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Allgemeine Zeitung. Nr. 139. Augsburg, 18. Mai 1840.

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v. Dahlen nach Lemberg, und die Generalmajors v. Mederer nach Agram, Frhr. v. Wachenheim nach Essegg. Sofort wurden zu Generalmajors befördert die Obristen: v. Schmidl (wird Brigadier zu Przmisl), Graf Woyna, k. k. Gesandter am k. schwedischen Hofe in seiner Anstellung, und v. Stahel (wird Brigadier zu Clausenburg).

Berichten aus Preßburg zufolge sind II. MM. der Kaiser und die Kaiserin daselbst mit großen Freudenbezeugungen empfangen worden. Der Drang der Geschäfte erlaubte nicht den Schluß des Landtages, wie es bestimmt war, gestern vorzunehmen, derselbe erfolgt erst heute. Man erwartet dessenungeachtet II. MM. im Laufe dieses Tages noch hier zurück. In den letzten Tagen folgten sich Sitzungen der Magnaten und der Stände, Circularsitzungen und Concertationen in fast ununterbrochener Eile, und mit eben so überraschender Schnelligkeit erfolgten besonders in letzter Zeit die königlichen Resolutionen. Es lauten diese fast durchaus günstig, und es herrscht darum auch die freudigste Begeisterung in Preßburg, in welcher Beziehung wohl kaum ein früherer Landtagsschluß sich mit dem dießjährigen wird messen können, welche Behauptung auch hinsichtlich der Wichtigkeit der Arbeiten auf den gegenwärtigen Landtag ihre richtige Anwendung finden wird. - Unter den hiesigen Griechen ist die Sage allgemein verbreitet, daß der resignirte Fürst Milosch von Serbien binnen kurzem Wien besuchen werde.

Aus Görz wird geschrieben, daß man daselbst den Duc de Levis erwartete, mit dem der Herzog von Angouleme sich versöhnt zu haben scheint. Auch erwartete die königliche Familie zahlreiche Besuche von royalistischen Familien, unter denen man Herrn und Frau v. Agoult nennt.

Serbien.

