Allgemeine Zeitung. Nr. 136. Augsburg, 15. Mai 1840.66,000 Inscribirte gewiß mit 10,000 diensttauglichen Männern, und erhält sonach einen Effectivstand von 75 bis 76,000 Mann. Seit 1836 hat sich die Marineinscription um 8 bis 10,000 Mann vermehrt. Sie beträgt gegenwärtig 110,000 Menschen; im Jahre 1776 betrug sie nur 67,000 Menschen. Seit fünfzig Jahren hat unsre Marinebevölkerung zugenommen, und dieß war namentlich seit einigen Jahren der Fall. Zwar war die Zunahme nicht so groß, als ich wünschte, aber gewiß ist, daß unsre Marinebevölkerung im Fortschreiten ist. Unsre verfügbaren Seeleute belaufen sich wie gesagt auf 55,000 Mann, durch einen Gesetzartikel können Sie dieselben auf 65,000 bringen; mit Einschluß der ausgehobenen Linienmannschaften betragen sie 85,000. Von obigen 55,000 Mann kommen 19,000 auf die k. Marine, 17,000 sind bei der Schifffahrt im Nordmeere, in Ostindien, an der Küste von Afrika und im mittelländischen Meere beschäftigt, 10,000 absorbiren die Colonien, die übrigen der Meerfischfang. Nimmt man nun einen Effectivstand unsrer Marine von 55,000 Seeleuten an, so kommt davon ein Fünftel auf die Colonien, nimmt man 85,000 an, so ist das Verhältniß ein Achtel. Sonach ist es unwahr, daß die Marine kein Interesse an der Erhaltung der Colonien hätte, aber unwahr ist es auch, daß die Colonien die ganze Größe der französischen Seemacht enthalten. Die Vortheile unsrer Colonien sind also mit Einem Worte folgende: sie repräsentiren den dreizehnten Theil unsers allgemeinen Handels und den fünften oder achten Theil der Größe unsrer Marine. Würde man heute zu den Colonisten sagen: unser System ist geändert; vor zwei Jahrhunderten setzten wir Hoffnungen in die Colonien, jetzt haben wir keine mehr; handelt wohin ihr wollt - überdieß habt ihr Neger, die man früher oder später emancipiren muß; diese Emancipation kommt theuer zu stehen, wir wollen uns nicht mehr mit euch beschäftigen - wenn man so zu den Colonien sprechen würde, hieße dieß nicht ein großes moralisches Interesse verkennen? Die Colonisten sind Franzosen, die ihr vor zwei Jahrhunderten ermuntert, nach den Colonien gelockt habt; sie müssen als Franzosen behandelt werden." In der Sitzung der Deputirtenkammer am 9 Mai nahm am Schlusse der Discussion über das Amendement des Hrn. Lavace Laplagne der eifrigste Verfechter des Rübenzuckers, General Bugeaud, als Berichterstatter das Wort: "Es ist unmöglich, die Sache der Erhaltung der einheimischen Zuckerindustrie besser zu vertheidigen, als der Präsident des Conseils in der gestrigen Sitzung gethan hat, und wenn ich nicht dieselben ökonomischen Ideen bereits besessen, wenn ich nicht, wie er, eine große Liebe für die Cultur der Runkelrübe schon früher gehabt, so hätte er mich, ich erkläre es, für seine Fahne gewonnen. Wenn es nun aber in diesem Falle überflüssig war, mich zu erobern, so gestehe ich wenigstens, daß die Rede des Conseilpräsidenten mein Herz mit Hoffnungen erfüllt hat. Was darf man aus der glänzenden Schilderung, die er Ihnen von den Vortheilen dieser großen industriellen Cultur gemacht, anders schließen, als daß er der einheimischen Industrie eine Lage bereiten will, die ihr gestattet zu existiren, nicht als eine Merkwürdigkeit, sondern als eine wahre Industrie des Landes. Jedoch ließ sich der Präsident des Conseils bei Beginn seiner schönen Rede eine Bemerkung entwischen, die meine Hoffnungen etwas herabstimmte. Er sagte, daß er dem gegenwärtigen Amendement das Amendement des Hrn. Lanyer (der eine