Allgemeine Zeitung. Nr. 136. Augsburg, 15. Mai 1840.seyen "wie mit Eisenbahnen, wie mit Dampfkraft" vorgeschritten, während die Medicin, seit Galen wesentlich stationär geblieben sey. Dieß beruhe eben auf dem Verlassen der Naturwissenschaften und der Philosophie und der Trennung der Theorie und Praxis, auf dem Irrwahne vieler Aerzte von ihrer Unfehlbarkeit, wobei er auf eine zerstörte Unfehlbarkeit "jenseits der Alpen" anspielte; sein eifriges Streben sey es daher, die Theorie mit der Praxis zu versöhnen, was eben durch eine Rückkehr zu den Naturwissenschaften und zu der Philosophie, ohne sich jedoch deßhalb an die verschiedenen philosophischen Schulen zu halten, möglich wäre. Nach Beendigung dieser Rede führte Schönlein seine Zuhörer an das Krankenbett. Möge der ersehnte Arzt und Lehrer seine zahlreichen Schüler auch hier bald zur Verwirklichung der oben ausgesprochenen Hoffnungen geschickt machen, um in der Zukunft auch mittelbar über das Vaterland, dem er jetzt angehört, eine fruchtbringende Wirksamkeit zu verbreiten! (Leipz. A. Z.) Oesterreich. Wien, 9 Mai. Der abberufene neapolitanische Gesandte, Marquis Gagliati, wird noch heute oder morgen Wien verlassen; vorläufig ist der Legationssecretär mit Leitung der Gesandtschaft beauftragt. - Einige deutsche Zeitungen, namentlich die Leipziger Allg. Zeit., haben in letzter Zeit gemeldet, daß in unsern Censurbestimmungen gegen die in den deutschen Bundesstaaten gedruckten litterarischen Werke große Milderung eintreten werde, wozu ich nur zu bemerken habe, daß allerdings ein ähnlicher, vorzugsweise die Erleichterung der Manipulation bei der Bücher-Revision erzweckender Antrag im Werk ist, eine entsprechende Resolution hierauf auch erwartet wird, jedoch bis heute noch nicht erfolgt ist. - Der ungarische Landtag ist den letzten Berichten aus Preßburg zufolge noch in größter Thätigkeit, um seine Arbeiten zu vollenden. In der Ständetafel ist vorgestern mit 30 gegen 20 Stimmen der merkwürdige Beschluß gefaßt worden: daß sämmtliche Gesetzesentwürfe der Regierung wieder in zwei Sprachen, nämlich lateinisch und ungarisch, vorgelegt werden sollen. Ferner sind die Stände nunmehr auch dem Antrage beigetreten, daß die Ernennung der mit Einführung des Wechselrechts benöthigten Richter der Regierung überlassen werden solle, womit nun hinsichtlich des ersten Theils des Wechselrechts das allgemeine Einverständniß erzielt, und dieser somit gänzlich erledigt ist. - Von den für das Indigenat des Königreichs beantragten Personen erhalten auf den Wunsch der Magnaten bloß der commandirende General Baron Lederer und der Hofkammerpräsident Baron Eichhof Votum und Sessionen. Die übrigen mit dieser Auszeichnung bedachten Personen erhalten damit bloß den einfachen ungarischen Adel. Von Seite des Thrones erfolgte die Publication einer höchst erwünschten Resolution, die Feldpolizei und einer zweiten, die plana successio betreffend. Ein Comite des Landtags concertirt mit den hiezu designirten Regierungs-Beamten über die Redaction der verschiedenen Gesetze. - In der Magnatentafel legten am 7 d. der Primas und sämmtlicher Clerus, dem sich noch fünf Magnaten anschlossen, wie dieß schon seit 1791 auf fast jedem Lagtag geschah, gegen die neuausgearbeiten Gesetzesentwürfe hinsichtlich der Religionsbeschwerden Protest ein, der natürlich durchaus von keiner bindenden Kraft ist; in der Ständetafel wurde dießfalls beschlossen, diesen Protest so lange nicht zu Protokoll zu nehmen, bis