Allgemeine Zeitung. Nr. 147. Augsburg, 26. Mai 1840.vierhundert Toisen. Er bildet einen Felsenweg drei- bis vierhundert Schritte lang, und an manchen Stellen so eng, daß kaum vier Mann neben einander marschiren können. Zur Linken ist dieser Weg von steilen, bewaldeten Felsen dominirt, zur Rechten senkt sich ein tiefer Abgrund. Der Engpaß kann demnach nur von vorn angegriffen werden. Zunächst bei diesem Passe wohnen nur Kabylenstämme, die eben so zahlreich als streitbar und fanatisch sind. Der Stamm Musaya stellt 1000 Fußgänger, hat aber keine Cavallerie; ihm zunächst wohnen die Beni-Salah und Summata, welche 2000 Fußgänger und 500 Reiter stellen. Gleich von Anfang der Occupation Algiers haben sich diese Stämme als glühende Franzosenfeinde bewährt. Das Journal des Debats bemerkt noch: "Der Marschall Valee zeigt in seiner Depesche an, daß die Armee sich mit dem Bau der Straße beschäftigt, die sie nach Medeah führen soll. Hieraus darf man schließen, daß der Marschall auf dem Engpaß Stellung genommen und die Ankunft des Convoi abwartet. Wahrscheinlich wird er diese Zeit zum Bau eines befestigten Lagers auf dem Engpaß verwenden, um die Communication zwischen Algier und Medeah zu sichern. Diese Linie theilt ganz Algerien in zwei Theile; sie beschränkt Abd-el-Kader auf den Westen und hält die zwischen Belida und Medeah wohnenden Stämme im Zaume. Sie giebt uns Einfluß bis in das Dscherid, wohin sie auf dem kürzesten Wege führt. Ein Bericht des Generals Galbois aus Constantine meldet die Details seines Zuges gegen die Araktas, dessen Ausgang unsere Algierer Correspondenz bereits mittheilte. Eine Deputation der vornehmsten Häuptlinge der Araktas verfügte sich zu dem General nach Constantine und bot ihm die Unterwerfung ihres Stammes an. Bei Dschischelli kam es zwischen der Besatzung und den Kabylen der Umgebung zu fortwährenden Scharmützeln. Ueber die Ernennung des Marschalls Clauzel zum Gouverneur von Algier verlautet noch nichts Bestimmtes, aber das Gerücht ist noch allgemein verbreitet. Die Meinungen der Journale über Clauzel sind getheilt. Fast alle aber, mit Ausnahme des sehr zurückhaltenden Journal des Debats, verlangen wenigstens die Abberufung des Marschalls Valee, dessen Unfähigkeit immer offener hervortritt. Der Courrier francais will von einem langen Schreiben des Herzogs von Orleans wissen, worin dieser zugestehe, daß viele Fehler begangen worden seyen. Der Prinz melde darin auch seine baldige Rückkehr. "Der Feldzug, fährt der Courrier fort, an welchem der Herzog Theil nimmt, wird weder lang noch entscheidend seyn. Man hatte zwar im voraus angekündigt, der Herzog werde nur drei Wochen abwesend seyn; natürlich aber glaubte man, dieser Zeitraum werde hinreichen, ganz andere Resultate zu erzielen, als die bisherigen. Gewiß würde auch die Armee bedeutende Vortheile über die Araber erfochten haben, wäre das Commando der Expedition geschickteren Händen anvertraut worden. Nachdem der Marschall Valee im October des vergangenen Jahres sich trotz der erhaltenen Warnungen überfallen ließ, durfte er das Commando nicht wohl länger mehr behalten. Man hätte dasselbe schon damals einem andern Mann übertragen sollen, dessen Namen den Arabern bereits furchtbar war, und dessen lange Erfahrung den Soldaten volles Vertrauen einflößte." Das Commerce, welches bisher scharfe Opposition gegen das Ministerium machte, sagt: "Die Ernennung Clauzels würde Hrn. Thiers Ehre machen und mehr von seinem guten Willen für die Colonie zeugen, als alle Reden. Der Marschall Clauzel ist ein ausgezeichneter Kriegsmann; Niemand bestreitet ihm diese Eigenschaft. Aber dieser Grund ist noch lange nicht der einzige, der die Ernennung Clauzels nach Algier wünschen läßt, um die