Steuer von 25 Fr. auf den Rübenzucker vorschlägt) vorziehen würde. Freilich, einen Vorzug geben heißt noch keineswegs eine Wahl treffen. Man zieht ein kleineres Uebel einem größern vor; ich habe also Ursache zu hoffen und zu glauben, daß dieß noch nicht das letzte Wort des Cabinets ist. (Gelächter). Bei der Abstimmung ergab sich, wie gestern bereits erwähnt worden, eine entschiedene Majorität gegen das Amendement des Hrn. Lacave-Laplagne. Die drei ersten Artikel des Gesetzesentwurfs hinsichtlich der Zölle des Colonialzuckers wurden angenommen. Ein Amendement des Hrn. Monier de la Sizeranne, die Abgaben auf beide Industrien binnen fünfzehn Jahren allmählich gleich zu stellen, wurde mit großer Majorität verworfen. Ueber das Amendement des Hrn. Dumon, welcher eine Abgabe von 27 Fr. auf den Rübenzucker vorschlägt, war es am Schlusse der Sitzung noch zu keiner Abstimmung gekommen. Die Pairskammer fuhr in ihrer Sitzung vom 9 Mai mit der Berathung des Expropriationsgesetzes fort, ohne damit zu Ende zu kommen. Diese Discussion zieht sich bereits durch mehrere Sitzungen. Der Finanzminister legte drei bereits von der Deputirtenkammer angenommene Gesetzesentwürfe vor, hinsichtlich der Rentenumwandlung, der Abschaffung des Salzmonopols und der definitiven Regulirung der Rechnungen von 1837. Die Akademie der schönen Künste hat im ersten Scrutin den Grafen Montalivet mit 36 Stimmen zum Mitglied ernannt. Hr. Bragniart und Hr. Onslow hatten jeder 2 Stimmen erhalten. Das in Havre erscheinende Journal d'Outre-Mer gibt nähere Details über die Wegnahme eines französischen Schiffs an der Mündung des Gambia. Die HH. Pellen und Marbeau, Kaufleute von Saint-Louis am Senegal, hatten mit der französischen Colonialverwaltung einen Contract abgeschlossen, dem zufolge sie sich anheischig machten, hundert Negersklaven nach Cayenne abzuschicken, woselbst sie ihre Freiheit erhalten und gegen Verpflichtung einer vierzehnjährigen Dienstzeit eine Compagnie von Pionniers bilden sollten. Ein Officier der k. Marine sollte mit nach Cayenne reisen, um die pünktliche Vollziehung des Contracts zu überwachen. Die für diesen Transport bestimmte Goelette wurde im Hafen von St. Marie von der englischen Krigsbrigg Sarazin, dessen Commandant, Capitän Hill, die Bestimmung des Fahrzeugs bereits kannte, angehalten. Die Schwarzen waren noch nicht am Bord, wohl aber der zu ihrem Verbrauch nöthige Wasservorrath. Capitän Hill, der hier eine Uebertretung des Sklavenhandelverbots erblicken zu müssen glaubte, nahm das Fahrzeug in Beschlag und führte es sammt Mannschaft und Passagieren nach Sierra-Leone. Der französische Gouverneur des Senegal schickte ein Fahrzeug dorthin ab, um das weggenommene Schiff zu reclamiren. Das Journal d'Outre-Mer beklagt, daß Frankreich den Engländern das Recht die Schiffe zu durchsuchen gestatten habe, während von der Regierung der Vereinigten Staaten dieß nie geduldet worden sey. Paris, 9 Mai. Die Begebenheiten bestätigen unser Urtheil über die in den Departementen ausgebrochenen Unruhen, die eine Carlistische Correspondenz in der Allgem. Ztg. als die drohenden Vorläufer eines nahen Untergangs von Frankreich deuten wollte. Gott sey Dank, Frankreich steht nicht auf so schwachen Füßen, daß der augenblickliche Unverstand einer aufgebrachten oder hungrigen Gemeinde seinem Daseyn, seiner Fortdauer Gefahr drohte, oder daß es die Widerlegung so liebevoller Prophezeiungen nicht mit aller Zuversicht der Zeit allein überlassen könnte. Wir hören noch immer