die königl. Resolution auf jene Entwürfe erfolgt sey. Heute soll am Landtag die Wahl eines Kronhüters vorgenommen werden, welche Würde erledigt ist. - Die Amnestie macht in allen Theilen Ungarns den freudigsten Eindruck. Im Bacser Comitat, eben nicht als das ruhigste bekannt, fand in den letzten Tagen eine Congregation statt, wobei es neben den lauten Ergießungen der Freude ganz ruhig zuging, und auf den Antrag des bekannten Ballogh eine Dankadresse an den König wegen dieses neuen Beweises seines milden Sinnes einstimmig votirt wurde. Türkei. Konstantinopel, 27 April. Ich benütze eine sich darbietende Gelegenheit, um Ihnen Gegenwärtiges zukommen zu lassen. Sie werden daraus ersehen, daß die Folgen unberechenbar sind, die langes Zögern bei großen politischen Fragen nach sich zieht. Die mehr und mehr sich verschlimmernde Lage der hiesigen Verhältnisse beweist dieß auf das bündigste. Man glaubte, daß durch Zeitgewinn Alles erzweckt und der Pforte geholfen würde; man hat falsch gesehen. Die Zeit hat mehr als eine Gelegenheit verdorben, und möchte noch mehr verderben, wenn nicht bald in dem unablässigen Hin- und Herziehen ein Abschnitt eintritt. Mehemed Ali Schranken zu setzen, war die Zielscheibe aller Anstrengungen, die hier aufgeboten worden sind. Es war eine Sache, die man packen und vernichten mußte, oder die man, bei der Unmöglichkeit dieß zu thun, mittelst Verständigung unschädlicher machen konnte. Eins oder das andere mußte geschehen; an wem die Schuld, wird schwer nachzuweisen seyn; daß aber eine kostbare Zeit unbenützt verstrichen, die Mehemed Ali allein zu benützen verstand, das kann nicht bestritten werden. Mehemed Ali ward inzwischen stärker, stärker militärisch, politisch und in der öffentlichen Meinung. Das wäre noch nicht das Aergste; darin könnte gemildert, vielleicht auch Abhülfe geschafft werden, wenn man es recht anzugreifen versteht. Aber eins ist unmöglich zu redressiren, und dieß hat die Zeit geschaffen, die der Pforte als Gewinn angerechnet worden, die sie aber in der Bilanz als Verlust und zwar als empfindlichen Verlust aufnehmen muß, wenn sie überhaupt eine Bilanz zu halten sich noch fähig fühlt. Ihr ganzes Regierungsgebäude ist untergraben. Ob die Intriguen Mehemed Ali's und seiner Anhänger dieß bewirkt haben, kommt gar nicht mehr in Betracht, da das Factum besteht, und zwar so bestimmt daliegt, daß eigentlich nur noch in der Hauptstadt ein Schein von Autorität der Regierung zugeschrieben werden darf, außerhalb derselben aber alle Bande aufgelöst sind, die selbst bei Abgang der Gesetze oder bei der laxesten Vollziehung von Rechtsformen doch häufig noch durch Gewohnheiten, Redlichkeits- und religiöses Gefühl zusammengehalten werden. Dergleichen hat aber fast durchgehends aufgehört und wird sobald nicht wieder zurückkehren, mag die Regierung es sich noch so angelegen seyn lassen, es zu bewerkstelligen. Die Macht der Verhältnisse war zu stark, als daß es ihr je gelingen könnte, wieder zu gewinnen, was sie durch die Zeit verloren hat. Von allen Seiten gehen die traurigsten Berichte ein; in Adrianopel unter andern hat sich der Bevölkerung ein Geist bemächtigt, der das Aergste fürchten läßt. Man spricht von Versammlungen, die daselbst abgehalten werden, und die sich mit nichts Geringerem beschäftigen, als die Absetzung des Sultans zu verlangen und allenfalls zu erzwingen. Mehrere tausend Individuen sollen, bewaffnet sogar, ausgeschickt worden seyn, um das Land zu