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Allgemeine Zeitung. Nr. 126. Augsburg, 5. Mai 1840.

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Zudem liegt auch ein Haufe afrikanischer, zum Theil von Negern geschriebener Zeitungen vor mir, und ich bin erst vor kurzem aus Bermuda zurückgekehrt, wo ich Gelegenheit hatte, den nach allen Richtungen freigelassenen Neger in seiner Beziehung zu den Weißen in der für ersteren vortheilhaftesten Stellung zu beurtheilen. Leider kann ich den Freunden der afrikanischen Menschheit auch dießmal kein wohlgefälliges Bild von dem Zustand dieser Race entwerfen, obgleich ich mich überzeugt halte, daß das Fehlschlagen aller bisherigen Civilisationsversuche nicht so sehr von den Schwarzen selbst, als von dem schmählichen Handelsgeist herrührt, welcher die Ausführung derselben viel zu sehr von dem Gelingen glücklicher mercantilischer Speculationen abhängig macht, als daß der im Geist der Nächstenliebe und des Christenthums ausgestreute Keim zur Reife kommen könnte. Je mehr ich in das Wesen unserer Missionsgesellschaften und in die Art des Verkehrs der Amerikaner mit den Indianern eindringe, desto lebhafter bin ich von der Wahrheit dieses Satzes durchdrungen, desto lebhafter wird in mir die Ueberzeugung, daß zur Veredlung sowohl des ganzen Menschengeschlechts als einzelner Racen uneigennützige, von den materiellen Interessen wenigstens nicht direct abhängende, oder wohl gar von ihnen einzig und allein dictirte Mittel angewendet werden müssen; wo die Gewinnsucht sich zum Werkzeug des Guten brauchen läßt, da muß man sich nicht wundern, wenn das Resultat unsern Erwartungen nicht entspricht.

Als vor ungefähr 40 Jahren die Amerikaner daran dachten eine Negercolonie an der Westküste von Afrika zu gründen, konnten sie wohl kaum hoffen damit der Verbreitung der Negersklaverei eine Gränze zu setzen, denn dazu war die Colonie zu klein, die Ausfuhr von amerikanischen Negern dahin zu kostspielig und zu langsam, und jede Relation der dahin gesandten Schwarzen mit den zurückgelassenen Sklaven so gut wie abgeschnitten; wohl aber sollte die neugeschaffene Ansiedlung den Samen des Christenthums in jenem alten Welttheil ausstreuen, hiedurch die eingebornen Neger bis auf einen gewissen Grad civilisiren, und - worauf es eigentlich bei solchen Dingen hauptsächlich abgesehen ist - eine stets wachsende Handelsverbindung anknüpfen, die dem Mutterland unendlich günstiger seyn mußte als den Afrikanern selbst. Zugleich sollte die Ausfuhr freier Neger von den Vereinigten Staaten (denn nur solche dürfen nach den Statuten der Gesellschaft und den Gesetzen der Union dahin gesandt werden) ein Mittel seyn, aller freigelassenen oder herrenlosen Neger nach und nach los zu werden, um zu verhindern, daß ihr Beispiel und ihr Trachten nach Gleichstellung mit den Weißen auf die zurückgelassenen Sklaven wirke und am Ende diese veranlasse das in Amerika zu suchen, was man ihnen weislich nur in der Perspective in Afrika zeigt. - Diesen Grundsatz erkennen auch die Abolutionisten, und darum eifern sie eben so sehr gegen die Colonisation von Liberia, als die südlichen Staaten der Union und die Sklavenbesitzer überhaupt für dieselbe sich erklären, obgleich es noch eine neutrale kaufmännische und vielleicht eine vierte schwärmerische religiöse Partei gibt, die das Aufblühen jener Colonie von der Sklavenfrage gänzlich unabhängig macht und eben dadurch der Verbreitung christlich-europäischer Cultur, obwohl nur bis auf einen gewissen Grad den Weg bahnt. Wir finden nämlich überall, durch die Weisheit der Vorsehung, dieselbe glückliche Uebereinstimmung zwischen den Interessen Einzelner und denen der Menschheit, daß die letztern auf die ersteren und die ersteren auf die letzteren zurückwirken, bis ein gewisser Zustand des Gleichgewichts eintritt, von wo aus der Fortgang der Cultur eine neue Richtung zu nehmen scheint. Ich hoffe dieses auch von unsern afrikanischen Colonien, so sehr auch ihr jetziger Zustand mich für die Zukunft derselben besorgt seyn läßt.

