Allgemeine Zeitung. Nr. 125. Augsburg, 4. Mai 1840.Die Ruinen von Mesaonrat und Ankunft in Karthum. (Beschluß.) Wir wandten uns nun westlich, in der Richtung des Waldes und Flusses, und ritten, da wir durch die luxuriös wuchernden hohen Dornbüsche nicht mehr zu dringen vermochten, in einem jetzt trocknen und nur bei der Ueberschwemmung gefüllten Canal des Nils, in mäandrischen Krümmungen einem kleinen Dorfe mit Namen Marnat zu, wo unsere Karawane Halt gemacht hatte. Die Ueppigkeit und der unnachahmliche Reiz dieser tropischen Gegend, eine wahrhaft ideale Wildniß, däuchte uns entzückend und hier wohl einzig in ihrer Art, um so mehr, als die Nähe des Wassers bereits die meisten der unzähligen Baum-, Strauch- und Pflanzensorten mit dem frischesten Grün und vielen Blüthen überzogen hatte. Hundert Arten von Mimosen und Akazien, Sodabäumen, Tujas, viele Weiden- und Pappelsorten, und eine Menge mir ganz unbekannter Bäume und Sträucher, alle mit einem dichten Gewebe von Winden überdeckt und durchzogen, umschlossen die netten Strohhütten des Dorfes, die wie zu einem Luftlager in diesem Paradiese vertheilt zu seyn schienen. Unsere eigenen Zelte fanden wir dicht an einem breiten Arm des Nils, den wir nach beiden Seiten weit hinauf und hinab übersehen konnten, aufschlagen. Der Fluß war voll kleiner bebuschter Eilande und isolirter barock geformter Granitfelsen; gegenüber lag eine dicht bewaldete große Insel, auf der sich ein anderes weitläufiges Dorf befand, mit der ein Kahn, als Fähre dienend, fortwährend den lebhaftesten Verkehr zwischen den beiderseitigen Einwohnern unterhielt. Besagter Kahn bestand jedoch nur aus einem ausgehöhlten Baumstamm, und stand, wenn er mit 10 bis 12 Individuen angefüllt war, kaum noch einen halben Zoll aus dem Wasser hervor. Gerudert ward er mit kleinen Hölzern gleich Kochlöffeln. Einmal fuhren acht Damen zugleich hinüber, bei deren Einschiffung so viel Umstände und Aufenthalt stattfand, als wären es europäische Exclusives gewesen. Das Geschlecht verläugnet sich nirgends, es trage wie hier die Ringe in der Nase und an den Knöcheln, oder wie bei uns in den Ohren und an den Händen. Wir wurden sehr freundlich von diesen Naturkindern aufgenommen, reichlich mit vortrefflicher Kuhmilch versorgt, und auch eine fette, junge Ziege bereitwillig für uns geschlachtet. Dieß war in jeder Hinsicht eine so liebliche Station, daß ich, weniger von der Zeit und der Neugierde gedrängt, gern Monate hier verweilt haben würde. Alles erinnerte an unser nordisches Frühjahr, selbst keine Hitze belästigte uns bei dem umwölkten Himmel und der frischen Ausdünstung des Wassers, und eine Menge bunter Vögel sang und schwirrte um uns her im freudigsten Jubel. Nur die schwarzen Menschen, und ein kleines Krokodil, das auf einem einzeln aus dem Fluß hervorragenden Felsen dicht vor uns Posto gefaßt hatte, und dort stundenlang mit offenem Rachen frische Luft schöpfte, erinnerte uns, daß wir in Afrika waren. Perlhühner, fast so groß wie Pfauen, leben hier wild in großer Anzahl, und wir schossen einige derselben, deren Geschmack vortrefflich befunden ward, obgleich ich selbst nicht davon urtheilen kann, da ich meiner Milchkur treu blieb. Nachdem wir den folgenden Tag hier noch verweilt, und einige höchst anmuthige Spaziergänge in der Gegend gemacht hatten, die jedoch wegen der uns überall umgebenden Dickichte, und der Ermangelung aller