durchstreifen und zum Aufruhr aufzureizen. Die Versammlungen zu Adrianopel sollen von Leuten geführt werden, die nur in Umwälzung und Zerstörung ihre Rechnung zu finden hoffen. Man hatte es nicht gewagt, sie in ihren Umtrieben, die öffentlich und ohne Scheu geschehen, zu hindern. In Philippopel finden die Aufregungen von Adrianopel Nachahmung, und von Smyrna an bis in das Innere des Landes haben Versuche seyen „wie mit Eisenbahnen, wie mit Dampfkraft“ vorgeschritten, während die Medicin, seit Galen wesentlich stationär geblieben sey. Dieß beruhe eben auf dem Verlassen der Naturwissenschaften und der Philosophie und der Trennung der Theorie und Praxis, auf dem Irrwahne vieler Aerzte von ihrer Unfehlbarkeit, wobei er auf eine zerstörte Unfehlbarkeit „jenseits der Alpen“ anspielte; sein eifriges Streben sey es daher, die Theorie mit der Praxis zu versöhnen, was eben durch eine Rückkehr zu den Naturwissenschaften und zu der Philosophie, ohne sich jedoch deßhalb an die verschiedenen philosophischen Schulen zu halten, möglich wäre. Nach Beendigung dieser Rede führte Schönlein seine Zuhörer an das Krankenbett. Möge der ersehnte Arzt und Lehrer seine zahlreichen Schüler auch hier bald zur Verwirklichung der oben ausgesprochenen Hoffnungen geschickt machen, um in der Zukunft auch mittelbar über das Vaterland, dem er jetzt angehört, eine fruchtbringende Wirksamkeit zu verbreiten! (Leipz. A. Z.) Oesterreich. Wien, 9 Mai. Der abberufene neapolitanische Gesandte, Marquis Gagliati, wird noch heute oder morgen Wien verlassen; vorläufig ist der Legationssecretär mit Leitung der Gesandtschaft beauftragt. – Einige deutsche Zeitungen, namentlich die Leipziger Allg. Zeit., haben in letzter Zeit gemeldet, daß in unsern Censurbestimmungen gegen die in den deutschen Bundesstaaten gedruckten litterarischen Werke große Milderung eintreten werde, wozu ich nur zu bemerken habe, daß allerdings ein ähnlicher, vorzugsweise die Erleichterung der Manipulation bei der Bücher-Revision erzweckender Antrag im Werk ist, eine entsprechende Resolution hierauf auch erwartet wird, jedoch bis heute noch nicht erfolgt ist. – Der ungarische Landtag ist den letzten Berichten aus Preßburg zufolge noch in größter Thätigkeit, um seine Arbeiten zu vollenden. In der Ständetafel ist vorgestern mit 30 gegen 20 Stimmen der merkwürdige Beschluß gefaßt worden: daß sämmtliche Gesetzesentwürfe der Regierung wieder in zwei Sprachen, nämlich lateinisch und ungarisch, vorgelegt werden sollen. Ferner sind die Stände nunmehr auch dem Antrage beigetreten, daß die Ernennung der mit Einführung des Wechselrechts benöthigten Richter der Regierung überlassen werden solle, womit nun hinsichtlich des ersten Theils des Wechselrechts das allgemeine Einverständniß erzielt, und dieser somit gänzlich erledigt ist. – Von den für das Indigenat des Königreichs beantragten Personen erhalten auf den Wunsch der Magnaten bloß der commandirende General Baron Lederer und der Hofkammerpräsident Baron Eichhof Votum und Sessionen. Die übrigen mit dieser Auszeichnung bedachten Personen erhalten damit bloß den einfachen ungarischen Adel. Von Seite des Thrones erfolgte die Publication einer höchst erwünschten Resolution, die Feldpolizei und einer zweiten, die plana successio betreffend. Ein Comité des Landtags concertirt mit den hiezu designirten Regierungs-Beamten über die Redaction der verschiedenen Gesetze. – In der Magnatentafel legten am 7 d. der Primas und sämmtlicher