In Serbien ist eine ernste Bewegung gegen die neue Ordnung der Dinge, insbesondere gegen die damit zusammenhängende Einsetzung der fürstlichen Räthe etc. ausgebrochen. Schon seit der bei dem Regierungsantritte des Fürsten Michael stattgehabten Nationalversammlung sind in mehreren Gegenden des Landes, anfangs geheim, in letzter Zeit aber öffentlich, Volksversammlungen gehalten worden, und allenthalben hat sich die öffentliche Stimme gegen die Räthe und gegen die Beschränkung des Fürsten durch dieselben, so wie der Wunsch ausgesprochen, daß der Sitz der Regierung nach Kragujewatz verlegt und der allgemein geglaubten Verschleuderung des Staatsschatzes Schranken gesetzt werden. Man erzählte sich, daß nur Wucsitsch und Petroniewitsch, die beiden Räthe, und einige Minister und Senatoren gegen die Verlegung des Regierungssitzes seyen, und daß von den 13 Millionen Piaster, die sich zur Zeit der Resignation des Fürsten Milosch in der Staatscasse befunden, nur noch fünf Millionen vorhanden, also acht Millionen vergeudet worden seyen, ohne daß darüber ein genügender Ausweis geliefert worden. Die Regierung sah sich veranlaßt, den Minister des Innern, Protitsch, und den Präsidenten des Appellationsgerichts, Golub, an die am meisten bedrohten Orte abzusenden, um die Gemüther zu beruhigen; allein sie scheinen wenig ausgerichtet zu haben, indem gestern ganz unerwartet einige Tausend bewaffnete Männer, zum Theil von Ansehen, vor Belgrad erschienen, um den Wünschen und Klagen des Volkes Gehör zu verschaffen. Der Fürst selbst, begleitet von dem Metropoliten, dem russischen Consul, und dem Kiaja des türkischen Pascha's, eilte auf die erste Kunde dem Volke bis nach dem eine Stunde von Belgrad entfernten Toptschitere entgegen, wo er die ernstlichsten Ermahnungen an dasselbe richtete, sich ruhig nach Hause zu begeben, und seine Wünsche auf legalem Wege durch die Behörden an ihn gelangen zu lassen. Er mußte sich jedoch am Ende mit der Zusage der Insurgenten begnügen: nicht weiter vorrücken, und namentlich nicht in die Stadt Belgrad eindringen zu wollen. Dagegen verlangen sie Absetzung der Räthe, Auslieferung derselben, so wie die des Vicepräsidenten des Senats Stojan Simitsch, dem man die Vergeudung des Staatsschatzes hauptsächlich zur Last legt, endlich Verlegung des Regierungssitzes von Belgrad nach Kragujewatz. Mehrere Stimmen ließen sich dahin vernehmen: "wenn Fürst Michael einen Rathgeber braucht, wer kann hiezu geeigneter seyn, als sein Vater; er hat mit uns unsere Freiheit erkämpft, er hat uns gut regiert, und wir haben glücklich unter ihm gelebt, warum sollte er jetzt unserm Fürsten, seinem Sohne, nicht zur Seite stehen können? etc." Unter diesen Aeußerungen verließ Fürst Michael die Rebellen, wenn sie je so genannt zu werden verdienen, und kehrte nach Belgrad zurück, wo Alles in gespannter Unruhe der Dinge harrt, die da kommen sollen. Man ist für die Ruhe der Stadt in hohem Grade besorgt, Patrouillen durchziehen die Straßen nach allen Richtungen, um die Ordnung aufrecht zu erhalten; die beiden Räthe Wucsitsch und Petroniewitsch haben sich in die türkische Citadelle geflüchtet, und sich unter den Schutz des Pascha's gestellt; der Metropolit, der sich vermuthlich auch nicht sicher glaubt, hat ein Asyl bei dem österreichischen Consul gesucht; von Stojan Simitsch, dem Vicepräsidenten des Senats, weiß man nichts. Sein Bruder, der Finanzminister Alexa Simitsch, befindet sich in Ungarn, zu Pesth. Der türkische Pascha hat die ganze türkische Bevölkerung zum Schutz ihrer Häuser unter die Waffen gerufen, die regulären Truppen sind in die Festung confinirt, er hat gedroht, beim ersten Versuch der Insurgenten in die Stadt einzudringen, mit Kanonen auf sie zu feuern. Gott weiß wie diese Krisis enden wird. So eben heißt es, daß die beiden Räthe Wucsitsch und Petroniewitsch (mit Simitsch bekanntlich die Haupturheber des Sturzes Miloschs) von selbst bis auf Weiteres resignirt haben. Der russische Consul und der türkische Pascha haben Couriere nach Konstantinopel befördert.

v. Dahlen nach Lemberg, und die Generalmajors v. Mederer nach Agram, Frhr. v. Wachenheim nach Essegg. Sofort wurden zu Generalmajors befördert die Obristen: v. Schmidl (wird Brigadier zu Przmisl), Graf Woyna, k. k. Gesandter am k. schwedischen Hofe in seiner Anstellung, und v. Stahel (wird Brigadier zu Clausenburg).

Berichten aus Preßburg zufolge sind II. MM. der Kaiser und die Kaiserin daselbst mit großen Freudenbezeugungen empfangen worden. Der Drang der Geschäfte erlaubte nicht den Schluß des Landtages, wie es bestimmt war, gestern vorzunehmen, derselbe erfolgt erst heute. Man erwartet dessenungeachtet II. MM. im Laufe dieses Tages noch hier zurück. In den letzten Tagen folgten sich Sitzungen der Magnaten und der Stände, Circularsitzungen und Concertationen in fast ununterbrochener Eile, und mit eben so überraschender Schnelligkeit erfolgten besonders in letzter Zeit die königlichen Resolutionen. Es lauten diese fast durchaus günstig, und es herrscht darum auch die freudigste Begeisterung in Preßburg, in welcher Beziehung wohl kaum ein früherer Landtagsschluß sich mit dem dießjährigen wird messen können, welche Behauptung auch hinsichtlich der Wichtigkeit der Arbeiten auf den gegenwärtigen Landtag ihre richtige Anwendung finden wird. – Unter den hiesigen Griechen ist die Sage allgemein verbreitet, daß der resignirte Fürst Milosch von Serbien binnen kurzem Wien besuchen werde.

