Allgemeine Zeitung. Nr. 127. Augsburg, 6. Mai 1840.besessenen Sprache hingibt, desto mehr entfernt sie sich von der in der theatralischen Welt hergebrachten Gewohnheit und verstößt gegen die geheimnisvolle Macht der Tradition. Cosima ist eine Verirrung; möge sie uns bald durch einen neuen Roman dafür entschädigen. Belgien. Der General Vandersmissen hat an die HH. Präsidenten und Mitglieder des Senats und der Repräsentantenkammer folgendes Schreiben gerichtet: "Ixelles-lez-Bruxelles, 25 April. Meine Herren! Ich habe mit Muth, aber nicht ohne sehr grausam zu leiden, die Discussion ertragen, die sich wegen meiner in der Repräsentantenkammer bei Gelegenheit des Kriegsbudgets eröffnet hat. Ich habe inmitten dieser Erörterung keine neuen Keime des Zwiespaltes zwischen der Kammer und dem Ministerium aussäen wollen; ich habe geschwiegen. Die verständigen Gemüther werden die Motive meines Schweigens gewürdigt haben, und das Land wird mir für meine Zurückhaltung Dank wissen. Aber jetzt, wo eine neue Discussion wieder wegen meiner Person der Eröffnung nahe ist, komme ich, wie groß auch mein Widerwille in dieser Hinsicht seyn mag, Sie, meine Herren, von mir zu unterhalten, von mir, der hochgestellten Männern das Bedauern ersparen will, noch einmal vor dem Angesichte des Landes ungerechte und grundlos beleidigende Worte auszusprechen. Gewiß, die Zeit ist noch nicht gekommen, wo man die ganze Wahrheit über die Ereignisse wird sagen können, deren Schauplatz unser Vaterland war; aber um nur von mir zu sprechen, von mir, der ich jetzt allein im Processe begriffen bin, kann ich wohl das sagen, was man im Jahr 1831 wollte, und was die auswärtige Diplomatie selbst zu jener Zeit genehmigte. Im März 1831 hatte sich Belgien, das sich empört hatte, nicht um eine vollständige Revolution zu bewirken, die es selbst in Erstaunen setzte, sondern um seine administrative Trennung von Holland zu erlangen, als einen unabhängigen Staat erklärt: diese Unabhängigkeit war eine zu große Last für seine Schwäche, und ansehnliche Personen suchten es davon durch eine Verschmelzung mit dem Frankreich von 1830 zu befreien; aber Frankreich, zu schwach oder zu furchtsam, zu weise vielleicht nach der Meinung der Anhänger der Wiedervereinigung, nahm diese Eröffnungen nicht an. Belgien, dahin gebracht sich eine Stütze zu suchen, verlangte sie von Deutschland, das sie ihm verweigerte; es verlangte sie von neuem von Frankreich, das ihm nicht einmal einen König geben wollte. Es war damals noch nicht die Rede davon, wie man später that, eine Stütze von England zu verlangen, um so mehr, als das Protokoll vom 1 Jan. 1831, das wie nachstehend lautet, ihm wenig Hoffnung von dieser Seite übrig ließ: ""Kein zu der Familie der fünf Mächte gehörendes Individuum soll Belgien bewilligt werden, im Falle man ihm die Krone anböte."" Belgien verwarf die auswärtigen Prätendenten ohne Unterstützung, es verwarf die eingebornen Könige; Belgien konnte sich mit seinem damaligen Zustande nicht begnügen; es bedurfte einer Regierung, kurz, es mußte bestehen; denn es war noch nichts. Damals begriffen viele gute Gemüther, die von dem ersten Aufbrausen und dem Wahnsinn, der stets die großen politischen Ereignisse begleitet, zurückgekommen waren, den ganzen Vortheil, den Belgien aus seiner Revolution ziehen konnte, indem es einige der Fäden wieder anknüpfte, die es früher mit Holland vereinigten: administrative Trennung, commercielle Vereinigung. Dieß wollten damals Männer, die Beweise von Patriotismus gegeben hatten; dieß konnte Belgien erlangen, wenn es als Chef einen Prinzen des Hauses Nassau nahm. Alle ehrenwerthen Männer, welche diesen damaligen Plan entworfen oder getheilt hatten, nennen, wäre jetzt ganz unnütz: aber was ich sagen kann, was übrigens Jeder gegenwärtig weiß, ist, daß der provisorische Chef des provisorischen