von vereinzelten meuterischen Auftritten gegen die Fruchtpreise in den Provinzstädten, aber überall beschränkt sich die That auf unzusammenhängende Versuche, denen das bloße Erscheinen der Behörde alsbald ein Ende macht. Wir haben in dieser Beziehung ein 66,000 Inscribirte gewiß mit 10,000 diensttauglichen Männern, und erhält sonach einen Effectivstand von 75 bis 76,000 Mann. Seit 1836 hat sich die Marineinscription um 8 bis 10,000 Mann vermehrt. Sie beträgt gegenwärtig 110,000 Menschen; im Jahre 1776 betrug sie nur 67,000 Menschen. Seit fünfzig Jahren hat unsre Marinebevölkerung zugenommen, und dieß war namentlich seit einigen Jahren der Fall. Zwar war die Zunahme nicht so groß, als ich wünschte, aber gewiß ist, daß unsre Marinebevölkerung im Fortschreiten ist. Unsre verfügbaren Seeleute belaufen sich wie gesagt auf 55,000 Mann, durch einen Gesetzartikel können Sie dieselben auf 65,000 bringen; mit Einschluß der ausgehobenen Linienmannschaften betragen sie 85,000. Von obigen 55,000 Mann kommen 19,000 auf die k. Marine, 17,000 sind bei der Schifffahrt im Nordmeere, in Ostindien, an der Küste von Afrika und im mittelländischen Meere beschäftigt, 10,000 absorbiren die Colonien, die übrigen der Meerfischfang. Nimmt man nun einen Effectivstand unsrer Marine von 55,000 Seeleuten an, so kommt davon ein Fünftel auf die Colonien, nimmt man 85,000 an, so ist das Verhältniß ein Achtel. Sonach ist es unwahr, daß die Marine kein Interesse an der Erhaltung der Colonien hätte, aber unwahr ist es auch, daß die Colonien die ganze Größe der französischen Seemacht enthalten. Die Vortheile unsrer Colonien sind also mit Einem Worte folgende: sie repräsentiren den dreizehnten Theil unsers allgemeinen Handels und den fünften oder achten Theil der Größe unsrer Marine. Würde man heute zu den Colonisten sagen: unser System ist geändert; vor zwei Jahrhunderten setzten wir Hoffnungen in die Colonien, jetzt haben wir keine mehr; handelt wohin ihr wollt – überdieß habt ihr Neger, die man früher oder später emancipiren muß; diese Emancipation kommt theuer zu stehen, wir wollen uns nicht mehr mit euch beschäftigen – wenn man so zu den Colonien sprechen würde, hieße dieß nicht ein großes moralisches Interesse verkennen? Die Colonisten sind Franzosen, die ihr vor zwei Jahrhunderten ermuntert, nach den Colonien gelockt habt; sie müssen als Franzosen behandelt werden.“ In der Sitzung der Deputirtenkammer am 9 Mai nahm am Schlusse der Discussion über das Amendement des Hrn. Lavace Laplagne der eifrigste Verfechter des Rübenzuckers, General Bugeaud, als Berichterstatter das Wort: „Es ist unmöglich, die Sache der Erhaltung der einheimischen Zuckerindustrie besser zu vertheidigen, als der Präsident des Conseils in der gestrigen Sitzung gethan hat, und wenn ich nicht dieselben ökonomischen Ideen bereits besessen, wenn ich nicht, wie er, eine große Liebe für die Cultur der Runkelrübe schon früher gehabt, so hätte er mich, ich erkläre es, für seine Fahne gewonnen. Wenn es nun aber in diesem Falle überflüssig war, mich zu erobern, so gestehe ich wenigstens, daß die Rede des Conseilpräsidenten mein Herz mit Hoffnungen erfüllt hat. Was darf man aus der glänzenden Schilderung, die er Ihnen von den Vortheilen dieser großen industriellen Cultur gemacht, anders schließen, als daß er der einheimischen Industrie eine Lage bereiten will, die ihr gestattet zu existiren, nicht als eine Merkwürdigkeit, sondern als eine wahre Industrie des Landes. Jedoch ließ sich der