Daß es hauptsächlich die mercantilischen Interessen sind, welche die Amerikaner für das Fortbestehen der Colonie von Liberia Sorge tragen lassen, ergibt sich aus dem dießjährigen Bericht der Colonisationsgesellschaft, worin es heißt: "Wenn es wahr ist, daß sich die Einwohner Afrika's auf leichtere Art in größerem Ueberflusse diejenigen Waaren und Fabricate verschaffen könnten, um deren Herbeischaffung ein so großer Theil derselben sich ins Elend stürzt, so ist es bloß nöthig ihnen begreiflich zu machen, daß sie sich mit uns zur Unterdrückung des Sklavenhandels vereinigen müssen, weil ihnen das Product der Arbeit der Neger in Afrika mehr einbringt als der Verkauf derselben." "Um dieses zu beweisen," fährt der Berichterstatter fort, "ist es bloß nöthig zu zeigen, erstens daß Afrika alle Mittel besitzt durch freien Verkehr sich diejenigen Güter zu verschaffen, um deren willen sie sich jetzt zum Behufe des Sklavenhandels so barbarisch bekriegen, und zweitens daß es Mittel gibt, den Afrikanern diese Wahrheit auf eine oder die andere Art begreiflich zu machen. England und Amerika sind bei dieser Frage fast eben so betheiligt als Afrika selbst, so daß, wenn wir nicht den Sklavenhandel aus Furcht vor Gott oder Mitleid gegen die Menschen aufgeben, wir doch hiezu durch die Liebe zum Gelde angetrieben werden sollten." (Die Worte des Originals lauten so: and that if we cannot be persuaded to suppress the slave trade for the fear of God, or in pity to Man, it ought to be done for the lucre of gain). Ein legitimer Verkehr, meinen die Anhänger des Colonisationssystems, würde den Afrikanern bald beweisen, daß das Product ihrer Feldarbeit mehr werth ist als die Personen, die sich damit beschäftigen, und umgekehrt, würde diese Arbeit so lange von den Negern verzögert werden als sich Amerikaner finden, welche lieber den Schwarzen selbst als sein Product gegen einheimische Fabricate umzutauschen Willens sind. Daher eifern sie auch so sehr gegen den Sklavenhandel und arbeiten den englischen Kreuzern an der Küste von Sierra Leone so gut in die Hände. Von dieser Arbeit der Neger auf afrikanischem Boden und dem darauf zu gründenden Handel sprechen sie als dem Vorläufer des dort einzuführenden Christenthums, und fordern die Regierung, den Menschenfreund und Christen, hauptsächlich aber den Kaufmann auf, ihr durch die Unterdrückung der Sklaverei - in Afrika nämlich (denn nie erstreckt sich ihr Raisonnement auf Amerika, vielmehr bemühen sie sich zu zeigen, daß die Colonisation von Afrika und die Emancipation der Sklaven in den Vereinigten Staaten zwei von einander gänzlich verschiedene Dinge sind und seyn sollen), nach Kräften den Weg zu bahnen. "Mittelafrika," meint der Berichterstatter, "besitzt innerhalb seiner Gränzen alle Elemente eines activen Handels. Kein Land der Welt hat größere schiffbare Ströme, einen fruchtbareren Boden, und seine Bevölkerung übersteigt bereits 50 Millionen; und doch belief die ganze Ausfuhr im Jahre 1834 mit Ausnahme des Goldsandes sich auf nicht mehr als 260,000 Pf. Sterling oder circa 3 Millionen Gulden." Diese geringe Ausfuhr eines an Pflanzen und Mineralien so überaus reichen Landes schreibt er hauptsächlich auf Rechnung des Sklavenhandels, wie sich dieß aus dem Umstand ergebe, daß aller legitime Handel mit Afrika fast ausschließlich in den Händen der Engländer und Franzosen sich befinde, welche die einzigen zwei Nationen sind, die auf die Unterdrückung des Sklavenhandels nach Kräften hinwirken, innerhalb deren Besitzungen daher das Eigenthum und die Freiheit der Schwarzen am gesichertsten seyen. - Sodann werden die verschiedenen

