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Allgemeine Zeitung. Nr. 142. Augsburg, 21. Mai 1840.

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welche nöthig ist, um ein Volk zu bilden, aber gewiß kann man solche in den einzelnen Fällen nach den Verhältnissen und dem Zweck der Nationalität wohl bestimmen. Wir fragen übrigens, ob unsern Gegnern bei der Betrachtung der Nationalität die Volkszahl wirklich gleichgültig ist? Wir bezweifeln dieß, und die Verschiedenheit unserer Ansicht wird wohl nicht darin liegen, daß sie die Zahl gar nicht berücksichtigen, sondern darin, daß wir bei der Bemessung derselben mehr vernünftige Zwecke im Auge haben, unsere Gegner aber die Nationalität in jedem Stamme achten, wenn auch nur seine Zahl gerade hinreicht, um seine Gewohnheiten zu verewigen, ohne Rücksicht auf, auch wohl im Widerspruch mit einem vernünftigen Zweck.

So wenig wir nun mit dem Correspondenten übereinstimmen, daß die böhmische Sprache gerade für die Nordungarn oder Schlesier national seyn soll, so halten wir doch gleich ihm die dialektischen Verschiedenheiten und die ungleichen geschichtlichen Verhältnisse für kein Hinderniß eines gemeinsamen intellectuellen Lebens, und billigen durchaus die wahrhaft großartige Idee eines intellectuellen Verbands sämmtlicher Westslaven vermittelst einer gemeinsamen Schriftsprache. Die Vortheile eines solchen Verbands unterliegen keinem Zweifel. Die Sprache ist an und für sich kein Wissen, sondern nur das Mittel des intellectuellen Verkehrs zur Vermehrung des besondern Wissens durch fremde Erfahrung. Der Werth einer Sprache steigt sonach mit der Menschenmenge, deren gegenseitiges Verständniß sie erleichtert, so wie mit dem Werth ihrer intellectuellen Hülfsmittel im Allgemeinen, und insbesondere derjenigen, die in der Litteratur in einer gemeinsamen Sprache schriftlich niedergelegt sind. Darum halten wir die Ausbildung eines Dialekts zur Schriftsprache nur dann für nöthig, wenn es der Masse des Volks schwerer ist, sich die jetzt existirende Schriftsprache anzueignen, als aus einem besondern Dialekt eine neue zu bilden, und in ihr eine gleiche Litteratur zu begründen, wie die jetzt bestehende Schriftsprache sie besitzt. Einer wirklichen Schwierigkeit unterliegt aber nur das Erlernen einer ganz fremden Sprache oder einer zwar verwandten, aber wenig verständlichen, wie dieß für die Westslaven mit der moskowitischen Sprache, die man irrig auch die russische nennt, der Fall ist.

(Beschluß folgt.)

Schweden.

Es ist in der That schwer, sich und andern gegenwärtig Rechenschaft zu geben von dem, was hier vorgeht; einzelne abgerissene Nachrichten mitzutheilen, ist etwas leichtes, aber anzudeuten, auf welches Ziel die Sachen hier lossteuern, das möchte eine nur von Wenigen zu beantwortende Frage seyn. Der Bauerstand besteht auf einer Verminderung des Hofetats von 100,000 Thlrn.; er besteht darauf, die Lotterie abzuschaffen aus eigener Machtvollkommenheit - denn ob er das Recht dazu hat, ist ein sehr streitiger Punkt, und bei der Berathung hat man sich mehr gegen das Unmoralische dieses Spiels, als über den Rechtspunkt ausgelassen. Sind nun diese Punkte geradezu ernstlich gemeint, oder sind es Manöuvres, um andere Dinge damit zu erreichen? Fast möchte ich das letztere glauben. Der Reichstag nähert sich seinem natürlichen Ende, dem 7 Junius; die Regierung kann ihn verlängern, aber nichts zwingt sie dazu, und sind dann die Abgaben nicht bewilligt, so dauern sie de jure fort bis zum nächsten Reichstag. Die glänzenden Erwartungen, die man von diesem Reichstag hegte, sind sehr zusammengeschmolzen, aber daß er völlig resultatlos auseinander gehen sollte, kann ich doch kaum glauben. Mir scheint eher, es wird von dem Bauerstand noch ein energischer Versuch gemacht werden, durch Verweigerung einer oder der andern bedeutenden Summe im Budget die Regierung zu nöthigen, die Stände schon in einem oder zwei Jahren wieder zu berufen. Es sind dießmal viele neue Mitglieder auf den Reichstag und in die Ausschüsse gekommen, denen es bei dem besten Willen an Geschäftsgewandtheit fehlte, und denen es, so sehr sie den Wunsch hegten, wesentliche Aenderungen im Grundgesetz herbeizuführen, doch durch die Ueberhäufung mit den laufenden Geschäften absichtlich oder unabsichtlich unmöglich gemacht wurde, die Grundgesetzfragen so zu bearbeiten, daß sie auf diesem Reichstag zur Discussion hätten kommen können. Täuschen mich einige Anzeichen nicht, so hat die Opposition die Absicht, noch auf diesem Reichstag Aenderungen in der Verfassung durchzusetzen, nahezu aufgegeben, und wird sich nur noch bestreben, auf die eine oder die andere Weise die Regierung zu nöthigen, den Reichstag in kurzem außerordentlicherweise zu berufen, um die Sache dann mit größerer Aussicht auf Erfolg zur Sprache zu bringen.