Präsident des Conseils bei Beginn seiner schönen Rede eine Bemerkung entwischen, die meine Hoffnungen etwas herabstimmte. Er sagte, daß er dem gegenwärtigen Amendement das Amendement des Hrn. Lanyer (der eine Steuer von 25 Fr. auf den Rübenzucker vorschlägt) vorziehen würde. Freilich, einen Vorzug geben heißt noch keineswegs eine Wahl treffen. Man zieht ein kleineres Uebel einem größern vor; ich habe also Ursache zu hoffen und zu glauben, daß dieß noch nicht das letzte Wort des Cabinets ist. (Gelächter). Bei der Abstimmung ergab sich, wie gestern bereits erwähnt worden, eine entschiedene Majorität gegen das Amendement des Hrn. Lacave-Laplagne. Die drei ersten Artikel des Gesetzesentwurfs hinsichtlich der Zölle des Colonialzuckers wurden angenommen. Ein Amendement des Hrn. Monier de la Sizeranne, die Abgaben auf beide Industrien binnen fünfzehn Jahren allmählich gleich zu stellen, wurde mit großer Majorität verworfen. Ueber das Amendement des Hrn. Dumon, welcher eine Abgabe von 27 Fr. auf den Rübenzucker vorschlägt, war es am Schlusse der Sitzung noch zu keiner Abstimmung gekommen. Die Pairskammer fuhr in ihrer Sitzung vom 9 Mai mit der Berathung des Expropriationsgesetzes fort, ohne damit zu Ende zu kommen. Diese Discussion zieht sich bereits durch mehrere Sitzungen. Der Finanzminister legte drei bereits von der Deputirtenkammer angenommene Gesetzesentwürfe vor, hinsichtlich der Rentenumwandlung, der Abschaffung des Salzmonopols und der definitiven Regulirung der Rechnungen von 1837. Die Akademie der schönen Künste hat im ersten Scrutin den Grafen Montalivet mit 36 Stimmen zum Mitglied ernannt. Hr. Bragniart und Hr. Onslow hatten jeder 2 Stimmen erhalten. Das in Havre erscheinende Journal d'Outre-Mer gibt nähere Details über die Wegnahme eines französischen Schiffs an der Mündung des Gambia. Die HH. Pellen und Marbeau, Kaufleute von Saint-Louis am Senegal, hatten mit der französischen Colonialverwaltung einen Contract abgeschlossen, dem zufolge sie sich anheischig machten, hundert Negersklaven nach Cayenne abzuschicken, woselbst sie ihre Freiheit erhalten und gegen Verpflichtung einer vierzehnjährigen Dienstzeit eine Compagnie von Pionniers bilden sollten. Ein Officier der k. Marine sollte mit nach Cayenne reisen, um die pünktliche Vollziehung des Contracts zu überwachen. Die für diesen Transport bestimmte Goelette wurde im Hafen von St. Marie von der englischen Krigsbrigg Sarazin, dessen Commandant, Capitän Hill, die Bestimmung des Fahrzeugs bereits kannte, angehalten. Die Schwarzen waren noch nicht am Bord, wohl aber der zu ihrem Verbrauch nöthige Wasservorrath. Capitän Hill, der hier eine Uebertretung des Sklavenhandelverbots erblicken zu müssen glaubte, nahm das Fahrzeug in Beschlag und führte es sammt Mannschaft und Passagieren nach Sierra-Leone. Der französische Gouverneur des Senegal schickte ein Fahrzeug dorthin ab, um das weggenommene Schiff zu reclamiren. Das Journal d'Outre-Mer beklagt, daß Frankreich den Engländern das Recht die Schiffe zu durchsuchen gestatten habe, während von der Regierung der Vereinigten Staaten dieß nie geduldet worden sey. Paris, 9 Mai. Die Begebenheiten bestätigen unser Urtheil über die in den Departementen ausgebrochenen Unruhen, die eine Carlistische Correspondenz in der Allgem. Ztg. als die drohenden Vorläufer eines nahen Untergangs von Frankreich deuten wollte. Gott sey Dank, Frankreich steht nicht auf so schwachen Füßen, daß der augenblickliche Unverstand einer aufgebrachten oder