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Allgemeine Zeitung. Nr. 141. Augsburg, 20. Mai 1840.

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erste ernste Kampf bevor, denn alle Nachrichten aus dem Innern sagten seit Monaten schon, daß Abd-El-Kader gesonnen sey, den Paß zu vertheidigen. Auf der Höhe des Gebirgs ist dieser Paß so schmal, daß kaum vier Mann neben einander marschiren können. Medeah liegt von dort nur fünf Stunden am Fuße des südlichen Abhangs derselben Atlaskette.

Der Moniteur gibt folgenden Auszug eines an den Marschall Clauzel gerichteten Privatschreibens aus Algier vom 1 Mai: "Der junge Herzog von Aumale hat sich auf eine bewundernswürdige Weise ausgezeichnet. Er ging mit einer Ordonnanz des Herzogs von Orleans an der Spitze von drei Escadronen Chasseurs ab, fand sich, als er einen Theil des Waldes von Kharesas durchritt, plötzlich mitten unter den Arabern, und nur den ihm gegebenen Befehlen folgend, zog er voll kaltblütigen Muthes seinen Säbel und stürzte sich zuerst auf die Feinde. Sein Beispiel wirkte auf die Soldaten dergestalt, daß der Sieg augenblicklich entschieden war."

Die Journale widersprechen jetzt der Angabe von dem Tode des Viceadmirals Willaumez. Er sey nicht einmal ernstlich krank.

