Allgemeine Zeitung. Nr. 138. Augsburg, 17. Mai 1840.ganze Küste, so wie Peking sind mit Delatoren überschwemmt, welche angebliche Opiumhändler oder Raucher vor die Gerichte ziehen, wahrscheinlich nur die, welche sich weigern die Anklage abzukaufen. Die Gefängnisse von Canton sind angefüllt, und die Klagen, besonders gegen Tang, den Gouverneur von Canton, sind laut und bitter. Elliot hatte einen neuen Versuch gemacht den Handel wieder zu öffnen, aber der kaiserliche Commissär Lin hatte ihm eine starke Antwort gegeben, in der er ihm seine kindische Inconsequenz auf eine Art vorwirft, welche Lord Palmerston zeigen könnte, daß es nicht genug ist Vetter eines Whigministers zu seyn, um mit China zu unterhandeln. Aber wir sind erst im Beginn der Gräuel und des Unglücks, das erfolgen muß, sobald die englische Flotte im chinesischen Meere angekommen seyn wird. Ist die chinesische Regierung schwach im Innern, so kann eine Revolution ausbrechen, und dann sey Gott den 350 Millionen gnädig, welche dieses übervölkerte Reich bewohnen, und wo jeder Krieg eine Hungersnoth hervorbringt; ist sie aber stark und im Stande zu widerstehen, so wird des Blutvergießens, der Blokade der Küsten und des Ruins des Handels in China und Indien kein Ende seyn. Am Indus stehen die Angelegenheiten scheinbar besser. In Kabul ist Alles ruhig, nur die Nachrichten von Herat lauten widersprechend. Nach den einen setzt der Vezier von Kamran seine fast offene Feindseligkeit gegen die Engländer fort, nach andern ist er gänzlich unter englischem Einfluß, und man redet hier davon, Herat zum großen Depot für englische und indische Waaren für Mittelasien zu machen. Der König von Bochara soll Dost Mohammed gefangen halten, und Hülfe gegen russische Drohungen verlangt haben, und es ist möglich, daß der Erfolg des Feldzugs in Afghanistan den Generalgouverneur zu einem Versuch treibt, die Ufer des Oxus gegen mögliche russische Angriffe zu sichern. Darin liegt die große Thorheit des afghanischen Feldzugs, daß er Indien aus seinen natürlichen Gränzen treibt, und man nicht mehr absieht, wie weit die Nothwendigkeiten, welche diese neue Politik herbeiführt, gehen sollen. Die Moguls zur Zeit ihrer größten Macht hatten nie daran gedacht, Herat als im Bereich ihres Einflusses liegend zu betrachten, selbst zu einer Zeit, wo sie Herren von Kabul waren. In der gegenwärtigen Stimmung der indischen Armee und in der Stellung, welche der Feldzug am Indus der Compagnie gegeben hat, ist Alles möglich, aber die Frage ist, was vernünftig ist. Es ist zu fürchten, daß die Belohnungen aller Art, welche auf Lord Auckland und Lord Keane gehäuft worden sind, dem natürlichen Ehrgeiz der Generalgouverneure und Commandanten en Chef zu einem neuen Sporn dienen werden, und der unbegreifliche Unsinn, den man in vielen indischen Journalen aus Gelegenheit der chinesischen Angelegenheiten sieht, beweist, daß eher ein Zügel nöthig wäre. (Beschluß folgt.) ganze Küste, so wie Peking sind mit Delatoren überschwemmt, welche angebliche Opiumhändler oder Raucher vor die Gerichte ziehen, wahrscheinlich nur die, welche sich weigern die Anklage abzukaufen. Die Gefängnisse von Canton sind angefüllt, und die Klagen, besonders gegen Tang, den Gouverneur von Canton, sind laut und bitter. Elliot hatte einen neuen Versuch gemacht den Handel wieder zu öffnen, aber der kaiserliche Commissär Lin hatte ihm eine starke Antwort gegeben, in der er ihm seine kindische Inconsequenz auf eine Art vorwirft, welche Lord Palmerston zeigen könnte, daß es nicht genug ist Vetter eines Whigministers zu seyn, um mit China zu unterhandeln. Aber wir sind erst im Beginn der Gräuel