Clerus, dem sich noch fünf Magnaten anschlossen, wie dieß schon seit 1791 auf fast jedem Lagtag geschah, gegen die neuausgearbeiten Gesetzesentwürfe hinsichtlich der Religionsbeschwerden Protest ein, der natürlich durchaus von keiner bindenden Kraft ist; in der Ständetafel wurde dießfalls beschlossen, diesen Protest so lange nicht zu Protokoll zu nehmen, bis die königl. Resolution auf jene Entwürfe erfolgt sey. Heute soll am Landtag die Wahl eines Kronhüters vorgenommen werden, welche Würde erledigt ist. – Die Amnestie macht in allen Theilen Ungarns den freudigsten Eindruck. Im Bacser Comitat, eben nicht als das ruhigste bekannt, fand in den letzten Tagen eine Congregation statt, wobei es neben den lauten Ergießungen der Freude ganz ruhig zuging, und auf den Antrag des bekannten Ballogh eine Dankadresse an den König wegen dieses neuen Beweises seines milden Sinnes einstimmig votirt wurde. Türkei. Konstantinopel, 27 April. Ich benütze eine sich darbietende Gelegenheit, um Ihnen Gegenwärtiges zukommen zu lassen. Sie werden daraus ersehen, daß die Folgen unberechenbar sind, die langes Zögern bei großen politischen Fragen nach sich zieht. Die mehr und mehr sich verschlimmernde Lage der hiesigen Verhältnisse beweist dieß auf das bündigste. Man glaubte, daß durch Zeitgewinn Alles erzweckt und der Pforte geholfen würde; man hat falsch gesehen. Die Zeit hat mehr als eine Gelegenheit verdorben, und möchte noch mehr verderben, wenn nicht bald in dem unablässigen Hin- und Herziehen ein Abschnitt eintritt. Mehemed Ali Schranken zu setzen, war die Zielscheibe aller Anstrengungen, die hier aufgeboten worden sind. Es war eine Sache, die man packen und vernichten mußte, oder die man, bei der Unmöglichkeit dieß zu thun, mittelst Verständigung unschädlicher machen konnte. Eins oder das andere mußte geschehen; an wem die Schuld, wird schwer nachzuweisen seyn; daß aber eine kostbare Zeit unbenützt verstrichen, die Mehemed Ali allein zu benützen verstand, das kann nicht bestritten werden. Mehemed Ali ward inzwischen stärker, stärker militärisch, politisch und in der öffentlichen Meinung. Das wäre noch nicht das Aergste; darin könnte gemildert, vielleicht auch Abhülfe geschafft werden, wenn man es recht anzugreifen versteht. Aber eins ist unmöglich zu redressiren, und dieß hat die Zeit geschaffen, die der Pforte als Gewinn angerechnet worden, die sie aber in der Bilanz als Verlust und zwar als empfindlichen Verlust aufnehmen muß, wenn sie überhaupt eine Bilanz zu halten sich noch fähig fühlt. Ihr ganzes Regierungsgebäude ist untergraben. Ob die Intriguen Mehemed Ali's und seiner Anhänger dieß bewirkt haben, kommt gar nicht mehr in Betracht, da das Factum besteht, und zwar so bestimmt daliegt, daß eigentlich nur noch in der Hauptstadt ein Schein von Autorität der Regierung zugeschrieben werden darf, außerhalb derselben aber alle Bande aufgelöst sind, die selbst bei Abgang der Gesetze oder bei der laxesten Vollziehung von Rechtsformen doch häufig noch durch Gewohnheiten, Redlichkeits- und religiöses Gefühl zusammengehalten werden. Dergleichen hat aber fast durchgehends aufgehört und wird sobald nicht wieder zurückkehren, mag die Regierung es sich noch so angelegen seyn lassen, es zu bewerkstelligen. Die Macht der Verhältnisse war zu stark, als daß es ihr je gelingen könnte, wieder zu gewinnen, was sie durch die Zeit verloren hat. Von allen Seiten gehen die traurigsten Berichte ein; in Adrianopel unter andern hat