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Allgemeine Zeitung. Nr. 131. Augsburg, 10. Mai 1840.

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Ueber die Vertheidigung Südwestdeutschlands.

Von einem Franzosen.

Ein französischer Officier aus Elsaß, der von 1805 bis 1813 alle Napoleonischen Feldzüge in Deutschland mitgemacht hat, und Südwestdeutschland genau kennt, nun aber in Ruhe lebt, äußerte sich über die Vertheidigung dieses Landes folgendermaßen: "Es herrschen über diese beiden Fragen bekanntlich zwei ganz verschiedene und abweichende Gesichtspunkte, ein baden-würtembergischer und ein deutscher. Der erste wünscht starke Festungen oder Blockhäuser im Vorgrund, am Oberrhein, damit es der Feind gar nicht wage, anzugreifen und einzudringen, und damit jene Länder von feindlicher Invasion frei bleiben. Er wäre unstreitig der richtigste, wenn er nicht auf einem falschen Vordersatz beruhte. Der deutsche Gesichtspunkt hingegen hält ganz richtig das Eindringen eines kühnen Feindes, der Festungen und Blockhäuser ungeachtet, für möglich, und für diesen Fall fragt er: ist eine starke Festung am Oberrhein, oder Ulm als große, starke Bundesfestung vorzuziehen? Die meisten Sachverständigen werden gewiß für Ulm stimmen. Ein Blick auf die Karte zeigt, daß das scheinbar so offene und unvertheidigte Südwestdeutschland einer Mausefalle gleicht und auch eine ist, wenn die Einwohner mit den Bevölkerungen des Schwarz- und Odenwaldes noch so tüchtig sind als 1796, wenn überdieß unter dem Volk in Baden und Würtemberg noch die deutsche Kraft von 1813 herrscht. Ist dieß der Fall, so darf von einem französischen Heer, das selbst bis Ulm vorgedrungen ist, kein Mann, kein Roß und keine Kanone zurückkommen. Ein nur etwas bedeutendes französisches Angriffsheer kann sich unmöglich hinter den Vogesen bilden, ohne daß Preußen und Bayern etwas davon gewahr werden; es kann sich aber auch nicht in und um Straßburg formiren, ohne daß man es in Baden merkt. Der deutsche Bund kann also immer Vorbereitungen zum Empfang des Feindes machen, Baden und Würtemberg können sich auf den Angriff gefaßt halten, zu ihrem Volk sprechen, durch eine Signallinie vom Rheinufer und den Schwarzwaldhöhen schnell überall hin wirken. Nehmen wir aber auch an, daß man in Deutschland von solchen Rüstungen gar nichts sieht und merkt, daß eine französische Armee von achtzigtausend Mann, mit der Propaganda an ihrer Spitze, ohne Anstand über den Rhein geht, daß sie auch ferner keinen Widerstand und Aufenthalt findet, oder ihn leicht wirft und schnell vorrückend Karlsruhe und Stuttgart besetzt, ja bis Ulm vorgeht. Während sie so durch Baden und Würtemberg vordringt, organisirt sich auf ihren Flanken und in ihrem Rücken Landwehr und Landsturm, bricht aus dem Schwarzwald und Odenwald hervor, vereinigt sich mit den Männern aus den andern badischen und würtembergischen Kreisen, aus Darmstadt und Unterfranken, indeß die Mannschaft aus dem badischen Seekreis, dem würtembergischen Donaukreis und den beiden Hohenzollern, aus Südbayern und Tyrol sich zwar auch organisirt, aber nicht eher ausrückt, als bis ein Angriff von der Schweizergränze her droht. Im Westen könnte sich also leicht, ohne die Bundescontingente, eine Macht von mehreren hunderttausend Mann, und eine eben so starke im Süden sammeln und dem Feinde alle Communicationslinien, alle Subsistenzmittel abschneiden, zahlreiche große Verhaue anlegen, den Rhein bewachen u. s. w. Die bei Ulm angekommene französische Armee fände nun erst Widerstand an einer aus würtembergischen, badischen, bayerischen und österreichischen Truppen bestehenden Bundesarmee, gelehnt an eine starke Festung und unterstützt von deren Besatzung. Hic Rhodus, hic salta. Nehmen wir aber auch den ganz unwahrscheinlichen Fall an, daß diese deutsche Armee gleich geschlagen und Ulm genommen wird, so ist damit noch gar wenig für den Feind gewonnen, denn er ist auf jeden Fall durch die Schlacht und durch die Besetzung von Ulm geschwächt. Seine im Anfang achtzigtausend Mann starke Armee ist auf sechzigtausend geschmolzen, und nun hat er erst im feindlichen Lande mit der bayerischen Reserve-Armee, mit der bayerischen Landwehr, mit Oesterreichs und Preußens Heeren zu kämpfen, und so furchtbare Festungen wie Ingolstadt stehen ihm zunächst entgegen. Napoleon selbst, dieses große strategische und taktische Genie, an der Spitze einer ausgezeichneten, geübten und sieggewohnten Armee, mußte den deutschen Heeresmassen in seinem eigenen Lande erliegen. Was vermöchten diese sechzigtausend Mann mitten im feindlichen Lande, wo sie nicht bloß große stehende Heere und starke Festungen, sondern auch Landwehr und Landsturm gegen sich hätten, und von aller Hülfe und Zufuhr aus der Heimath abgeschnitten wären? - Siegte aber die französische Armee nicht bei Ulm, so wäre gleich nach einer verlornen Schlacht, im Angesicht eines siegenden, sich immer verstärkenden Heeres und einer starken Festung, ihre Existenz sehr gefährdet. Alle Kräfte würden auf sie eindringen und sie zum Rückzug nöthigen, der bald in gänzliche Auflösung ausarten dürfte. - Käme aber Frankreich nach unverstellbarer Vorbereitung mit einem Heer von mehreren hunderttausend Mann über den Rhein, so wäre der deutsche Bund vorbereitet, und in ganz Süddeutschland selbst könnten die Widerstandskräfte in demselben Verhältniß wachsen, wenn das von der Gebirgsnatur und der Gestaltung des Landes begünstigte Volk noch so tüchtig ist als sonst. Es ist wahrscheinlich, daß die jetzige Schweiz einem französischen Heer, das den Durchgang nach Deutschland sucht, nicht entschieden und kräftig widerstehen kann oder will, und daß es dadurch den Franzosen möglich wird, über den südlichen Rhein zu gehen, und zu gleicher Zeit mit jener Rheinarmee in Deutschland einzufallen. Geschähe dieß, so tritt der südliche Landsturm auf und schließt die Falle zu im Rücken der vordringenden feindlichen Armee, die gleichfalls ihrem Schicksal nicht entgehen kann. Später aber, wenn die Gefahr vorüber ist, wären die geeigneten Maaßregeln zu ergreifen, daß die Schweiz künftig nicht mehr ein unneutraler, gefährlicher Freund Deutschlands seyn kann. Zur vollständigen strategischen Sicherung und Abschließung Deutschlands auf dieser Seite gehören die Becken aller südlich und westlich in den Rhein strömenden Flüsse."

Französisches Recht, Urtheilssammlung, Gerichtszeitung.

Das französische Recht und die französische Gerichtsverfassung, die einst einen großen Theil von Europa beherrschten, gelten heute noch in mehreren unserer schönsten Provinzen am Rhein, in Rheinpreußen, Rheinbayern, Rheinhessen, mit wenig bedeutenden Veränderungen, als gesetzliche Grundnorm; der tiefen und bleibenden Einflüsse, die das Gesetzbuch Napoleons in andern deutschen Ländern, z. B. in Baden u. s. w. ausgeübt hat, hier nicht weiter zu gedenken. Allen denen, die sich in diesen Gebietstheilen, sey es theoretisch, sey es in praktischer Ausübung, als Richter, Advocaten und

Ueber die Vertheidigung Südwestdeutschlands.

Von einem Franzosen.