Ostindien.

Bombay ist gegenwärtig der Focus bitterer Religionsstreitigkeiten zwischen den Missionen, welche von dem methodistischen Theil der englischen Beamten unterstützt werden, und Hindus, Mohammedanern und Parsen. Ich habe Ihnen früher über den Eindruck geschrieben, den die Bekehrung zweier jungen Parsen gemacht hat; der Streit hat seitdem fortgedauert, und ist lebhafter als je. Die Sprachenverwirrung dabei ist völlig babylonisch, denn die Controverse wird zu gleicher Zeit englisch, marattisch, hindostanisch, guzzeratisch und persisch geführt, und aus Gelegenheit derselben ist ein in der Litteratur unerhörtes Phänomen erschienen, nämlich eine hebräische Grammatik in marattischer Sprache, deren Nutzen freilich den Uneingeweihten nicht klar werden will. Die Regierung hat Unrecht, daß sie diese Streitigkeiten so weit kommen läßt; sie erregen auf Seite der Eingebornen Besorgnisse für ihre Religionsfreiheit, Abneigung gegen europäische Erziehung und einen früher unbekannten Fanatismus. Alles was nöthig ist, ist bessere Erziehung, das Uebrige wird von selbst kommen. Dieß scheint man in Madras eingesehen zu haben, wo eine Universität für Eingeborne gestiftet wird: sie besteht aus einem Gymnasium und einer Facultät, in der europäische Wissenschaften und englische und einheimische Sprachen gelehrt werden sollen. Die Religionsfreiheit der Schüler ist vollkommen gesichert, und der Gebrauch von Schulbüchern, die zu Bekehrungen bestimmt seyn könnten, in den Statuten verboten. Die Direction besteht aus einem Regenten und vierzehn Directoren, von denen die Hälfte Europäer, die Hälfte Hindus und Mohammedaner seyn müssen. Der Gouverneur von Madras hat die Ernennung des Gouverneurs und sechs Directoren, die übrigen werden von der Direction selbst ernannt und ergänzt. Eine sehr respectable Deputation von Eingebornen hat dem Gouverneur eine Bittschrift überreicht, welche von 60,000 Unterschriften bedeckt war, und ihn ersucht, ihre Religionsfreiheit zu erhalten, aber dabei das größte Interesse für europäische Erziehung ausspricht. Kein Schüler wird zugelassen, der nicht englisch spricht und liest. Der ganze Plan scheint großen Beifall gefunden zu haben, und macht Lord Elphinstone viel Ehre. - Ich sehe so eben einen Brief aus Calcutta vom 10 d., der die Vollendung des vierten und letzten Bandes des Mahabharata, den die asiatische Gesellschaft dort druckt, ankündigt. Die methodistische Partei in Calcutta hatte umsonst versucht, die Vollendung dieses großen Werkes durch Abschneiden der Unterstützung des Gouvernements zu hindern. J. Prinsep, Secretär der asiatischen Gesellschaft, war sogleich