Zudem liegt auch ein Haufe afrikanischer, zum Theil von Negern geschriebener Zeitungen vor mir, und ich bin erst vor kurzem aus Bermuda zurückgekehrt, wo ich Gelegenheit hatte, den nach allen Richtungen freigelassenen Neger in seiner Beziehung zu den Weißen in der für ersteren vortheilhaftesten Stellung zu beurtheilen. Leider kann ich den Freunden der afrikanischen Menschheit auch dießmal kein wohlgefälliges Bild von dem Zustand dieser Race entwerfen, obgleich ich mich überzeugt halte, daß das Fehlschlagen aller bisherigen Civilisationsversuche nicht so sehr von den Schwarzen selbst, als von dem schmählichen Handelsgeist herrührt, welcher die Ausführung derselben viel zu sehr von dem Gelingen glücklicher mercantilischer Speculationen abhängig macht, als daß der im Geist der Nächstenliebe und des Christenthums ausgestreute Keim zur Reife kommen könnte. Je mehr ich in das Wesen unserer Missionsgesellschaften und in die Art des Verkehrs der Amerikaner mit den Indianern eindringe, desto lebhafter bin ich von der Wahrheit dieses Satzes durchdrungen, desto lebhafter wird in mir die Ueberzeugung, daß zur Veredlung sowohl des ganzen Menschengeschlechts als einzelner Racen uneigennützige, von den materiellen Interessen wenigstens nicht direct abhängende, oder wohl gar von ihnen einzig und allein dictirte Mittel angewendet werden müssen; wo die Gewinnsucht sich zum Werkzeug des Guten brauchen läßt, da muß man sich nicht wundern, wenn das Resultat unsern Erwartungen nicht entspricht.

Als vor ungefähr 40 Jahren die Amerikaner daran dachten eine Negercolonie an der Westküste von Afrika zu gründen, konnten sie wohl kaum hoffen damit der Verbreitung der Negersklaverei eine Gränze zu setzen, denn dazu war die Colonie zu klein, die Ausfuhr von amerikanischen Negern dahin zu kostspielig und zu langsam, und jede Relation der dahin gesandten Schwarzen mit den zurückgelassenen Sklaven so gut wie abgeschnitten; wohl aber sollte die neugeschaffene Ansiedlung den Samen des Christenthums in jenem alten Welttheil ausstreuen, hiedurch die eingebornen Neger bis auf einen gewissen Grad civilisiren, und – worauf es eigentlich bei solchen Dingen hauptsächlich abgesehen ist – eine stets wachsende Handelsverbindung anknüpfen, die dem Mutterland unendlich günstiger seyn mußte als den Afrikanern selbst. Zugleich sollte die Ausfuhr freier Neger von den Vereinigten Staaten (denn nur solche dürfen nach den Statuten der Gesellschaft und den Gesetzen der Union dahin gesandt werden) ein Mittel seyn, aller freigelassenen oder herrenlosen Neger nach und nach los zu werden, um zu verhindern, daß ihr Beispiel und ihr Trachten nach Gleichstellung mit den Weißen auf die zurückgelassenen Sklaven wirke und am Ende diese veranlasse das in Amerika zu suchen, was man ihnen weislich nur in der Perspective in Afrika zeigt. – Diesen Grundsatz erkennen auch die Abolutionisten, und darum eifern sie eben so sehr gegen die Colonisation von Liberia, als die südlichen Staaten der Union und die Sklavenbesitzer überhaupt für dieselbe sich erklären, obgleich es noch eine neutrale kaufmännische und vielleicht eine vierte schwärmerische religiöse Partei gibt, die das Aufblühen jener