für Bekleidete gangbaren Wege (denn die Haut der Schwarzen scheint für Dornen weit unempfindlicher zu seyn als unsere Gewänder) nicht ohne Beschwerlichkeit waren, setzten wir am 29 April um 1 Uhr Nachmittags unsere Reise weiter fort, mit schwerem Herzen das reizende Marnat verlassend, dessen heiteres Andenken nie meiner Erinnerung entschwinden wird. Der Weg führte längs dem Gebirge hin, das wir in den vorigen Tagen gesehen, und zum Theil hindurch, beschwerliche sieben Stunden Reitens bei jetzt wieder sengend gewordener Hitze. Es stieß uns nichts Merkwürdiges während dieses Tages auf als ein ungewöhnlich zierlicher Kirchhof in der Nähe eines ansehnlichen Dorfes, auf dem fast jedes Grab mit sorgfältig gebrannten puzzolanartigen und braunroth glassirten Ziegeln eingefaßt, und der innere Raum mit farbigen Kieseln in verschiedenen Desseins ausgelegt war. Hr. Cadalvene erwähnt irgendwo ähnlicher Gräber, und behauptet, man lege die Kiesel bloß in der Absicht darauf, damit der Todte, wenn er sein Grab besuche, gleich das Material finde, um einen Rosenkranz daran abbeten zu können. Hier wußte Niemand etwas von diesem Raffinement, und wo ich frug, beschied man mich immer, daß kein anderer Zweck als Zierde mit diesem schon von Wuadi-Halsa aus üblichen Gebrauch verbunden sey, den ich jedoch noch nirgends so kunstreich angewandt sah als in diesem Dorfe. Unser Nachtlager war wieder unter hohen Akazien am Nil, unsern eines isolirten spitzen Berges, mit den Spuren eines eingestürzten Kraters, also offenbar ein ausgebrannter Vulcan. Ich fand auf dieser Station einen in Blau und Weiß schön gekleideten Abgesandten Korschud Pascha's, des Gouverneurs von Sudan, dem ich meine Ankunft schon vor einer Woche schriftlich gemeldet, und der besorgt über mein langes Ausbleiben diesen Diener auf schnellfüßigem Dromedar ausgesandt hatte, um sich zu erkundigen, was aus mir geworden sey. Sobald er meine Antwort erhalten, beurlaubte er sich schnell, und flog in einem so gestreckten Trabe davon, daß ich nicht mehr an seiner, schon vorhergegebenen Versicherung zweifelte, er werde die vierzehn Stunden starke Tagereise bis Karthum noch vor Mitternacht zurückgelegt haben. Wir reisen mit unsern dießmal sehr schlechten Thieren leider viel langsamer. Die Dämmerung war schon nahe, als ich, um meine, von dem langen Ritt ganz steif gewordenen Glieder wieder etwas geschmeidiger zu machen, noch einen einsamen Spaziergang längs dem Fluß unternahm. Bei einer jähen Wendung des Nils befand ich mich plötzlich vor einem mit Felsen rings umschlossenen kleinen Grasplatz, der so zu sagen halb dem Fluß und halb dem Land angehörte, und erblickte hier mit freudigem Erstaunen ein ungeheures Nilpferd, ganz friedlich und von der Nähe der weithinleuchtenden Feuer und dem Lärm unseres Bivouacs nicht im mindesten gestört, emsig grasen. Ich rief sogleich den Doctor mit meinen Leuten herbei, und über eine halbe Stunde lang konnten wir nun das Thier in einer Entfernung von kaum hundert Schritten, mit größter Muße und Genauigkeit beobachten. Sehr unrichtig ist die deutsche Bezeichnung "Nilpferd;" die Araber nennen es richtiger "Wasserochse," obgleich es eben so gut auch "Wasserschwein" heißen könnte, denn zwischen diesen beiden Thieren hält es eigentlich die Mitte, und in seinen Manieren ähnelt es fast mehr dem letztern als dem ersten. Doch der unförmliche, außer allem Verhältnisse