sich der Bevölkerung ein Geist bemächtigt, der das Aergste fürchten läßt. Man spricht von Versammlungen, die daselbst abgehalten werden, und die sich mit nichts Geringerem beschäftigen, als die Absetzung des Sultans zu verlangen und allenfalls zu erzwingen. Mehrere tausend Individuen sollen, bewaffnet sogar, ausgeschickt worden seyn, um das Land zu durchstreifen und zum Aufruhr aufzureizen. Die Versammlungen zu Adrianopel sollen von Leuten geführt werden, die nur in Umwälzung und Zerstörung ihre Rechnung zu finden hoffen. Man hatte es nicht gewagt, sie in ihren Umtrieben, die öffentlich und ohne Scheu geschehen, zu hindern. 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Möge der ersehnte Arzt und Lehrer seine zahlreichen Schüler auch hier bald zur Verwirklichung der oben ausgesprochenen Hoffnungen geschickt machen, um in der Zukunft auch mittelbar über das Vaterland, dem er jetzt angehört, eine fruchtbringende Wirksamkeit zu verbreiten! (<hi rendition="#g">Leipz</hi>. A. Z.)</p><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Oesterreich.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Wien,</hi> 9 Mai.</dateline> <p> Der abberufene neapolitanische Gesandte, Marquis Gagliati, wird noch heute oder morgen Wien verlassen; vorläufig ist der Legationssecretär mit Leitung der Gesandtschaft beauftragt. – Einige deutsche Zeitungen, namentlich die Leipziger Allg. Zeit., haben in letzter Zeit gemeldet, daß in unsern Censurbestimmungen gegen die in den deutschen Bundesstaaten gedruckten litterarischen Werke große Milderung eintreten werde, wozu ich nur zu bemerken habe, daß allerdings ein ähnlicher, vorzugsweise die Erleichterung der Manipulation bei der Bücher-Revision erzweckender Antrag im Werk ist, eine entsprechende Resolution hierauf auch erwartet wird, jedoch bis heute noch nicht erfolgt ist. – Der ungarische Landtag ist den letzten Berichten aus Preßburg zufolge noch in größter Thätigkeit, um seine Arbeiten zu vollenden. In der Ständetafel ist vorgestern mit 30 gegen 20 Stimmen der merkwürdige Beschluß gefaßt worden: daß sämmtliche Gesetzesentwürfe der Regierung wieder in zwei Sprachen, nämlich lateinisch und ungarisch, vorgelegt werden sollen. Ferner sind die Stände nunmehr auch dem Antrage beigetreten, daß die Ernennung der mit Einführung des Wechselrechts benöthigten Richter der Regierung überlassen werden solle, womit nun hinsichtlich des ersten Theils des Wechselrechts das allgemeine Einverständniß erzielt, und dieser somit gänzlich erledigt ist. – Von den für das Indigenat des Königreichs beantragten Personen erhalten auf den Wunsch der Magnaten bloß der commandirende General Baron Lederer und der Hofkammerpräsident Baron Eichhof Votum und Sessionen. Die übrigen mit dieser Auszeichnung bedachten Personen erhalten damit bloß den einfachen ungarischen Adel. Von Seite des Thrones erfolgte die Publication einer höchst erwünschten Resolution, die Feldpolizei und einer zweiten, die plana successio betreffend. Ein Comité des Landtags concertirt mit den hiezu designirten Regierungs-Beamten über die Redaction der verschiedenen Gesetze. – In der Magnatentafel legten am 7 d. der Primas und sämmtlicher Clerus, dem sich noch fünf Magnaten anschlossen, wie dieß schon seit 1791 auf fast jedem Lagtag geschah, gegen die neuausgearbeiten Gesetzesentwürfe hinsichtlich der Religionsbeschwerden Protest ein, der natürlich durchaus von keiner bindenden Kraft ist; in der Ständetafel wurde