welche nöthig ist, um ein Volk zu bilden, aber gewiß kann man solche in den einzelnen Fällen nach den Verhältnissen und dem Zweck der Nationalität wohl bestimmen. Wir fragen übrigens, ob unsern Gegnern bei der Betrachtung der Nationalität die Volkszahl wirklich gleichgültig ist? Wir bezweifeln dieß, und die Verschiedenheit unserer Ansicht wird wohl nicht darin liegen, daß sie die Zahl gar nicht berücksichtigen, sondern darin, daß wir bei der Bemessung derselben mehr vernünftige Zwecke im Auge haben, unsere Gegner aber die Nationalität in jedem Stamme achten, wenn auch nur seine Zahl gerade hinreicht, um seine Gewohnheiten zu verewigen, ohne Rücksicht auf, auch wohl im Widerspruch mit einem vernünftigen Zweck.

So wenig wir nun mit dem Correspondenten übereinstimmen, daß die böhmische Sprache gerade für die Nordungarn oder Schlesier national seyn soll, so halten wir doch gleich ihm die dialektischen Verschiedenheiten und die ungleichen geschichtlichen Verhältnisse für kein Hinderniß eines gemeinsamen intellectuellen Lebens, und billigen durchaus die wahrhaft großartige Idee eines intellectuellen Verbands sämmtlicher Westslaven vermittelst einer gemeinsamen Schriftsprache. Die Vortheile eines solchen Verbands unterliegen keinem Zweifel. Die Sprache ist an und für sich kein Wissen, sondern nur das Mittel des intellectuellen Verkehrs zur Vermehrung des besondern Wissens durch fremde Erfahrung. Der Werth einer Sprache steigt sonach mit der Menschenmenge, deren gegenseitiges Verständniß sie erleichtert, so wie mit dem Werth ihrer intellectuellen Hülfsmittel im Allgemeinen, und insbesondere derjenigen, die in der Litteratur in einer gemeinsamen Sprache schriftlich niedergelegt sind. Darum halten wir die Ausbildung eines Dialekts zur Schriftsprache nur dann für nöthig, wenn es der Masse des Volks schwerer ist, sich die jetzt existirende Schriftsprache anzueignen, als aus einem besondern Dialekt eine neue zu bilden, und in ihr eine gleiche Litteratur zu begründen, wie die jetzt bestehende Schriftsprache sie besitzt. Einer wirklichen Schwierigkeit unterliegt aber nur das Erlernen einer ganz fremden Sprache oder einer zwar verwandten, aber wenig verständlichen, wie dieß für die Westslaven mit der moskowitischen Sprache, die man irrig auch die russische nennt, der Fall ist.

(Beschluß folgt.)

Schweden.

Es ist in der That schwer, sich und andern gegenwärtig Rechenschaft zu geben von dem, was hier vorgeht; einzelne abgerissene Nachrichten mitzutheilen, ist etwas leichtes, aber anzudeuten, auf welches Ziel die Sachen hier lossteuern, das möchte eine nur von Wenigen zu beantwortende Frage seyn. Der Bauerstand besteht auf einer Verminderung des Hofetats von 100,000 Thlrn.; er besteht darauf, die Lotterie abzuschaffen aus eigener Machtvollkommenheit – denn ob er das Recht dazu hat, ist ein sehr streitiger Punkt, und bei der Berathung hat man sich mehr gegen das Unmoralische dieses Spiels, als über den Rechtspunkt ausgelassen. Sind nun diese Punkte geradezu ernstlich gemeint, oder sind es Manöuvres, um andere Dinge damit zu erreichen? Fast möchte ich das letztere glauben. Der Reichstag nähert sich seinem natürlichen Ende, dem 7 Junius; die Regierung kann ihn verlängern, aber nichts zwingt sie dazu, und sind dann die Abgaben nicht bewilligt, so dauern sie de jure fort bis zum nächsten Reichstag. Die glänzenden Erwartungen, die man von diesem Reichstag hegte, sind sehr zusammengeschmolzen, aber daß er völlig resultatlos auseinander gehen sollte, kann ich doch kaum glauben. Mir scheint eher, es wird von dem Bauerstand noch ein energischer Versuch gemacht werden, durch Verweigerung einer oder der andern bedeutenden Summe im Budget die Regierung zu nöthigen, die Stände schon in einem oder zwei Jahren wieder zu berufen. Es sind dießmal viele neue Mitglieder auf den Reichstag und in die Ausschüsse gekommen, denen es bei dem besten Willen an Geschäftsgewandtheit fehlte, und denen es, so sehr sie den Wunsch hegten, wesentliche Aenderungen im Grundgesetz herbeizuführen, doch durch die Ueberhäufung mit den laufenden Geschäften absichtlich oder unabsichtlich unmöglich gemacht wurde, die Grundgesetzfragen so zu bearbeiten, daß sie auf diesem Reichstag zur Discussion hätten kommen können. Täuschen mich einige Anzeichen nicht, so hat die Opposition die Absicht, noch auf diesem Reichstag Aenderungen in der Verfassung durchzusetzen, nahezu aufgegeben, und wird sich nur noch bestreben, auf die eine oder die andere Weise die Regierung zu nöthigen, den Reichstag in kurzem außerordentlicherweise zu berufen, um die Sache dann mit größerer Aussicht auf Erfolg zur Sprache zu bringen.