mit dem übrigen Körper stehende Kopf, wie die kolossalen, gleich Teleskopen, in der Größe von Kanonenkugeln gräulich hervorstehenden Augen sind nur ihm selbst eigenthümlich. Es Die Ruinen von Mesaonrat und Ankunft in Karthum. (Beschluß.) Wir wandten uns nun westlich, in der Richtung des Waldes und Flusses, und ritten, da wir durch die luxuriös wuchernden hohen Dornbüsche nicht mehr zu dringen vermochten, in einem jetzt trocknen und nur bei der Ueberschwemmung gefüllten Canal des Nils, in mäandrischen Krümmungen einem kleinen Dorfe mit Namen Marnat zu, wo unsere Karawane Halt gemacht hatte. Die Ueppigkeit und der unnachahmliche Reiz dieser tropischen Gegend, eine wahrhaft ideale Wildniß, däuchte uns entzückend und hier wohl einzig in ihrer Art, um so mehr, als die Nähe des Wassers bereits die meisten der unzähligen Baum-, Strauch- und Pflanzensorten mit dem frischesten Grün und vielen Blüthen überzogen hatte. Hundert Arten von Mimosen und Akazien, Sodabäumen, Tujas, viele Weiden- und Pappelsorten, und eine Menge mir ganz unbekannter Bäume und Sträucher, alle mit einem dichten Gewebe von Winden überdeckt und durchzogen, umschlossen die netten Strohhütten des Dorfes, die wie zu einem Luftlager in diesem Paradiese vertheilt zu seyn schienen. Unsere eigenen Zelte fanden wir dicht an einem breiten Arm des Nils, den wir nach beiden Seiten weit hinauf und hinab übersehen konnten, aufschlagen. Der Fluß war voll kleiner bebuschter Eilande und isolirter barock geformter Granitfelsen; gegenüber lag eine dicht bewaldete große Insel, auf der sich ein anderes weitläufiges Dorf befand, mit der ein Kahn, als Fähre dienend, fortwährend den lebhaftesten Verkehr zwischen den beiderseitigen Einwohnern unterhielt. Besagter Kahn bestand jedoch nur aus einem ausgehöhlten Baumstamm, und stand, wenn er mit 10 bis 12 Individuen angefüllt war, kaum noch einen halben Zoll aus dem Wasser hervor. Gerudert ward er mit kleinen Hölzern gleich Kochlöffeln. Einmal fuhren acht Damen zugleich hinüber, bei deren Einschiffung so viel Umstände und Aufenthalt stattfand, als wären es europäische Exclusives gewesen. Das Geschlecht verläugnet sich nirgends, es trage wie hier die Ringe in der Nase und an den Knöcheln, oder wie bei uns in den Ohren und an den Händen. Wir wurden sehr freundlich von diesen Naturkindern aufgenommen, reichlich mit vortrefflicher Kuhmilch versorgt, und auch eine fette, junge Ziege bereitwillig für uns geschlachtet. Dieß war in jeder Hinsicht eine so liebliche Station, daß ich, weniger von der Zeit und der Neugierde gedrängt, gern Monate hier verweilt haben würde. Alles erinnerte an unser nordisches Frühjahr, selbst keine Hitze belästigte uns bei dem umwölkten Himmel und der frischen Ausdünstung des Wassers, und eine Menge bunter Vögel sang und schwirrte um uns her im freudigsten Jubel. Nur die schwarzen Menschen, und ein kleines Krokodil, das auf einem einzeln aus dem Fluß hervorragenden Felsen dicht vor uns Posto gefaßt hatte, und dort stundenlang mit offenem Rachen frische Luft schöpfte, erinnerte uns, daß wir in Afrika waren. Perlhühner, fast so groß wie Pfauen, leben hier wild in großer Anzahl, und wir schossen einige derselben, deren Geschmack vortrefflich befunden ward, obgleich ich selbst nicht davon urtheilen kann, da ich meiner Milchkur treu blieb. Nachdem wir den folgenden Tag hier noch verweilt, und einige höchst