dießfalls beschlossen, diesen Protest so lange nicht zu Protokoll zu nehmen, bis die königl. Resolution auf jene Entwürfe erfolgt sey. Heute soll am Landtag die Wahl eines Kronhüters vorgenommen werden, welche Würde erledigt ist. – Die Amnestie macht in allen Theilen Ungarns den freudigsten Eindruck. Im Bacser Comitat, eben nicht als das ruhigste bekannt, fand in den letzten Tagen eine Congregation statt, wobei es neben den lauten Ergießungen der Freude ganz ruhig zuging, und auf den Antrag des bekannten Ballogh eine Dankadresse an den König wegen dieses neuen Beweises seines milden Sinnes einstimmig votirt wurde.</p><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Türkei.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Konstantinopel,</hi> 27 April.</dateline> <p> Ich benütze eine sich darbietende Gelegenheit, um Ihnen Gegenwärtiges zukommen zu lassen. Sie werden daraus ersehen, daß die Folgen unberechenbar sind, die langes Zögern bei großen politischen Fragen nach sich zieht. Die mehr und mehr sich verschlimmernde Lage der hiesigen Verhältnisse beweist dieß auf das bündigste. Man glaubte, daß durch Zeitgewinn Alles erzweckt und der Pforte geholfen würde; man hat falsch gesehen. Die Zeit hat mehr als eine Gelegenheit verdorben, und möchte noch mehr verderben, wenn nicht bald in dem unablässigen Hin- und Herziehen ein Abschnitt eintritt. Mehemed Ali Schranken zu setzen, war die Zielscheibe aller Anstrengungen, die hier aufgeboten worden sind. Es war eine Sache, die man packen und vernichten mußte, oder die man, bei der Unmöglichkeit dieß zu thun, mittelst Verständigung unschädlicher machen konnte. Eins oder das andere mußte geschehen; an wem die Schuld, wird schwer nachzuweisen seyn; daß aber eine kostbare Zeit unbenützt verstrichen, die Mehemed Ali allein zu benützen verstand, das kann nicht bestritten werden. Mehemed Ali ward inzwischen stärker, stärker militärisch, politisch und in der öffentlichen Meinung. Das wäre noch nicht das Aergste; darin könnte gemildert, vielleicht auch Abhülfe geschafft werden, wenn man es recht anzugreifen versteht. Aber eins ist unmöglich zu redressiren, und dieß hat die Zeit geschaffen, die der Pforte als Gewinn angerechnet worden, die sie aber in der Bilanz als Verlust und zwar als empfindlichen Verlust aufnehmen muß, wenn sie überhaupt eine Bilanz zu halten sich noch fähig fühlt. Ihr ganzes Regierungsgebäude ist untergraben. Ob die Intriguen Mehemed Ali's und seiner Anhänger dieß bewirkt haben, kommt gar nicht mehr in Betracht, da das Factum besteht, und zwar so bestimmt daliegt, daß eigentlich nur noch in der Hauptstadt ein Schein von Autorität der Regierung zugeschrieben werden darf, außerhalb derselben aber alle Bande aufgelöst sind, die selbst bei Abgang der Gesetze oder bei der laxesten Vollziehung von Rechtsformen doch häufig noch durch Gewohnheiten, Redlichkeits- und religiöses Gefühl zusammengehalten werden. Dergleichen hat aber fast durchgehends aufgehört und wird sobald nicht wieder zurückkehren, mag die Regierung es sich noch so angelegen seyn lassen, es zu bewerkstelligen. Die Macht der Verhältnisse war zu stark, als daß es ihr je gelingen könnte, wieder zu gewinnen, was sie durch die Zeit verloren hat. Von allen Seiten gehen die traurigsten Berichte ein; in Adrianopel unter andern hat sich der Bevölkerung ein Geist bemächtigt, der das Aergste fürchten läßt. Man spricht von Versammlungen, die daselbst abgehalten werden, und die sich mit nichts Geringerem beschäftigen, als die Absetzung des Sultans zu verlangen und allenfalls zu erzwingen. Mehrere tausend Individuen sollen, bewaffnet sogar, ausgeschickt worden seyn, um das Land zu durchstreifen und zum Aufruhr aufzureizen. Die Versammlungen zu Adrianopel sollen von Leuten geführt werden, die nur in Umwälzung und Zerstörung ihre Rechnung zu finden hoffen. Man hatte es nicht gewagt, sie in ihren Umtrieben, die öffentlich und ohne Scheu geschehen, zu hindern. 