und des Unglücks, das erfolgen muß, sobald die englische Flotte im chinesischen Meere angekommen seyn wird. Ist die chinesische Regierung schwach im Innern, so kann eine Revolution ausbrechen, und dann sey Gott den 350 Millionen gnädig, welche dieses übervölkerte Reich bewohnen, und wo jeder Krieg eine Hungersnoth hervorbringt; ist sie aber stark und im Stande zu widerstehen, so wird des Blutvergießens, der Blokade der Küsten und des Ruins des Handels in China und Indien kein Ende seyn. Am Indus stehen die Angelegenheiten scheinbar besser. In Kabul ist Alles ruhig, nur die Nachrichten von Herat lauten widersprechend. Nach den einen setzt der Vezier von Kamran seine fast offene Feindseligkeit gegen die Engländer fort, nach andern ist er gänzlich unter englischem Einfluß, und man redet hier davon, Herat zum großen Depot für englische und indische Waaren für Mittelasien zu machen. Der König von Bochara soll Dost Mohammed gefangen halten, und Hülfe gegen russische Drohungen verlangt haben, und es ist möglich, daß der Erfolg des Feldzugs in Afghanistan den Generalgouverneur zu einem Versuch treibt, die Ufer des Oxus gegen mögliche russische Angriffe zu sichern. Darin liegt die große Thorheit des afghanischen Feldzugs, daß er Indien aus seinen natürlichen Gränzen treibt, und man nicht mehr absieht, wie weit die Nothwendigkeiten, welche diese neue Politik herbeiführt, gehen sollen. Die Moguls zur Zeit ihrer größten Macht hatten nie daran gedacht, Herat als im Bereich ihres Einflusses liegend zu betrachten, selbst zu einer Zeit, wo sie Herren von Kabul waren. In der gegenwärtigen Stimmung der indischen Armee und in der Stellung, welche der Feldzug am Indus der Compagnie gegeben hat, ist Alles möglich, aber die Frage ist, was vernünftig ist. Es ist zu fürchten, daß die Belohnungen aller Art, welche auf Lord Auckland und Lord Keane gehäuft worden sind, dem natürlichen Ehrgeiz der Generalgouverneure und Commandanten en Chef zu einem neuen Sporn dienen werden, und der unbegreifliche Unsinn, den man in vielen indischen Journalen aus Gelegenheit der chinesischen Angelegenheiten sieht, beweist, daß eher ein Zügel nöthig wäre. 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Ist die chinesische Regierung schwach im Innern, so kann eine Revolution ausbrechen, und dann sey Gott den 350 Millionen gnädig, welche dieses übervölkerte Reich bewohnen, und wo jeder Krieg eine Hungersnoth hervorbringt; ist sie aber stark und im Stande zu widerstehen, so wird des Blutvergießens, der Blokade der Küsten und des Ruins des Handels in China und Indien kein Ende seyn.</p><lb/> <p>Am Indus stehen die Angelegenheiten scheinbar besser. In Kabul ist Alles ruhig, nur die Nachrichten von Herat lauten widersprechend. Nach den einen setzt der Vezier von Kamran seine fast offene Feindseligkeit gegen die Engländer fort, nach andern ist er gänzlich unter englischem Einfluß, und man redet hier davon, Herat zum großen Depot für englische und indische Waaren für Mittelasien zu machen. Der König von Bochara soll Dost Mohammed gefangen halten, und Hülfe gegen russische Drohungen verlangt haben, und es ist möglich, daß der Erfolg des Feldzugs in Afghanistan den Generalgouverneur zu einem Versuch treibt, die Ufer des Oxus gegen mögliche russische Angriffe zu sichern. Darin liegt die große Thorheit des afghanischen Feldzugs, daß er Indien aus seinen natürlichen Gränzen treibt, und man nicht mehr absieht, wie weit die Nothwendigkeiten, welche diese neue Politik herbeiführt, gehen sollen. Die Moguls zur Zeit ihrer größten Macht hatten nie daran gedacht, Herat als im Bereich ihres Einflusses liegend zu betrachten, selbst