an diesem schönen Kunstwerk den ganzen verflossenen Winter gearbeitet, und zwar aus eigenem Antriebe. Er gedenkt es in Rom in Marmor zu meißeln. Niederlande Das Amsterdam'sche Handelsblad schreibt aus dem Haag vom 24 April: Heute waren die Abtheilungen der zweiten Kammer der Generalstaaten versammelt, um die Antworten der Regierung auf die Bedenken der Generalstaaten zu untersuchen. Wie man vernimmt, soll diese Untersuchung den nächsten Montag (27) fortgesetzt werden. Im Allgemeinen sollen die Mitglieder erklärt haben, daß sie auf ihren frühern Gesinnungen verharrten, und aufs neue die Nothwendigkeit vorgestellt haben, wirksame Ersparnisse und Vereinfachungen, namentlich in den Finanzen, einzuführen. Auch scheint allgemeine Aufklärung verlangt worden zu seyn über die Art und Weise, wie die Regierung für die Bedürfnisse des Syndicats sorgen will, und welche Geldmittel dazu verwandt werden sollen. – Man spricht wieder von einigen andern Veränderungen im Grundgesetz, welche die Regierung mit nächstem in Vorschlag bringen soll. Italien. Der französische Consul in Neapel hat unterm 18 April an die französischen Handelsagenten folgendes Circularschreiben erlassen: „Ich habe die Ehre, Ihnen zu melden, daß der englische Gesandte, Hr. Temple, nachdem die Versuche einer Beilegung des Streites zwischen den Höfen von Neapel und London fehlgeschlagen, drei englischen Kriegsschiffen Befehl gegeben hat, die Repressalien zu beginnen und der Fahrzeuge unter neapolitanischer Flagge sich zu bemächtigen; letztere werden als Unterpfand behalten und nach Malta gebracht. Das Dampfboot Hydra kreuzt zu diesem Zweck am Eingang des Golfs von Neapel. Sie wissen, daß Sie Franzosen zugehörige Waaren auf neapolitanischen Schiffen als französisches Eigenthum erklären und dadurch gegen Confiscation sichern können; dieß hindert übrigens nicht die Wegnahme der Fahrzeuge. Wenn sich in Ihrem Hafen neapolitanische Schiffe finden, die in Folge einer Uebereinkunft mit der französischen Regierung nach Afrika segelfertig sind, so brauchen Sie ihnen nur Zeugnisse auszustellen, daß sie französisches Eigenthum führen und diese Zeugnisse vom englischen Consul ihrer Stadt visiren zu lassen. Hr. Temple hat eingewilligt, daß der englische Admiral diese Fahrzeuge passiren lasse.“ _ Neapel, 23 April. Alle Zweifel sind gehoben: England hat in vorletzter Nacht vier neapolitanische Schiffe, die von Marseille

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 124. Augsburg, 3. Mai 1840, S. 0988. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_124_18400503/4>, abgerufen am 24.11.2024.