Ostindien.

Bombay ist gegenwärtig der Focus bitterer Religionsstreitigkeiten zwischen den Missionen, welche von dem methodistischen Theil der englischen Beamten unterstützt werden, und Hindus, Mohammedanern und Parsen. Ich habe Ihnen früher über den Eindruck geschrieben, den die Bekehrung zweier jungen Parsen gemacht hat; der Streit hat seitdem fortgedauert, und ist lebhafter als je. Die Sprachenverwirrung dabei ist völlig babylonisch, denn die Controverse wird zu gleicher Zeit englisch, marattisch, hindostanisch, guzzeratisch und persisch geführt, und aus Gelegenheit derselben ist ein in der Litteratur unerhörtes Phänomen erschienen, nämlich eine hebräische Grammatik in marattischer Sprache, deren Nutzen freilich den Uneingeweihten nicht klar werden will. Die Regierung hat Unrecht, daß sie diese Streitigkeiten so weit kommen läßt; sie erregen auf Seite der Eingebornen Besorgnisse für ihre Religionsfreiheit, Abneigung gegen europäische Erziehung und einen früher unbekannten Fanatismus. Alles was nöthig ist, ist bessere Erziehung, das Uebrige wird von selbst kommen. Dieß scheint man in Madras eingesehen zu haben, wo eine Universität für Eingeborne gestiftet wird: sie besteht aus einem Gymnasium und einer Facultät, in der europäische Wissenschaften und englische und einheimische Sprachen gelehrt werden sollen. Die Religionsfreiheit der Schüler ist vollkommen gesichert, und der Gebrauch von Schulbüchern, die zu Bekehrungen bestimmt seyn könnten, in den Statuten verboten. Die Direction besteht aus einem Regenten und vierzehn Directoren, von denen die Hälfte Europäer, die Hälfte Hindus und Mohammedaner seyn müssen. Der Gouverneur von Madras hat die Ernennung des Gouverneurs und sechs Directoren, die übrigen werden von der Direction selbst ernannt und ergänzt. Eine sehr respectable Deputation von Eingebornen hat dem Gouverneur eine Bittschrift überreicht, welche von 60,000 Unterschriften bedeckt war, und ihn ersucht, ihre Religionsfreiheit zu erhalten, aber dabei das größte Interesse für europäische Erziehung ausspricht. Kein Schüler wird zugelassen, der nicht englisch spricht und liest. Der ganze Plan scheint großen Beifall gefunden zu haben, und macht Lord Elphinstone viel Ehre. – Ich sehe so eben einen Brief aus Calcutta vom 10 d., der die Vollendung des vierten und letzten Bandes des Mahabharata, den die asiatische Gesellschaft dort druckt, ankündigt. Die methodistische Partei in Calcutta hatte umsonst versucht, die Vollendung dieses großen Werkes durch Abschneiden der Unterstützung des Gouvernements zu hindern. J. Prinsep, Secretär der asiatischen Gesellschaft, war sogleich