hungrigen Gemeinde seinem Daseyn, seiner Fortdauer Gefahr drohte, oder daß es die Widerlegung so liebevoller Prophezeiungen nicht mit aller Zuversicht der Zeit allein überlassen könnte. Wir hören noch immer von vereinzelten meuterischen Auftritten gegen die Fruchtpreise in den Provinzstädten, aber überall beschränkt sich die That auf unzusammenhängende Versuche, denen das bloße Erscheinen der Behörde alsbald ein Ende macht. Wir haben in dieser Beziehung ein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0004" n="1084"/> 66,000 Inscribirte gewiß mit 10,000 diensttauglichen Männern, und erhält sonach einen Effectivstand von 75 bis 76,000 Mann. Seit 1836 hat sich die Marineinscription um 8 bis 10,000 Mann vermehrt. Sie beträgt gegenwärtig 110,000 Menschen; im Jahre 1776 betrug sie nur 67,000 Menschen. Seit fünfzig Jahren hat unsre Marinebevölkerung zugenommen, und dieß war namentlich seit einigen Jahren der Fall. Zwar war die Zunahme nicht so groß, als ich wünschte, aber gewiß ist, daß unsre Marinebevölkerung im Fortschreiten ist. Unsre verfügbaren Seeleute belaufen sich wie gesagt auf 55,000 Mann, durch einen Gesetzartikel können Sie dieselben auf 65,000 bringen; mit Einschluß der ausgehobenen Linienmannschaften betragen sie 85,000. Von obigen 55,000 Mann kommen 19,000 auf die k. Marine, 17,000 sind bei der Schifffahrt im Nordmeere, in Ostindien, an der Küste von Afrika und im mittelländischen Meere beschäftigt, 10,000 absorbiren die Colonien, die übrigen der Meerfischfang. Nimmt man nun einen Effectivstand unsrer Marine von 55,000 Seeleuten an, so kommt davon ein Fünftel auf die Colonien, nimmt man 85,000 an, so ist das Verhältniß ein Achtel. Sonach ist es unwahr, daß die Marine kein Interesse an der Erhaltung der Colonien hätte, aber unwahr ist es auch, daß die Colonien die ganze Größe der französischen Seemacht enthalten. Die Vortheile unsrer Colonien sind also mit Einem Worte folgende: sie repräsentiren den dreizehnten Theil unsers allgemeinen Handels und den fünften oder achten Theil der Größe unsrer Marine. Würde man heute zu den Colonisten sagen: unser System ist geändert; vor zwei Jahrhunderten setzten wir Hoffnungen in die Colonien, jetzt haben wir keine mehr; handelt wohin ihr wollt – überdieß habt ihr Neger, die man früher oder später emancipiren muß; diese Emancipation kommt theuer zu stehen, wir wollen uns nicht mehr mit euch beschäftigen – wenn man so zu den Colonien sprechen würde, hieße dieß nicht ein großes moralisches Interesse verkennen? Die Colonisten sind Franzosen, die ihr vor zwei Jahrhunderten ermuntert, nach den Colonien gelockt habt; sie müssen als Franzosen behandelt werden.“</p><lb/> <p>In der Sitzung der <hi rendition="#g">Deputirtenkammer</hi> am 9 Mai nahm am Schlusse der Discussion über das Amendement des Hrn. 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Jedoch ließ sich der Präsident des Conseils bei Beginn seiner schönen Rede eine Bemerkung entwischen, die meine Hoffnungen etwas herabstimmte. Er sagte, daß er dem gegenwärtigen Amendement das Amendement des Hrn. Lanyer (der eine Steuer von 25 Fr. auf den Rübenzucker vorschlägt) vorziehen würde. Freilich, einen Vorzug geben heißt noch keineswegs eine Wahl treffen. Man zieht ein kleineres Uebel einem größern vor; ich habe also Ursache zu hoffen und zu glauben, daß dieß noch nicht das letzte Wort des Cabinets ist. (Gelächter). Bei der Abstimmung ergab sich, wie gestern bereits erwähnt worden, eine entschiedene Majorität gegen das Amendement des Hrn. Lacave-Laplagne. Die drei ersten Artikel des Gesetzesentwurfs hinsichtlich der Zölle des Colonialzuckers wurden angenommen. Ein Amendement des Hrn. Monier de la Sizeranne, die Abgaben auf beide Industrien binnen fünfzehn Jahren allmählich gleich zu stellen, wurde mit großer Majorität verworfen. Ueber das Amendement des Hrn. 