Die Sitzung der Deputirtenkammer vom 14 Mai war interessant durch die Debatte über Algier, welche sich trotz der Mahnung Berryers, daß man im Augenblick, wo man sich schlage, nichts Besseres thun könne, als stillschweigend den Credit zu bewilligen, mit großer Wärme entspann. Außer dem Conseilpräsidenten nahmen zwei Oberofficiere, welche einigemal und längere Zeit in Afrika commandirten, der General Bugeaud und der Marschall Clauzel, lebhaft Theil daran. Bugeaud sprach zuerst. Er tadelte das völlig planlose der Operationen in Afrika. Man habe wohl einen Feldzugsplan, aber keinen Plan der Niederlassung. Man scheine gegenwärtig zu beabsichtigen, außer Scherschel noch Medeah und Miliana zu occupiren. Dieß sey nur das System der beschränkten Occupation in einem weitern Maaßstab und mit noch größeren Inconvenienzen. Er könne voraussagen, daß mit einem solchen Systeme im künftigen Jahre neue Heere und neue Credite nöthig seyn würden. General Bugeaud verdammt das System der Besetzung einzelner Punkte; er will mobile Colonnen, die das ganze Land durchziehen. "Was würden Sie, sagte er, von einem Admiral denken, der, um das Mittelmeer zu dominiren, seine Linienschiffe auf verschiedenen Punkten des Litorals zerstreuen würde, statt sie ins hohe Meer zu schicken? Was Sie jetzt in Afrika thun wollen, ist beinahe dasselbe. Die Occupation einiger befestigten Punkte verhält sich zum System der Mobilität, wie der Bereich der Flinte zum Bereich der Beine. Die Kugeln eurer Flinten können eine gewisse Zone über eure Mauern hinaus nicht überschreiten, die Beine dagegen können alle zugänglichen Punkte erreichen. Ich bin überzeugt, daß die Regierung Algier nicht aufgeben wird. Es gibt eine Macht in Frankreich, die dieß nicht dulden würde; ich nenne die Macht nicht, ich bin bezahlt, sie zu respectiren. (Gelächter.) Wir müssen in Afrika ein großes Colonisationssystem entwickeln, wie das der Franken gegen die Gothen. Was man in Constantine gethan, ist zwar besser als was in Oran geschehen, reicht aber auch nicht hin. Es bedarf eines großen Colonisationssystems. Eine königliche Ordonnanz muß unter die Ansiedler Land und Wasser vertheilen; sie muß ihnen Waffen, Ackerwerkzeuge, Vieh, Wohnungen und Lebensmittel auf zwei bis drei Jahre sichern. (Bewegung.) Dieß ist weniger kostspielig, als was man gegenwärtig thut; es kostet weniger Geld und weniger Menschen. Man kann nicht ohne Gefahr 60 bis 80,000 Soldaten in Afrika lassen. Fängt die Colonisation mit 15 oder 20 Millionen an, und macht die bisher begangenen Fehler durch einen raschen und kräftigen Entschluß wieder gut. Dieß ist, was großen Männern und großen Nationen geziemt." Der Marschall Clauzel ging in seiner Rede wenig auf die gegenwärtige Lage der Dinge ein, sondern wiederholte mehr, was er während seiner zweimaligen Verwaltung in Afrika gethan. Während man gegenwärtig 30,000 Mann bei Musaya stehen habe, hätten zur Zeit seines Commando's 3 bis 4000 Mann hingereicht, die ganze Ebene Metidscha bis zum Engpaß Teniah zu bewachen. "Ich hatte, fuhr der Marschall fort, im Jahr 1836 nur 25,000 Mann im Ganzen, und gab nur 28 Millionen aus. Gegenwärtig stehen 65,000 Mann in Algier; die Ausgaben belaufen sich auf 51 Millionen, dennoch geschieht jetzt nicht so viel, wie damals. Ich