anmuthige Spaziergänge in der Gegend gemacht hatten, die jedoch wegen der uns überall umgebenden Dickichte, und der Ermangelung aller für Bekleidete gangbaren Wege (denn die Haut der Schwarzen scheint für Dornen weit unempfindlicher zu seyn als unsere Gewänder) nicht ohne Beschwerlichkeit waren, setzten wir am 29 April um 1 Uhr Nachmittags unsere Reise weiter fort, mit schwerem Herzen das reizende Marnat verlassend, dessen heiteres Andenken nie meiner Erinnerung entschwinden wird. Der Weg führte längs dem Gebirge hin, das wir in den vorigen Tagen gesehen, und zum Theil hindurch, beschwerliche sieben Stunden Reitens bei jetzt wieder sengend gewordener Hitze. Es stieß uns nichts Merkwürdiges während dieses Tages auf als ein ungewöhnlich zierlicher Kirchhof in der Nähe eines ansehnlichen Dorfes, auf dem fast jedes Grab mit sorgfältig gebrannten puzzolanartigen und braunroth glassirten Ziegeln eingefaßt, und der innere Raum mit farbigen Kieseln in verschiedenen Desseins ausgelegt war. Hr. Cadalvène erwähnt irgendwo ähnlicher Gräber, und behauptet, man lege die Kiesel bloß in der Absicht darauf, damit der Todte, wenn er sein Grab besuche, gleich das Material finde, um einen Rosenkranz daran abbeten zu können. Hier wußte Niemand etwas von diesem Raffinement, und wo ich frug, beschied man mich immer, daß kein anderer Zweck als Zierde mit diesem schon von Wuadi-Halsa aus üblichen Gebrauch verbunden sey, den ich jedoch noch nirgends so kunstreich angewandt sah als in diesem Dorfe. Unser Nachtlager war wieder unter hohen Akazien am Nil, unsern eines isolirten spitzen Berges, mit den Spuren eines eingestürzten Kraters, also offenbar ein ausgebrannter Vulcan. Ich fand auf dieser Station einen in Blau und Weiß schön gekleideten Abgesandten Korschud Pascha's, des Gouverneurs von Sudan, dem ich meine Ankunft schon vor einer Woche schriftlich gemeldet, und der besorgt über mein langes Ausbleiben diesen Diener auf schnellfüßigem Dromedar ausgesandt hatte, um sich zu erkundigen, was aus mir geworden sey. Sobald er meine Antwort erhalten, beurlaubte er sich schnell, und flog in einem so gestreckten Trabe davon, daß ich nicht mehr an seiner, schon vorhergegebenen Versicherung zweifelte, er werde die vierzehn Stunden starke Tagereise bis Karthum noch vor Mitternacht zurückgelegt haben. Wir reisen mit unsern dießmal sehr schlechten Thieren leider viel langsamer. Die Dämmerung war schon nahe, als ich, um meine, von dem langen Ritt ganz steif gewordenen Glieder wieder etwas geschmeidiger zu machen, noch einen einsamen Spaziergang längs dem Fluß unternahm. Bei einer jähen Wendung des Nils befand ich mich plötzlich vor einem mit Felsen rings umschlossenen kleinen Grasplatz, der so zu sagen halb dem Fluß und halb dem Land angehörte, und erblickte hier mit freudigem Erstaunen ein ungeheures Nilpferd, ganz friedlich und von der Nähe der weithinleuchtenden Feuer und dem Lärm unseres Bivouacs nicht im mindesten gestört, emsig grasen. Ich rief sogleich den Doctor mit meinen Leuten herbei, und über eine halbe Stunde lang konnten wir nun das Thier in einer Entfernung von kaum hundert Schritten, mit größter Muße und Genauigkeit beobachten. Sehr unrichtig ist die deutsche Bezeichnung „Nilpferd;“ die Araber nennen es richtiger „Wasserochse,“ obgleich es eben so gut auch „Wasserschwein“ heißen könnte, denn zwischen diesen beiden Thieren hält es eigentlich die Mitte, und in seinen Manieren ähnelt es fast mehr dem letztern als dem ersten. Doch der unförmliche, außer allem Verhältnisse mit dem übrigen Körper stehende Kopf, wie die kolossalen, gleich Teleskopen, in der Größe von Kanonenkugeln gräulich hervorstehenden Augen sind nur ihm selbst eigenthümlich. 