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Oesterreich.
_ Wien, 9 Mai. Der abberufene neapolitanische Gesandte, Marquis Gagliati, wird noch heute oder morgen Wien verlassen; vorläufig ist der Legationssecretär mit Leitung der Gesandtschaft beauftragt. – Einige deutsche Zeitungen, namentlich die Leipziger Allg. Zeit., haben in letzter Zeit gemeldet, daß in unsern Censurbestimmungen gegen die in den deutschen Bundesstaaten gedruckten litterarischen Werke große Milderung eintreten werde, wozu ich nur zu bemerken habe, daß allerdings ein ähnlicher, vorzugsweise die Erleichterung der Manipulation bei der Bücher-Revision erzweckender Antrag im Werk ist, eine entsprechende Resolution hierauf auch erwartet wird, jedoch bis heute noch nicht erfolgt ist. – Der ungarische Landtag ist den letzten Berichten aus Preßburg zufolge noch in größter Thätigkeit, um seine Arbeiten zu vollenden. In der Ständetafel ist vorgestern mit 30 gegen 20 Stimmen der merkwürdige Beschluß gefaßt worden: daß sämmtliche Gesetzesentwürfe der Regierung wieder in zwei Sprachen, nämlich lateinisch und ungarisch, vorgelegt werden sollen. Ferner sind die Stände nunmehr auch dem Antrage beigetreten, daß die Ernennung der mit Einführung des Wechselrechts benöthigten Richter der Regierung überlassen werden solle, womit nun hinsichtlich des ersten Theils des Wechselrechts das allgemeine Einverständniß erzielt, und dieser somit gänzlich erledigt ist. – Von den für das Indigenat des Königreichs beantragten Personen erhalten auf den Wunsch der Magnaten bloß der commandirende General Baron Lederer und der Hofkammerpräsident Baron Eichhof Votum und Sessionen. Die übrigen mit dieser Auszeichnung bedachten Personen erhalten damit bloß den einfachen ungarischen Adel. Von Seite des Thrones erfolgte die Publication einer höchst erwünschten Resolution, die Feldpolizei und einer zweiten, die plana successio betreffend. Ein Comité des Landtags concertirt mit den hiezu designirten Regierungs-Beamten über die Redaction der verschiedenen Gesetze. – In der Magnatentafel legten am 7 d. der Primas und sämmtlicher Clerus, dem sich noch fünf Magnaten anschlossen, wie dieß schon seit 1791 auf fast jedem Lagtag geschah, gegen die neuausgearbeiten Gesetzesentwürfe hinsichtlich der Religionsbeschwerden Protest ein, der natürlich durchaus von keiner bindenden Kraft ist; in der Ständetafel wurde dießfalls beschlossen, diesen Protest so lange nicht zu Protokoll zu nehmen, bis die königl. Resolution auf jene Entwürfe erfolgt sey. Heute soll am Landtag die Wahl eines Kronhüters vorgenommen werden, welche Würde erledigt ist. – Die Amnestie macht in allen Theilen Ungarns den freudigsten Eindruck. Im Bacser Comitat, eben nicht als das ruhigste bekannt, fand in den letzten Tagen eine Congregation statt, wobei es neben den lauten Ergießungen der Freude ganz ruhig zuging, und auf den Antrag des bekannten Ballogh eine Dankadresse an den König wegen dieses neuen Beweises seines milden Sinnes einstimmig votirt wurde.