hielt nicht nur die ganze Ebene Metidscha, sondern auch Tlemsan besetzt. Ich konnte überdieß noch eine Expedition gegen Constantine unternehmen, und würde in dieser Stadt eingezogen seyn, wären die Thore nicht verschlossen gewesen. (Schallendes Gelächter.) Es war eine mit den Bewohnern verabredete Expedition. Ich wurde getäuscht, und mußte umkehren." Gleich dem General Bugeaud prophezeit auch der Marschall Clauzel, daß die gegenwärtige Expedition durchaus kein Resultat haben werde. Er meint, man könne mit den Arabern durchaus nur fertig werden, wenn man sie behandle, wie früher die Türken gethan. Bisher habe man nichts in Algier gewonnen, weil man viel zu milde, viel zu vertrauensvoll gegen die Araber gewesen. Hr. Thiers, Präsident des Conseils, der gleich zu Anfang der Sitzung die gestern erwähnte Erklärung hinsichtlich des Zusatzartikels der Commission gegeben, folgte dem Marschall Clauzel mit einer sehr langen Rede. So große Achtung er auch für die Meinung des Generals Bugeaud hege - sagte Hr. Thiers - so theile die Regierung doch nicht ganz seine Ansichten. Der General sey ein absoluter Geist. Wenn man seinem System nicht ganz beipflichte, so sage er gleich, man habe gar kein System. (Gelächter.) Hr. Thiers ging nun sehr umständlich in die Algierer Zustände ein, die er sorgfältig studirt zu haben versicherte. Das beste System, meinte er, sey das, welches man gegenwärtig in der Provinz Constantine befolge: nämlich die bedeutendsten Punkte militärisch zu besetzen, von wo man, so oft es noth thue, Colonnen durch das Land schicken könne. Dieß sey das System der Engländer in Ostindien, der Römer in all' ihren eroberten Provinzen gewesen. Man müsse Abd-El-Kader, der seit dem Tractat an der Tafna mächtiger, streitfertiger und drohender als je dastehe, aufs äußerste bekriegen, ihn zu vernichten suchen. Eine Occupation des Landes im Großen sey nothwendig; eben so auch die Colonisation, die sich aber für den Anfang auf die Umgebungen der Küstenstädte Algier, Oran Bona und Mostaganem beschränken müsse. (Wir kommen auf diese bedeutungsvolle Rede zurück.)

* In der Sitzung der Deputirtenkammer vom 15 Mai wurde die Discussion über Algier fortgesetzt. Die HH. Desjobert, Jouffroy und Sebastiani nahmen Theil daran. Darauf kam es zur Abstimmung. Der Zusatzartikel der Commission wurde verworfen und der Supplementarcredit für die Operationen in Afrika mit 261 gegen 68 Stimmen angenommen.

Die Commission für den Entwurf der Abholung der sterblichen Reste des Kaisers Napoleon ward folgendermaßen zusammengesetzt: General Schneider, Las Cases Vater (obgleich abwesend, im 2ten Bureau fast einstimmig gewählt), Marschall Clauzel, General Subervic, Cäsar Bacot, Mathieu de la Redorte, Durrieu, Bachelu, Salvandy.

Der Staatsrath hat am 14 Mai von dem Palast am Qua d'Orsay Besitz genommen. Alle Minister wohnten dieser Einweihung bei. Der Siegelbewahrer eröffnete die Sitzung, wobei

erste ernste Kampf bevor, denn alle Nachrichten aus dem Innern sagten seit Monaten schon, daß Abd-El-Kader gesonnen sey, den Paß zu vertheidigen. Auf der Höhe des Gebirgs ist dieser Paß so schmal, daß kaum vier Mann neben einander marschiren können. Medeah liegt von dort nur fünf Stunden am Fuße des südlichen Abhangs derselben Atlaskette.