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Hundert Arten von Mimosen und Akazien, Sodabäumen, Tujas, viele Weiden- und Pappelsorten, und eine Menge mir ganz unbekannter Bäume und Sträucher, alle mit einem dichten Gewebe von Winden überdeckt und durchzogen, umschlossen die netten Strohhütten des Dorfes, die wie zu einem Luftlager in diesem Paradiese vertheilt zu seyn schienen. Unsere eigenen Zelte fanden wir dicht an einem breiten Arm des Nils, den wir nach beiden Seiten weit hinauf und hinab übersehen konnten, aufschlagen. Der Fluß war voll kleiner bebuschter Eilande und isolirter barock geformter Granitfelsen; gegenüber lag eine dicht bewaldete große Insel, auf der sich ein anderes weitläufiges Dorf befand, mit der ein Kahn, als Fähre dienend, fortwährend den lebhaftesten Verkehr zwischen den beiderseitigen Einwohnern unterhielt. Besagter Kahn bestand jedoch nur aus einem ausgehöhlten Baumstamm, und stand, wenn er mit 10 bis 12 Individuen angefüllt war, kaum noch einen halben Zoll aus dem Wasser hervor. Gerudert ward er mit kleinen Hölzern gleich Kochlöffeln. Einmal fuhren acht Damen zugleich hinüber, bei deren Einschiffung so viel Umstände und Aufenthalt stattfand, als wären es europäische Exclusives gewesen. Das Geschlecht verläugnet sich nirgends, es trage wie hier die Ringe in der Nase und an den Knöcheln, oder wie bei uns in den Ohren und an den Händen. Wir wurden sehr freundlich von diesen Naturkindern aufgenommen, reichlich mit vortrefflicher Kuhmilch versorgt, und auch eine fette, junge Ziege bereitwillig für uns geschlachtet. Dieß war in jeder Hinsicht eine so liebliche Station, daß ich, weniger von der Zeit und der Neugierde gedrängt, gern Monate hier verweilt haben würde. Alles erinnerte an unser nordisches Frühjahr, selbst keine Hitze belästigte uns bei dem umwölkten Himmel und der frischen Ausdünstung des Wassers, und eine Menge bunter Vögel sang und schwirrte um uns her im freudigsten Jubel. Nur die schwarzen Menschen, und ein kleines Krokodil, das auf einem einzeln aus dem Fluß hervorragenden Felsen dicht vor uns Posto gefaßt hatte, und dort stundenlang mit offenem Rachen frische Luft schöpfte, erinnerte uns, daß wir in Afrika waren. Perlhühner, fast so groß wie Pfauen, leben hier wild in großer Anzahl, und wir schossen einige derselben, deren Geschmack vortrefflich befunden ward, obgleich ich selbst nicht davon urtheilen kann, da ich meiner Milchkur treu blieb.</p><lb/> <p>Nachdem wir den folgenden Tag hier noch verweilt, und einige höchst anmuthige Spaziergänge in der Gegend gemacht hatten, die jedoch wegen der uns überall umgebenden Dickichte, und der Ermangelung aller für Bekleidete gangbaren Wege (denn die Haut der Schwarzen scheint für Dornen weit unempfindlicher zu seyn als unsere Gewänder) nicht ohne Beschwerlichkeit waren, setzten wir am 29 April um 1 Uhr Nachmittags unsere Reise weiter fort, mit schwerem Herzen das reizende Marnat verlassend, dessen heiteres Andenken nie meiner Erinnerung entschwinden wird. Der Weg führte längs dem Gebirge hin, das wir in den vorigen Tagen