Türkei.
_ Konstantinopel, 27 April. Ich benütze eine sich darbietende Gelegenheit, um Ihnen Gegenwärtiges zukommen zu lassen. Sie werden daraus ersehen, daß die Folgen unberechenbar sind, die langes Zögern bei großen politischen Fragen nach sich zieht. Die mehr und mehr sich verschlimmernde Lage der hiesigen Verhältnisse beweist dieß auf das bündigste. Man glaubte, daß durch Zeitgewinn Alles erzweckt und der Pforte geholfen würde; man hat falsch gesehen. Die Zeit hat mehr als eine Gelegenheit verdorben, und möchte noch mehr verderben, wenn nicht bald in dem unablässigen Hin- und Herziehen ein Abschnitt eintritt. Mehemed Ali Schranken zu setzen, war die Zielscheibe aller Anstrengungen, die hier aufgeboten worden sind. Es war eine Sache, die man packen und vernichten mußte, oder die man, bei der Unmöglichkeit dieß zu thun, mittelst Verständigung unschädlicher machen konnte. Eins oder das andere mußte geschehen; an wem die Schuld, wird schwer nachzuweisen seyn; daß aber eine kostbare Zeit unbenützt verstrichen, die Mehemed Ali allein zu benützen verstand, das kann nicht bestritten werden. Mehemed Ali ward inzwischen stärker, stärker militärisch, politisch und in der öffentlichen Meinung. Das wäre noch nicht das Aergste; darin könnte gemildert, vielleicht auch Abhülfe geschafft werden, wenn man es recht anzugreifen versteht. Aber eins ist unmöglich zu redressiren, und dieß hat die Zeit geschaffen, die der Pforte als Gewinn angerechnet worden, die sie aber in der Bilanz als Verlust und zwar als empfindlichen Verlust aufnehmen muß, wenn sie überhaupt eine Bilanz zu halten sich noch fähig fühlt. Ihr ganzes Regierungsgebäude ist untergraben. Ob die Intriguen Mehemed Ali's und seiner Anhänger dieß bewirkt haben, kommt gar nicht mehr in Betracht, da das Factum besteht, und zwar so bestimmt daliegt, daß eigentlich nur noch in der Hauptstadt ein Schein von Autorität der Regierung zugeschrieben werden darf, außerhalb derselben aber alle Bande aufgelöst sind, die selbst bei Abgang der Gesetze oder bei der laxesten Vollziehung von Rechtsformen doch häufig noch durch Gewohnheiten, Redlichkeits- und religiöses Gefühl zusammengehalten werden. Dergleichen hat aber fast durchgehends aufgehört und wird sobald nicht wieder zurückkehren, mag die Regierung es sich noch so angelegen seyn lassen, es zu bewerkstelligen. Die Macht der Verhältnisse war zu stark, als daß es ihr je gelingen könnte, wieder zu gewinnen, was sie durch die Zeit verloren hat. Von allen Seiten gehen die traurigsten Berichte ein; in Adrianopel unter andern hat sich der Bevölkerung ein Geist bemächtigt, der das Aergste fürchten läßt. Man spricht von Versammlungen, die daselbst abgehalten werden, und die sich mit nichts Geringerem beschäftigen, als die Absetzung des Sultans zu verlangen und allenfalls zu erzwingen. Mehrere tausend Individuen sollen, bewaffnet sogar, ausgeschickt worden seyn, um das Land zu durchstreifen und zum Aufruhr aufzureizen. Die Versammlungen zu Adrianopel sollen von Leuten geführt werden, die nur in Umwälzung und Zerstörung ihre Rechnung zu finden hoffen. Man hatte es nicht gewagt, sie in ihren Umtrieben, die öffentlich und ohne Scheu geschehen, zu hindern. In Philippopel finden die Aufregungen von Adrianopel Nachahmung, und von Smyrna an bis in das Innere des Landes haben Versuche
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
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