Colonie von der Sklavenfrage gänzlich unabhängig macht und eben dadurch der Verbreitung christlich-europäischer Cultur, obwohl nur bis auf einen gewissen Grad den Weg bahnt. Wir finden nämlich überall, durch die Weisheit der Vorsehung, dieselbe glückliche Uebereinstimmung zwischen den Interessen Einzelner und denen der Menschheit, daß die letztern auf die ersteren und die ersteren auf die letzteren zurückwirken, bis ein gewisser Zustand des Gleichgewichts eintritt, von wo aus der Fortgang der Cultur eine neue Richtung zu nehmen scheint. Ich hoffe dieses auch von unsern afrikanischen Colonien, so sehr auch ihr jetziger Zustand mich für die Zukunft derselben besorgt seyn läßt.

Daß es hauptsächlich die mercantilischen Interessen sind, welche die Amerikaner für das Fortbestehen der Colonie von Liberia Sorge tragen lassen, ergibt sich aus dem dießjährigen Bericht der Colonisationsgesellschaft, worin es heißt: „Wenn es wahr ist, daß sich die Einwohner Afrika's auf leichtere Art in größerem Ueberflusse diejenigen Waaren und Fabricate verschaffen könnten, um deren Herbeischaffung ein so großer Theil derselben sich ins Elend stürzt, so ist es bloß nöthig ihnen begreiflich zu machen, daß sie sich mit uns zur Unterdrückung des Sklavenhandels vereinigen müssen, weil ihnen das Product der Arbeit der Neger in Afrika mehr einbringt als der Verkauf derselben.“ „Um dieses zu beweisen,“ fährt der Berichterstatter fort, „ist es bloß nöthig zu zeigen, erstens daß Afrika alle Mittel besitzt durch freien Verkehr sich diejenigen Güter zu verschaffen, um deren willen sie sich jetzt zum Behufe des Sklavenhandels so barbarisch bekriegen, und zweitens daß es Mittel gibt, den Afrikanern diese Wahrheit auf eine oder die andere Art begreiflich zu machen. England und Amerika sind bei dieser Frage fast eben so betheiligt als Afrika selbst, so daß, wenn wir nicht den Sklavenhandel aus Furcht vor Gott oder Mitleid gegen die Menschen aufgeben, wir doch hiezu durch die Liebe zum Gelde angetrieben werden sollten.“ (Die Worte des Originals lauten so: and that if we cannot be persuaded to suppress the slave trade for the fear of God, or in pity to Man, it ought to be done for the lucre of gain). Ein legitimer Verkehr, meinen die Anhänger des Colonisationssystems, würde den Afrikanern bald beweisen, daß das Product ihrer Feldarbeit mehr werth ist als die Personen, die sich damit beschäftigen, und umgekehrt, würde diese Arbeit so lange von den Negern verzögert werden als sich Amerikaner finden, welche lieber den Schwarzen selbst als sein Product gegen einheimische Fabricate umzutauschen Willens sind. Daher eifern sie auch so sehr gegen den Sklavenhandel und arbeiten den englischen Kreuzern an der Küste von Sierra Leone so gut in die Hände. Von dieser Arbeit der Neger auf afrikanischem Boden und dem darauf zu gründenden Handel sprechen sie als dem Vorläufer des dort einzuführenden Christenthums, und fordern die Regierung, den Menschenfreund und Christen, hauptsächlich aber den Kaufmann auf, ihr durch die Unterdrückung der Sklaverei – in Afrika nämlich (denn nie erstreckt sich ihr Raisonnement auf Amerika, vielmehr bemühen sie sich zu zeigen, daß die Colonisation von Afrika und die Emancipation der Sklaven in den Vereinigten Staaten zwei von einander gänzlich verschiedene Dinge sind und seyn sollen), nach Kräften den Weg zu bahnen. „Mittelafrika,“ meint der Berichterstatter, „besitzt innerhalb seiner Gränzen alle Elemente eines activen Handels. Kein Land der Welt hat größere schiffbare Ströme, einen fruchtbareren Boden, und seine Bevölkerung übersteigt bereits 50 Millionen; und doch belief die ganze Ausfuhr im Jahre 1834 mit Ausnahme des Goldsandes sich auf nicht mehr als 260,000 Pf. Sterling oder circa 3 Millionen Gulden.