schreienden Fehler des Marschalls Valee dort wieder gut zu machen. Der Marschall Clauzel ist von allen Gouverneurs derjenige, dessen Name die glänzendsten Erinnerungen in Afrika zurückgelassen hat. Er zeigte sich als beharrlichen Gegner der wachsenden Macht Abd-El-Kaders. Selbst sein Rückzug von Constantine hat, statt ihn zu schwächen, den Schrecken nur vermehrt, den er den Eingebornen einflößte; endlich betrachten ihn auch die Colonisten als den aufrichtigsten Vertheidiger unserer Herrschaft in Algerien, als den offenen, vollständigen Ausdruck eines Gedankens der Colonisation." Der National hingegen sagt: "Wir wissen nicht, ob die traurigen Erfahrungen der Vergangenheit Hrn. Clauzel hinreichend aufgeklärt haben und ob Algier durch seine Ernennung viel gewinnen würde. So viel nur wissen wir, daß dieser Marschall bereits zweimal in Afrika commandirt hat, und daß dieser zweimalige Versuch keineswegs von der Art ist, der Nation großes Vertrauen einzuflößen. Wenn man das System der Versuche und des Herumtappens fortsetzen will, so bediene man sich hiezu doch wenigstens nicht mehr der abgenützten Männer." Die französische Armee in Algier hat in den Scharmützeln mit den Arabern bekanntlich Beweise genug gegeben, daß sie ihres alten kriegerischen Rufs würdig ist. Die Correspondenzen der französischen Blätter erzählen aber zuweilen Episoden, die doch gar zu auffallend das Gepräge der Uebertreibung tragen. Als der bekannte Ben-Aissa - erzählt ein Schreiben des Toulonnais - mit einem Convoi in Begleitung von vier Chasseurs d'Afrique und eines Brigadier von Philippeville nach Constantine reiste, wurde er von 150 feindlichen Arabern überfallen. Ben-Aissa und seine arabischen Begleiter ergriffen die Flucht und meldeten nach Philippeville, daß der Brigadier ermordet worden sey. Dieser kam aber bald wohlbehalten in Philippeville wieder an. Er hatte mit seinen vier Mann die 150 Araber angegriffen, und war Sieger geblieben! (Es wäre sonach ein Kampf von einem gegen dreißig gewesen!) - Der in Algier kürzlich gestorbene Obrist Miltgen hatte seine Todeswunde erhalten im Augenblick, als er einen Soldaten aus den Händen der Araber rettete. Paris, 21 Mai. Der gewandte Conseilpräsident hat gestern wieder durch ein wohlangebrachtes argumentum ad hominem die Deputirtenkammer zu einer Abstimmung nach seinem Wunsche gebracht. Dieses Argument war die Furcht, indem er behauptete, ganz Frankreich warte mit Aengstlichkeit auf die Entscheidung der Bankfrage. In der Wirklichkeit war diese Angabe aus der Luft gegriffen; denn, verschieden von den Hauptbanken in andern Ländern, hat die hiesige, obwohl Banque de France genannt, nur Interesse für Paris und einige wenige Städte, in denen sie Disconto-Comptoirs angelegt hat; an allen andern Orten sind sogar die von ihr emittirten Scheine beinahe unbekannt, und Reisende, denen dieser Umstand fremd ist, gerathen in die größte Verlegenheit. - Ein von Neapel bei der hiesigen Gesandtschaft eingetroffener Courier hat für Hrn. Thiers sehr erfreuliche Nachrichten mitgebracht. Die neapolitanische Regierung hat sich gänzlich in seine Arme geworfen, sie soll sich mit einer andern ihr sehr befreundeten Macht beinahe überworfen haben, weil deren dortiger Gesandter die unbegränzte Hingebung an Frankreich mißrieth. - Seit gestern ist die Rede von einem Diebstahl, begangen an dem Herzog von Sachsen-Coburg, Schwiegervater des Herzogs von Remours. Dem Vernehmen nach hatte derselbe seine Abreise auf heute festgesetzt, und zu diesem Ende bei seinem Bankier die zur Reise erforderlichen Gelder bezogen, die in der Nacht vom 19 auf den 20 aus seiner Wohnung im Palais royal verschwanden. vierhundert Toisen. Er bildet einen Felsenweg drei- bis vierhundert