Staats jener Zeit, der Schweiz. Zürich, 28 April. Die bevorstehende Tagsatzung soll sich abermals mit der Frage, ob und wie eine Veränderung des bestehenden Bundesvertrags zwischen den schweizerischen Kantonen eingeleitet werden sollte, beschäftigen. Wie verlautet, wird als dringendster Revisionspunkt die bisherige vorörtliche Geschäftsleitung bezeichnet. Der Wechsel der vorörtlichen Stellung zwischen den Kantonen Zürich, Bern und Luzern besessenen Sprache hingibt, desto mehr entfernt sie sich von der in der theatralischen Welt hergebrachten Gewohnheit und verstößt gegen die geheimnisvolle Macht der Tradition. Cosima ist eine Verirrung; möge sie uns bald durch einen neuen Roman dafür entschädigen. Belgien. Der General Vandersmissen hat an die HH. Präsidenten und Mitglieder des Senats und der Repräsentantenkammer folgendes Schreiben gerichtet: „Ixelles-lez-Bruxelles, 25 April. Meine Herren! Ich habe mit Muth, aber nicht ohne sehr grausam zu leiden, die Discussion ertragen, die sich wegen meiner in der Repräsentantenkammer bei Gelegenheit des Kriegsbudgets eröffnet hat. Ich habe inmitten dieser Erörterung keine neuen Keime des Zwiespaltes zwischen der Kammer und dem Ministerium aussäen wollen; ich habe geschwiegen. Die verständigen Gemüther werden die Motive meines Schweigens gewürdigt haben, und das Land wird mir für meine Zurückhaltung Dank wissen. Aber jetzt, wo eine neue Discussion wieder wegen meiner Person der Eröffnung nahe ist, komme ich, wie groß auch mein Widerwille in dieser Hinsicht seyn mag, Sie, meine Herren, von mir zu unterhalten, von mir, der hochgestellten Männern das Bedauern ersparen will, noch einmal vor dem Angesichte des Landes ungerechte und grundlos beleidigende Worte auszusprechen. Gewiß, die Zeit ist noch nicht gekommen, wo man die ganze Wahrheit über die Ereignisse wird sagen können, deren Schauplatz unser Vaterland war; aber um nur von mir zu sprechen, von mir, der ich jetzt allein im Processe begriffen bin, kann ich wohl das sagen, was man im Jahr 1831 wollte, und was die auswärtige Diplomatie selbst zu jener Zeit genehmigte. Im März 1831 hatte sich Belgien, das sich empört hatte, nicht um eine vollständige Revolution zu bewirken, die es selbst in Erstaunen setzte, sondern um seine administrative Trennung von Holland zu erlangen, als einen unabhängigen Staat erklärt: diese Unabhängigkeit war eine zu große Last für seine Schwäche, und ansehnliche Personen suchten es davon durch eine Verschmelzung mit dem Frankreich von 1830 zu befreien; aber Frankreich, zu schwach oder zu furchtsam, zu weise vielleicht nach der Meinung der Anhänger der Wiedervereinigung, nahm diese Eröffnungen nicht an. Belgien, dahin gebracht sich eine Stütze zu suchen, verlangte sie von Deutschland, das sie ihm verweigerte; es verlangte sie von neuem von Frankreich, das ihm nicht einmal einen König geben wollte. Es war damals noch nicht die Rede davon, wie man später that, eine Stütze von England zu verlangen, um so mehr, als das Protokoll vom 1 Jan. 1831, das wie nachstehend lautet, ihm wenig Hoffnung von dieser Seite übrig ließ: „„Kein zu der Familie der fünf Mächte gehörendes Individuum soll Belgien bewilligt werden, im Falle man ihm die Krone anböte.““ Belgien verwarf die auswärtigen Prätendenten ohne Unterstützung, es verwarf die eingebornen Könige; Belgien konnte sich mit seinem damaligen Zustande nicht begnügen; es bedurfte einer Regierung, kurz, es mußte bestehen; denn es war noch nichts. Damals begriffen viele gute Gemüther, die von dem ersten Aufbrausen und dem Wahnsinn, der stets die großen politischen Ereignisse begleitet, zurückgekommen waren, den ganzen Vortheil, den Belgien aus seiner Revolution ziehen konnte, indem es einige der Fäden wieder anknüpfte, die es früher mit Holland vereinigten: administrative Trennung, commercielle Vereinigung. Dieß