gesehen, und zum Theil hindurch, beschwerliche sieben Stunden Reitens bei jetzt wieder sengend gewordener Hitze. Es stieß uns nichts Merkwürdiges während dieses Tages auf als ein ungewöhnlich zierlicher Kirchhof in der Nähe eines ansehnlichen Dorfes, auf dem fast jedes Grab mit sorgfältig gebrannten puzzolanartigen und braunroth glassirten Ziegeln eingefaßt, und der innere Raum mit farbigen Kieseln in verschiedenen Desseins ausgelegt war. Hr. Cadalvène erwähnt irgendwo ähnlicher Gräber, und behauptet, man lege die Kiesel bloß in der Absicht darauf, damit der Todte, wenn er sein Grab besuche, gleich das Material finde, um einen Rosenkranz daran abbeten zu können. Hier wußte Niemand etwas von diesem Raffinement, und wo ich frug, beschied man mich immer, daß kein anderer Zweck als Zierde mit diesem schon von Wuadi-Halsa aus üblichen Gebrauch verbunden sey, den ich jedoch noch nirgends so kunstreich angewandt sah als in diesem Dorfe. Unser Nachtlager war wieder unter hohen Akazien am Nil, unsern eines isolirten spitzen Berges, mit den Spuren eines eingestürzten Kraters, also offenbar ein ausgebrannter Vulcan. Ich fand auf dieser Station einen in Blau und Weiß schön gekleideten Abgesandten Korschud Pascha's, des Gouverneurs von Sudan, dem ich meine Ankunft schon vor einer Woche schriftlich gemeldet, und der besorgt über mein langes Ausbleiben diesen Diener auf schnellfüßigem Dromedar ausgesandt hatte, um sich zu erkundigen, was aus mir geworden sey. Sobald er meine Antwort erhalten, beurlaubte er sich schnell, und flog in einem so gestreckten Trabe davon, daß ich nicht mehr an seiner, schon vorhergegebenen Versicherung zweifelte, er werde die vierzehn Stunden starke Tagereise bis Karthum noch vor Mitternacht zurückgelegt haben. Wir reisen mit unsern dießmal sehr schlechten Thieren leider viel langsamer. Die Dämmerung war schon nahe, als ich, um meine, von dem langen Ritt ganz steif gewordenen Glieder wieder etwas geschmeidiger zu machen, noch einen einsamen Spaziergang längs dem Fluß unternahm. Bei einer jähen Wendung des Nils befand ich mich plötzlich vor einem mit Felsen rings umschlossenen kleinen Grasplatz, der so zu sagen halb dem Fluß und halb dem Land angehörte, und erblickte hier mit freudigem Erstaunen ein ungeheures Nilpferd, ganz friedlich und von der Nähe der weithinleuchtenden Feuer und dem Lärm unseres Bivouacs nicht im mindesten gestört, emsig grasen. Ich rief sogleich den Doctor mit meinen Leuten herbei, und über eine halbe Stunde lang konnten wir nun das Thier in einer Entfernung von kaum hundert Schritten, mit größter Muße und Genauigkeit beobachten. Sehr unrichtig ist die deutsche Bezeichnung „Nilpferd;“ die Araber nennen es richtiger „Wasserochse,“ obgleich es eben so gut auch „Wasserschwein“ heißen könnte, denn zwischen diesen beiden Thieren hält es eigentlich die Mitte, und in seinen Manieren ähnelt es fast mehr dem letztern als dem ersten. Doch der unförmliche, außer allem Verhältnisse mit dem übrigen Körper stehende Kopf, wie die kolossalen, gleich Teleskopen, in der Größe von Kanonenkugeln gräulich hervorstehenden Augen sind nur ihm selbst eigenthümlich. Es<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0993/0009]
Die Ruinen von Mesaonrat und Ankunft in Karthum.
(Beschluß.)