zu einer Zeit, wo sie Herren von Kabul waren. In der gegenwärtigen Stimmung der indischen Armee und in der Stellung, welche der Feldzug am Indus der Compagnie gegeben hat, ist Alles möglich, aber die Frage ist, was vernünftig ist. Es ist zu fürchten, daß die Belohnungen aller Art, welche auf Lord Auckland und Lord Keane gehäuft worden sind, dem natürlichen Ehrgeiz der Generalgouverneure und Commandanten en Chef zu einem neuen Sporn dienen werden, und der unbegreifliche Unsinn, den man in vielen indischen Journalen aus Gelegenheit der chinesischen Angelegenheiten sieht, beweist, daß eher ein Zügel nöthig wäre.</p><lb/> <p>(Beschluß folgt.)</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [1104/0008]
ganze Küste, so wie Peking sind mit Delatoren überschwemmt, welche angebliche Opiumhändler oder Raucher vor die Gerichte ziehen, wahrscheinlich nur die, welche sich weigern die Anklage abzukaufen. Die Gefängnisse von Canton sind angefüllt, und die Klagen, besonders gegen Tang, den Gouverneur von Canton, sind laut und bitter. Elliot hatte einen neuen Versuch gemacht den Handel wieder zu öffnen, aber der kaiserliche Commissär Lin hatte ihm eine starke Antwort gegeben, in der er ihm seine kindische Inconsequenz auf eine Art vorwirft, welche Lord Palmerston zeigen könnte, daß es nicht genug ist Vetter eines Whigministers zu seyn, um mit China zu unterhandeln. Aber wir sind erst im Beginn der Gräuel und des Unglücks, das erfolgen muß, sobald die englische Flotte im chinesischen Meere angekommen seyn wird. Ist die chinesische Regierung schwach im Innern, so kann eine Revolution ausbrechen, und dann sey Gott den 350 Millionen gnädig, welche dieses übervölkerte Reich bewohnen, und wo jeder Krieg eine Hungersnoth hervorbringt; ist sie aber stark und im Stande zu widerstehen, so wird des Blutvergießens, der Blokade der Küsten und des Ruins des Handels in China und Indien kein Ende seyn.
Am Indus stehen die Angelegenheiten scheinbar besser. In Kabul ist Alles ruhig, nur die Nachrichten von Herat lauten widersprechend. Nach den einen setzt der Vezier von Kamran seine fast offene Feindseligkeit gegen die Engländer fort, nach andern ist er gänzlich unter englischem Einfluß, und man redet hier davon, Herat zum großen Depot für englische und indische Waaren für Mittelasien zu machen. Der König von Bochara soll Dost Mohammed gefangen halten, und Hülfe gegen russische Drohungen verlangt haben, und es ist möglich, daß der Erfolg des Feldzugs in Afghanistan den Generalgouverneur zu einem Versuch treibt, die Ufer des Oxus gegen mögliche russische Angriffe zu sichern. Darin liegt die große Thorheit des afghanischen Feldzugs, daß er Indien aus seinen natürlichen Gränzen treibt, und man nicht mehr absieht, wie weit die Nothwendigkeiten, welche diese neue Politik herbeiführt, gehen sollen. Die Moguls zur Zeit ihrer größten Macht hatten nie daran gedacht, Herat als im Bereich ihres Einflusses liegend zu betrachten, selbst zu einer Zeit, wo sie Herren von Kabul waren. In der gegenwärtigen Stimmung der indischen Armee und in der Stellung, welche der Feldzug am Indus der Compagnie gegeben hat, ist Alles möglich, aber die Frage ist, was vernünftig ist. Es ist zu fürchten, daß die Belohnungen aller Art, welche auf Lord Auckland und Lord Keane gehäuft worden sind, dem natürlichen Ehrgeiz der Generalgouverneure und Commandanten en Chef zu einem neuen Sporn dienen werden, und der unbegreifliche Unsinn, den man in vielen indischen Journalen aus Gelegenheit der chinesischen Angelegenheiten sieht, beweist, daß eher ein Zügel nöthig wäre.
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