Allgemeine Zeitung. Nr. 140. Augsburg, 19. Mai 1840.Frankreich eine Zukunft vor, die gewiß schön seyn wird. Aber lange noch werden die inmitten seiner Arbeiten erweckten Erinnerungen des kaiserlichen Ruhmes seine Begeisterung erregen. ... Seltsam! Wer hätte vor 25 Jahren, zur Zeit, als England das ganze coalisirte Europa gegen Frankreich aufregte, wer hätte damals gedacht, daß der Tag so nahe sey, wo die beiden großen, durch eine neue Revolution versöhnten Nationen sich wechselseitig aufeinander stützen würden zur Erhaltung des Friedens der durch ihren Streit so lange mit Blut bespritzten Welt? Wer hätte denken können, daß England, eifrig bedacht, aus seinen Annalen eine traurige Erinnerung zu verbannen, den Wunsch ausspräche, daß die Frankreich zurückgegebene Asche Napoleons das Unterpfand der definitiven Versöhnung beider Nationen würde?" Entschieden gegen die Regierung sprechen die Gazette de France und der National: "Die Maaßregel ist unerklärlich, sagt die Gazette. Warum holt ihr die Gebeine Napoleons, während ihr sein Blut verbannt? Was will man mit dieser Apotheose ausdrücken? Die Liebe zum Despotismus? Aber ihr seyd nicht im Stande ihn zu üben. Die Dankbarkeit Frankreichs gegen einen großen Feldherrn? Aber die Siege dieses Feldherrn hatten die beiden größten Niederlagen zur Folge, die Frankreich je erlitten, die bei Leipzig und Waterloo, so wie die beiden größten Unfälle, welche in der Geschichte Frankreichs vorkommen, die wiederholte Einnahme seiner Hauptstadt. Napoleon war ein Eroberer, aber er hat seine Eroberungen mit denen der Republik verloren und die Eroberungen Ludwigs XIV verletzen lassen. Seit fünfzig Jahren ist uns nichts geblieben, als die Eroberung von Algier. Die Asche Karls X also sollte man holen, denn er hat Frankreich eine Küstenstrecke von 100 Lieues im Mittelmeer gegeben." - Der National, der früher oft genug für eine Reclamation der Gebeine Napoleons geeifert hatte, so lange kein Ministerium daran dachte, meint nun, es wäre viel poetischer gewesen, die Gebeine Napoleons auf St. Helena zu lassen, wo - wie ein großer Dichter sagt - "sein Ruhm liegt, wie der ungeheure Leuchtthurm einer alten und neuen Welt." Was will man thun? fährt der National fort. Die Gebeine Napoleons ausgraben? ... Also das Heiligthum der Gräber verletzen, die Poesie des Unglücks an ihrer Quelle vertrocknen und anstatt jener Apotheose in der Erinnerung den alltäglichen Pomp eines Leichenbegängnisses setzen! Und wer sind die Männer, die von einer der Vergangenheit schuldigen Genugthuung sprechen? Dieselben, welche überall vor dem bloß mit Protokollen bewaffneten Europa schmählich zurückwichen, welche Polen gemordet, Italien preisgegeben, Belgien in Stich gelassen und der Gegenrevolution gestattet haben, alles wieder zu nehmen, was sie durch die Juliusrevolution verloren hatte; sie berühren den Degen Napoleons mit derselben Hand, welche die Verträge von 1815 ratificirt hat!" Der Courrier francais dagegen sagt: "Das Ministerium kann sich zu diesem großen Act der Genugthuung Glück wünschen. Kein Cabinet vor ihm hatte den Muth gehabt, ihn dem Könige vorzuschlagen; kein anderes hatte sich vielleicht in der Lage gesehen ihn durchzusetzen. Marschall Soult, der Lieutenant Napoleons zu Waterloo, wird bitter bereuen, seine Anwesenheit am Staatsruder nicht durch diesen Beweis seiner Hingebung für das Andenken des Kaisers bezeichnet zu haben. Wir werden nur gerecht