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[1132/0012] welche nöthig ist, um ein Volk zu bilden, aber gewiß kann man solche in den einzelnen Fällen nach den Verhältnissen und dem Zweck der Nationalität wohl bestimmen. Wir fragen übrigens, ob unsern Gegnern bei der Betrachtung der Nationalität die Volkszahl wirklich gleichgültig ist? Wir bezweifeln dieß, und die Verschiedenheit unserer Ansicht wird wohl nicht darin liegen, daß sie die Zahl gar nicht berücksichtigen, sondern darin, daß wir bei der Bemessung derselben mehr vernünftige Zwecke im Auge haben, unsere Gegner aber die Nationalität in jedem Stamme achten, wenn auch nur seine Zahl gerade hinreicht, um seine Gewohnheiten zu verewigen, ohne Rücksicht auf, auch wohl im Widerspruch mit einem vernünftigen Zweck. So wenig wir nun mit dem Correspondenten übereinstimmen, daß die böhmische Sprache gerade für die Nordungarn oder Schlesier national seyn soll, so halten wir doch gleich ihm die dialektischen Verschiedenheiten und die ungleichen geschichtlichen Verhältnisse für kein Hinderniß eines gemeinsamen intellectuellen Lebens, und billigen durchaus die wahrhaft großartige Idee eines intellectuellen Verbands sämmtlicher Westslaven vermittelst einer gemeinsamen Schriftsprache. Die Vortheile eines solchen Verbands unterliegen keinem Zweifel. Die Sprache ist an und für sich kein Wissen, sondern nur das Mittel des intellectuellen Verkehrs zur Vermehrung des besondern Wissens durch fremde Erfahrung. Der Werth einer Sprache steigt sonach mit der Menschenmenge, deren gegenseitiges Verständniß sie erleichtert, so wie mit dem Werth ihrer intellectuellen Hülfsmittel im Allgemeinen, und insbesondere derjenigen, die in der Litteratur in einer gemeinsamen Sprache schriftlich niedergelegt sind. Darum halten wir die Ausbildung eines Dialekts zur Schriftsprache nur dann für nöthig, wenn es der Masse des Volks schwerer ist, sich die jetzt existirende Schriftsprache anzueignen, als aus einem besondern Dialekt eine neue zu bilden, und in ihr eine gleiche Litteratur zu begründen, wie die jetzt bestehende Schriftsprache sie besitzt. Einer wirklichen Schwierigkeit unterliegt aber nur das Erlernen einer ganz fremden Sprache oder einer zwar verwandten, aber wenig verständlichen, wie dieß für die Westslaven mit der moskowitischen Sprache, die man irrig auch die russische nennt, der Fall ist. (Beschluß folgt.) Schweden. _ Stockholm, 6 Mai. Es ist in der That schwer, sich und andern gegenwärtig Rechenschaft zu geben von dem, was hier vorgeht; einzelne abgerissene Nachrichten mitzutheilen, ist etwas leichtes, aber anzudeuten, auf welches Ziel die Sachen hier lossteuern, das möchte eine nur von Wenigen zu beantwortende Frage seyn. Der Bauerstand besteht auf einer Verminderung des Hofetats von 100,000 Thlrn.; er besteht darauf, die Lotterie abzuschaffen aus eigener Machtvollkommenheit – denn ob er das Recht dazu hat, ist ein sehr streitiger Punkt, und bei der Berathung hat man sich mehr gegen das Unmoralische dieses Spiels, als über den Rechtspunkt ausgelassen. Sind nun diese Punkte geradezu ernstlich gemeint, oder sind es Manöuvres, um andere Dinge damit zu erreichen? Fast möchte ich das letztere glauben. Der Reichstag nähert sich seinem natürlichen Ende, dem 7 Junius; die Regierung kann ihn verlängern, aber nichts zwingt sie dazu, und sind dann die Abgaben nicht bewilligt, so dauern sie de jure fort bis zum nächsten Reichstag. Die glänzenden Erwartungen, die man von diesem Reichstag hegte, sind sehr zusammengeschmolzen, aber daß er völlig resultatlos auseinander gehen sollte, kann ich doch kaum glauben. Mir scheint eher, es wird von dem Bauerstand noch ein energischer Versuch gemacht werden, durch Verweigerung einer oder der andern bedeutenden Summe im Budget die Regierung