Schritte lang, und an manchen Stellen so eng, daß kaum vier Mann neben einander marschiren können. Zur Linken ist dieser Weg von steilen, bewaldeten Felsen dominirt, zur Rechten senkt sich ein tiefer Abgrund. Der Engpaß kann demnach nur von vorn angegriffen werden. Zunächst bei diesem Passe wohnen nur Kabylenstämme, die eben so zahlreich als streitbar und fanatisch sind. Der Stamm Musaya stellt 1000 Fußgänger, hat aber keine Cavallerie; ihm zunächst wohnen die Beni-Salah und Summata, welche 2000 Fußgänger und 500 Reiter stellen. Gleich von Anfang der Occupation Algiers haben sich diese Stämme als glühende Franzosenfeinde bewährt. Das Journal des Débats bemerkt noch: „Der Marschall Valée zeigt in seiner Depesche an, daß die Armee sich mit dem Bau der Straße beschäftigt, die sie nach Medeah führen soll. Hieraus darf man schließen, daß der Marschall auf dem Engpaß Stellung genommen und die Ankunft des Convoi abwartet. Wahrscheinlich wird er diese Zeit zum Bau eines befestigten Lagers auf dem Engpaß verwenden, um die Communication zwischen Algier und Medeah zu sichern. Diese Linie theilt ganz Algerien in zwei Theile; sie beschränkt Abd-el-Kader auf den Westen und hält die zwischen Belida und Medeah wohnenden Stämme im Zaume. Sie giebt uns Einfluß bis in das Dscherid, wohin sie auf dem kürzesten Wege führt. Ein Bericht des Generals Galbois aus Constantine meldet die Details seines Zuges gegen die Araktas, dessen Ausgang unsere Algierer Correspondenz bereits mittheilte. Eine Deputation der vornehmsten Häuptlinge der Araktas verfügte sich zu dem General nach Constantine und bot ihm die Unterwerfung ihres Stammes an. Bei Dschischelli kam es zwischen der Besatzung und den Kabylen der Umgebung zu fortwährenden Scharmützeln. Ueber die Ernennung des Marschalls Clauzel zum Gouverneur von Algier verlautet noch nichts Bestimmtes, aber das Gerücht ist noch allgemein verbreitet. Die Meinungen der Journale über Clauzel sind getheilt. Fast alle aber, mit Ausnahme des sehr zurückhaltenden Journal des Débats, verlangen wenigstens die Abberufung des Marschalls Valée, dessen Unfähigkeit immer offener hervortritt. Der Courrier français will von einem langen Schreiben des Herzogs von Orleans wissen, worin dieser zugestehe, daß viele Fehler begangen worden seyen. Der Prinz melde darin auch seine baldige Rückkehr. „Der Feldzug, fährt der Courrier fort, an welchem der Herzog Theil nimmt, wird weder lang noch entscheidend seyn. Man hatte zwar im voraus angekündigt, der Herzog werde nur drei Wochen abwesend seyn; natürlich aber glaubte man, dieser Zeitraum werde hinreichen, ganz andere Resultate zu erzielen, als die bisherigen. Gewiß würde auch die Armee bedeutende Vortheile über die Araber erfochten haben, wäre das Commando der Expedition geschickteren Händen anvertraut worden. Nachdem der Marschall Valée im October des vergangenen Jahres sich trotz der erhaltenen Warnungen überfallen ließ, durfte er das Commando nicht wohl länger mehr behalten. Man hätte dasselbe schon damals einem andern Mann übertragen sollen, dessen Namen den Arabern bereits furchtbar war, und dessen lange Erfahrung den Soldaten volles Vertrauen einflößte.“ Das Commerce, welches bisher scharfe Opposition gegen das Ministerium machte, sagt: „Die Ernennung Clauzels würde Hrn. Thiers Ehre machen und mehr von seinem guten Willen für die Colonie zeugen, als alle Reden. Der Marschall Clauzel ist ein ausgezeichneter Kriegsmann; Niemand bestreitet ihm diese Eigenschaft. Aber dieser Grund ist noch lange nicht der einzige, der die Ernennung Clauzels nach Algier wünschen läßt, um die schreienden Fehler des Marschalls Valée dort wieder gut zu machen. Der Marschall Clauzel ist von allen Gouverneurs derjenige, dessen Name die glänzendsten Erinnerungen in Afrika zurückgelassen hat. Er zeigte sich als beharrlichen Gegner der wachsenden Macht Abd-El-Kaders. Selbst sein Rückzug von Constantine hat, statt ihn zu schwächen, den Schrecken nur vermehrt, den er den Eingebornen einflößte; endlich betrachten ihn auch die Colonisten als den aufrichtigsten Vertheidiger unserer Herrschaft in Algerien, als den offenen, vollständigen Ausdruck eines Gedankens der Colonisation.