wollten damals Männer, die Beweise von Patriotismus gegeben hatten; dieß konnte Belgien erlangen, wenn es als Chef einen Prinzen des Hauses Nassau nahm. Alle ehrenwerthen Männer, welche diesen damaligen Plan entworfen oder getheilt hatten, nennen, wäre jetzt ganz unnütz: aber was ich sagen kann, was übrigens Jeder gegenwärtig weiß, ist, daß der provisorische Chef des provisorischen Staats jener Zeit, der Schweiz. Zürich, 28 April. Die bevorstehende Tagsatzung soll sich abermals mit der Frage, ob und wie eine Veränderung des bestehenden Bundesvertrags zwischen den schweizerischen Kantonen eingeleitet werden sollte, beschäftigen. Wie verlautet, wird als dringendster Revisionspunkt die bisherige vorörtliche Geschäftsleitung bezeichnet. 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Ich habe inmitten dieser Erörterung keine neuen Keime des Zwiespaltes zwischen der Kammer und dem Ministerium aussäen wollen; ich habe geschwiegen. Die verständigen Gemüther werden die Motive meines Schweigens gewürdigt haben, und das Land wird mir für meine Zurückhaltung Dank wissen. Aber jetzt, wo eine neue Discussion wieder wegen meiner Person der Eröffnung nahe ist, komme ich, wie groß auch mein Widerwille in dieser Hinsicht seyn mag, Sie, meine Herren, von mir zu unterhalten, von mir, der hochgestellten Männern das Bedauern ersparen will, noch einmal vor dem Angesichte des Landes ungerechte und grundlos beleidigende Worte auszusprechen. Gewiß, die Zeit ist noch nicht gekommen, wo man die ganze Wahrheit über die Ereignisse wird sagen können, deren Schauplatz unser Vaterland war; aber um nur von mir zu sprechen, von mir, der ich jetzt allein im Processe begriffen bin, kann ich wohl das sagen, was man im Jahr 1831 wollte, und was die auswärtige Diplomatie selbst zu jener Zeit genehmigte. Im März 1831 hatte sich Belgien, das sich empört hatte, nicht um eine vollständige Revolution zu bewirken, die es selbst in Erstaunen setzte, sondern um seine administrative Trennung von Holland zu erlangen, als einen unabhängigen Staat erklärt: diese Unabhängigkeit war eine zu große Last für seine Schwäche, und ansehnliche Personen suchten es davon durch eine Verschmelzung mit dem Frankreich von 1830 zu befreien; aber Frankreich, zu schwach oder zu furchtsam, zu weise vielleicht nach der Meinung der Anhänger der Wiedervereinigung, nahm diese Eröffnungen nicht an. Belgien, dahin gebracht sich eine Stütze zu suchen, verlangte sie von Deutschland, das sie ihm verweigerte; es verlangte sie von neuem von Frankreich, das ihm nicht einmal einen König geben wollte. Es war damals noch nicht die Rede davon, wie man später that, eine Stütze von England zu verlangen, um so mehr, als das Protokoll vom 1 Jan. 1831, das wie nachstehend lautet, ihm wenig Hoffnung von dieser Seite übrig ließ: „„Kein zu der Familie der fünf Mächte gehörendes Individuum soll Belgien bewilligt werden, im Falle man ihm die Krone anböte.““ Belgien verwarf die auswärtigen Prätendenten ohne Unterstützung, es verwarf die eingebornen Könige; Belgien konnte sich mit seinem damaligen Zustande nicht begnügen; es bedurfte einer Regierung, kurz, es mußte bestehen; denn es war noch nichts. Damals begriffen viele gute Gemüther, die von dem ersten Aufbrausen und dem Wahnsinn, der stets die großen politischen Ereignisse begleitet, zurückgekommen waren, den ganzen Vortheil, den Belgien aus seiner Revolution ziehen konnte, indem es einige der Fäden wieder anknüpfte, die es früher mit Holland vereinigten: administrative Trennung, commercielle Vereinigung. Dieß wollten damals Männer, die Beweise von Patriotismus gegeben hatten; dieß konnte Belgien erlangen, wenn es als Chef einen Prinzen des Hauses Nassau nahm. Alle ehrenwerthen Männer, welche diesen damaligen Plan entworfen oder getheilt hatten, nennen, wäre jetzt ganz unnütz: aber