“ Diese geringe Ausfuhr eines an Pflanzen und Mineralien so überaus reichen Landes schreibt er hauptsächlich auf Rechnung des Sklavenhandels, wie sich dieß aus dem Umstand ergebe, daß aller legitime Handel mit Afrika fast ausschließlich in den Händen der Engländer und Franzosen sich befinde, welche die einzigen zwei Nationen sind, die auf die Unterdrückung des Sklavenhandels nach Kräften hinwirken, innerhalb deren Besitzungen daher das Eigenthum und die Freiheit der Schwarzen am gesichertsten seyen. – Sodann werden die verschiedenen

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Zudem liegt auch ein Haufe afrikanischer, zum Theil von Negern geschriebener Zeitungen vor mir, und ich bin erst vor kurzem aus Bermuda zurückgekehrt, wo ich Gelegenheit hatte, den nach allen Richtungen freigelassenen Neger in seiner Beziehung zu den Weißen in der für ersteren vortheilhaftesten Stellung zu beurtheilen. Leider kann ich den Freunden der afrikanischen Menschheit auch dießmal kein wohlgefälliges Bild von dem Zustand dieser Race entwerfen, obgleich ich mich überzeugt halte, daß das Fehlschlagen aller bisherigen Civilisationsversuche nicht so sehr von den Schwarzen selbst, als von dem schmählichen Handelsgeist herrührt, welcher die Ausführung derselben viel zu sehr von dem Gelingen glücklicher mercantilischer Speculationen abhängig macht, als daß der im Geist der Nächstenliebe und des Christenthums ausgestreute Keim zur Reife kommen könnte. Je mehr ich in das Wesen unserer Missionsgesellschaften und in die Art des Verkehrs der Amerikaner mit den Indianern eindringe, desto lebhafter bin ich von der Wahrheit dieses Satzes durchdrungen, desto lebhafter wird in mir die Ueberzeugung, daß zur Veredlung sowohl des ganzen Menschengeschlechts als einzelner Racen uneigennützige, von den materiellen Interessen wenigstens nicht direct abhängende, oder wohl gar von ihnen einzig und allein dictirte Mittel angewendet werden müssen; wo die Gewinnsucht sich zum Werkzeug des Guten brauchen läßt, da muß man sich nicht wundern, wenn das Resultat unsern Erwartungen nicht entspricht.</p><lb/>
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[1002/0002] Zudem liegt auch ein Haufe afrikanischer, zum Theil von Negern geschriebener Zeitungen vor mir, und ich bin erst vor kurzem aus Bermuda zurückgekehrt, wo ich Gelegenheit hatte, den nach allen Richtungen freigelassenen Neger in seiner Beziehung zu den Weißen in der für ersteren vortheilhaftesten Stellung zu beurtheilen. Leider kann ich den Freunden der afrikanischen Menschheit auch dießmal kein wohlgefälliges Bild von dem Zustand dieser Race entwerfen, obgleich ich mich überzeugt halte, daß das Fehlschlagen aller bisherigen Civilisationsversuche nicht so sehr von den Schwarzen selbst, als von dem schmählichen Handelsgeist herrührt, welcher die Ausführung derselben viel zu sehr von dem Gelingen glücklicher mercantilischer Speculationen abhängig macht, als daß der im Geist der Nächstenliebe und des Christenthums ausgestreute Keim zur Reife kommen könnte. Je