Wir wandten uns nun westlich, in der Richtung des Waldes und Flusses, und ritten, da wir durch die luxuriös wuchernden hohen Dornbüsche nicht mehr zu dringen vermochten, in einem jetzt trocknen und nur bei der Ueberschwemmung gefüllten Canal des Nils, in mäandrischen Krümmungen einem kleinen Dorfe mit Namen Marnat zu, wo unsere Karawane Halt gemacht hatte. Die Ueppigkeit und der unnachahmliche Reiz dieser tropischen Gegend, eine wahrhaft ideale Wildniß, däuchte uns entzückend und hier wohl einzig in ihrer Art, um so mehr, als die Nähe des Wassers bereits die meisten der unzähligen Baum-, Strauch- und Pflanzensorten mit dem frischesten Grün und vielen Blüthen überzogen hatte. Hundert Arten von Mimosen und Akazien, Sodabäumen, Tujas, viele Weiden- und Pappelsorten, und eine Menge mir ganz unbekannter Bäume und Sträucher, alle mit einem dichten Gewebe von Winden überdeckt und durchzogen, umschlossen die netten Strohhütten des Dorfes, die wie zu einem Luftlager in diesem Paradiese vertheilt zu seyn schienen. Unsere eigenen Zelte fanden wir dicht an einem breiten Arm des Nils, den wir nach beiden Seiten weit hinauf und hinab übersehen konnten, aufschlagen. Der Fluß war voll kleiner bebuschter Eilande und isolirter barock geformter Granitfelsen; gegenüber lag eine dicht bewaldete große Insel, auf der sich ein anderes weitläufiges Dorf befand, mit der ein Kahn, als Fähre dienend, fortwährend den lebhaftesten Verkehr zwischen den beiderseitigen Einwohnern unterhielt. Besagter Kahn bestand jedoch nur aus einem ausgehöhlten Baumstamm, und stand, wenn er mit 10 bis 12 Individuen angefüllt war, kaum noch einen halben Zoll aus dem Wasser hervor. Gerudert ward er mit kleinen Hölzern gleich Kochlöffeln. Einmal fuhren acht Damen zugleich hinüber, bei deren Einschiffung so viel Umstände und Aufenthalt stattfand, als wären es europäische Exclusives gewesen. Das Geschlecht verläugnet sich nirgends, es trage wie hier die Ringe in der Nase und an den Knöcheln, oder wie bei uns in den Ohren und an den Händen. Wir wurden sehr freundlich von diesen Naturkindern aufgenommen, reichlich mit vortrefflicher Kuhmilch versorgt, und auch eine fette, junge Ziege bereitwillig für uns geschlachtet. Dieß war in jeder Hinsicht eine so liebliche Station, daß ich, weniger von der Zeit und der Neugierde gedrängt, gern Monate hier verweilt haben würde. Alles erinnerte an unser nordisches Frühjahr, selbst keine Hitze belästigte uns bei dem umwölkten Himmel und der frischen Ausdünstung des Wassers, und eine Menge bunter Vögel sang und schwirrte um uns her im freudigsten Jubel. Nur die schwarzen Menschen, und ein kleines Krokodil, das auf einem einzeln aus dem Fluß hervorragenden Felsen dicht vor uns Posto gefaßt hatte, und dort stundenlang mit offenem Rachen frische Luft schöpfte, erinnerte uns, daß wir in Afrika waren. Perlhühner, fast so groß wie Pfauen, leben hier wild in großer Anzahl, und wir schossen einige derselben, deren Geschmack vortrefflich befunden ward, obgleich ich selbst nicht davon urtheilen kann, da ich meiner Milchkur treu blieb.