was ich sagen kann, was übrigens Jeder gegenwärtig weiß, ist, daß der provisorische Chef des provisorischen Staats jener Zeit, der<lb/> ehrwürdige Regent selbst, diese Combination nicht verwarf; der Zweck, den sie beabsichtigten, war, im Innern, eine Regierung, Gesetze, Institutionen im Einklang mit den Wünschen und den Sitten des Landes; Religionsfreiheit, unbeschränkte Sprachfreiheit für jene, die sich unter der niederländischen Regierung nicht frei genug glaubten; offene Absatzwege für alle Zweige der Industrie und des Handels; leichter Abfluß unserer sämmtlichen Erzeugnisse, des Kalks- und der Steine von Tournay, des Marmors und Granits von Namur und den Ecaussinen, der Kohlen von Mons und Charleroi, der Eisen und Waffen von Lüttich, der Tücher von Verviers, der Leinen von Flandern, der baumwollenen und gedruckten Zeuge von Gent, Brüssel etc. nach Holland und den Colonien; nach außen: Kraft und Würde den Mächten gegenüber; wirksamer Schutz unseres Handels und unserer Marine auf den Meeren; Achtung für den belgischen Namen. Dieß waren ihre Wünsche, dieß waren ihre Hoffnungen, dieß war vielleicht der Traum, der mich hat verblenden können. Heißt dieß ein Verräther, ein schlechter Mensch seyn? Betrachtet man die Dinge unter dem gegenwärtigen Gesichtspunkt, so ist es möglich, m. H., daß Sie nicht die ganze Vortrefflichkeit der im J. 1831 gescheiterten Combination zugeben; gehen Sie aber auf die damalige Zeit zurück, so werden Sie ohne allen Zweifel gestehen, daß dieser Traum nur jener eines redlichen Mannes, eines wahren Freundes seines Vaterlandes seyn konnte, der mir behülflich seyn wollte, den Abgrund der Anarchie zu verschließen, die bereit war, uns Alle zu verzehren; Sie werden vorzüglich gestehen, daß die Verwirklichung dieses Planes für Belgien nicht den traurigen Neutralitätszustand und die grausame Trennung herbeigezogen haben würde, die wir für den Theil von Limburg und Luxemburg bewilligen mußten, den wir den abgetretenen nennen, der aber seinerseits sich der verrathene nennt. – Ich habe Ihnen, meine Herren, das gesagt, was in der gegenwärtigen Zeit zu sagen möglich und nützlich ist, ich werde mich nicht herablassen, die Unbilden zurückzuweisen, die gegen mich gerichtet worden sind; es war wenigstens Leichtsinn, einen Mann als strafbar betrachten, der sich stellt, um sich richten zu lassen; es war mehr als dieß, indem man diese Handlungen feilen und niederträchtigen Gesinnungen, einer Verkäuflichkeit zuschrieb, wovon jeder Verdacht eben so ungerecht, als beleidigend seyn würde, und wovon man die Beibringung auch nur des geringsten Beweises fordern kann. Ich beschränke mich, meine Herren, darauf, von Ihrer Seite bei der Beurtheilung der Dinge, die Ihrer hohen Berathung noch vorgelegt werden dürften, bei der Beurtheilung der Angriffe, deren Gegenstand ich von neuem vor Ihnen seyn könnte, den nämlichen Geist der Gerechtigkeit und Unparteilichkeit, das nämliche Maaß und die nämliche Mäßigung zu verlangen, womit ich die Thatsachen vertheidigt und dargelegt habe. Ich habe die Ehre etc. Ihr unterthänigster und gehorsamster Diener, der General <hi rendition="#g">Vandersmissen</hi>.“</p><lb/> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Schweiz.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Zürich,</hi> 28 April.</dateline> <p> Die bevorstehende Tagsatzung soll sich abermals mit der Frage, ob und wie eine Veränderung des bestehenden Bundesvertrags zwischen den schweizerischen Kantonen eingeleitet werden sollte, beschäftigen. 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besessenen Sprache hingibt, desto mehr entfernt sie sich von der in der theatralischen Welt hergebrachten Gewohnheit und verstößt gegen die geheimnisvolle Macht der Tradition. Cosima ist eine Verirrung; möge sie uns bald durch einen neuen Roman dafür entschädigen.