Ein französischer Officier aus Elsaß, der von 1805 bis 1813 alle Napoleonischen Feldzüge in Deutschland mitgemacht hat, und Südwestdeutschland genau kennt, nun aber in Ruhe lebt, äußerte sich über die Vertheidigung dieses Landes folgendermaßen: „Es herrschen über diese beiden Fragen bekanntlich zwei ganz verschiedene und abweichende Gesichtspunkte, ein baden-würtembergischer und ein deutscher. Der erste wünscht starke Festungen oder Blockhäuser im Vorgrund, am Oberrhein, damit es der Feind gar nicht wage, anzugreifen und einzudringen, und damit jene Länder von feindlicher Invasion frei bleiben. Er wäre unstreitig der richtigste, wenn er nicht auf einem falschen Vordersatz beruhte. Der deutsche Gesichtspunkt hingegen hält ganz richtig das Eindringen eines kühnen Feindes, der Festungen und Blockhäuser ungeachtet, für möglich, und für diesen Fall fragt er: ist eine starke Festung am Oberrhein, oder Ulm als große, starke Bundesfestung vorzuziehen? Die meisten Sachverständigen werden gewiß für Ulm stimmen. Ein Blick auf die Karte zeigt, daß das scheinbar so offene und unvertheidigte Südwestdeutschland einer Mausefalle gleicht und auch eine ist, wenn die Einwohner mit den Bevölkerungen des Schwarz- und Odenwaldes noch so tüchtig sind als 1796, wenn überdieß unter dem Volk in Baden und Würtemberg noch die deutsche Kraft von 1813 herrscht. Ist dieß der Fall, so darf von einem französischen Heer, das selbst bis Ulm vorgedrungen ist, kein Mann, kein Roß und keine Kanone zurückkommen. Ein nur etwas bedeutendes französisches Angriffsheer kann sich unmöglich hinter den Vogesen bilden, ohne daß Preußen und Bayern etwas davon gewahr werden; es kann sich aber auch nicht in und um Straßburg formiren, ohne daß man es in Baden merkt. Der deutsche Bund kann also immer Vorbereitungen zum Empfang des Feindes machen, Baden und Würtemberg können sich auf den Angriff gefaßt halten, zu ihrem Volk sprechen, durch eine Signallinie vom Rheinufer und den Schwarzwaldhöhen schnell überall hin wirken. Nehmen wir aber auch an, daß man in Deutschland von solchen Rüstungen gar nichts sieht und merkt, daß eine französische Armee von achtzigtausend Mann, mit der Propaganda an ihrer Spitze, ohne Anstand über den Rhein geht, daß sie auch ferner keinen Widerstand und Aufenthalt findet, oder ihn leicht wirft und schnell vorrückend Karlsruhe und Stuttgart besetzt, ja bis Ulm vorgeht. Während sie so durch Baden und Würtemberg vordringt, organisirt sich auf ihren Flanken und in ihrem Rücken Landwehr und Landsturm, bricht aus dem Schwarzwald und Odenwald hervor, vereinigt sich mit den Männern aus den andern badischen und würtembergischen Kreisen, aus Darmstadt und Unterfranken, indeß die Mannschaft aus dem badischen Seekreis, dem würtembergischen Donaukreis und den beiden Hohenzollern, aus Südbayern und Tyrol sich zwar auch organisirt, aber nicht eher ausrückt, als bis ein Angriff von der Schweizergränze her droht. Im Westen könnte sich also leicht, ohne die Bundescontingente, eine Macht von mehreren hunderttausend Mann, und eine eben so starke im Süden sammeln und dem Feinde alle Communicationslinien, alle Subsistenzmittel abschneiden, zahlreiche große Verhaue anlegen, den Rhein bewachen u. s. w. Die bei Ulm angekommene französische Armee fände nun erst Widerstand an einer aus würtembergischen, badischen, bayerischen und österreichischen Truppen bestehenden Bundesarmee, gelehnt an eine starke Festung und unterstützt von deren Besatzung. Hic Rhodus, hic salta. Nehmen wir aber auch den ganz unwahrscheinlichen Fall an, daß diese deutsche Armee gleich geschlagen und Ulm genommen wird, so ist damit noch gar wenig für den Feind gewonnen, denn er ist auf jeden Fall durch die Schlacht und durch die Besetzung von Ulm geschwächt. Seine im Anfang achtzigtausend Mann starke Armee ist auf sechzigtausend geschmolzen, und nun hat er erst im feindlichen Lande mit der bayerischen Reserve-Armee, mit der bayerischen Landwehr, mit Oesterreichs und Preußens Heeren zu kämpfen, und so furchtbare Festungen wie Ingolstadt stehen ihm zunächst entgegen. Napoleon selbst, dieses große strategische und taktische Genie, an der Spitze einer ausgezeichneten, geübten und sieggewohnten Armee, mußte den deutschen Heeresmassen in seinem eigenen Lande erliegen. Was vermöchten diese sechzigtausend Mann mitten im feindlichen Lande, wo sie nicht bloß große stehende Heere und starke Festungen, sondern auch Landwehr und Landsturm gegen sich hätten, und von aller Hülfe und Zufuhr aus der Heimath abgeschnitten wären? – Siegte aber die französische Armee nicht bei Ulm, so wäre gleich nach einer verlornen Schlacht, im Angesicht eines siegenden, sich immer verstärkenden Heeres und einer starken Festung, ihre Existenz sehr gefährdet. Alle Kräfte würden auf sie eindringen und sie zum Rückzug nöthigen, der bald in gänzliche Auflösung ausarten dürfte. – Käme aber Frankreich nach unverstellbarer Vorbereitung mit einem Heer von mehreren hunderttausend Mann über den Rhein, so wäre der deutsche Bund vorbereitet, und in ganz Süddeutschland selbst könnten die Widerstandskräfte in demselben Verhältniß wachsen, wenn das von der Gebirgsnatur und der Gestaltung des Landes begünstigte Volk noch so tüchtig ist als sonst. Es ist wahrscheinlich, daß die jetzige Schweiz einem französischen Heer, das den Durchgang nach Deutschland sucht, nicht entschieden und kräftig widerstehen kann oder will, und daß es dadurch den Franzosen möglich wird, über den südlichen Rhein zu gehen, und zu gleicher Zeit mit jener Rheinarmee in Deutschland einzufallen. Geschähe dieß, so tritt der südliche Landsturm auf und schließt die Falle zu im Rücken der vordringenden feindlichen Armee, die gleichfalls ihrem Schicksal nicht entgehen kann. Später aber, wenn die Gefahr vorüber ist, wären die geeigneten Maaßregeln zu ergreifen, daß die Schweiz künftig nicht mehr ein unneutraler, gefährlicher Freund Deutschlands seyn kann. Zur vollständigen strategischen Sicherung und Abschließung Deutschlands auf dieser Seite gehören die Becken aller südlich und westlich in den Rhein strömenden Flüsse.“

Französisches Recht, Urtheilssammlung, Gerichtszeitung.

Das französische Recht und die französische Gerichtsverfassung, die einst einen großen Theil von Europa beherrschten, gelten heute noch in mehreren unserer schönsten Provinzen am Rhein, in Rheinpreußen, Rheinbayern, Rheinhessen, mit wenig bedeutenden Veränderungen, als gesetzliche Grundnorm; der tiefen und bleibenden Einflüsse, die das Gesetzbuch Napoleons in andern deutschen Ländern, z. B. in Baden u. s. w. ausgeübt hat, hier nicht weiter zu gedenken. Allen denen, die sich in diesen Gebietstheilen, sey es theoretisch, sey es in praktischer Ausübung, als Richter, Advocaten und

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Die meisten Sachverständigen werden gewiß für Ulm stimmen. Ein Blick auf die Karte zeigt, daß das scheinbar so offene und unvertheidigte Südwestdeutschland einer Mausefalle gleicht und auch eine ist, wenn die Einwohner mit den Bevölkerungen des Schwarz- und Odenwaldes noch so tüchtig sind als 1796, wenn überdieß unter dem Volk in Baden und Würtemberg noch die deutsche Kraft von 1813 herrscht. Ist dieß der Fall, so darf von einem französischen Heer, das selbst bis Ulm vorgedrungen ist, kein Mann, kein Roß und keine Kanone zurückkommen. Ein nur etwas bedeutendes französisches Angriffsheer kann sich unmöglich hinter den Vogesen bilden, ohne daß Preußen und Bayern etwas davon gewahr werden; es kann sich aber auch nicht in und um Straßburg formiren, ohne daß man es in Baden merkt. Der deutsche Bund kann also immer Vorbereitungen zum Empfang des Feindes machen, Baden und Würtemberg können sich auf den Angriff gefaßt halten, zu ihrem Volk sprechen, durch eine Signallinie vom Rheinufer und den Schwarzwaldhöhen schnell überall hin wirken. Nehmen wir aber auch an, daß man in Deutschland von solchen Rüstungen gar nichts sieht und merkt, daß eine französische Armee von achtzigtausend Mann, mit der Propaganda an ihrer Spitze, ohne Anstand über den Rhein geht, daß sie auch ferner keinen Widerstand und Aufenthalt findet, oder ihn leicht wirft und schnell vorrückend Karlsruhe und Stuttgart besetzt, ja bis Ulm vorgeht. Während sie so durch Baden und Würtemberg vordringt, organisirt sich auf ihren Flanken und in ihrem Rücken Landwehr und Landsturm, bricht aus dem Schwarzwald und Odenwald hervor, vereinigt sich mit den Männern aus den andern badischen und würtembergischen Kreisen, aus Darmstadt und Unterfranken, indeß die Mannschaft aus dem badischen Seekreis, dem würtembergischen Donaukreis und den beiden Hohenzollern, aus Südbayern und Tyrol sich zwar auch organisirt, aber nicht eher ausrückt, als bis ein Angriff von der Schweizergränze her droht. Im Westen könnte sich also leicht, ohne die Bundescontingente, eine Macht von mehreren hunderttausend Mann, und eine eben so starke im Süden sammeln und dem Feinde alle Communicationslinien, alle Subsistenzmittel abschneiden, zahlreiche große Verhaue anlegen, den Rhein bewachen u. s. w. Die bei Ulm angekommene französische Armee fände nun erst Widerstand an einer aus würtembergischen, badischen, bayerischen und österreichischen Truppen bestehenden Bundesarmee, gelehnt an eine starke Festung und unterstützt von deren Besatzung. Hic Rhodus, hic salta. Nehmen wir aber auch den ganz unwahrscheinlichen Fall an, daß diese deutsche Armee gleich geschlagen und Ulm genommen wird, so ist damit noch gar wenig für den Feind gewonnen, denn er ist auf jeden Fall durch die Schlacht und durch die Besetzung von Ulm geschwächt. Seine im Anfang achtzigtausend Mann starke Armee ist auf sechzigtausend geschmolzen, und nun hat er erst im feindlichen Lande mit der bayerischen Reserve-Armee, mit der bayerischen Landwehr, mit Oesterreichs und Preußens Heeren zu kämpfen, und so furchtbare Festungen wie Ingolstadt stehen ihm zunächst entgegen. Napoleon selbst, dieses große strategische und taktische Genie, an der Spitze einer ausgezeichneten, geübten und sieggewohnten Armee, mußte den deutschen Heeresmassen in seinem eigenen Lande erliegen. Was vermöchten diese sechzigtausend Mann mitten im feindlichen Lande, wo sie nicht bloß große stehende Heere und starke Festungen, sondern auch Landwehr und Landsturm gegen sich hätten, und von aller Hülfe und Zufuhr aus der Heimath abgeschnitten wären? &#x2013; Siegte aber die französische Armee <hi rendition="#g">nicht</hi> bei Ulm, so wäre gleich nach einer verlornen Schlacht, im Angesicht eines siegenden, sich immer verstärkenden Heeres und einer starken Festung, ihre Existenz sehr gefährdet. 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Später aber, wenn die Gefahr vorüber ist, wären die geeigneten Maaßregeln zu ergreifen, daß die Schweiz künftig nicht mehr ein unneutraler, gefährlicher Freund Deutschlands seyn kann. Zur vollständigen strategischen Sicherung und Abschließung Deutschlands auf dieser Seite gehören die Becken aller südlich und westlich in den Rhein strömenden Flüsse.&#x201C;</p><lb/>
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[1041/0009] Ueber die Vertheidigung Südwestdeutschlands. Von einem Franzosen. Ein französischer Officier aus Elsaß, der von 1805 bis 1813 alle Napoleonischen Feldzüge in Deutschland mitgemacht hat, und Südwestdeutschland genau kennt, nun aber in Ruhe lebt, äußerte sich über die Vertheidigung dieses Landes folgendermaßen: „Es herrschen über diese beiden Fragen bekanntlich zwei ganz verschiedene und abweichende Gesichtspunkte, ein baden-würtembergischer und ein deutscher. Der erste wünscht starke Festungen oder Blockhäuser im Vorgrund, am Oberrhein, damit es der Feind gar nicht wage, anzugreifen und einzudringen, und damit jene Länder von feindlicher Invasion frei bleiben. Er wäre unstreitig der richtigste, wenn er nicht auf einem falschen Vordersatz beruhte. Der deutsche Gesichtspunkt hingegen hält ganz richtig das Eindringen eines kühnen Feindes, der Festungen und Blockhäuser ungeachtet, für möglich, und für diesen Fall fragt er: ist eine starke Festung am Oberrhein, oder Ulm als große, starke Bundesfestung vorzuziehen? Die meisten Sachverständigen werden gewiß für Ulm stimmen. Ein Blick auf die Karte zeigt, daß das scheinbar so offene und unvertheidigte Südwestdeutschland einer Mausefalle gleicht und auch eine ist, wenn die Einwohner mit den Bevölkerungen des Schwarz- und Odenwaldes noch so tüchtig sind als 1796, wenn überdieß unter dem Volk in Baden und Würtemberg noch die deutsche Kraft von 1813 herrscht. Ist dieß der Fall, so darf von einem französischen Heer, das selbst bis Ulm vorgedrungen ist, kein Mann, kein Roß und keine Kanone zurückkommen. Ein nur etwas bedeutendes französisches Angriffsheer kann sich unmöglich hinter den Vogesen bilden, ohne daß Preußen und Bayern etwas davon gewahr werden; es kann sich aber auch nicht in und um Straßburg formiren, ohne daß man es in Baden merkt. Der deutsche Bund kann also immer Vorbereitungen zum Empfang des Feindes machen, Baden und Würtemberg können sich auf den Angriff gefaßt halten, zu ihrem Volk sprechen, durch eine Signallinie vom Rheinufer und den Schwarzwaldhöhen schnell überall hin wirken. Nehmen wir aber auch an, daß man in Deutschland von solchen Rüstungen gar nichts sieht und merkt, daß eine französische Armee von achtzigtausend Mann, mit der Propaganda an ihrer Spitze, ohne Anstand über den Rhein geht, daß sie auch ferner keinen Widerstand und Aufenthalt findet, oder ihn leicht wirft und schnell vorrückend Karlsruhe und Stuttgart besetzt, ja bis Ulm vorgeht. Während sie so durch Baden und Würtemberg vordringt, organisirt sich auf ihren Flanken und in ihrem Rücken Landwehr und Landsturm, bricht aus dem Schwarzwald und Odenwald hervor, vereinigt sich mit den Männern aus den andern badischen und würtembergischen Kreisen, aus Darmstadt und Unterfranken, indeß die Mannschaft aus dem badischen Seekreis, dem würtembergischen Donaukreis und den beiden Hohenzollern, aus Südbayern und Tyrol sich zwar auch organisirt, aber nicht eher ausrückt, als bis ein Angriff von der Schweizergränze her droht. Im Westen könnte sich also leicht, ohne die Bundescontingente, eine Macht von mehreren hunderttausend Mann, und eine eben so starke im Süden sammeln und dem Feinde alle Communicationslinien, alle Subsistenzmittel abschneiden, zahlreiche große Verhaue anlegen, den Rhein bewachen u. s. w. Die bei Ulm angekommene französische Armee fände nun erst Widerstand an einer aus würtembergischen, badischen, bayerischen und österreichischen Truppen bestehenden Bundesarmee, gelehnt an eine starke Festung und unterstützt von deren Besatzung. Hic Rhodus, hic salta. Nehmen wir aber auch den ganz unwahrscheinlichen Fall an, daß diese deutsche Armee gleich geschlagen und Ulm genommen wird, so ist damit noch gar wenig für den Feind gewonnen, denn er ist auf jeden Fall durch die Schlacht und durch die Besetzung von Ulm geschwächt. Seine im Anfang achtzigtausend Mann starke Armee ist auf sechzigtausend geschmolzen, und nun hat er erst im feindlichen Lande mit der bayerischen Reserve-Armee, mit der bayerischen Landwehr, mit Oesterreichs und Preußens Heeren zu kämpfen, und so furchtbare Festungen wie Ingolstadt stehen ihm zunächst entgegen. Napoleon selbst, dieses große strategische und taktische Genie, an der Spitze einer ausgezeichneten, geübten und sieggewohnten Armee, mußte den deutschen Heeresmassen in seinem eigenen Lande erliegen. Was vermöchten diese sechzigtausend Mann mitten im feindlichen Lande, wo sie nicht bloß große stehende Heere und starke Festungen, sondern auch Landwehr und Landsturm gegen sich hätten, und von aller Hülfe und Zufuhr aus der Heimath abgeschnitten wären? – Siegte aber die französische Armee nicht bei Ulm, so wäre gleich nach einer verlornen Schlacht, im Angesicht eines siegenden, sich immer verstärkenden Heeres und einer starken Festung, ihre Existenz sehr gefährdet. Alle Kräfte würden auf sie eindringen und sie zum Rückzug nöthigen, der bald in gänzliche Auflösung ausarten dürfte. – Käme aber Frankreich nach unverstellbarer Vorbereitung mit einem Heer von mehreren hunderttausend Mann über den Rhein, so wäre der deutsche Bund vorbereitet, und in ganz Süddeutschland selbst könnten die Widerstandskräfte in demselben Verhältniß wachsen, wenn das von der Gebirgsnatur und der Gestaltung des Landes begünstigte Volk noch so tüchtig ist als sonst. Es ist wahrscheinlich, daß die jetzige Schweiz einem französischen Heer, das den Durchgang nach Deutschland sucht, nicht entschieden und kräftig widerstehen kann oder will, und daß es dadurch den Franzosen möglich wird, über den südlichen Rhein zu gehen, und zu gleicher Zeit mit jener Rheinarmee in Deutschland einzufallen. Geschähe dieß, so tritt der südliche Landsturm auf und schließt die Falle zu im Rücken der vordringenden feindlichen Armee, die gleichfalls ihrem Schicksal nicht entgehen kann. Später aber, wenn die Gefahr vorüber ist, wären die geeigneten Maaßregeln zu ergreifen, daß die Schweiz künftig nicht mehr ein unneutraler, gefährlicher Freund Deutschlands seyn kann. Zur vollständigen strategischen Sicherung und Abschließung Deutschlands auf dieser Seite gehören die Becken aller südlich und westlich in den Rhein strömenden Flüsse.“ Französisches Recht, Urtheilssammlung, Gerichtszeitung. _ Paris. Das französische Recht und die französische Gerichtsverfassung, die einst einen großen Theil von Europa beherrschten, gelten heute noch in mehreren unserer schönsten Provinzen am Rhein, in Rheinpreußen, Rheinbayern, Rheinhessen, mit wenig bedeutenden Veränderungen, als gesetzliche Grundnorm; der tiefen und bleibenden Einflüsse, die das Gesetzbuch Napoleons in andern deutschen Ländern, z. B. in Baden u. s. w. ausgeübt hat, hier nicht weiter zu gedenken. 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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 131. Augsburg, 10. Mai 1840, S. 1041. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_131_18400510/9>, abgerufen am 21.11.2024.