zu nöthigen, die Stände schon in einem oder zwei Jahren wieder zu berufen. Es sind dießmal viele neue Mitglieder auf den Reichstag und in die Ausschüsse gekommen, denen es bei dem besten Willen an Geschäftsgewandtheit fehlte, und denen es, so sehr sie den Wunsch hegten, wesentliche Aenderungen im Grundgesetz herbeizuführen, doch durch die Ueberhäufung mit den laufenden Geschäften absichtlich oder unabsichtlich unmöglich gemacht wurde, die Grundgesetzfragen so zu bearbeiten, daß sie auf diesem Reichstag zur Discussion hätten kommen können. Täuschen mich einige Anzeichen nicht, so hat die Opposition die Absicht, noch auf diesem Reichstag Aenderungen in der Verfassung durchzusetzen, nahezu aufgegeben, und wird sich nur noch bestreben, auf die eine oder die andere Weise die Regierung zu nöthigen, den Reichstag in kurzem außerordentlicherweise zu berufen, um die Sache dann mit größerer Aussicht auf Erfolg zur Sprache zu bringen. Ostindien. _ Bombay, 21 März. Bombay ist gegenwärtig der Focus bitterer Religionsstreitigkeiten zwischen den Missionen, welche von dem methodistischen Theil der englischen Beamten unterstützt werden, und Hindus, Mohammedanern und Parsen. Ich habe Ihnen früher über den Eindruck geschrieben, den die Bekehrung zweier jungen Parsen gemacht hat; der Streit hat seitdem fortgedauert, und ist lebhafter als je. Die Sprachenverwirrung dabei ist völlig babylonisch, denn die Controverse wird zu gleicher Zeit englisch, marattisch, hindostanisch, guzzeratisch und persisch geführt, und aus Gelegenheit derselben ist ein in der Litteratur unerhörtes Phänomen erschienen, nämlich eine hebräische Grammatik in marattischer Sprache, deren Nutzen freilich den Uneingeweihten nicht klar werden will. Die Regierung hat Unrecht, daß sie diese Streitigkeiten so weit kommen läßt; sie erregen auf Seite der Eingebornen Besorgnisse für ihre Religionsfreiheit, Abneigung gegen europäische Erziehung und einen früher unbekannten Fanatismus. Alles was nöthig ist, ist bessere Erziehung, das Uebrige wird von selbst kommen. Dieß scheint man in Madras eingesehen zu haben, wo eine Universität für Eingeborne gestiftet wird: sie besteht aus einem Gymnasium und einer Facultät, in der europäische Wissenschaften und englische und einheimische Sprachen gelehrt werden sollen. Die Religionsfreiheit der Schüler ist vollkommen gesichert, und der Gebrauch von Schulbüchern, die zu Bekehrungen bestimmt seyn könnten, in den Statuten verboten. Die Direction besteht aus einem Regenten und vierzehn Directoren, von denen die Hälfte Europäer, die Hälfte Hindus und Mohammedaner seyn müssen. Der Gouverneur von Madras hat die Ernennung des Gouverneurs und sechs Directoren, die übrigen werden von der Direction selbst ernannt und ergänzt. Eine sehr respectable Deputation von Eingebornen hat dem Gouverneur eine Bittschrift überreicht, welche von 60,000 Unterschriften bedeckt war, und ihn ersucht, ihre Religionsfreiheit zu erhalten, aber dabei das größte Interesse für europäische Erziehung ausspricht. Kein Schüler wird zugelassen, der nicht englisch spricht und liest. Der ganze Plan scheint großen Beifall gefunden zu haben, und macht Lord Elphinstone viel Ehre. – Ich sehe so eben einen Brief aus Calcutta vom 10 d., der die Vollendung des vierten und letzten Bandes des Mahabharata, den die asiatische Gesellschaft dort druckt, ankündigt. Die methodistische Partei in Calcutta hatte umsonst versucht, die Vollendung dieses großen Werkes durch Abschneiden der Unterstützung des Gouvernements zu hindern. J. Prinsep, Secretär der asiatischen Gesellschaft, war sogleich

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 142. Augsburg, 21. Mai 1840, S. 1132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_142_18400521/12>, abgerufen am 28.04.2024.