“ Der National hingegen sagt: „Wir wissen nicht, ob die traurigen Erfahrungen der Vergangenheit Hrn. Clauzel hinreichend aufgeklärt haben und ob Algier durch seine Ernennung viel gewinnen würde. So viel nur wissen wir, daß dieser Marschall bereits zweimal in Afrika commandirt hat, und daß dieser zweimalige Versuch keineswegs von der Art ist, der Nation großes Vertrauen einzuflößen. Wenn man das System der Versuche und des Herumtappens fortsetzen will, so bediene man sich hiezu doch wenigstens nicht mehr der abgenützten Männer.“ Die französische Armee in Algier hat in den Scharmützeln mit den Arabern bekanntlich Beweise genug gegeben, daß sie ihres alten kriegerischen Rufs würdig ist. Die Correspondenzen der französischen Blätter erzählen aber zuweilen Episoden, die doch gar zu auffallend das Gepräge der Uebertreibung tragen. Als der bekannte Ben-Aissa – erzählt ein Schreiben des Toulonnais – mit einem Convoi in Begleitung von vier Chasseurs d'Afrique und eines Brigadier von Philippeville nach Constantine reiste, wurde er von 150 feindlichen Arabern überfallen. Ben-Aissa und seine arabischen Begleiter ergriffen die Flucht und meldeten nach Philippeville, daß der Brigadier ermordet worden sey. Dieser kam aber bald wohlbehalten in Philippeville wieder an. Er hatte mit seinen vier Mann die 150 Araber angegriffen, und war Sieger geblieben! (Es wäre sonach ein Kampf von einem gegen dreißig gewesen!) – Der in Algier kürzlich gestorbene Obrist Miltgen hatte seine Todeswunde erhalten im Augenblick, als er einen Soldaten aus den Händen der Araber rettete. Paris, 21 Mai. Der gewandte Conseilpräsident hat gestern wieder durch ein wohlangebrachtes argumentum ad hominem die Deputirtenkammer zu einer Abstimmung nach seinem Wunsche gebracht. Dieses Argument war die Furcht, indem er behauptete, ganz Frankreich warte mit Aengstlichkeit auf die Entscheidung der Bankfrage. In der Wirklichkeit war diese Angabe aus der Luft gegriffen; denn, verschieden von den Hauptbanken in andern Ländern, hat die hiesige, obwohl Banque de France genannt, nur Interesse für Paris und einige wenige Städte, in denen sie Disconto-Comptoirs angelegt hat; an allen andern Orten sind sogar die von ihr emittirten Scheine beinahe unbekannt, und Reisende, denen dieser Umstand fremd ist, gerathen in die größte Verlegenheit. – Ein von Neapel bei der hiesigen Gesandtschaft eingetroffener Courier hat für Hrn. Thiers sehr erfreuliche Nachrichten mitgebracht. Die neapolitanische Regierung hat sich gänzlich in seine Arme geworfen, sie soll sich mit einer andern ihr sehr befreundeten Macht beinahe überworfen haben, weil deren dortiger Gesandter die unbegränzte Hingebung an Frankreich mißrieth. – Seit gestern ist die Rede von einem Diebstahl, begangen an dem Herzog von Sachsen-Coburg, Schwiegervater des Herzogs von Remours. Dem Vernehmen nach hatte derselbe seine Abreise auf heute festgesetzt, und zu diesem Ende bei seinem Bankier die zur Reise erforderlichen Gelder bezogen, die in der Nacht vom 19 auf den 20 aus seiner Wohnung im Palais royal verschwanden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0005" n="1173"/> vierhundert Toisen. Er bildet einen Felsenweg drei- bis vierhundert Schritte lang, und an manchen Stellen so eng, daß