mehr ich in das Wesen unserer Missionsgesellschaften und in die Art des Verkehrs der Amerikaner mit den Indianern eindringe, desto lebhafter bin ich von der Wahrheit dieses Satzes durchdrungen, desto lebhafter wird in mir die Ueberzeugung, daß zur Veredlung sowohl des ganzen Menschengeschlechts als einzelner Racen uneigennützige, von den materiellen Interessen wenigstens nicht direct abhängende, oder wohl gar von ihnen einzig und allein dictirte Mittel angewendet werden müssen; wo die Gewinnsucht sich zum Werkzeug des Guten brauchen läßt, da muß man sich nicht wundern, wenn das Resultat unsern Erwartungen nicht entspricht. Als vor ungefähr 40 Jahren die Amerikaner daran dachten eine Negercolonie an der Westküste von Afrika zu gründen, konnten sie wohl kaum hoffen damit der Verbreitung der Negersklaverei eine Gränze zu setzen, denn dazu war die Colonie zu klein, die Ausfuhr von amerikanischen Negern dahin zu kostspielig und zu langsam, und jede Relation der dahin gesandten Schwarzen mit den zurückgelassenen Sklaven so gut wie abgeschnitten; wohl aber sollte die neugeschaffene Ansiedlung den Samen des Christenthums in jenem alten Welttheil ausstreuen, hiedurch die eingebornen Neger bis auf einen gewissen Grad civilisiren, und – worauf es eigentlich bei solchen Dingen hauptsächlich abgesehen ist – eine stets wachsende Handelsverbindung anknüpfen, die dem Mutterland unendlich günstiger seyn mußte als den Afrikanern selbst. Zugleich sollte die Ausfuhr freier Neger von den Vereinigten Staaten (denn nur solche dürfen nach den Statuten der Gesellschaft und den Gesetzen der Union dahin gesandt werden) ein Mittel seyn, aller freigelassenen oder herrenlosen Neger nach und nach los zu werden, um zu verhindern, daß ihr Beispiel und ihr Trachten nach Gleichstellung mit den Weißen auf die zurückgelassenen Sklaven wirke und am Ende diese veranlasse das in Amerika zu suchen, was man ihnen weislich nur in der Perspective in Afrika zeigt. – Diesen Grundsatz erkennen auch die Abolutionisten, und darum eifern sie eben so sehr gegen die Colonisation von Liberia, als die südlichen Staaten der Union und die Sklavenbesitzer überhaupt für dieselbe sich erklären, obgleich es noch eine neutrale kaufmännische und vielleicht eine vierte schwärmerische religiöse Partei gibt, die das Aufblühen jener Colonie von der Sklavenfrage gänzlich unabhängig macht und eben dadurch der Verbreitung christlich-europäischer Cultur, obwohl nur bis auf einen gewissen Grad den Weg bahnt. Wir finden nämlich überall, durch die Weisheit der Vorsehung, dieselbe glückliche Uebereinstimmung zwischen den Interessen Einzelner und denen der Menschheit, daß die letztern auf die ersteren und die ersteren auf die letzteren zurückwirken, bis ein gewisser Zustand des Gleichgewichts eintritt, von wo aus der Fortgang der Cultur eine neue Richtung zu nehmen scheint. Ich hoffe dieses auch von unsern afrikanischen Colonien, so sehr auch ihr jetziger Zustand mich für die Zukunft derselben besorgt seyn läßt. Daß es hauptsächlich die mercantilischen Interessen sind, welche die Amerikaner für das Fortbestehen der Colonie von Liberia Sorge tragen lassen, ergibt sich aus dem dießjährigen Bericht der Colonisationsgesellschaft, worin es heißt: „Wenn es wahr ist, daß sich die Einwohner Afrika's auf leichtere Art in größerem Ueberflusse diejenigen Waaren und Fabricate verschaffen könnten, um deren Herbeischaffung ein so großer Theil derselben sich ins Elend stürzt, so ist es bloß nöthig ihnen begreiflich zu machen, daß sie sich mit uns zur Unterdrückung des Sklavenhandels vereinigen müssen, weil ihnen das Product der Arbeit der Neger in Afrika mehr einbringt als der Verkauf derselben.“ „Um dieses zu beweisen,“ fährt der Berichterstatter fort, „ist es bloß nöthig zu zeigen, erstens daß Afrika alle Mittel besitzt durch freien Verkehr sich diejenigen Güter zu verschaffen, um deren willen sie sich jetzt zum Behufe des Sklavenhandels so barbarisch bekriegen, und zweitens daß es Mittel gibt, den Afrikanern diese Wahrheit auf eine oder die andere Art begreiflich zu machen. England und Amerika sind bei dieser Frage fast eben so betheiligt als Afrika selbst, so daß, wenn wir nicht den Sklavenhandel aus Furcht vor Gott oder Mitleid gegen die Menschen aufgeben, wir doch hiezu durch die Liebe zum Gelde angetrieben werden sollten.“ (Die Worte des Originals lauten so: and that if we cannot be persuaded to suppress the slave trade for the fear of God, or in pity to Man, it ought to be done for the lucre of gain). Ein legitimer Verkehr, meinen die Anhänger des Colonisationssystems, würde den Afrikanern bald beweisen, daß das Product ihrer Feldarbeit mehr werth ist als die Personen, die sich damit beschäftigen, und umgekehrt, würde diese Arbeit so lange von den Negern verzögert werden als sich Amerikaner finden, welche lieber den Schwarzen selbst als sein Product gegen einheimische Fabricate umzutauschen Willens sind. Daher eifern sie auch so sehr gegen den Sklavenhandel und arbeiten den englischen Kreuzern an der Küste von Sierra Leone so gut in die Hände. Von dieser Arbeit der Neger auf afrikanischem Boden und dem darauf zu gründenden Handel sprechen sie als dem Vorläufer des dort einzuführenden Christenthums, und fordern die Regierung, den Menschenfreund und Christen, hauptsächlich aber den Kaufmann auf, ihr durch die Unterdrückung der Sklaverei – in Afrika nämlich (denn nie erstreckt sich ihr Raisonnement auf Amerika, vielmehr bemühen sie sich zu zeigen, daß die Colonisation von Afrika und die Emancipation der Sklaven in den Vereinigten Staaten zwei von einander gänzlich verschiedene Dinge sind und seyn sollen), nach Kräften den Weg zu bahnen. „Mittelafrika,“ meint der Berichterstatter, „besitzt innerhalb seiner Gränzen alle Elemente eines activen Handels. Kein Land der Welt hat größere schiffbare Ströme, einen fruchtbareren Boden, und seine Bevölkerung übersteigt bereits 50 Millionen; und doch belief die ganze Ausfuhr im Jahre 1834 mit Ausnahme des Goldsandes sich auf nicht mehr als 260,000 Pf. Sterling oder circa 3 Millionen Gulden.“ Diese geringe Ausfuhr eines an Pflanzen und Mineralien so überaus reichen Landes schreibt er hauptsächlich auf Rechnung des Sklavenhandels, wie sich dieß aus dem Umstand ergebe, daß aller legitime Handel mit Afrika fast ausschließlich in den Händen der Engländer und Franzosen sich befinde, welche die einzigen zwei Nationen sind, die auf die Unterdrückung des Sklavenhandels nach Kräften hinwirken, innerhalb deren Besitzungen daher das Eigenthum und die Freiheit der Schwarzen am gesichertsten seyen. – Sodann werden die verschiedenen

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 126. Augsburg, 5. Mai 1840, S. 1002. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_126_18400505/2>, abgerufen am 21.11.2024.