Der Moniteur gibt folgenden Auszug eines an den Marschall Clauzel gerichteten Privatschreibens aus Algier vom 1 Mai: „Der junge Herzog von Aumale hat sich auf eine bewundernswürdige Weise ausgezeichnet. Er ging mit einer Ordonnanz des Herzogs von Orleans an der Spitze von drei Escadronen Chasseurs ab, fand sich, als er einen Theil des Waldes von Kharesas durchritt, plötzlich mitten unter den Arabern, und nur den ihm gegebenen Befehlen folgend, zog er voll kaltblütigen Muthes seinen Säbel und stürzte sich zuerst auf die Feinde. Sein Beispiel wirkte auf die Soldaten dergestalt, daß der Sieg augenblicklich entschieden war.“

Die Journale widersprechen jetzt der Angabe von dem Tode des Viceadmirals Willaumez. Er sey nicht einmal ernstlich krank.

Die Sitzung der Deputirtenkammer vom 14 Mai war interessant durch die Debatte über Algier, welche sich trotz der Mahnung Berryers, daß man im Augenblick, wo man sich schlage, nichts Besseres thun könne, als stillschweigend den Credit zu bewilligen, mit großer Wärme entspann. Außer dem Conseilpräsidenten nahmen zwei Oberofficiere, welche einigemal und längere Zeit in Afrika commandirten, der General Bugeaud und der Marschall Clauzel, lebhaft Theil daran. Bugeaud sprach zuerst. Er tadelte das völlig planlose der Operationen in Afrika. Man habe wohl einen Feldzugsplan, aber keinen Plan der Niederlassung. Man scheine gegenwärtig zu beabsichtigen, außer Scherschel noch Medeah und Miliana zu occupiren. Dieß sey nur das System der beschränkten Occupation in einem weitern Maaßstab und mit noch größeren Inconvenienzen. Er könne voraussagen, daß mit einem solchen Systeme im künftigen Jahre neue Heere und neue Credite nöthig seyn würden. General Bugeaud verdammt das System der Besetzung einzelner Punkte; er will mobile Colonnen, die das ganze Land durchziehen. „Was würden Sie, sagte er, von einem Admiral denken, der, um das Mittelmeer zu dominiren, seine Linienschiffe auf verschiedenen Punkten des Litorals zerstreuen würde, statt sie ins hohe Meer zu schicken? Was Sie jetzt in Afrika thun wollen, ist beinahe dasselbe. Die Occupation einiger befestigten Punkte verhält sich zum System der Mobilität, wie der Bereich der Flinte zum Bereich der Beine. Die Kugeln eurer Flinten können eine gewisse Zone über eure Mauern hinaus nicht überschreiten, die Beine dagegen können alle zugänglichen Punkte erreichen. Ich bin überzeugt, daß die Regierung Algier nicht aufgeben wird. Es gibt eine Macht in Frankreich, die dieß nicht dulden würde; ich nenne die Macht nicht, ich bin bezahlt, sie zu respectiren. (Gelächter.) Wir müssen in Afrika ein großes Colonisationssystem entwickeln, wie das der Franken gegen die Gothen. Was man in Constantine gethan, ist zwar besser als was in Oran geschehen, reicht aber auch nicht hin. Es bedarf eines großen Colonisationssystems. Eine königliche Ordonnanz muß unter die Ansiedler Land und Wasser vertheilen; sie muß ihnen Waffen, Ackerwerkzeuge, Vieh, Wohnungen und Lebensmittel auf zwei bis drei Jahre sichern. (Bewegung.) Dieß ist weniger kostspielig, als was man gegenwärtig thut; es kostet weniger Geld und weniger Menschen. Man kann nicht ohne Gefahr 60 bis 80,000 Soldaten in Afrika lassen. Fängt die Colonisation mit 15 oder 20 Millionen an, und macht die bisher begangenen Fehler durch einen raschen und kräftigen Entschluß wieder gut. Dieß ist, was großen Männern und großen Nationen geziemt.“ Der Marschall Clauzel ging in seiner Rede wenig auf die gegenwärtige Lage der Dinge ein, sondern wiederholte mehr, was er während seiner zweimaligen Verwaltung in Afrika gethan. Während man gegenwärtig 30,000 Mann bei Musaya stehen habe, hätten zur Zeit seines Commando's 3 bis 4000 Mann hingereicht, die ganze Ebene Metidscha bis zum Engpaß Teniah zu bewachen. „Ich hatte, fuhr der Marschall fort, im Jahr 1836 nur 25,000 Mann im Ganzen, und gab nur 28 Millionen aus. Gegenwärtig stehen 65,000 Mann in Algier; die Ausgaben belaufen sich auf 51 Millionen, dennoch geschieht jetzt nicht so viel, wie damals. Ich hielt nicht nur die ganze Ebene Metidscha, sondern auch Tlemsan besetzt. Ich konnte überdieß noch eine Expedition gegen Constantine unternehmen, und würde in dieser Stadt eingezogen seyn, wären die Thore nicht verschlossen gewesen. (Schallendes Gelächter.) Es war eine mit den Bewohnern verabredete Expedition. Ich wurde getäuscht, und mußte umkehren.“ Gleich dem General Bugeaud prophezeit auch der Marschall Clauzel, daß die gegenwärtige Expedition durchaus kein Resultat haben werde. Er meint, man könne mit den Arabern durchaus nur fertig werden, wenn man sie behandle, wie früher die Türken gethan. Bisher habe man nichts in Algier gewonnen, weil man viel zu milde, viel zu vertrauensvoll gegen die Araber gewesen. Hr. Thiers, Präsident des Conseils, der gleich zu Anfang der Sitzung die gestern erwähnte Erklärung hinsichtlich des Zusatzartikels der Commission gegeben, folgte dem Marschall Clauzel mit einer sehr langen Rede. So große Achtung er auch für die Meinung des Generals Bugeaud hege – sagte Hr. Thiers – so theile die Regierung doch nicht ganz seine Ansichten. Der General sey ein absoluter Geist. Wenn man seinem System nicht ganz beipflichte, so sage er gleich, man habe gar kein System. (Gelächter.) Hr. Thiers ging nun sehr umständlich in die Algierer Zustände ein, die er sorgfältig studirt zu haben versicherte. Das beste System, meinte er, sey das, welches man gegenwärtig in der Provinz Constantine befolge: nämlich die bedeutendsten Punkte militärisch zu besetzen, von wo man, so oft es noth thue, Colonnen durch das Land schicken könne. Dieß sey das System der Engländer in Ostindien, der Römer in all' ihren eroberten Provinzen gewesen. Man müsse Abd-El-Kader, der seit dem Tractat an der Tafna mächtiger, streitfertiger und drohender als je dastehe, aufs äußerste bekriegen, ihn zu vernichten suchen. Eine Occupation des Landes im Großen sey nothwendig; eben so auch die Colonisation, die sich aber für den Anfang auf die Umgebungen der Küstenstädte Algier, Oran Bona und Mostaganem beschränken müsse. (Wir kommen auf diese bedeutungsvolle Rede zurück.)