kaum vier Mann neben einander marschiren können. Zur Linken ist dieser Weg von steilen, bewaldeten Felsen dominirt, zur Rechten senkt sich ein tiefer Abgrund. Der Engpaß kann demnach nur von vorn angegriffen werden. Zunächst bei diesem Passe wohnen nur Kabylenstämme, die eben so zahlreich als streitbar und fanatisch sind. Der Stamm Musaya stellt 1000 Fußgänger, hat aber keine Cavallerie; ihm zunächst wohnen die Beni-Salah und Summata, welche 2000 Fußgänger und 500 Reiter stellen. Gleich von Anfang der Occupation Algiers haben sich diese Stämme als glühende Franzosenfeinde bewährt. Das Journal des Débats bemerkt noch: „Der Marschall Valée zeigt in seiner Depesche an, daß die Armee sich mit dem Bau der Straße beschäftigt, die sie nach Medeah führen soll. Hieraus darf man schließen, daß der Marschall auf dem Engpaß Stellung genommen und die Ankunft des Convoi abwartet. Wahrscheinlich wird er diese Zeit zum Bau eines befestigten Lagers auf dem Engpaß verwenden, um die Communication zwischen Algier und Medeah zu sichern. Diese Linie theilt ganz Algerien in zwei Theile; sie beschränkt Abd-el-Kader auf den Westen und hält die zwischen Belida und Medeah wohnenden Stämme im Zaume. Sie giebt uns Einfluß bis in das Dscherid, wohin sie auf dem kürzesten Wege führt.</p><lb/> <p>Ein Bericht des Generals Galbois aus Constantine meldet die Details seines Zuges gegen die Araktas, dessen Ausgang unsere Algierer Correspondenz bereits mittheilte. Eine Deputation der vornehmsten Häuptlinge der Araktas verfügte sich zu dem General nach Constantine und bot ihm die Unterwerfung ihres Stammes an. Bei Dschischelli kam es zwischen der Besatzung und den Kabylen der Umgebung zu fortwährenden Scharmützeln.</p><lb/> <p>Ueber die Ernennung des Marschalls Clauzel zum Gouverneur von Algier verlautet noch nichts Bestimmtes, aber das Gerücht ist noch allgemein verbreitet. Die Meinungen der Journale über Clauzel sind getheilt. Fast alle aber, mit Ausnahme des sehr zurückhaltenden Journal des Débats, verlangen wenigstens die Abberufung des Marschalls Valée, dessen Unfähigkeit immer offener hervortritt. Der <hi rendition="#g">Courrier français</hi> will von einem langen Schreiben des Herzogs von Orleans wissen, worin dieser zugestehe, daß viele Fehler begangen worden seyen. Der Prinz melde darin auch seine baldige Rückkehr. „Der Feldzug, fährt der Courrier fort, an welchem der Herzog Theil nimmt, wird weder lang noch entscheidend seyn. Man hatte zwar im voraus angekündigt, der Herzog werde nur drei Wochen abwesend seyn; natürlich aber glaubte man, dieser Zeitraum werde hinreichen, ganz andere Resultate zu erzielen, als die bisherigen. Gewiß würde auch die Armee bedeutende Vortheile über die Araber erfochten haben, wäre das Commando der Expedition geschickteren Händen anvertraut worden. Nachdem der Marschall Valée im October des vergangenen Jahres sich trotz der erhaltenen Warnungen überfallen ließ, durfte er das Commando nicht wohl länger mehr behalten. Man hätte dasselbe schon damals einem andern Mann übertragen sollen, dessen Namen den Arabern bereits furchtbar war, und dessen lange Erfahrung den Soldaten volles Vertrauen einflößte.“ Das <hi rendition="#g">Commerce</hi>, welches bisher scharfe Opposition gegen das Ministerium machte, sagt: „Die Ernennung Clauzels würde Hrn. Thiers Ehre machen und mehr von seinem guten Willen für die Colonie zeugen, als alle Reden. Der Marschall Clauzel ist ein ausgezeichneter Kriegsmann; Niemand bestreitet ihm diese Eigenschaft. Aber dieser Grund ist noch lange nicht der einzige, der die Ernennung Clauzels nach Algier wünschen läßt, um die schreienden Fehler des Marschalls Valée dort wieder gut zu machen. Der Marschall Clauzel ist von allen Gouverneurs derjenige, dessen Name die glänzendsten Erinnerungen in Afrika zurückgelassen hat. Er zeigte sich als beharrlichen Gegner der wachsenden Macht Abd-El-Kaders. Selbst sein Rückzug von Constantine hat, statt ihn zu schwächen, den Schrecken nur vermehrt, den er den Eingebornen einflößte; endlich betrachten ihn auch die Colonisten als den aufrichtigsten Vertheidiger unserer Herrschaft in Algerien, als den offenen, vollständigen Ausdruck eines Gedankens der Colonisation.