seyn, wenn wir den Namen des Königs in der öffentlichen Dankbarkeit dem Namen des Ministeriums beigesellen. Dem Ministerium gehört der Gedanke, dem Könige die Sanction. Das Ministerium übernimmt die Wiederherstellung der schönsten Seite unserer Geschichte. Es gibt Frankreich die Asche und den Degen Napoleons zurück! Es gibt Napoleon wieder jene vom Volk erhaltene Legitimität, die seine Stärke und sein Recht ausmachten. Dadurch wird zugleich die Legitimität unserer Revolution und der vom Volke gewählten Monarchie geweiht; dieß heißt, jene Regierung an ihrer wahren Quelle wieder auffrischen und ihr die Taufe der Popularität geben, die allmählich zu verschwinden schien. Es fehlt nur noch die Genugthuung für die von der Gegenrevolution begangenen Verbrechen. Nach der Apotheose Napoleons ist uns das Ministerium die Wiederherstellung der Ehre des Marschalls Ney schuldig." Das von Graf Montalembert geleitete Organ der katholischen Partei, der Univers, äußert: "Der Ruhm und das Unglück Napoleons sind eine Sühne für seine Fehler gegen Gott und Menschen. Es würde schwer seyn, in der Geschichte ein poetischeres, ergreifenderes, majestätischeres Schauspiel zu finden, als nach der feierlichen Versöhnung durch das Grab von St. Helena den großen Kaiser rückkehren zu sehen in den Schooß des Landes, auf das er einen Ruhm ohne Gleichen gehäuft hat, und in welchem sein Name noch jetzt mit unüberwindlicher Gewalt herrscht. Es war dieß ein glänzender Gedanke von Hrn. Thiers, der seinem Ministerium mehr Erfolg und Popularität verschaffen wird, als alle seine politischen Maaßregeln, welcher Natur sie auch seyn mögen. Wir können das Gefühl nur loben, das als letztes Grab Napoleons die Invalidenkirche statt der Vendomesäule wählen ließ. Es ist dieß ein edler Tribut an die religiösen Ueberzeugungen, die der Kaiser bekanntlich in seinen frühern wie in seinen spätern Jahren hegte." Dem Constitutionnel zufolge werden die Generale Bertrand und Gourgaud, so wie Hr. v. Lascases den Prinzen Joinville bei seiner Mission nach St. Helena begleiten. Es heißt, daß auch General Petit zu dieser Mission gehören werde. Hr. Poncelet ward von der Section der mathematischen Wissenschaften bei der Akademie der Wissenschaften fast einstimmig an die Stelle des verewigten Poisson zum Präsidenten gewählt. Der Univers enthält Folgendes: "Zur Zeit, als unsere beiden Kammern das Gesetz der 25 von den Vereinigten Staaten reclamirten Millionen discutirten, erbot sich das Cabinet von Washington, seine Forderungen gegen die Abtretung eines Theils des Territoriums in der Provinz Oran aufzugeben. Dieses Anerbieten wurde verworfen; indeß es scheint, daß der neulich von der Commission der afrikanischen Creditbewilligungen ausgesprochene Wunsch, unsere Eroberung aufzugeben, die Hoffnungen der transatlantischen Speculanten gehoben und andere unserer Nachbarn veranlaßt hat. Man versichert uns, es befinden sich in diesem Augenblik Commissarien zweier Compagnien, einer englischen und einer amerikanischen, in Paris, beauftragt, die einen, die Verhandlungen betreffs der Cession verschiedener Küstenpunkte der Regentschaft wieder aufzunehmen, die anderen, mit unserer Regierung Verhandlungen, betreffs dieser Cession, einzuleiten. Dieselbe soll natürlich auf dem Wege des Kaufs stattfinden. Eine Liverpooler Compagnie soll Absichten auf Scherschell haben. Wir wissen nicht, ob bereits, und insonderheit dem Ministerium, schon