* In der Sitzung der Deputirtenkammer vom 15 Mai wurde die Discussion über Algier fortgesetzt. Die HH. Desjobert, Jouffroy und Sebastiani nahmen Theil daran. Darauf kam es zur Abstimmung. Der Zusatzartikel der Commission wurde verworfen und der Supplementarcredit für die Operationen in Afrika mit 261 gegen 68 Stimmen angenommen.

Die Commission für den Entwurf der Abholung der sterblichen Reste des Kaisers Napoleon ward folgendermaßen zusammengesetzt: General Schneider, Las Cases Vater (obgleich abwesend, im 2ten Bureau fast einstimmig gewählt), Marschall Clauzel, General Subervic, Cäsar Bacot, Mathieu de la Redorte, Durrieu, Bachelu, Salvandy.

Der Staatsrath hat am 14 Mai von dem Palast am Qua d'Orsay Besitz genommen. Alle Minister wohnten dieser Einweihung bei. Der Siegelbewahrer eröffnete die Sitzung, wobei

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(Gelächter.) Wir müssen in Afrika ein großes Colonisationssystem entwickeln, wie das der Franken gegen die Gothen. Was man in Constantine gethan, ist zwar besser als was in Oran geschehen, reicht aber auch nicht hin. Es bedarf eines großen Colonisationssystems. Eine königliche Ordonnanz muß unter die Ansiedler Land und Wasser vertheilen; sie muß ihnen Waffen, Ackerwerkzeuge, Vieh, Wohnungen und Lebensmittel auf zwei bis drei Jahre sichern. (Bewegung.) Dieß ist weniger kostspielig, als was man gegenwärtig thut; es kostet weniger Geld und weniger Menschen. Man kann nicht ohne Gefahr 60 bis 80,000 Soldaten in Afrika lassen. Fängt die Colonisation mit 15 oder 20 Millionen an, und macht die bisher begangenen Fehler durch einen raschen und kräftigen Entschluß wieder gut. 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[1123/0003] erste ernste Kampf bevor, denn alle Nachrichten aus dem Innern sagten seit Monaten schon, daß Abd-El-Kader gesonnen sey, den Paß zu vertheidigen. Auf der Höhe des Gebirgs ist dieser Paß so schmal, daß kaum vier Mann neben einander marschiren können. Medeah liegt von dort nur fünf Stunden am Fuße des südlichen Abhangs derselben Atlaskette. Der Moniteur gibt folgenden Auszug eines an den Marschall Clauzel gerichteten Privatschreibens aus Algier vom 1 Mai: „Der junge Herzog von Aumale hat sich auf eine bewundernswürdige Weise ausgezeichnet. Er ging mit einer Ordonnanz des Herzogs von Orleans an der Spitze von drei Escadronen Chasseurs ab, fand sich, als er einen Theil des Waldes von Kharesas durchritt, plötzlich mitten unter den Arabern, und nur den ihm gegebenen Befehlen folgend, zog er voll kaltblütigen Muthes seinen Säbel und stürzte sich zuerst auf die Feinde. Sein Beispiel wirkte auf die Soldaten dergestalt, daß der Sieg augenblicklich entschieden war.“ Die Journale widersprechen jetzt der Angabe von dem Tode des Viceadmirals Willaumez. Er sey nicht einmal ernstlich krank. Die Sitzung der Deputirtenkammer vom 14 Mai war interessant durch die Debatte über Algier, welche sich trotz der Mahnung Berryers, daß man im Augenblick, wo man sich schlage, nichts Besseres thun könne, als stillschweigend den Credit zu bewilligen, mit großer Wärme entspann. Außer dem Conseilpräsidenten nahmen zwei Oberofficiere, welche einigemal und längere Zeit in Afrika commandirten, der General Bugeaud und der Marschall Clauzel, lebhaft Theil daran. Bugeaud sprach zuerst. Er tadelte das völlig planlose der Operationen in Afrika. Man habe wohl einen Feldzugsplan, aber keinen Plan der Niederlassung. Man scheine gegenwärtig zu beabsichtigen, außer Scherschel noch Medeah und Miliana zu occupiren. Dieß sey nur das System der beschränkten Occupation in einem weitern Maaßstab und mit noch größeren Inconvenienzen. Er könne voraussagen, daß mit einem solchen Systeme im künftigen Jahre neue Heere und neue Credite nöthig seyn würden. General Bugeaud verdammt das System der Besetzung einzelner Punkte; er will mobile Colonnen, die das ganze Land durchziehen. „Was würden Sie, sagte er, von einem Admiral denken, der, um das Mittelmeer zu dominiren, seine Linienschiffe auf verschiedenen Punkten des Litorals zerstreuen würde, statt sie ins hohe Meer zu schicken? Was Sie jetzt in Afrika thun wollen, ist beinahe dasselbe. Die Occupation einiger befestigten Punkte verhält sich zum System der Mobilität, wie der Bereich der Flinte zum Bereich der Beine. Die Kugeln eurer Flinten können eine gewisse Zone über eure Mauern hinaus nicht überschreiten, die Beine dagegen können alle zugänglichen Punkte erreichen. Ich bin überzeugt, daß die Regierung Algier nicht aufgeben wird. Es gibt eine Macht in Frankreich, die dieß nicht dulden würde; ich nenne die Macht