Nachdem wir den folgenden Tag hier noch verweilt, und einige höchst anmuthige Spaziergänge in der Gegend gemacht hatten, die jedoch wegen der uns überall umgebenden Dickichte, und der Ermangelung aller für Bekleidete gangbaren Wege (denn die Haut der Schwarzen scheint für Dornen weit unempfindlicher zu seyn als unsere Gewänder) nicht ohne Beschwerlichkeit waren, setzten wir am 29 April um 1 Uhr Nachmittags unsere Reise weiter fort, mit schwerem Herzen das reizende Marnat verlassend, dessen heiteres Andenken nie meiner Erinnerung entschwinden wird. Der Weg führte längs dem Gebirge hin, das wir in den vorigen Tagen gesehen, und zum Theil hindurch, beschwerliche sieben Stunden Reitens bei jetzt wieder sengend gewordener Hitze. Es stieß uns nichts Merkwürdiges während dieses Tages auf als ein ungewöhnlich zierlicher Kirchhof in der Nähe eines ansehnlichen Dorfes, auf dem fast jedes Grab mit sorgfältig gebrannten puzzolanartigen und braunroth glassirten Ziegeln eingefaßt, und der innere Raum mit farbigen Kieseln in verschiedenen Desseins ausgelegt war. Hr. Cadalvène erwähnt irgendwo ähnlicher Gräber, und behauptet, man lege die Kiesel bloß in der Absicht darauf, damit der Todte, wenn er sein Grab besuche, gleich das Material finde, um einen Rosenkranz daran abbeten zu können. Hier wußte Niemand etwas von diesem Raffinement, und wo ich frug, beschied man mich immer, daß kein anderer Zweck als Zierde mit diesem schon von Wuadi-Halsa aus üblichen Gebrauch verbunden sey, den ich jedoch noch nirgends so kunstreich angewandt sah als in diesem Dorfe. Unser Nachtlager war wieder unter hohen Akazien am Nil, unsern eines isolirten spitzen Berges, mit den Spuren eines eingestürzten Kraters, also offenbar ein ausgebrannter Vulcan. Ich fand auf dieser Station einen in Blau und Weiß schön gekleideten Abgesandten Korschud Pascha's, des Gouverneurs von Sudan, dem ich meine Ankunft schon vor einer Woche schriftlich gemeldet, und der besorgt über mein langes Ausbleiben diesen Diener auf schnellfüßigem Dromedar ausgesandt hatte, um sich zu erkundigen, was aus mir geworden sey. Sobald er meine Antwort erhalten, beurlaubte er sich schnell, und flog in einem so gestreckten Trabe davon, daß ich nicht mehr an seiner, schon vorhergegebenen Versicherung zweifelte, er werde die vierzehn Stunden starke Tagereise bis Karthum noch vor Mitternacht zurückgelegt haben. Wir reisen mit unsern dießmal sehr schlechten Thieren leider viel langsamer. Die Dämmerung war schon nahe, als ich, um meine, von dem langen Ritt ganz steif gewordenen Glieder wieder etwas geschmeidiger zu machen, noch einen einsamen Spaziergang längs dem Fluß unternahm. Bei einer jähen Wendung des Nils befand ich mich plötzlich vor einem mit Felsen rings umschlossenen kleinen Grasplatz, der so zu sagen halb dem Fluß und halb dem Land angehörte, und erblickte hier mit freudigem Erstaunen ein ungeheures Nilpferd, ganz friedlich und von der Nähe der weithinleuchtenden Feuer und dem Lärm unseres Bivouacs nicht im mindesten gestört, emsig grasen. Ich rief sogleich den Doctor mit meinen Leuten herbei, und über eine halbe Stunde lang konnten wir nun das Thier in einer Entfernung von kaum hundert Schritten, mit größter Muße und Genauigkeit beobachten. Sehr unrichtig ist die deutsche Bezeichnung „Nilpferd;“ die Araber nennen es richtiger „Wasserochse,“ obgleich es eben so gut auch „Wasserschwein“ heißen könnte, denn zwischen diesen beiden Thieren hält es eigentlich die Mitte, und in seinen Manieren ähnelt es fast mehr dem letztern als dem ersten. Doch der unförmliche, außer allem Verhältnisse mit dem übrigen Körper stehende Kopf, wie die kolossalen, gleich Teleskopen, in der Größe von Kanonenkugeln gräulich hervorstehenden Augen sind nur ihm selbst eigenthümlich. Es
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