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Pellen und Marbeau, Kaufleute von Saint-Louis am Senegal, hatten mit der französischen Colonialverwaltung einen Contract abgeschlossen, dem zufolge sie sich anheischig machten, hundert Negersklaven nach Cayenne abzuschicken, woselbst sie ihre Freiheit erhalten und gegen Verpflichtung einer vierzehnjährigen Dienstzeit eine Compagnie von Pionniers bilden sollten. Ein Officier der k. Marine sollte mit nach Cayenne reisen, um die pünktliche Vollziehung des Contracts zu überwachen. Die für diesen Transport bestimmte Goelette wurde im Hafen von St. Marie von der englischen Krigsbrigg Sarazin, dessen Commandant, Capitän Hill, die Bestimmung des Fahrzeugs bereits kannte, angehalten. Die Schwarzen waren noch nicht am Bord, wohl aber der zu ihrem Verbrauch nöthige Wasservorrath. Capitän Hill, der hier eine Uebertretung des Sklavenhandelverbots erblicken zu müssen glaubte, nahm das Fahrzeug in Beschlag und führte es sammt Mannschaft und Passagieren nach Sierra-Leone. Der französische Gouverneur des Senegal schickte ein Fahrzeug dorthin ab, um das weggenommene Schiff zu reclamiren. Das Journal d'Outre-Mer beklagt, daß Frankreich den Engländern das Recht die Schiffe zu durchsuchen gestatten habe, während von der Regierung der Vereinigten Staaten dieß nie geduldet worden sey.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 9 Mai.</dateline> <p> Die Begebenheiten bestätigen unser Urtheil über die in den Departementen ausgebrochenen Unruhen, die eine Carlistische Correspondenz in der Allgem. Ztg. als die drohenden Vorläufer eines nahen Untergangs von Frankreich deuten wollte. Gott sey Dank, Frankreich steht nicht auf so schwachen Füßen, daß der augenblickliche Unverstand einer aufgebrachten oder hungrigen Gemeinde seinem Daseyn, seiner Fortdauer Gefahr drohte, oder daß es die Widerlegung so liebevoller Prophezeiungen nicht mit aller Zuversicht der Zeit allein überlassen könnte. Wir hören noch immer von vereinzelten meuterischen Auftritten gegen die Fruchtpreise in den Provinzstädten, aber überall beschränkt sich die That auf unzusammenhängende Versuche, denen das bloße Erscheinen der Behörde alsbald ein Ende macht. Wir haben in dieser Beziehung ein<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1084/0004]
66,000 Inscribirte gewiß mit 10,000 diensttauglichen Männern, und erhält sonach einen Effectivstand von 75 bis 76,000 Mann. Seit 1836 hat sich die Marineinscription um 8 bis 10,000 Mann vermehrt. Sie beträgt gegenwärtig 110,000 Menschen; im Jahre 1776 betrug sie nur 67,000 Menschen. Seit fünfzig Jahren hat unsre Marinebevölkerung zugenommen, und dieß war namentlich seit einigen Jahren der Fall. Zwar war die Zunahme nicht so groß, als ich wünschte, aber gewiß ist, daß unsre Marinebevölkerung im Fortschreiten ist. Unsre verfügbaren Seeleute belaufen sich wie gesagt auf 55,000 Mann, durch einen Gesetzartikel können Sie dieselben auf 65,000 bringen; mit Einschluß der ausgehobenen Linienmannschaften betragen sie 85,000. Von obigen 55,000 Mann kommen 19,000 auf die k. Marine, 17,000 sind bei der Schifffahrt im Nordmeere, in Ostindien, an der Küste von Afrika und im mittelländischen Meere beschäftigt, 10,000 absorbiren die Colonien, die übrigen der Meerfischfang. Nimmt man nun einen Effectivstand unsrer Marine von 55,000 Seeleuten an, so kommt davon ein Fünftel auf die Colonien, nimmt man 85,000 an, so ist das Verhältniß ein Achtel. Sonach ist es unwahr, daß die Marine kein Interesse an der Erhaltung der Colonien hätte, aber unwahr ist es auch, daß die Colonien die ganze Größe der französischen Seemacht enthalten. Die Vortheile unsrer Colonien sind also mit Einem Worte folgende: sie repräsentiren den dreizehnten Theil unsers allgemeinen Handels und den fünften oder achten Theil der Größe unsrer Marine. Würde man heute zu den Colonisten sagen: unser System ist geändert; vor zwei Jahrhunderten setzten wir Hoffnungen in die Colonien, jetzt haben wir keine mehr; handelt wohin ihr wollt – überdieß habt ihr Neger, die man früher oder später emancipiren muß; diese Emancipation kommt theuer zu stehen, wir wollen uns nicht mehr mit euch beschäftigen – wenn man so zu den Colonien sprechen würde, hieße dieß nicht ein großes moralisches Interesse verkennen? Die Colonisten sind Franzosen, die ihr vor zwei Jahrhunderten ermuntert, nach den Colonien gelockt habt; sie müssen als Franzosen behandelt werden.“
In der Sitzung der Deputirtenkammer am 9 Mai nahm am Schlusse der Discussion über das Amendement des Hrn. Lavace Laplagne der eifrigste Verfechter des Rübenzuckers, General Bugeaud, als Berichterstatter das Wort: „Es ist unmöglich, die Sache der Erhaltung der einheimischen Zuckerindustrie besser zu vertheidigen, als der Präsident des Conseils in der gestrigen Sitzung gethan hat, und wenn ich nicht dieselben ökonomischen Ideen bereits besessen, wenn ich nicht, wie er, eine große Liebe für die Cultur der Runkelrübe schon früher gehabt, so hätte er mich, ich erkläre es, für seine Fahne gewonnen. Wenn es nun aber in diesem Falle überflüssig war, mich zu erobern, so gestehe ich wenigstens, daß die Rede des Conseilpräsidenten mein Herz mit Hoffnungen erfüllt hat. Was darf man aus der glänzenden Schilderung, die er Ihnen von den Vortheilen dieser großen industriellen Cultur gemacht, anders schließen, als daß er der einheimischen Industrie eine Lage bereiten will, die ihr gestattet zu existiren, nicht als eine Merkwürdigkeit, sondern als eine wahre Industrie des Landes. Jedoch ließ sich der Präsident des Conseils bei Beginn seiner schönen Rede eine Bemerkung entwischen, die meine Hoffnungen etwas herabstimmte. Er sagte, daß er dem gegenwärtigen Amendement das Amendement des Hrn. Lanyer (der eine Steuer von 25 Fr. auf den Rübenzucker vorschlägt) vorziehen würde. Freilich, einen Vorzug geben heißt noch keineswegs eine Wahl treffen. Man zieht ein kleineres Uebel einem größern vor; ich habe also Ursache zu hoffen und zu glauben, daß dieß noch nicht das letzte Wort des Cabinets ist. (Gelächter). Bei der Abstimmung ergab sich, wie gestern bereits erwähnt worden, eine entschiedene Majorität gegen das Amendement des Hrn. Lacave-Laplagne. Die drei ersten Artikel des Gesetzesentwurfs hinsichtlich der Zölle des Colonialzuckers wurden angenommen. Ein Amendement des Hrn. Monier de la Sizeranne, die Abgaben auf beide Industrien binnen fünfzehn Jahren allmählich gleich zu stellen, wurde mit großer Majorität verworfen. Ueber das Amendement des Hrn. Dumon, welcher eine Abgabe von 27 Fr. auf den Rübenzucker vorschlägt, war es am Schlusse der Sitzung noch zu keiner Abstimmung gekommen.