nicht, ich bin bezahlt, sie zu respectiren. (Gelächter.) Wir müssen in Afrika ein großes Colonisationssystem entwickeln, wie das der Franken gegen die Gothen. Was man in Constantine gethan, ist zwar besser als was in Oran geschehen, reicht aber auch nicht hin. Es bedarf eines großen Colonisationssystems. Eine königliche Ordonnanz muß unter die Ansiedler Land und Wasser vertheilen; sie muß ihnen Waffen, Ackerwerkzeuge, Vieh, Wohnungen und Lebensmittel auf zwei bis drei Jahre sichern. (Bewegung.) Dieß ist weniger kostspielig, als was man gegenwärtig thut; es kostet weniger Geld und weniger Menschen. Man kann nicht ohne Gefahr 60 bis 80,000 Soldaten in Afrika lassen. Fängt die Colonisation mit 15 oder 20 Millionen an, und macht die bisher begangenen Fehler durch einen raschen und kräftigen Entschluß wieder gut. Dieß ist, was großen Männern und großen Nationen geziemt.“ Der Marschall Clauzel ging in seiner Rede wenig auf die gegenwärtige Lage der Dinge ein, sondern wiederholte mehr, was er während seiner zweimaligen Verwaltung in Afrika gethan. Während man gegenwärtig 30,000 Mann bei Musaya stehen habe, hätten zur Zeit seines Commando's 3 bis 4000 Mann hingereicht, die ganze Ebene Metidscha bis zum Engpaß Teniah zu bewachen. „Ich hatte, fuhr der Marschall fort, im Jahr 1836 nur 25,000 Mann im Ganzen, und gab nur 28 Millionen aus. Gegenwärtig stehen 65,000 Mann in Algier; die Ausgaben belaufen sich auf 51 Millionen, dennoch geschieht jetzt nicht so viel, wie damals. Ich hielt nicht nur die ganze Ebene Metidscha, sondern auch Tlemsan besetzt. Ich konnte überdieß noch eine Expedition gegen Constantine unternehmen, und würde in dieser Stadt eingezogen seyn, wären die Thore nicht verschlossen gewesen. (Schallendes Gelächter.) Es war eine mit den Bewohnern verabredete Expedition. Ich wurde getäuscht, und mußte umkehren.“ Gleich dem General Bugeaud prophezeit auch der Marschall Clauzel, daß die gegenwärtige Expedition durchaus kein Resultat haben werde. Er meint, man könne mit den Arabern durchaus nur fertig werden, wenn man sie behandle, wie früher die Türken gethan. Bisher habe man nichts in Algier gewonnen, weil man viel zu milde, viel zu vertrauensvoll gegen die Araber gewesen. Hr. Thiers, Präsident des Conseils, der gleich zu Anfang der Sitzung die gestern erwähnte Erklärung hinsichtlich des Zusatzartikels der Commission gegeben, folgte dem Marschall Clauzel mit einer sehr langen Rede. So große Achtung er auch für die Meinung des Generals Bugeaud hege – sagte Hr. Thiers – so theile die Regierung doch nicht ganz seine Ansichten. Der General sey ein absoluter Geist. Wenn man seinem System nicht ganz beipflichte, so sage er gleich, man habe gar kein System. (Gelächter.) Hr. Thiers ging nun sehr umständlich in die Algierer Zustände ein, die er sorgfältig studirt zu haben versicherte. Das beste System, meinte er, sey das, welches man gegenwärtig in der Provinz Constantine befolge: nämlich die bedeutendsten Punkte militärisch zu besetzen, von wo man, so oft es noth thue, Colonnen durch das Land schicken könne. Dieß sey das System der Engländer in Ostindien, der Römer in all' ihren eroberten Provinzen gewesen. Man müsse Abd-El-Kader, der seit dem Tractat an der Tafna mächtiger, streitfertiger und drohender als je dastehe, aufs äußerste bekriegen, ihn zu vernichten suchen. Eine Occupation des Landes im Großen sey nothwendig; eben so auch die Colonisation, die sich aber für den Anfang auf die Umgebungen der Küstenstädte Algier, Oran Bona und Mostaganem beschränken müsse. (Wir kommen auf diese bedeutungsvolle Rede zurück.) * In der Sitzung der Deputirtenkammer vom 15 Mai wurde die Discussion über Algier fortgesetzt. Die HH. Desjobert, Jouffroy und Sebastiani nahmen Theil daran. Darauf kam es zur Abstimmung. Der Zusatzartikel der Commission wurde verworfen und der Supplementarcredit für die Operationen in Afrika mit 261 gegen 68 Stimmen angenommen. Die Commission für den Entwurf der Abholung der sterblichen Reste des Kaisers Napoleon ward folgendermaßen zusammengesetzt: General Schneider, Las Cases Vater (obgleich abwesend, im 2ten Bureau fast einstimmig gewählt), Marschall Clauzel, General Subervic, Cäsar Bacot, Mathieu de la Redorte, Durrieu, Bachelu, Salvandy. Der Staatsrath hat am 14 Mai von dem Palast am Qua d'Orsay Besitz genommen. Alle Minister wohnten dieser Einweihung bei. Der Siegelbewahrer eröffnete die Sitzung, wobei

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 141. Augsburg, 20. Mai 1840, S. 1123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_141_18400520/3>, abgerufen am 03.12.2024.