Belgien.
Der General Vandersmissen hat an die HH. Präsidenten und Mitglieder des Senats und der Repräsentantenkammer folgendes Schreiben gerichtet: „Ixelles-lez-Bruxelles, 25 April. Meine Herren! Ich habe mit Muth, aber nicht ohne sehr grausam zu leiden, die Discussion ertragen, die sich wegen meiner in der Repräsentantenkammer bei Gelegenheit des Kriegsbudgets eröffnet hat. Ich habe inmitten dieser Erörterung keine neuen Keime des Zwiespaltes zwischen der Kammer und dem Ministerium aussäen wollen; ich habe geschwiegen. Die verständigen Gemüther werden die Motive meines Schweigens gewürdigt haben, und das Land wird mir für meine Zurückhaltung Dank wissen. Aber jetzt, wo eine neue Discussion wieder wegen meiner Person der Eröffnung nahe ist, komme ich, wie groß auch mein Widerwille in dieser Hinsicht seyn mag, Sie, meine Herren, von mir zu unterhalten, von mir, der hochgestellten Männern das Bedauern ersparen will, noch einmal vor dem Angesichte des Landes ungerechte und grundlos beleidigende Worte auszusprechen. Gewiß, die Zeit ist noch nicht gekommen, wo man die ganze Wahrheit über die Ereignisse wird sagen können, deren Schauplatz unser Vaterland war; aber um nur von mir zu sprechen, von mir, der ich jetzt allein im Processe begriffen bin, kann ich wohl das sagen, was man im Jahr 1831 wollte, und was die auswärtige Diplomatie selbst zu jener Zeit genehmigte. Im März 1831 hatte sich Belgien, das sich empört hatte, nicht um eine vollständige Revolution zu bewirken, die es selbst in Erstaunen setzte, sondern um seine administrative Trennung von Holland zu erlangen, als einen unabhängigen Staat erklärt: diese Unabhängigkeit war eine zu große Last für seine Schwäche, und ansehnliche Personen suchten es davon durch eine Verschmelzung mit dem Frankreich von 1830 zu befreien; aber Frankreich, zu schwach oder zu furchtsam, zu weise vielleicht nach der Meinung der Anhänger der Wiedervereinigung, nahm diese Eröffnungen nicht an. Belgien, dahin gebracht sich eine Stütze zu suchen, verlangte sie von Deutschland, das sie ihm verweigerte; es verlangte sie von neuem von Frankreich, das ihm nicht einmal einen König geben wollte. Es war damals noch nicht die Rede davon, wie man später that, eine Stütze von England zu verlangen, um so mehr, als das Protokoll vom 1 Jan. 1831, das wie nachstehend lautet, ihm wenig Hoffnung von dieser Seite übrig ließ: „„Kein zu der Familie der fünf Mächte gehörendes Individuum soll Belgien bewilligt werden, im Falle man ihm die Krone anböte.““ Belgien verwarf die auswärtigen Prätendenten ohne Unterstützung, es verwarf die eingebornen Könige; Belgien konnte sich mit seinem damaligen Zustande nicht begnügen; es bedurfte einer Regierung, kurz, es mußte bestehen; denn es war noch nichts. Damals begriffen viele gute Gemüther, die von dem ersten Aufbrausen und dem Wahnsinn, der stets die großen politischen Ereignisse begleitet, zurückgekommen waren, den ganzen Vortheil, den Belgien aus seiner Revolution ziehen konnte, indem es einige der Fäden wieder anknüpfte, die es früher mit Holland vereinigten: administrative Trennung, commercielle Vereinigung. Dieß wollten damals Männer, die Beweise von Patriotismus gegeben hatten; dieß konnte Belgien erlangen, wenn es als Chef einen Prinzen des Hauses Nassau nahm. Alle ehrenwerthen Männer, welche diesen damaligen Plan entworfen oder getheilt hatten, nennen, wäre jetzt ganz unnütz: aber was ich sagen kann, was übrigens Jeder gegenwärtig weiß, ist, daß der provisorische Chef des provisorischen Staats jener Zeit, der
