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Allgemeine Zeitung. Nr. 134. Augsburg, 13. Mai 1840.

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Thiers hinzu, er habe genug an der vorjährigen Collectivnote, um die noch jetzt herumgegangen und wegen der eigentlich gestritten werde; er wolle sich auf keine Weise die Hände binden, und schärfe es dem Botschafter des Königs ein, ihm nicht etwa den Strick dazu zu liefern. Er wolle und könne nicht die Hand zu Zwangsmaaßregeln gegen Mehemed Ali bieten, worauf es doch abgesehen sey. Er werde und könne aber auch gewissermaßen Niemanden hinderlich seyn, so zu verfahren, wie es ihm gutdünke und überlasse es einem jeden nach Laune zu handeln, so lange nicht die Ehre oder die Interessen Frankreichs dadurch verletzt werden. Er könne aber nicht verhehlen, daß es ihm etwas abenteuerlich scheine, Mehemed Ali zwingen zu wollen, weil er erstens besser gebettet sey, als man wähne, und es nur Eine Macht, England, gebe, die es allenfalls zu unternehmen wagen könnte, obgleich alsdann im besten Fall der Vortheil gewiß nicht die Nachtheile aufwiegen dürfte, die es dabei finden würde. Er, Thiers, wolle jedoch nicht mit seinem Urtheil vorgreifen, und wenn Guizot fände, daß man anders in London denke, so möge er versuchen, Vorstellungen zu machen, blieben diese unberücksichtigt, das Weitere ruhig abwarten. Thiers ist durch die täglich aus der Levante eingehenden Berichte überzeugt, daß Mehemed Ali, sollte er ernstlich gedrängt werden, hinreichend Mittel und Kraft besitzt, um tüchtigen und langen Widerstand zu leisten, und mehr, glaubt er, bedarf es nicht, damit er glücklich aus dem Kampfe gehe. Dagegen ist Lord Palmerston durch die ihm zukommenden Mittheilungen der brittischen Agenten zu der Meinung gelangt, daß Mehemed Ali ein großer Komödiant sey, hinter dem nicht viel stecke, sobald er demaskirt werde, und der sich schon fügen werde, sobald er merke, daß man ihn durchblickt habe. Palmerston glaubt an keine ägyptische Macht, wenigstens nicht nach europäischen Begriffen. Er gibt nur zu, daß Mehemed Ali der Pforte gefährlich seyn könne, die kaum mehr zähle, und eben deßhalb glaubt er es nöthig, ihm die Flügel zu beschneiden, damit er sich nicht einen zu großen Aufschwung gebe, und allenfalls dem Sultan eines schönen Morgens Schach biete. Nach den widersprechenden Ansichten der englischen und französischen Agenten im Orient hat sich die Meinung mehr oder minder dies- und jenseits des Canals gebildet, und ist Thiers gleich Palmerston gehalten, seine Politik zu beobachten, was ein großer Uebelstand ist, weil es auf diese Weise schwer fällt, sich völlig zu verständigen.

In den Debatten über das Zuckergesetz zeigt sich offenbar, daß die Colonien die besten Redner für sich haben, während zu Gunsten des Rübenzuckers beinahe nur mittelmäßige Vorträge erscheinen; der einzige Redner dieser Partei, der mit Ruhe und Aufmerksamkeit angehört wurde, war Hr. Berville, dessen schöne Diction und logische Darstellung der Verhältnisse der Colonien auf alle seine Collegen Eindruck machte, die keine vorgefaßte Meinung für die Colonien hegen. Die Anhänger der Colonien haben in dieser kritischen Lage kein Mittel vernachlässigt, um auf die Kammer zu wirken, und es verlautet, daß sie auch auf das volltönende Organ des Hrn. Berryer rechnen können. Gestern nahmen drei Reden die ganze Sitzung weg, weil jeder Redner eine vollständige Abhandlung über die Materie geben wollte; der dritte, der Referent General Bugeaud, gab, wie gewöhnlich, hinreichenden Stoff zum Gelächter, und man bemerkt allgemein, daß seine Vorträge bei dem unbefangenen Theile der Kammer dem inländischen Zucker schaden, den er doch vertheidigt. Nach dem Schluß der allgemeinen Debatten entwickelte Hr. Lacave-Laplagne, der Finanzminister des Cabinets vom 12 Mai, sein Amendement, dahin zielend, die Fabrication des Runkelrübenzuckers ganz zu verbieten, und dagegen den bestehenden Fabriken eine Entschädigung zu gewähren; er vertheidigte somit nicht allein das System des ursprünglich von ihm vorgelegten Entwurfs, sondern ging viel weiter, durch das Verbot der Fabrication. Gestern Abend und heute erklärten die Anhänger des inländischen Zuckers, wenn die Auflage auf denselben über 25 Fr. gesteigert werde, würden sie selbst für dieses Amendement stimmen, welches den Fabricanten weniger Nachtheil bringe als die erhöhte Auflage; mehrere derselben wollen bei Eingang der heutigen Sitzung darauf antragen, daß vorab über den Betrag der Auflage abgestimmt werde, bevor man sich mit dem Amendement beschäftige; indessen wird schwerlich diesem Antrag stattgegeben werden, weil die Debatten über den Betrag der Steuer viele Zeit wegnehmen würden, die im Falle der Annahme des Amendements ganz überflüssig angewendet wäre. Die Annahme jenes Amendements läßt sich übrigens nicht vermuthen; da die in der Frage unbefangenen Deputirten alle Grundbesitzer sind, so werden sie sich und den Ihrigen nicht alle Hoffnung zerstören wollen, durch Runkelrübenpflanzungen den Ertrag ihrer Ländereien bedeutend zu vermehren. - Die linke Seite hat jetzt durch verschiedene ihr zu Ohren gekommene Aeußerungen des Hrn. Thiers die Gewißheit erlangt, daß der Hr. Conseilpräsident von dem Circular des Grafen Jaubert über die Motion v. Remilly vor seiner Absendung Kenntniß hatte, und es billigte, die Vorwürfe über seine Doppelsinnigkeit werden nicht ausbleiben. - Die Krankheit der Herzogin von Orleans hat abgenommen, aber noch ist keine vollkommene Herstellung eingetreten, und die Trennung ihrer Wohnung von den übrigen Theilen des Palastes besteht fortwährend.

Italien.

Alle aus Neapel eingehenden Berichte sprechen die Hoffnung aus, bald im Stande zu seyn, die Nachricht mittheilen zu können, daß der Streit mit England völlig geschlichtet sey. Der Handelsstand wünscht es, und in Sicilien wird die Lage immer bedenklicher; die ärmere Classe der Bevölkerung dort ist der Verzweiflung hingegeben und läßt Alles befürchten. Nur diejenigen, welche Antheil an diesem unglückseligen Schwefelmonopol haben, lamentiren und möchten ganz Europa deßhalb in Flammen setzen. Sie sind es, welche über schreiende Ungerechtigkeiten klagen, und es nicht gestatten wollten, daß die Regierung den wohlwollenden Rathschlägen der befreundeten Mächte nachgebe. Frankreichs Vermittlung gibt der Regierung in Neapel die Garantie, daß es keinen Schritt thun dürfe, wodurch ihre Souveränetätsrechte beeinträchtigt würden. Zu der Aufhebung des Schwefelmonopols hat der König von Neapel sich schon früher bereitwillig erklärt und wird solches auch noch jeden Augenblick thun, nur die Geldentschädigung, welche England für seine Unterthanen stellt, scheint noch der streitige Punkt. Hierin wird England wohl von seiner großen Forderung Vieles nachlassen, so wie die Compagnie ihrerseits sich mit einer Abfindungssumme zufrieden stellen muß. - Alle italienischen Blätter haben diese Angelegenheit besprochen, nur das hiesige halb officielle Diario hat bis jetzt kein Wort darüber gemeldet, und so sieht sich das Publicum denn ganz auf die fremden Zeitungen angewiesen, um aus Neapel etwas zu erfahren.

Deutschland.

Trotz dem, daß hier in zwei Jahren nahe an 400 neue Zimmer gebaut wurden, und die Zahl der vermiethbaren Zimmer für Badegäste sich auf 1900 beläuft, wird den vielen Bestellungen nach, die jetzt schon eingelaufen sind, doch kein Ueberfluß seyn. Außer der bedeutenden Anzahl

Thiers hinzu, er habe genug an der vorjährigen Collectivnote, um die noch jetzt herumgegangen und wegen der eigentlich gestritten werde; er wolle sich auf keine Weise die Hände binden, und schärfe es dem Botschafter des Königs ein, ihm nicht etwa den Strick dazu zu liefern. Er wolle und könne nicht die Hand zu Zwangsmaaßregeln gegen Mehemed Ali bieten, worauf es doch abgesehen sey. Er werde und könne aber auch gewissermaßen Niemanden hinderlich seyn, so zu verfahren, wie es ihm gutdünke und überlasse es einem jeden nach Laune zu handeln, so lange nicht die Ehre oder die Interessen Frankreichs dadurch verletzt werden. Er könne aber nicht verhehlen, daß es ihm etwas abenteuerlich scheine, Mehemed Ali zwingen zu wollen, weil er erstens besser gebettet sey, als man wähne, und es nur Eine Macht, England, gebe, die es allenfalls zu unternehmen wagen könnte, obgleich alsdann im besten Fall der Vortheil gewiß nicht die Nachtheile aufwiegen dürfte, die es dabei finden würde. Er, Thiers, wolle jedoch nicht mit seinem Urtheil vorgreifen, und wenn Guizot fände, daß man anders in London denke, so möge er versuchen, Vorstellungen zu machen, blieben diese unberücksichtigt, das Weitere ruhig abwarten. Thiers ist durch die täglich aus der Levante eingehenden Berichte überzeugt, daß Mehemed Ali, sollte er ernstlich gedrängt werden, hinreichend Mittel und Kraft besitzt, um tüchtigen und langen Widerstand zu leisten, und mehr, glaubt er, bedarf es nicht, damit er glücklich aus dem Kampfe gehe. Dagegen ist Lord Palmerston durch die ihm zukommenden Mittheilungen der brittischen Agenten zu der Meinung gelangt, daß Mehemed Ali ein großer Komödiant sey, hinter dem nicht viel stecke, sobald er demaskirt werde, und der sich schon fügen werde, sobald er merke, daß man ihn durchblickt habe. Palmerston glaubt an keine ägyptische Macht, wenigstens nicht nach europäischen Begriffen. Er gibt nur zu, daß Mehemed Ali der Pforte gefährlich seyn könne, die kaum mehr zähle, und eben deßhalb glaubt er es nöthig, ihm die Flügel zu beschneiden, damit er sich nicht einen zu großen Aufschwung gebe, und allenfalls dem Sultan eines schönen Morgens Schach biete. Nach den widersprechenden Ansichten der englischen und französischen Agenten im Orient hat sich die Meinung mehr oder minder dies- und jenseits des Canals gebildet, und ist Thiers gleich Palmerston gehalten, seine Politik zu beobachten, was ein großer Uebelstand ist, weil es auf diese Weise schwer fällt, sich völlig zu verständigen.

In den Debatten über das Zuckergesetz zeigt sich offenbar, daß die Colonien die besten Redner für sich haben, während zu Gunsten des Rübenzuckers beinahe nur mittelmäßige Vorträge erscheinen; der einzige Redner dieser Partei, der mit Ruhe und Aufmerksamkeit angehört wurde, war Hr. Berville, dessen schöne Diction und logische Darstellung der Verhältnisse der Colonien auf alle seine Collegen Eindruck machte, die keine vorgefaßte Meinung für die Colonien hegen. Die Anhänger der Colonien haben in dieser kritischen Lage kein Mittel vernachlässigt, um auf die Kammer zu wirken, und es verlautet, daß sie auch auf das volltönende Organ des Hrn. Berryer rechnen können. Gestern nahmen drei Reden die ganze Sitzung weg, weil jeder Redner eine vollständige Abhandlung über die Materie geben wollte; der dritte, der Referent General Bugeaud, gab, wie gewöhnlich, hinreichenden Stoff zum Gelächter, und man bemerkt allgemein, daß seine Vorträge bei dem unbefangenen Theile der Kammer dem inländischen Zucker schaden, den er doch vertheidigt. Nach dem Schluß der allgemeinen Debatten entwickelte Hr. Lacave-Laplagne, der Finanzminister des Cabinets vom 12 Mai, sein Amendement, dahin zielend, die Fabrication des Runkelrübenzuckers ganz zu verbieten, und dagegen den bestehenden Fabriken eine Entschädigung zu gewähren; er vertheidigte somit nicht allein das System des ursprünglich von ihm vorgelegten Entwurfs, sondern ging viel weiter, durch das Verbot der Fabrication. Gestern Abend und heute erklärten die Anhänger des inländischen Zuckers, wenn die Auflage auf denselben über 25 Fr. gesteigert werde, würden sie selbst für dieses Amendement stimmen, welches den Fabricanten weniger Nachtheil bringe als die erhöhte Auflage; mehrere derselben wollen bei Eingang der heutigen Sitzung darauf antragen, daß vorab über den Betrag der Auflage abgestimmt werde, bevor man sich mit dem Amendement beschäftige; indessen wird schwerlich diesem Antrag stattgegeben werden, weil die Debatten über den Betrag der Steuer viele Zeit wegnehmen würden, die im Falle der Annahme des Amendements ganz überflüssig angewendet wäre. Die Annahme jenes Amendements läßt sich übrigens nicht vermuthen; da die in der Frage unbefangenen Deputirten alle Grundbesitzer sind, so werden sie sich und den Ihrigen nicht alle Hoffnung zerstören wollen, durch Runkelrübenpflanzungen den Ertrag ihrer Ländereien bedeutend zu vermehren. – Die linke Seite hat jetzt durch verschiedene ihr zu Ohren gekommene Aeußerungen des Hrn. Thiers die Gewißheit erlangt, daß der Hr. Conseilpräsident von dem Circular des Grafen Jaubert über die Motion v. Rémilly vor seiner Absendung Kenntniß hatte, und es billigte, die Vorwürfe über seine Doppelsinnigkeit werden nicht ausbleiben. – Die Krankheit der Herzogin von Orleans hat abgenommen, aber noch ist keine vollkommene Herstellung eingetreten, und die Trennung ihrer Wohnung von den übrigen Theilen des Palastes besteht fortwährend.

Italien.

Alle aus Neapel eingehenden Berichte sprechen die Hoffnung aus, bald im Stande zu seyn, die Nachricht mittheilen zu können, daß der Streit mit England völlig geschlichtet sey. Der Handelsstand wünscht es, und in Sicilien wird die Lage immer bedenklicher; die ärmere Classe der Bevölkerung dort ist der Verzweiflung hingegeben und läßt Alles befürchten. Nur diejenigen, welche Antheil an diesem unglückseligen Schwefelmonopol haben, lamentiren und möchten ganz Europa deßhalb in Flammen setzen. Sie sind es, welche über schreiende Ungerechtigkeiten klagen, und es nicht gestatten wollten, daß die Regierung den wohlwollenden Rathschlägen der befreundeten Mächte nachgebe. Frankreichs Vermittlung gibt der Regierung in Neapel die Garantie, daß es keinen Schritt thun dürfe, wodurch ihre Souveränetätsrechte beeinträchtigt würden. Zu der Aufhebung des Schwefelmonopols hat der König von Neapel sich schon früher bereitwillig erklärt und wird solches auch noch jeden Augenblick thun, nur die Geldentschädigung, welche England für seine Unterthanen stellt, scheint noch der streitige Punkt. Hierin wird England wohl von seiner großen Forderung Vieles nachlassen, so wie die Compagnie ihrerseits sich mit einer Abfindungssumme zufrieden stellen muß. – Alle italienischen Blätter haben diese Angelegenheit besprochen, nur das hiesige halb officielle Diario hat bis jetzt kein Wort darüber gemeldet, und so sieht sich das Publicum denn ganz auf die fremden Zeitungen angewiesen, um aus Neapel etwas zu erfahren.

Deutschland.

Trotz dem, daß hier in zwei Jahren nahe an 400 neue Zimmer gebaut wurden, und die Zahl der vermiethbaren Zimmer für Badegäste sich auf 1900 beläuft, wird den vielen Bestellungen nach, die jetzt schon eingelaufen sind, doch kein Ueberfluß seyn. Außer der bedeutenden Anzahl

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[1069/0005] Thiers hinzu, er habe genug an der vorjährigen Collectivnote, um die noch jetzt herumgegangen und wegen der eigentlich gestritten werde; er wolle sich auf keine Weise die Hände binden, und schärfe es dem Botschafter des Königs ein, ihm nicht etwa den Strick dazu zu liefern. Er wolle und könne nicht die Hand zu Zwangsmaaßregeln gegen Mehemed Ali bieten, worauf es doch abgesehen sey. Er werde und könne aber auch gewissermaßen Niemanden hinderlich seyn, so zu verfahren, wie es ihm gutdünke und überlasse es einem jeden nach Laune zu handeln, so lange nicht die Ehre oder die Interessen Frankreichs dadurch verletzt werden. Er könne aber nicht verhehlen, daß es ihm etwas abenteuerlich scheine, Mehemed Ali zwingen zu wollen, weil er erstens besser gebettet sey, als man wähne, und es nur Eine Macht, England, gebe, die es allenfalls zu unternehmen wagen könnte, obgleich alsdann im besten Fall der Vortheil gewiß nicht die Nachtheile aufwiegen dürfte, die es dabei finden würde. Er, Thiers, wolle jedoch nicht mit seinem Urtheil vorgreifen, und wenn Guizot fände, daß man anders in London denke, so möge er versuchen, Vorstellungen zu machen, blieben diese unberücksichtigt, das Weitere ruhig abwarten. Thiers ist durch die täglich aus der Levante eingehenden Berichte überzeugt, daß Mehemed Ali, sollte er ernstlich gedrängt werden, hinreichend Mittel und Kraft besitzt, um tüchtigen und langen Widerstand zu leisten, und mehr, glaubt er, bedarf es nicht, damit er glücklich aus dem Kampfe gehe. Dagegen ist Lord Palmerston durch die ihm zukommenden Mittheilungen der brittischen Agenten zu der Meinung gelangt, daß Mehemed Ali ein großer Komödiant sey, hinter dem nicht viel stecke, sobald er demaskirt werde, und der sich schon fügen werde, sobald er merke, daß man ihn durchblickt habe. Palmerston glaubt an keine ägyptische Macht, wenigstens nicht nach europäischen Begriffen. Er gibt nur zu, daß Mehemed Ali der Pforte gefährlich seyn könne, die kaum mehr zähle, und eben deßhalb glaubt er es nöthig, ihm die Flügel zu beschneiden, damit er sich nicht einen zu großen Aufschwung gebe, und allenfalls dem Sultan eines schönen Morgens Schach biete. Nach den widersprechenden Ansichten der englischen und französischen Agenten im Orient hat sich die Meinung mehr oder minder dies- und jenseits des Canals gebildet, und ist Thiers gleich Palmerston gehalten, seine Politik zu beobachten, was ein großer Uebelstand ist, weil es auf diese Weise schwer fällt, sich völlig zu verständigen. _ Paris, 8 Mai. In den Debatten über das Zuckergesetz zeigt sich offenbar, daß die Colonien die besten Redner für sich haben, während zu Gunsten des Rübenzuckers beinahe nur mittelmäßige Vorträge erscheinen; der einzige Redner dieser Partei, der mit Ruhe und Aufmerksamkeit angehört wurde, war Hr. Berville, dessen schöne Diction und logische Darstellung der Verhältnisse der Colonien auf alle seine Collegen Eindruck machte, die keine vorgefaßte Meinung für die Colonien hegen. Die Anhänger der Colonien haben in dieser kritischen Lage kein Mittel vernachlässigt, um auf die Kammer zu wirken, und es verlautet, daß sie auch auf das volltönende Organ des Hrn. Berryer rechnen können. Gestern nahmen drei Reden die ganze Sitzung weg, weil jeder Redner eine vollständige Abhandlung über die Materie geben wollte; der dritte, der Referent General Bugeaud, gab, wie gewöhnlich, hinreichenden Stoff zum Gelächter, und man bemerkt allgemein, daß seine Vorträge bei dem unbefangenen Theile der Kammer dem inländischen Zucker schaden, den er doch vertheidigt. Nach dem Schluß der allgemeinen Debatten entwickelte Hr. Lacave-Laplagne, der Finanzminister des Cabinets vom 12 Mai, sein Amendement, dahin zielend, die Fabrication des Runkelrübenzuckers ganz zu verbieten, und dagegen den bestehenden Fabriken eine Entschädigung zu gewähren; er vertheidigte somit nicht allein das System des ursprünglich von ihm vorgelegten Entwurfs, sondern ging viel weiter, durch das Verbot der Fabrication. Gestern Abend und heute erklärten die Anhänger des inländischen Zuckers, wenn die Auflage auf denselben über 25 Fr. gesteigert werde, würden sie selbst für dieses Amendement stimmen, welches den Fabricanten weniger Nachtheil bringe als die erhöhte Auflage; mehrere derselben wollen bei Eingang der heutigen Sitzung darauf antragen, daß vorab über den Betrag der Auflage abgestimmt werde, bevor man sich mit dem Amendement beschäftige; indessen wird schwerlich diesem Antrag stattgegeben werden, weil die Debatten über den Betrag der Steuer viele Zeit wegnehmen würden, die im Falle der Annahme des Amendements ganz überflüssig angewendet wäre. Die Annahme jenes Amendements läßt sich übrigens nicht vermuthen; da die in der Frage unbefangenen Deputirten alle Grundbesitzer sind, so werden sie sich und den Ihrigen nicht alle Hoffnung zerstören wollen, durch Runkelrübenpflanzungen den Ertrag ihrer Ländereien bedeutend zu vermehren. – Die linke Seite hat jetzt durch verschiedene ihr zu Ohren gekommene Aeußerungen des Hrn. Thiers die Gewißheit erlangt, daß der Hr. Conseilpräsident von dem Circular des Grafen Jaubert über die Motion v. Rémilly vor seiner Absendung Kenntniß hatte, und es billigte, die Vorwürfe über seine Doppelsinnigkeit werden nicht ausbleiben. – Die Krankheit der Herzogin von Orleans hat abgenommen, aber noch ist keine vollkommene Herstellung eingetreten, und die Trennung ihrer Wohnung von den übrigen Theilen des Palastes besteht fortwährend. Italien. _ Rom, 4 Mai. Alle aus Neapel eingehenden Berichte sprechen die Hoffnung aus, bald im Stande zu seyn, die Nachricht mittheilen zu können, daß der Streit mit England völlig geschlichtet sey. Der Handelsstand wünscht es, und in Sicilien wird die Lage immer bedenklicher; die ärmere Classe der Bevölkerung dort ist der Verzweiflung hingegeben und läßt Alles befürchten. Nur diejenigen, welche Antheil an diesem unglückseligen Schwefelmonopol haben, lamentiren und möchten ganz Europa deßhalb in Flammen setzen. Sie sind es, welche über schreiende Ungerechtigkeiten klagen, und es nicht gestatten wollten, daß die Regierung den wohlwollenden Rathschlägen der befreundeten Mächte nachgebe. Frankreichs Vermittlung gibt der Regierung in Neapel die Garantie, daß es keinen Schritt thun dürfe, wodurch ihre Souveränetätsrechte beeinträchtigt würden. Zu der Aufhebung des Schwefelmonopols hat der König von Neapel sich schon früher bereitwillig erklärt und wird solches auch noch jeden Augenblick thun, nur die Geldentschädigung, welche England für seine Unterthanen stellt, scheint noch der streitige Punkt. Hierin wird England wohl von seiner großen Forderung Vieles nachlassen, so wie die Compagnie ihrerseits sich mit einer Abfindungssumme zufrieden stellen muß. – Alle italienischen Blätter haben diese Angelegenheit besprochen, nur das hiesige halb officielle Diario hat bis jetzt kein Wort darüber gemeldet, und so sieht sich das Publicum denn ganz auf die fremden Zeitungen angewiesen, um aus Neapel etwas zu erfahren. Deutschland. _ Kissingen, 4 Mai. Trotz dem, daß hier in zwei Jahren nahe an 400 neue Zimmer gebaut wurden, und die Zahl der vermiethbaren Zimmer für Badegäste sich auf 1900 beläuft, wird den vielen Bestellungen nach, die jetzt schon eingelaufen sind, doch kein Ueberfluß seyn. Außer der bedeutenden Anzahl

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 134. Augsburg, 13. Mai 1840, S. 1069. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_134_18400513/5>, abgerufen am 23.11.2024.