“ Der <hi rendition="#g">National</hi> hingegen sagt: „Wir wissen nicht, ob die traurigen Erfahrungen der Vergangenheit Hrn. Clauzel hinreichend aufgeklärt haben und ob Algier durch seine Ernennung viel gewinnen würde. So viel nur wissen wir, daß dieser Marschall bereits zweimal in Afrika commandirt hat, und daß dieser zweimalige Versuch keineswegs von der Art ist, der Nation großes Vertrauen einzuflößen. Wenn man das System der Versuche und des Herumtappens fortsetzen will, so bediene man sich hiezu doch wenigstens nicht mehr der abgenützten Männer.“</p><lb/> <p>Die französische Armee in Algier hat in den Scharmützeln mit den Arabern bekanntlich Beweise genug gegeben, daß sie ihres alten kriegerischen Rufs würdig ist. Die Correspondenzen der französischen Blätter erzählen aber zuweilen Episoden, die doch gar zu auffallend das Gepräge der Uebertreibung tragen. Als der bekannte Ben-Aissa – erzählt ein Schreiben des <hi rendition="#g">Toulonnais</hi> – mit einem Convoi in Begleitung von vier Chasseurs d'Afrique und eines Brigadier von Philippeville nach Constantine reiste, wurde er von 150 feindlichen Arabern überfallen. Ben-Aissa und seine arabischen Begleiter ergriffen die Flucht und meldeten nach Philippeville, daß der Brigadier ermordet worden sey. Dieser kam aber bald wohlbehalten in Philippeville wieder an. Er hatte mit seinen vier Mann die 150 Araber angegriffen, und war Sieger geblieben! (Es wäre sonach ein Kampf von einem gegen dreißig gewesen!) – Der in Algier kürzlich gestorbene Obrist Miltgen hatte seine Todeswunde erhalten im Augenblick, als er einen Soldaten aus den Händen der Araber rettete.</p> </div><lb/> <div n="2"> <byline> <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 21 Mai.</dateline> <p> Der gewandte Conseilpräsident hat gestern wieder durch ein wohlangebrachtes argumentum ad hominem die Deputirtenkammer zu einer Abstimmung nach seinem Wunsche gebracht. Dieses Argument war die Furcht, indem er behauptete, ganz Frankreich warte mit Aengstlichkeit auf die Entscheidung der Bankfrage. In der Wirklichkeit war diese Angabe aus der Luft gegriffen; denn, verschieden von den Hauptbanken in andern Ländern, hat die hiesige, obwohl Banque de France genannt, nur Interesse für Paris und einige wenige Städte, in denen sie Disconto-Comptoirs angelegt hat; an allen andern Orten sind sogar die von ihr emittirten Scheine beinahe unbekannt, und Reisende, denen dieser Umstand fremd ist, gerathen in die größte Verlegenheit. – Ein von Neapel bei der hiesigen Gesandtschaft eingetroffener Courier hat für Hrn. Thiers sehr erfreuliche Nachrichten mitgebracht. Die neapolitanische Regierung hat sich gänzlich in seine Arme geworfen, sie soll sich mit einer andern ihr sehr befreundeten Macht beinahe überworfen haben, weil deren dortiger Gesandter die unbegränzte Hingebung an Frankreich mißrieth. – Seit gestern ist die Rede von einem Diebstahl, begangen an dem Herzog von Sachsen-Coburg, Schwiegervater des Herzogs von Remours. Dem Vernehmen nach hatte derselbe seine Abreise auf heute festgesetzt, und zu diesem Ende bei seinem Bankier die zur Reise erforderlichen Gelder bezogen, die in der Nacht vom 19 auf den 20 aus seiner Wohnung im Palais royal verschwanden.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1173/0005]