ehrwürdige Regent selbst, diese Combination nicht verwarf; der Zweck, den sie beabsichtigten, war, im Innern, eine Regierung, Gesetze, Institutionen im Einklang mit den Wünschen und den Sitten des Landes; Religionsfreiheit, unbeschränkte Sprachfreiheit für jene, die sich unter der niederländischen Regierung nicht frei genug glaubten; offene Absatzwege für alle Zweige der Industrie und des Handels; leichter Abfluß unserer sämmtlichen Erzeugnisse, des Kalks- und der Steine von Tournay, des Marmors und Granits von Namur und den Ecaussinen, der Kohlen von Mons und Charleroi, der Eisen und Waffen von Lüttich, der Tücher von Verviers, der Leinen von Flandern, der baumwollenen und gedruckten Zeuge von Gent, Brüssel etc. nach Holland und den Colonien; nach außen: Kraft und Würde den Mächten gegenüber; wirksamer Schutz unseres Handels und unserer Marine auf den Meeren; Achtung für den belgischen Namen. Dieß waren ihre Wünsche, dieß waren ihre Hoffnungen, dieß war vielleicht der Traum, der mich hat verblenden können. Heißt dieß ein Verräther, ein schlechter Mensch seyn? Betrachtet man die Dinge unter dem gegenwärtigen Gesichtspunkt, so ist es möglich, m. H., daß Sie nicht die ganze Vortrefflichkeit der im J. 1831 gescheiterten Combination zugeben; gehen Sie aber auf die damalige Zeit zurück, so werden Sie ohne allen Zweifel gestehen, daß dieser Traum nur jener eines redlichen Mannes, eines wahren Freundes seines Vaterlandes seyn konnte, der mir behülflich seyn wollte, den Abgrund der Anarchie zu verschließen, die bereit war, uns Alle zu verzehren; Sie werden vorzüglich gestehen, daß die Verwirklichung dieses Planes für Belgien nicht den traurigen Neutralitätszustand und die grausame Trennung herbeigezogen haben würde, die wir für den Theil von Limburg und Luxemburg bewilligen mußten, den wir den abgetretenen nennen, der aber seinerseits sich der verrathene nennt. – Ich habe Ihnen, meine Herren, das gesagt, was in der gegenwärtigen Zeit zu sagen möglich und nützlich ist, ich werde mich nicht herablassen, die Unbilden zurückzuweisen, die gegen mich gerichtet worden sind; es war wenigstens Leichtsinn, einen Mann als strafbar betrachten, der sich stellt, um sich richten zu lassen; es war mehr als dieß, indem man diese Handlungen feilen und niederträchtigen Gesinnungen, einer Verkäuflichkeit zuschrieb, wovon jeder Verdacht eben so ungerecht, als beleidigend seyn würde, und wovon man die Beibringung auch nur des geringsten Beweises fordern kann. Ich beschränke mich, meine Herren, darauf, von Ihrer Seite bei der Beurtheilung der Dinge, die Ihrer hohen Berathung noch vorgelegt werden dürften, bei der Beurtheilung der Angriffe, deren Gegenstand ich von neuem vor Ihnen seyn könnte, den nämlichen Geist der Gerechtigkeit und Unparteilichkeit, das nämliche Maaß und die nämliche Mäßigung zu verlangen, womit ich die Thatsachen vertheidigt und dargelegt habe. Ich habe die Ehre etc. Ihr unterthänigster und gehorsamster Diener, der General Vandersmissen.“
Schweiz.
_ Zürich, 28 April. Die bevorstehende Tagsatzung soll sich abermals mit der Frage, ob und wie eine Veränderung des bestehenden Bundesvertrags zwischen den schweizerischen Kantonen eingeleitet werden sollte, beschäftigen. Wie verlautet, wird als dringendster Revisionspunkt die bisherige vorörtliche Geschäftsleitung bezeichnet. Der Wechsel der vorörtlichen Stellung zwischen den Kantonen Zürich, Bern und Luzern
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