Aus Görz wird geschrieben, daß man daselbst den Duc de Levis erwartete, mit dem der Herzog von Angoulème sich versöhnt zu haben scheint. Auch erwartete die königliche Familie zahlreiche Besuche von royalistischen Familien, unter denen man Herrn und Frau v. Agoult nennt.

Serbien.

In Serbien ist eine ernste Bewegung gegen die neue Ordnung der Dinge, insbesondere gegen die damit zusammenhängende Einsetzung der fürstlichen Räthe etc. ausgebrochen. Schon seit der bei dem Regierungsantritte des Fürsten Michael stattgehabten Nationalversammlung sind in mehreren Gegenden des Landes, anfangs geheim, in letzter Zeit aber öffentlich, Volksversammlungen gehalten worden, und allenthalben hat sich die öffentliche Stimme gegen die Räthe und gegen die Beschränkung des Fürsten durch dieselben, so wie der Wunsch ausgesprochen, daß der Sitz der Regierung nach Kragujewatz verlegt und der allgemein geglaubten Verschleuderung des Staatsschatzes Schranken gesetzt werden. Man erzählte sich, daß nur Wucsitsch und Petroniewitsch, die beiden Räthe, und einige Minister und Senatoren gegen die Verlegung des Regierungssitzes seyen, und daß von den 13 Millionen Piaster, die sich zur Zeit der Resignation des Fürsten Milosch in der Staatscasse befunden, nur noch fünf Millionen vorhanden, also acht Millionen vergeudet worden seyen, ohne daß darüber ein genügender Ausweis geliefert worden. Die Regierung sah sich veranlaßt, den Minister des Innern, Protitsch, und den Präsidenten des Appellationsgerichts, Golub, an die am meisten bedrohten Orte abzusenden, um die Gemüther zu beruhigen; allein sie scheinen wenig ausgerichtet zu haben, indem gestern ganz unerwartet einige Tausend bewaffnete Männer, zum Theil von Ansehen, vor Belgrad erschienen, um den Wünschen und Klagen des Volkes Gehör zu verschaffen. Der Fürst selbst, begleitet von dem Metropoliten, dem russischen Consul, und dem Kiaja des türkischen Pascha's, eilte auf die erste Kunde dem Volke bis nach dem eine Stunde von Belgrad entfernten Toptschitere entgegen, wo er die ernstlichsten Ermahnungen an dasselbe richtete, sich ruhig nach Hause zu begeben, und seine Wünsche auf legalem Wege durch die Behörden an ihn gelangen zu lassen. Er mußte sich jedoch am Ende mit der Zusage der Insurgenten begnügen: nicht weiter vorrücken, und namentlich nicht in die Stadt Belgrad eindringen zu wollen. Dagegen verlangen sie Absetzung der Räthe, Auslieferung derselben, so wie die des Vicepräsidenten des Senats Stojan Simitsch, dem man die Vergeudung des Staatsschatzes hauptsächlich zur Last legt, endlich Verlegung des Regierungssitzes von Belgrad nach Kragujewatz. Mehrere Stimmen ließen sich dahin vernehmen: „wenn Fürst Michael einen Rathgeber braucht, wer kann hiezu geeigneter seyn, als sein Vater; er hat mit uns unsere Freiheit erkämpft, er hat uns gut regiert, und wir haben glücklich unter ihm gelebt, warum sollte er jetzt unserm Fürsten, seinem Sohne, nicht zur Seite stehen können? etc.“ Unter diesen Aeußerungen verließ Fürst Michael die Rebellen, wenn sie je so genannt zu werden verdienen, und kehrte nach Belgrad zurück, wo Alles in gespannter Unruhe der Dinge harrt, die da kommen sollen. Man ist für die Ruhe der Stadt in hohem Grade besorgt, Patrouillen durchziehen die Straßen nach allen Richtungen, um die Ordnung aufrecht zu erhalten; die beiden Räthe Wucsitsch und Petroniewitsch haben sich in die türkische Citadelle geflüchtet, und sich unter den Schutz des Pascha's gestellt; der Metropolit, der sich vermuthlich auch nicht sicher glaubt, hat ein Asyl bei dem österreichischen Consul gesucht; von Stojan Simitsch, dem Vicepräsidenten des Senats, weiß man nichts. Sein Bruder, der Finanzminister Alexa Simitsch, befindet sich in Ungarn, zu Pesth. Der türkische Pascha hat die ganze türkische Bevölkerung zum Schutz ihrer Häuser unter die Waffen gerufen, die regulären Truppen sind in die Festung confinirt, er hat gedroht, beim ersten Versuch der Insurgenten in die Stadt einzudringen, mit Kanonen auf sie zu feuern. Gott weiß wie diese Krisis enden wird. So eben heißt es, daß die beiden Räthe Wucsitsch und Petroniewitsch (mit Simitsch bekanntlich die Haupturheber des Sturzes Miloschs) von selbst bis auf Weiteres resignirt haben. Der russische Consul und der türkische Pascha haben Couriere nach Konstantinopel befördert.

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[1112/0008] v. Dahlen nach Lemberg, und die Generalmajors v. Mederer nach Agram, Frhr. v. Wachenheim nach Essegg. Sofort wurden zu Generalmajors befördert die Obristen: v. Schmidl (wird Brigadier zu Przmisl), Graf Woyna, k. k. Gesandter am k. schwedischen Hofe in seiner Anstellung, und v. Stahel (wird Brigadier zu Clausenburg). _ Wien, 13 Mai. Berichten aus Preßburg zufolge sind II. MM. der Kaiser und die Kaiserin daselbst mit großen Freudenbezeugungen empfangen worden. Der Drang der Geschäfte erlaubte nicht den Schluß des Landtages, wie es bestimmt war, gestern vorzunehmen, derselbe erfolgt erst heute. Man erwartet dessenungeachtet II. MM. im Laufe dieses Tages noch hier zurück. In den letzten Tagen folgten sich Sitzungen der Magnaten und der Stände, Circularsitzungen und Concertationen in fast ununterbrochener Eile, und mit eben so überraschender Schnelligkeit erfolgten besonders in letzter Zeit die königlichen Resolutionen. Es lauten diese fast durchaus günstig, und es herrscht darum auch die freudigste Begeisterung in Preßburg, in welcher Beziehung wohl kaum ein früherer Landtagsschluß sich mit dem dießjährigen wird messen können, welche Behauptung auch hinsichtlich der Wichtigkeit der Arbeiten auf den gegenwärtigen Landtag ihre richtige Anwendung finden wird. – Unter den hiesigen Griechen ist die Sage allgemein verbreitet, daß der resignirte Fürst Milosch von Serbien binnen kurzem Wien besuchen werde. _ Triest, 12 Mai. Aus Görz wird geschrieben, daß man daselbst den Duc de Levis erwartete, mit dem der Herzog von Angoulème sich versöhnt zu haben scheint. Auch erwartete die königliche Familie zahlreiche Besuche von royalistischen Familien, unter denen man Herrn und Frau v. Agoult nennt. Serbien. _ Von der türkischen Gränze, 7 Mai. In Serbien ist eine ernste Bewegung gegen die neue Ordnung der Dinge, insbesondere gegen die damit zusammenhängende Einsetzung der fürstlichen Räthe etc. ausgebrochen. Schon seit der bei dem Regierungsantritte des Fürsten Michael stattgehabten Nationalversammlung sind in mehreren Gegenden des Landes, anfangs geheim, in letzter Zeit aber öffentlich, Volksversammlungen gehalten worden, und allenthalben hat sich die öffentliche Stimme gegen die Räthe und gegen die Beschränkung des Fürsten durch dieselben, so wie der Wunsch ausgesprochen, daß der Sitz der Regierung nach Kragujewatz verlegt und der allgemein geglaubten Verschleuderung des Staatsschatzes Schranken gesetzt werden. Man erzählte sich, daß nur Wucsitsch und Petroniewitsch, die beiden Räthe, und einige Minister und Senatoren gegen die Verlegung des Regierungssitzes seyen, und daß von den 13 Millionen Piaster, die sich zur Zeit der Resignation des Fürsten Milosch in der Staatscasse befunden, nur noch fünf Millionen vorhanden, also acht Millionen vergeudet worden seyen, ohne daß darüber ein genügender Ausweis geliefert worden. Die Regierung sah sich veranlaßt, den Minister des Innern, Protitsch, und den Präsidenten des Appellationsgerichts, Golub, an die am meisten bedrohten Orte abzusenden, um die Gemüther zu beruhigen; allein sie scheinen wenig ausgerichtet zu haben, indem gestern ganz unerwartet einige Tausend bewaffnete Männer, zum Theil von Ansehen, vor Belgrad erschienen, um den Wünschen und Klagen des Volkes Gehör zu verschaffen. Der Fürst selbst, begleitet von dem Metropoliten, dem russischen Consul, und dem Kiaja des türkischen Pascha's, eilte auf die erste Kunde dem Volke bis nach dem eine Stunde von Belgrad entfernten Toptschitere entgegen, wo er die ernstlichsten Ermahnungen an dasselbe richtete, sich ruhig nach Hause zu begeben, und seine Wünsche auf legalem Wege durch die Behörden an ihn gelangen zu lassen. Er mußte sich jedoch am Ende mit der Zusage der Insurgenten begnügen: nicht weiter vorrücken, und namentlich nicht in die Stadt Belgrad eindringen zu wollen. Dagegen verlangen sie Absetzung der Räthe, Auslieferung derselben, so wie die des Vicepräsidenten des Senats Stojan Simitsch, dem man die Vergeudung des Staatsschatzes hauptsächlich zur Last legt, endlich Verlegung des Regierungssitzes von Belgrad nach Kragujewatz. Mehrere Stimmen ließen sich dahin vernehmen: „wenn Fürst Michael einen Rathgeber braucht, wer kann hiezu geeigneter seyn, als sein Vater; er hat mit uns unsere Freiheit erkämpft, er hat uns gut regiert, und wir haben glücklich unter ihm gelebt, warum sollte er jetzt unserm Fürsten, seinem Sohne, nicht zur Seite stehen können? etc.“ Unter diesen Aeußerungen verließ Fürst Michael die Rebellen, wenn sie je so genannt zu werden verdienen, und kehrte nach Belgrad zurück, wo Alles in gespannter Unruhe der Dinge harrt, die da kommen sollen. Man ist für die Ruhe der Stadt in hohem Grade besorgt, Patrouillen durchziehen die Straßen nach allen Richtungen, um die Ordnung aufrecht zu erhalten; die beiden Räthe Wucsitsch und Petroniewitsch haben sich in die türkische Citadelle geflüchtet, und sich unter den Schutz des Pascha's gestellt; der Metropolit, der sich vermuthlich auch nicht sicher glaubt, hat ein Asyl bei dem österreichischen Consul gesucht; von Stojan Simitsch, dem Vicepräsidenten des Senats, weiß man nichts. Sein Bruder, der Finanzminister Alexa Simitsch, befindet sich in Ungarn, zu Pesth. Der türkische Pascha hat die ganze türkische Bevölkerung zum Schutz ihrer Häuser unter die Waffen gerufen, die regulären Truppen sind in die Festung confinirt, er hat gedroht, beim ersten Versuch der Insurgenten in die Stadt einzudringen, mit Kanonen auf sie zu feuern. Gott weiß wie diese Krisis enden wird. So eben heißt es, daß die beiden Räthe Wucsitsch und Petroniewitsch (mit Simitsch bekanntlich die Haupturheber des Sturzes Miloschs) von selbst bis auf Weiteres resignirt haben. Der russische Consul und der türkische Pascha haben Couriere nach Konstantinopel befördert.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 139. Augsburg, 18. Mai 1840, S. 1112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_139_18400518/8>, abgerufen am 03.12.2024.