vierhundert Toisen. Er bildet einen Felsenweg drei- bis vierhundert Schritte lang, und an manchen Stellen so eng, daß kaum vier Mann neben einander marschiren können. Zur Linken ist dieser Weg von steilen, bewaldeten Felsen dominirt, zur Rechten senkt sich ein tiefer Abgrund. Der Engpaß kann demnach nur von vorn angegriffen werden. Zunächst bei diesem Passe wohnen nur Kabylenstämme, die eben so zahlreich als streitbar und fanatisch sind. Der Stamm Musaya stellt 1000 Fußgänger, hat aber keine Cavallerie; ihm zunächst wohnen die Beni-Salah und Summata, welche 2000 Fußgänger und 500 Reiter stellen. Gleich von Anfang der Occupation Algiers haben sich diese Stämme als glühende Franzosenfeinde bewährt. Das Journal des Débats bemerkt noch: „Der Marschall Valée zeigt in seiner Depesche an, daß die Armee sich mit dem Bau der Straße beschäftigt, die sie nach Medeah führen soll. Hieraus darf man schließen, daß der Marschall auf dem Engpaß Stellung genommen und die Ankunft des Convoi abwartet. Wahrscheinlich wird er diese Zeit zum Bau eines befestigten Lagers auf dem Engpaß verwenden, um die Communication zwischen Algier und Medeah zu sichern. Diese Linie theilt ganz Algerien in zwei Theile; sie beschränkt Abd-el-Kader auf den Westen und hält die zwischen Belida und Medeah wohnenden Stämme im Zaume. Sie giebt uns Einfluß bis in das Dscherid, wohin sie auf dem kürzesten Wege führt.
Ein Bericht des Generals Galbois aus Constantine meldet die Details seines Zuges gegen die Araktas, dessen Ausgang unsere Algierer Correspondenz bereits mittheilte. Eine Deputation der vornehmsten Häuptlinge der Araktas verfügte sich zu dem General nach Constantine und bot ihm die Unterwerfung ihres Stammes an. Bei Dschischelli kam es zwischen der Besatzung und den Kabylen der Umgebung zu fortwährenden Scharmützeln.
Ueber die Ernennung des Marschalls Clauzel zum Gouverneur von Algier verlautet noch nichts Bestimmtes, aber das Gerücht ist noch allgemein verbreitet. Die Meinungen der Journale über Clauzel sind getheilt. Fast alle aber, mit Ausnahme des sehr zurückhaltenden Journal des Débats, verlangen wenigstens die Abberufung des Marschalls Valée, dessen Unfähigkeit immer offener hervortritt. Der Courrier français will von einem langen Schreiben des Herzogs von Orleans wissen, worin dieser zugestehe, daß viele Fehler begangen worden seyen. Der Prinz melde darin auch seine baldige Rückkehr. „Der Feldzug, fährt der Courrier fort, an welchem der Herzog Theil nimmt, wird weder lang noch entscheidend seyn. Man hatte zwar im voraus angekündigt, der Herzog werde nur drei Wochen abwesend seyn; natürlich aber glaubte man, dieser Zeitraum werde hinreichen, ganz andere Resultate zu erzielen, als die bisherigen. Gewiß würde auch die Armee bedeutende Vortheile über die Araber erfochten haben, wäre das Commando der Expedition geschickteren Händen anvertraut worden. Nachdem der Marschall Valée im October des vergangenen Jahres sich trotz der erhaltenen Warnungen überfallen ließ, durfte er das Commando nicht wohl länger mehr behalten. Man hätte dasselbe schon damals einem andern Mann übertragen sollen, dessen Namen den Arabern bereits furchtbar war, und dessen lange Erfahrung den Soldaten volles Vertrauen einflößte.