Die Pairskammer fuhr in ihrer Sitzung vom 9 Mai mit der Berathung des Expropriationsgesetzes fort, ohne damit zu Ende zu kommen. Diese Discussion zieht sich bereits durch mehrere Sitzungen. Der Finanzminister legte drei bereits von der Deputirtenkammer angenommene Gesetzesentwürfe vor, hinsichtlich der Rentenumwandlung, der Abschaffung des Salzmonopols und der definitiven Regulirung der Rechnungen von 1837.
Die Akademie der schönen Künste hat im ersten Scrutin den Grafen Montalivet mit 36 Stimmen zum Mitglied ernannt. Hr. Bragniart und Hr. Onslow hatten jeder 2 Stimmen erhalten.
Das in Havre erscheinende Journal d'Outre-Mer gibt nähere Details über die Wegnahme eines französischen Schiffs an der Mündung des Gambia. Die HH. Pellen und Marbeau, Kaufleute von Saint-Louis am Senegal, hatten mit der französischen Colonialverwaltung einen Contract abgeschlossen, dem zufolge sie sich anheischig machten, hundert Negersklaven nach Cayenne abzuschicken, woselbst sie ihre Freiheit erhalten und gegen Verpflichtung einer vierzehnjährigen Dienstzeit eine Compagnie von Pionniers bilden sollten. Ein Officier der k. Marine sollte mit nach Cayenne reisen, um die pünktliche Vollziehung des Contracts zu überwachen. Die für diesen Transport bestimmte Goelette wurde im Hafen von St. Marie von der englischen Krigsbrigg Sarazin, dessen Commandant, Capitän Hill, die Bestimmung des Fahrzeugs bereits kannte, angehalten. Die Schwarzen waren noch nicht am Bord, wohl aber der zu ihrem Verbrauch nöthige Wasservorrath. Capitän Hill, der hier eine Uebertretung des Sklavenhandelverbots erblicken zu müssen glaubte, nahm das Fahrzeug in Beschlag und führte es sammt Mannschaft und Passagieren nach Sierra-Leone. Der französische Gouverneur des Senegal schickte ein Fahrzeug dorthin ab, um das weggenommene Schiff zu reclamiren. Das Journal d'Outre-Mer beklagt, daß Frankreich den Engländern das Recht die Schiffe zu durchsuchen gestatten habe, während von der Regierung der Vereinigten Staaten dieß nie geduldet worden sey.
_ Paris, 9 Mai. Die Begebenheiten bestätigen unser Urtheil über die in den Departementen ausgebrochenen Unruhen, die eine Carlistische Correspondenz in der Allgem. Ztg. als die drohenden Vorläufer eines nahen Untergangs von Frankreich deuten wollte. Gott sey Dank, Frankreich steht nicht auf so schwachen Füßen, daß der augenblickliche Unverstand einer aufgebrachten oder hungrigen Gemeinde seinem Daseyn, seiner Fortdauer Gefahr drohte, oder daß es die Widerlegung so liebevoller Prophezeiungen nicht mit aller Zuversicht der Zeit allein überlassen könnte. Wir hören noch immer von vereinzelten meuterischen Auftritten gegen die Fruchtpreise in den Provinzstädten, aber überall beschränkt sich die That auf unzusammenhängende Versuche, denen das bloße Erscheinen der Behörde alsbald ein Ende macht. Wir haben in dieser Beziehung ein
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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
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