Vorschläge gemacht worden sind, aber in dieser Zeit des Durcheinander sind wir nicht ohne Furcht wegen des Erfolgs solcher Versuche, die mit baarem Gelde gemacht werden." Noch sind die Depeschen des Marschalls Valee, welche das Dampfboot Cerbere nach Toulon brachte, in Paris nicht eingetroffen. Ueber die rückgängige Bewegung waren in Paris viele schlimme Gerüchte verbreitet, die der Moniteur Parisien zu Frankreich eine Zukunft vor, die gewiß schön seyn wird. Aber lange noch werden die inmitten seiner Arbeiten erweckten Erinnerungen des kaiserlichen Ruhmes seine Begeisterung erregen. ... Seltsam! Wer hätte vor 25 Jahren, zur Zeit, als England das ganze coalisirte Europa gegen Frankreich aufregte, wer hätte damals gedacht, daß der Tag so nahe sey, wo die beiden großen, durch eine neue Revolution versöhnten Nationen sich wechselseitig aufeinander stützen würden zur Erhaltung des Friedens der durch ihren Streit so lange mit Blut bespritzten Welt? Wer hätte denken können, daß England, eifrig bedacht, aus seinen Annalen eine traurige Erinnerung zu verbannen, den Wunsch ausspräche, daß die Frankreich zurückgegebene Asche Napoleons das Unterpfand der definitiven Versöhnung beider Nationen würde?“ Entschieden gegen die Regierung sprechen die Gazette de France und der National: „Die Maaßregel ist unerklärlich, sagt die Gazette. Warum holt ihr die Gebeine Napoleons, während ihr sein Blut verbannt? Was will man mit dieser Apotheose ausdrücken? Die Liebe zum Despotismus? Aber ihr seyd nicht im Stande ihn zu üben. Die Dankbarkeit Frankreichs gegen einen großen Feldherrn? Aber die Siege dieses Feldherrn hatten die beiden größten Niederlagen zur Folge, die Frankreich je erlitten, die bei Leipzig und Waterloo, so wie die beiden größten Unfälle, welche in der Geschichte Frankreichs vorkommen, die wiederholte Einnahme seiner Hauptstadt. Napoleon war ein Eroberer, aber er hat seine Eroberungen mit denen der Republik verloren und die Eroberungen Ludwigs XIV verletzen lassen. Seit fünfzig Jahren ist uns nichts geblieben, als die Eroberung von Algier. Die Asche Karls X also sollte man holen, denn er hat Frankreich eine Küstenstrecke von 100 Lieues im Mittelmeer gegeben.“ – Der National, der früher oft genug für eine Reclamation der Gebeine Napoleons geeifert hatte, so lange kein Ministerium daran dachte, meint nun, es wäre viel poetischer gewesen, die Gebeine Napoleons auf St. Helena zu lassen, wo – wie ein großer Dichter sagt – „sein Ruhm liegt, wie der ungeheure Leuchtthurm einer alten und neuen Welt.“ Was will man thun? fährt der National fort. Die Gebeine Napoleons ausgraben? ... Also das Heiligthum der Gräber verletzen, die Poesie des Unglücks an ihrer Quelle vertrocknen und anstatt jener Apotheose in der Erinnerung den alltäglichen Pomp eines Leichenbegängnisses setzen! Und wer sind die Männer, die von einer der Vergangenheit schuldigen Genugthuung sprechen? Dieselben, welche überall vor dem bloß mit Protokollen bewaffneten Europa schmählich zurückwichen, welche Polen gemordet, Italien preisgegeben, Belgien in Stich gelassen und der Gegenrevolution gestattet haben, alles wieder zu nehmen, was sie durch die Juliusrevolution verloren hatte; sie berühren den Degen Napoleons mit derselben Hand, welche die Verträge von 1815 ratificirt hat!“ Der Courrier français dagegen sagt: „Das Ministerium kann sich zu diesem großen Act der Genugthuung Glück wünschen. Kein Cabinet vor ihm hatte den Muth gehabt, ihn dem Könige vorzuschlagen; kein anderes hatte sich vielleicht in der Lage gesehen ihn durchzusetzen. Marschall Soult, der Lieutenant Napoleons zu Waterloo, wird bitter bereuen, seine Anwesenheit am Staatsruder nicht durch diesen Beweis seiner Hingebung für das Andenken des Kaisers bezeichnet zu haben. Wir werden nur gerecht seyn, wenn wir den Namen des Königs in der öffentlichen Dankbarkeit dem Namen des Ministeriums beigesellen. Dem Ministerium gehört der Gedanke, dem Könige die Sanction. Das Ministerium übernimmt die Wiederherstellung der schönsten Seite unserer Geschichte. Es gibt Frankreich die Asche und den Degen Napoleons zurück! Es gibt Napoleon wieder jene vom Volk erhaltene Legitimität, die seine Stärke und sein Recht ausmachten. Dadurch wird zugleich die Legitimität unserer Revolution und der vom Volke gewählten Monarchie geweiht; dieß heißt, jene Regierung an ihrer wahren Quelle wieder auffrischen und ihr die Taufe der Popularität geben, die allmählich zu verschwinden schien. Es fehlt nur noch die Genugthuung für die von der Gegenrevolution begangenen Verbrechen. Nach der Apotheose Napoleons ist uns das Ministerium die Wiederherstellung der Ehre des Marschalls Ney schuldig.“ Das von Graf Montalembert geleitete Organ der katholischen Partei, der Univers, äußert: „Der Ruhm und das Unglück Napoleons sind eine Sühne für seine Fehler gegen Gott und Menschen. Es würde schwer seyn, in der Geschichte ein poetischeres, ergreifenderes, majestätischeres Schauspiel zu finden, als nach der feierlichen Versöhnung durch das Grab von St. Helena den großen Kaiser rückkehren zu sehen in den Schooß des Landes, auf das er einen Ruhm ohne Gleichen gehäuft hat, und in welchem sein Name noch jetzt mit unüberwindlicher Gewalt herrscht. Es war dieß ein glänzender Gedanke von Hrn. Thiers, der seinem Ministerium mehr Erfolg und Popularität verschaffen wird, als alle seine politischen Maaßregeln, welcher Natur sie auch seyn mögen. Wir können das Gefühl nur loben, das als letztes Grab Napoleons die Invalidenkirche statt der Vendomesäule wählen ließ. Es ist dieß ein edler Tribut an die religiösen Ueberzeugungen, die der Kaiser bekanntlich in seinen frühern wie in seinen spätern Jahren hegte.“ Dem Constitutionnel zufolge werden die Generale Bertrand und Gourgaud, so wie Hr. v. Lascases den Prinzen Joinville bei seiner Mission nach St. Helena begleiten. Es heißt, daß auch General Petit zu dieser Mission gehören werde. Hr. Poncelet ward von der Section der mathematischen Wissenschaften bei der Akademie der Wissenschaften fast einstimmig an die Stelle des verewigten Poisson zum Präsidenten gewählt. Der Univers enthält Folgendes: „Zur Zeit, als unsere beiden Kammern das Gesetz der 25 von den Vereinigten Staaten reclamirten Millionen discutirten, erbot sich das Cabinet von Washington, seine Forderungen gegen die Abtretung eines Theils des Territoriums in der Provinz Oran aufzugeben. Dieses Anerbieten wurde verworfen; indeß es scheint, daß der neulich von der Commission der afrikanischen Creditbewilligungen ausgesprochene Wunsch, unsere Eroberung aufzugeben, die Hoffnungen der transatlantischen Speculanten gehoben und andere unserer Nachbarn veranlaßt hat. Man versichert uns, es befinden sich in diesem Augenblik Commissarien zweier Compagnien, einer englischen und einer amerikanischen, in Paris, beauftragt, die einen, die Verhandlungen betreffs der Cession verschiedener Küstenpunkte der Regentschaft wieder aufzunehmen, die anderen, mit unserer Regierung Verhandlungen, betreffs dieser Cession, einzuleiten. Dieselbe soll natürlich auf dem Wege des Kaufs stattfinden. Eine Liverpooler Compagnie soll Absichten auf Scherschell haben. Wir wissen nicht, ob bereits, und insonderheit dem Ministerium, schon Vorschläge gemacht worden sind, aber in dieser Zeit des Durcheinander sind wir nicht ohne Furcht wegen des Erfolgs solcher Versuche, die mit baarem Gelde gemacht werden.“ Noch sind die Depeschen des Marschalls Valée, welche das Dampfboot Cerbère nach Toulon brachte, in Paris nicht eingetroffen. Ueber die rückgängige Bewegung waren in Paris viele schlimme Gerüchte verbreitet, die der Moniteur Parisien zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0004" n="1116"/> Frankreich eine Zukunft vor, die gewiß schön seyn wird. Aber lange noch werden die inmitten seiner Arbeiten erweckten Erinnerungen des kaiserlichen Ruhmes seine Begeisterung erregen. ... Seltsam! 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Die Dankbarkeit Frankreichs gegen einen großen Feldherrn? Aber die Siege dieses Feldherrn hatten die beiden größten Niederlagen zur Folge, die Frankreich je erlitten, die bei Leipzig und Waterloo, so wie die beiden größten Unfälle, welche in der Geschichte Frankreichs vorkommen, die wiederholte Einnahme seiner Hauptstadt. Napoleon war ein Eroberer, aber er hat seine Eroberungen mit denen der Republik verloren und die Eroberungen Ludwigs XIV verletzen lassen. Seit fünfzig Jahren ist uns nichts geblieben, als die Eroberung von Algier. Die Asche Karls X also sollte man holen, denn er hat Frankreich eine Küstenstrecke von 100 Lieues im Mittelmeer gegeben.“ – Der <hi rendition="#g">National</hi>, der früher oft genug für eine Reclamation der Gebeine Napoleons geeifert hatte, so lange kein Ministerium daran dachte, meint nun, es wäre viel poetischer gewesen, die Gebeine Napoleons auf St. Helena zu lassen, wo – wie ein großer Dichter sagt – „sein Ruhm liegt, wie der ungeheure Leuchtthurm einer alten und neuen Welt.“ Was will man thun? fährt der National fort. Die Gebeine Napoleons ausgraben? ... Also das Heiligthum der Gräber verletzen, die Poesie des Unglücks an ihrer Quelle vertrocknen und anstatt jener Apotheose in der Erinnerung den alltäglichen Pomp eines Leichenbegängnisses setzen! Und wer sind die Männer, die von einer der Vergangenheit schuldigen Genugthuung sprechen? Dieselben, welche überall vor dem bloß mit Protokollen bewaffneten Europa schmählich zurückwichen, welche Polen gemordet, Italien preisgegeben, Belgien in Stich gelassen und der Gegenrevolution gestattet haben, alles wieder zu nehmen, was sie durch die Juliusrevolution verloren hatte; sie berühren den Degen Napoleons mit derselben Hand, welche die Verträge von 1815 ratificirt hat!“</p><lb/> <p>Der <hi rendition="#g">Courrier français</hi> dagegen sagt: „Das Ministerium kann sich zu diesem großen Act der Genugthuung Glück wünschen. Kein Cabinet vor ihm hatte den Muth gehabt, ihn dem Könige vorzuschlagen; kein anderes hatte sich vielleicht in der Lage gesehen ihn durchzusetzen. Marschall Soult, der Lieutenant Napoleons zu Waterloo, wird bitter bereuen, seine Anwesenheit am Staatsruder nicht durch diesen Beweis seiner Hingebung für das Andenken des Kaisers bezeichnet zu haben. Wir werden nur gerecht seyn, wenn wir den Namen des Königs in der öffentlichen Dankbarkeit dem Namen des Ministeriums beigesellen. Dem Ministerium gehört der Gedanke, dem Könige die Sanction. Das Ministerium übernimmt die Wiederherstellung der schönsten Seite unserer Geschichte. Es gibt Frankreich die Asche und den Degen Napoleons zurück! Es gibt Napoleon wieder jene vom Volk erhaltene Legitimität, die seine Stärke und sein Recht ausmachten. Dadurch wird zugleich die Legitimität unserer Revolution und der vom Volke gewählten Monarchie geweiht; dieß heißt, jene Regierung an ihrer wahren Quelle wieder auffrischen und ihr die Taufe der Popularität geben, die allmählich zu verschwinden schien. Es fehlt nur noch die Genugthuung für die von der Gegenrevolution begangenen Verbrechen. 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Wir können das Gefühl nur loben, das als letztes Grab Napoleons die Invalidenkirche statt der Vendomesäule wählen ließ. Es ist dieß ein edler Tribut an die religiösen Ueberzeugungen, die der Kaiser bekanntlich in seinen frühern wie in seinen spätern Jahren hegte.“</p><lb/> <p>Dem <hi rendition="#g">Constitutionnel</hi> zufolge werden die Generale Bertrand und Gourgaud, so wie Hr. v. Lascases den Prinzen Joinville bei seiner Mission nach St. Helena begleiten. Es heißt, daß auch General Petit zu dieser Mission gehören werde.</p><lb/> <p>Hr. Poncelet ward von der Section der mathematischen Wissenschaften bei der Akademie der Wissenschaften fast einstimmig an die Stelle des verewigten Poisson zum Präsidenten gewählt.</p><lb/> <p>Der <hi rendition="#g">Univers</hi> enthält Folgendes: „Zur Zeit, als unsere beiden Kammern das Gesetz der 25 von den Vereinigten Staaten reclamirten Millionen discutirten, erbot sich das Cabinet von Washington, seine Forderungen gegen die Abtretung eines Theils des Territoriums in der Provinz Oran aufzugeben. Dieses Anerbieten wurde verworfen; indeß es scheint, daß der neulich von der Commission der afrikanischen Creditbewilligungen ausgesprochene Wunsch, unsere Eroberung aufzugeben, die Hoffnungen der transatlantischen Speculanten gehoben und andere unserer Nachbarn veranlaßt hat. Man versichert uns, es befinden sich in diesem Augenblik Commissarien zweier Compagnien, einer englischen und einer amerikanischen, in Paris, beauftragt, die einen, die Verhandlungen betreffs der Cession verschiedener Küstenpunkte der Regentschaft wieder aufzunehmen, die anderen, mit unserer Regierung Verhandlungen, betreffs dieser Cession, einzuleiten. Dieselbe soll natürlich auf dem Wege des Kaufs stattfinden. Eine Liverpooler Compagnie soll Absichten auf Scherschell haben. Wir wissen nicht, ob bereits, und insonderheit dem Ministerium, schon Vorschläge gemacht worden sind, aber in dieser Zeit des Durcheinander sind wir nicht ohne Furcht wegen des Erfolgs solcher Versuche, die mit baarem Gelde gemacht werden.“</p><lb/> <p>Noch sind die Depeschen des Marschalls Valée, welche das Dampfboot Cerbère nach Toulon brachte, in Paris nicht eingetroffen. 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Frankreich eine Zukunft vor, die gewiß schön seyn wird. Aber lange noch werden die inmitten seiner Arbeiten erweckten Erinnerungen des kaiserlichen Ruhmes seine Begeisterung erregen. ... Seltsam! Wer hätte vor 25 Jahren, zur Zeit, als England das ganze coalisirte Europa gegen Frankreich aufregte, wer hätte damals gedacht, daß der Tag so nahe sey, wo die beiden großen, durch eine neue Revolution versöhnten Nationen sich wechselseitig aufeinander stützen würden zur Erhaltung des Friedens der durch ihren Streit so lange mit Blut bespritzten Welt? Wer hätte denken können, daß England, eifrig bedacht, aus seinen Annalen eine traurige Erinnerung zu verbannen, den Wunsch ausspräche, daß die Frankreich zurückgegebene Asche Napoleons das Unterpfand der definitiven Versöhnung beider Nationen würde?“
Entschieden gegen die Regierung sprechen die Gazette de France und der National: „Die Maaßregel ist unerklärlich, sagt die Gazette. Warum holt ihr die Gebeine Napoleons, während ihr sein Blut verbannt? Was will man mit dieser Apotheose ausdrücken? Die Liebe zum Despotismus? Aber ihr seyd nicht im Stande ihn zu üben. Die Dankbarkeit Frankreichs gegen einen großen Feldherrn? Aber die Siege dieses Feldherrn hatten die beiden größten Niederlagen zur Folge, die Frankreich je erlitten, die bei Leipzig und Waterloo, so wie die beiden größten Unfälle, welche in der Geschichte Frankreichs vorkommen, die wiederholte Einnahme seiner Hauptstadt. Napoleon war ein Eroberer, aber er hat seine Eroberungen mit denen der Republik verloren und die Eroberungen Ludwigs XIV verletzen lassen. Seit fünfzig Jahren ist uns nichts geblieben, als die Eroberung von Algier. Die Asche Karls X also sollte man holen, denn er hat Frankreich eine Küstenstrecke von 100 Lieues im Mittelmeer gegeben.“ – Der National, der früher oft genug für eine Reclamation der Gebeine Napoleons geeifert hatte, so lange kein Ministerium daran dachte, meint nun, es wäre viel poetischer gewesen, die Gebeine Napoleons auf St. Helena zu lassen, wo – wie ein großer Dichter sagt – „sein Ruhm liegt, wie der ungeheure Leuchtthurm einer alten und neuen Welt.“ Was will man thun? fährt der National fort. Die Gebeine Napoleons ausgraben? ... Also das Heiligthum der Gräber verletzen, die Poesie des Unglücks an ihrer Quelle vertrocknen und anstatt jener Apotheose in der Erinnerung den alltäglichen Pomp eines Leichenbegängnisses setzen! Und wer sind die Männer, die von einer der Vergangenheit schuldigen Genugthuung sprechen? Dieselben, welche überall vor dem bloß mit Protokollen bewaffneten Europa schmählich zurückwichen, welche Polen gemordet, Italien preisgegeben, Belgien in Stich gelassen und der Gegenrevolution gestattet haben, alles wieder zu nehmen, was sie durch die Juliusrevolution verloren hatte; sie berühren den Degen Napoleons mit derselben Hand, welche die Verträge von 1815 ratificirt hat!“
Der Courrier français dagegen sagt: „Das Ministerium kann sich zu diesem großen Act der Genugthuung Glück wünschen. Kein Cabinet vor ihm hatte den Muth gehabt, ihn dem Könige vorzuschlagen; kein anderes hatte sich vielleicht in der Lage gesehen ihn durchzusetzen. Marschall Soult, der Lieutenant Napoleons zu Waterloo, wird bitter bereuen, seine Anwesenheit am Staatsruder nicht durch diesen Beweis seiner Hingebung für das Andenken des Kaisers bezeichnet zu haben. Wir werden nur gerecht seyn, wenn wir den Namen des Königs in der öffentlichen Dankbarkeit dem Namen des Ministeriums beigesellen. Dem Ministerium gehört der Gedanke, dem Könige die Sanction. Das Ministerium übernimmt die Wiederherstellung der schönsten Seite unserer Geschichte. Es gibt Frankreich die Asche und den Degen Napoleons zurück! Es gibt Napoleon wieder jene vom Volk erhaltene Legitimität, die seine Stärke und sein Recht ausmachten. Dadurch wird zugleich die Legitimität unserer Revolution und der vom Volke gewählten Monarchie geweiht; dieß heißt, jene Regierung an ihrer wahren Quelle wieder auffrischen und ihr die Taufe der Popularität geben, die allmählich zu verschwinden schien. Es fehlt nur noch die Genugthuung für die von der Gegenrevolution begangenen Verbrechen. Nach der Apotheose Napoleons ist uns das Ministerium die Wiederherstellung der Ehre des Marschalls Ney schuldig.“
Das von Graf Montalembert geleitete Organ der katholischen Partei, der Univers, äußert: „Der Ruhm und das Unglück Napoleons sind eine Sühne für seine Fehler gegen Gott und Menschen. Es würde schwer seyn, in der Geschichte ein poetischeres, ergreifenderes, majestätischeres Schauspiel zu finden, als nach der feierlichen Versöhnung durch das Grab von St. Helena den großen Kaiser rückkehren zu sehen in den Schooß des Landes, auf das er einen Ruhm ohne Gleichen gehäuft hat, und in welchem sein Name noch jetzt mit unüberwindlicher Gewalt herrscht. Es war dieß ein glänzender Gedanke von Hrn. Thiers, der seinem Ministerium mehr Erfolg und Popularität verschaffen wird, als alle seine politischen Maaßregeln, welcher Natur sie auch seyn mögen. Wir können das Gefühl nur loben, das als letztes Grab Napoleons die Invalidenkirche statt der Vendomesäule wählen ließ. Es ist dieß ein edler Tribut an die religiösen Ueberzeugungen, die der Kaiser bekanntlich in seinen frühern wie in seinen spätern Jahren hegte.“
Dem Constitutionnel zufolge werden die Generale Bertrand und Gourgaud, so wie Hr. v. Lascases den Prinzen Joinville bei seiner Mission nach St. Helena begleiten. Es heißt, daß auch General Petit zu dieser Mission gehören werde.
Hr. Poncelet ward von der Section der mathematischen Wissenschaften bei der Akademie der Wissenschaften fast einstimmig an die Stelle des verewigten Poisson zum Präsidenten gewählt.
Der Univers enthält Folgendes: „Zur Zeit, als unsere beiden Kammern das Gesetz der 25 von den Vereinigten Staaten reclamirten Millionen discutirten, erbot sich das Cabinet von Washington, seine Forderungen gegen die Abtretung eines Theils des Territoriums in der Provinz Oran aufzugeben. Dieses Anerbieten wurde verworfen; indeß es scheint, daß der neulich von der Commission der afrikanischen Creditbewilligungen ausgesprochene Wunsch, unsere Eroberung aufzugeben, die Hoffnungen der transatlantischen Speculanten gehoben und andere unserer Nachbarn veranlaßt hat. Man versichert uns, es befinden sich in diesem Augenblik Commissarien zweier Compagnien, einer englischen und einer amerikanischen, in Paris, beauftragt, die einen, die Verhandlungen betreffs der Cession verschiedener Küstenpunkte der Regentschaft wieder aufzunehmen, die anderen, mit unserer Regierung Verhandlungen, betreffs dieser Cession, einzuleiten. Dieselbe soll natürlich auf dem Wege des Kaufs stattfinden. Eine Liverpooler Compagnie soll Absichten auf Scherschell haben. Wir wissen nicht, ob bereits, und insonderheit dem Ministerium, schon Vorschläge gemacht worden sind, aber in dieser Zeit des Durcheinander sind wir nicht ohne Furcht wegen des Erfolgs solcher Versuche, die mit baarem Gelde gemacht werden.“
Noch sind die Depeschen des Marschalls Valée, welche das Dampfboot Cerbère nach Toulon brachte, in Paris nicht eingetroffen. Ueber die rückgängige Bewegung waren in Paris viele schlimme Gerüchte verbreitet, die der Moniteur Parisien zu
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