“ Das Commerce, welches bisher scharfe Opposition gegen das Ministerium machte, sagt: „Die Ernennung Clauzels würde Hrn. Thiers Ehre machen und mehr von seinem guten Willen für die Colonie zeugen, als alle Reden. Der Marschall Clauzel ist ein ausgezeichneter Kriegsmann; Niemand bestreitet ihm diese Eigenschaft. Aber dieser Grund ist noch lange nicht der einzige, der die Ernennung Clauzels nach Algier wünschen läßt, um die schreienden Fehler des Marschalls Valée dort wieder gut zu machen. Der Marschall Clauzel ist von allen Gouverneurs derjenige, dessen Name die glänzendsten Erinnerungen in Afrika zurückgelassen hat. Er zeigte sich als beharrlichen Gegner der wachsenden Macht Abd-El-Kaders. Selbst sein Rückzug von Constantine hat, statt ihn zu schwächen, den Schrecken nur vermehrt, den er den Eingebornen einflößte; endlich betrachten ihn auch die Colonisten als den aufrichtigsten Vertheidiger unserer Herrschaft in Algerien, als den offenen, vollständigen Ausdruck eines Gedankens der Colonisation.“ Der National hingegen sagt: „Wir wissen nicht, ob die traurigen Erfahrungen der Vergangenheit Hrn. Clauzel hinreichend aufgeklärt haben und ob Algier durch seine Ernennung viel gewinnen würde. So viel nur wissen wir, daß dieser Marschall bereits zweimal in Afrika commandirt hat, und daß dieser zweimalige Versuch keineswegs von der Art ist, der Nation großes Vertrauen einzuflößen. Wenn man das System der Versuche und des Herumtappens fortsetzen will, so bediene man sich hiezu doch wenigstens nicht mehr der abgenützten Männer.“
Die französische Armee in Algier hat in den Scharmützeln mit den Arabern bekanntlich Beweise genug gegeben, daß sie ihres alten kriegerischen Rufs würdig ist. Die Correspondenzen der französischen Blätter erzählen aber zuweilen Episoden, die doch gar zu auffallend das Gepräge der Uebertreibung tragen. Als der bekannte Ben-Aissa – erzählt ein Schreiben des Toulonnais – mit einem Convoi in Begleitung von vier Chasseurs d'Afrique und eines Brigadier von Philippeville nach Constantine reiste, wurde er von 150 feindlichen Arabern überfallen. Ben-Aissa und seine arabischen Begleiter ergriffen die Flucht und meldeten nach Philippeville, daß der Brigadier ermordet worden sey. Dieser kam aber bald wohlbehalten in Philippeville wieder an. Er hatte mit seinen vier Mann die 150 Araber angegriffen, und war Sieger geblieben! (Es wäre sonach ein Kampf von einem gegen dreißig gewesen!) – Der in Algier kürzlich gestorbene Obrist Miltgen hatte seine Todeswunde erhalten im Augenblick, als er einen Soldaten aus den Händen der Araber rettete.
_ Paris, 21 Mai. Der gewandte Conseilpräsident hat gestern wieder durch ein wohlangebrachtes argumentum ad hominem die Deputirtenkammer zu einer Abstimmung nach seinem Wunsche gebracht. Dieses Argument war die Furcht, indem er behauptete, ganz Frankreich warte mit Aengstlichkeit auf die Entscheidung der Bankfrage. In der Wirklichkeit war diese Angabe aus der Luft gegriffen; denn, verschieden von den Hauptbanken in andern Ländern, hat die hiesige, obwohl Banque de France genannt, nur Interesse für Paris und einige wenige Städte, in denen sie Disconto-Comptoirs angelegt hat; an allen andern Orten sind sogar die von ihr emittirten Scheine beinahe unbekannt, und Reisende, denen dieser Umstand fremd ist, gerathen in die größte Verlegenheit. – Ein von Neapel bei der hiesigen Gesandtschaft eingetroffener Courier hat für Hrn. Thiers sehr erfreuliche Nachrichten mitgebracht. Die neapolitanische Regierung hat sich gänzlich in seine Arme geworfen, sie soll sich mit einer andern ihr sehr befreundeten Macht beinahe überworfen haben, weil deren dortiger Gesandter die unbegränzte Hingebung an Frankreich mißrieth. – Seit gestern ist die Rede von einem Diebstahl, begangen an dem Herzog von Sachsen-Coburg, Schwiegervater des Herzogs von Remours. Dem Vernehmen nach hatte derselbe seine Abreise auf heute festgesetzt, und zu diesem Ende bei seinem Bankier die zur Reise erforderlichen Gelder bezogen, die in der Nacht vom 19 auf den 20 aus seiner Wohnung im Palais royal verschwanden.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |