Allgemeine Zeitung. Nr. 150. Augsburg, 29. Mai 1840.Erinnerungen aus Griechenland und den jonischen Inseln. I. Ersteigung des Taygetos. Puli Vrisi (Quelle des Berghuhus am 21 Junius 1836 Abends). Die Temperatur war endlich so geworden, wie ich sie liebe, d. h. 28 bis 30 Grad Reaumur im Schatten, und genau um Mittag - welches aber hier in Sparta noch nicht, wie in den civilisirten Städten Athen und Tunis ein Kanonenschuß statt der fehlenden Thurmuhr anzeigt - machte ich mich zur Besteigung des Taygetos auf den Weg. Obrist Jatrakos hatte mir seinen Sohn, den Kapitan Georgi, mit zwei Phalanxofficieren und zwei Palikaren, von welchen einer der letztern ein zum Christenthum übergegangener Aegyptier ist, zur Begleitung mitgegeben; außerdem dienten uns vier unberittene Gendarmen und der Dimarch eines Dorfes am Fuße des Taygetos mit zehn Milizsoldaten zur Bedeckung, welchem Gefolge sich noch mehrere Honoratioren Mistra's, worunter auch unser zuvorkommender Wirth, Hr. Saltaferi, sich befand, bis auf eine Stunde weit angeschlossen hatten. Einer von diesen Herren machte während des Weges eine Aeußerung gegen meinen Secretär, welche den griechischen Nationalcharakter verrieth. Er bezeigte ihm nämlich seine Freude über die Ehre, welche ich ihm durch meinen Besuch erwiesen, wie er sich sehr verbindlich für mich ausdrückte, bedauerte aber zugleich, daß er diese Ehre mit so vielen Andern von der entgegengesetzten Partei theilen müsse. Natürlich hatte ich Jedem, der mir Artigkeit bewiesen, dieselbe erwiedert, ohne zu fragen, ob er für Alt-Mistra oder für Neu-Sparta sey, welche Worte hier, wie weiland Guelfen und Ghibellinen, weiße und rothe Rose, gelten. Wir kamen bei den Ruinen von Briseä vorüber, die ein mit Steinen bedecktes Feld anzeigt, nebst einigen unbedeutenden Mauern auf einem kleinen Hügel daneben, und langten in drittehalb Stunden im Wohnort des uns begleitenden Dimarchen, dem Dorfe Xerokambi, an, das an der Hügelkette gegen die Maina zu mit seinen einzeln zerstreuten Häusern anmuthig in der Mitte eines Olivenwaldes liegt. Man setzte uns hier mehrere ländliche Erfrischungen vor, unter andern sehr guten, nicht razimirten Wein von ganz rosenrother Farbe. Als ich von diesem, der uns in einer großen Tasse aus buntem Milchglase präsentirt wurde, trinken wollte, fuhr einer der Gegenwärtigen, voll griechischer Natürlichkeit, mit den Fingern hinein, um eine kleine, fast unsichtbare Fliege herauszufischen, indem er mir versicherte, daß man sich sehr in Acht nehmen müsse, hier Insecten im Getränke zu verschlucken, da einige dieser kleinen Thiere giftig seyen und die heftigsten Koliken erregen. Nachdem ich das Gros meines Gepäcks nach dem Schlosse des Kapitan Georgi, der es unter den hiesigen Klephten nicht recht sicher glaubte, auf der Straße nach Marathonisi, mit einem meiner Leute und einem Theil der Escorte vorausgeschickt, auch zur spätern Bergbesteigung die nöthigen Maulthiere gemiethet hatte, bestiegen wir wieder unsere Rosse und wandten uns erwartungsvoll aus der Plaine, längs der reißenden Razina, einer engen Schlucht des Gebirges zu. Hier aber umschloß uns schon in wenigen Minuten eine so bezaubernde Gegend, daß ich nicht weiß, wo ich Worte hernehmen soll, um sie genügend zu beschreiben. Wenn man jede Erhabenheit der Schweiz in einem Treibhause voll blühender ausländischer Gewächse zeigen könnte, würde der Effect ein ähnlicher seyn, und doch in Masse und Frische der Vegetation, in glänzendem Grün aller Nuancen, wie in blühender Farbenpracht der mannichfaltigsten Blumen und Blüthen, vom Dufte aromatischer Gerüche jeder Art geschwängert, weit dahinter zurückbleiben. Kein dürres Fleckchen war hier bemerkbar; die Berge sah man bis zum Gipfel, dicht, wie ein goldenes Vließ, in hellschimmernde Locken gehüllt, und selbst die höchsten Felsen erschienen farbig, mit wunderbaren perpendiculären Bandstreifen oder marmorirten Adern, ebenso seltsam gezeichnet, als die Felsen eigenthümlich geformt waren; bald spitze Pyramiden, bald tiefe und weite Höhlen, bald brillenartige Oeffnungen darbietend, durch welche die entfernten Gegenstände wie durch ein Perspectiv gesehen sich ausnahmen. Das Wuchern des Pflanzenwuchses ging oft in einen wahren Muthwillen der Natur über, so daß die breitblätterige Platane die Rosen des Oleanders zu tragen schien, und aus den vollen Federbüschen der blühenden Kastanien Granaten sich durchdrängten, deren feurige Blumen von Kränzen dunkelblauer Winden umschlungen waren. Eine solche Stelle, deren Originalität und Pracht nichts übertreffen kann, befand sich in der Nähe einer Verschanzung aus dem Revolutionskriege, welche die Einwohner Kataphi nannten. Die Veste selbst trug viel zur romantischen Wirkung des Ganzen bei, hoch oben wie ein Adlernest vor dem schwarzen Hintergrunde einer tiefen Höhle hängend, wo sie allen Bemühungen der Aegyptier widerstand, welche vergeblich diesen Paß zu forciren suchten. Einer der Milizsoldaten, ein schöner schwarzbärtiger Lakonier, in reicherem Anzug als die übrigen, der hier mitgefochten, hielt mein Pferd mit charakteristischer Gesticulation an, um mir, die Augen noch von der Erinnerung glänzend, die Details dieser Begebenheit mitzutheilen. Nach zwei Stunden, die einen fortwährenden Genuß gewährten, der Monate der Mühseligkeit aufwiegt, erreichten wir, allerdings auf etwas mißlichen Wegen, das elegante und in hohem Grade malerisch gelegene Klephtendorf Kumusta, meistens von Leuten bewohnt, die uns allein eben so sicher ausgeplündert haben würden, als sie uns jetzt in Begleitung zweier Häuptlinge ihres Landstrichs mit der freundlichsten Ergebenheit entgegenkamen. Hier rasteten wir unter einigen thurmhohen Platanen von Felsen umgeben, aus welchen eine gefaßte Quelle in sieben Röhren springt und in ein großes ausgehauenes Becken fließt, an dem wir unsere Pferde tränkten. Ich benutzte diese Zeit, um im Dorf etwas umherzusteigen, war aber kaum zwanzig Schritte gegangen, als Kapitan Georgi mir mit seinen Palikaren eiligst folgte, weil er, wie er sagte, mich hier nicht aus den Augen lassen dürfe. Die Sorgfalt dieser Leute, wenn sie einmal etwas aus freien Stücken unternommen, ist wahrhaft exemplarisch zu nennen, und auch ein Zug, den die Griechen, wie manches Andere, mit den Arabern gemein haben. Der Spaziergang war sehr belohnend, besonders die Ersteigung eines Felsens, der in Form einer Krone - welcher die kleine Kirche gleichsam als Kreuz darauf dient - das Dorf in seiner Mitte überragt. Man sah von hier, nach der westlichen Seite gewandt, über einem Castanienwald das Bergkloster Golas, an die kahlen, grauen Steinkegel des Taygetos gelehnt, daneben viele schwarze Fichtenthäler, und dicht unter den Wolken die höchste Schneekuppe des heiligen Elias, die wir am nächsten Morgen zu betreten hoffen. Auf der linken entgegengesetzten Seite überschaut man einen Theil der Thalschlucht, durch die wir eben gekommen, und hinter ihr Erinnerungen aus Griechenland und den jonischen Inseln. I. Ersteigung des Taygetos. Puli Vrisi (Quelle des Berghuhus am 21 Junius 1836 Abends). Die Temperatur war endlich so geworden, wie ich sie liebe, d. h. 28 bis 30 Grad Réaumur im Schatten, und genau um Mittag – welches aber hier in Sparta noch nicht, wie in den civilisirten Städten Athen und Tunis ein Kanonenschuß statt der fehlenden Thurmuhr anzeigt – machte ich mich zur Besteigung des Taygetos auf den Weg. Obrist Jatrákos hatte mir seinen Sohn, den Kapitan Georgi, mit zwei Phalanxofficieren und zwei Palikaren, von welchen einer der letztern ein zum Christenthum übergegangener Aegyptier ist, zur Begleitung mitgegeben; außerdem dienten uns vier unberittene Gendarmen und der Dimarch eines Dorfes am Fuße des Taygetos mit zehn Milizsoldaten zur Bedeckung, welchem Gefolge sich noch mehrere Honoratioren Mistra's, worunter auch unser zuvorkommender Wirth, Hr. Saltaferi, sich befand, bis auf eine Stunde weit angeschlossen hatten. Einer von diesen Herren machte während des Weges eine Aeußerung gegen meinen Secretär, welche den griechischen Nationalcharakter verrieth. Er bezeigte ihm nämlich seine Freude über die Ehre, welche ich ihm durch meinen Besuch erwiesen, wie er sich sehr verbindlich für mich ausdrückte, bedauerte aber zugleich, daß er diese Ehre mit so vielen Andern von der entgegengesetzten Partei theilen müsse. Natürlich hatte ich Jedem, der mir Artigkeit bewiesen, dieselbe erwiedert, ohne zu fragen, ob er für Alt-Mistra oder für Neu-Sparta sey, welche Worte hier, wie weiland Guelfen und Ghibellinen, weiße und rothe Rose, gelten. Wir kamen bei den Ruinen von Briseä vorüber, die ein mit Steinen bedecktes Feld anzeigt, nebst einigen unbedeutenden Mauern auf einem kleinen Hügel daneben, und langten in drittehalb Stunden im Wohnort des uns begleitenden Dimarchen, dem Dorfe Xerokambi, an, das an der Hügelkette gegen die Maina zu mit seinen einzeln zerstreuten Häusern anmuthig in der Mitte eines Olivenwaldes liegt. Man setzte uns hier mehrere ländliche Erfrischungen vor, unter andern sehr guten, nicht razimirten Wein von ganz rosenrother Farbe. Als ich von diesem, der uns in einer großen Tasse aus buntem Milchglase präsentirt wurde, trinken wollte, fuhr einer der Gegenwärtigen, voll griechischer Natürlichkeit, mit den Fingern hinein, um eine kleine, fast unsichtbare Fliege herauszufischen, indem er mir versicherte, daß man sich sehr in Acht nehmen müsse, hier Insecten im Getränke zu verschlucken, da einige dieser kleinen Thiere giftig seyen und die heftigsten Koliken erregen. Nachdem ich das Gros meines Gepäcks nach dem Schlosse des Kapitan Georgi, der es unter den hiesigen Klephten nicht recht sicher glaubte, auf der Straße nach Marathonisi, mit einem meiner Leute und einem Theil der Escorte vorausgeschickt, auch zur spätern Bergbesteigung die nöthigen Maulthiere gemiethet hatte, bestiegen wir wieder unsere Rosse und wandten uns erwartungsvoll aus der Plaine, längs der reißenden Razina, einer engen Schlucht des Gebirges zu. Hier aber umschloß uns schon in wenigen Minuten eine so bezaubernde Gegend, daß ich nicht weiß, wo ich Worte hernehmen soll, um sie genügend zu beschreiben. Wenn man jede Erhabenheit der Schweiz in einem Treibhause voll blühender ausländischer Gewächse zeigen könnte, würde der Effect ein ähnlicher seyn, und doch in Masse und Frische der Vegetation, in glänzendem Grün aller Nuancen, wie in blühender Farbenpracht der mannichfaltigsten Blumen und Blüthen, vom Dufte aromatischer Gerüche jeder Art geschwängert, weit dahinter zurückbleiben. Kein dürres Fleckchen war hier bemerkbar; die Berge sah man bis zum Gipfel, dicht, wie ein goldenes Vließ, in hellschimmernde Locken gehüllt, und selbst die höchsten Felsen erschienen farbig, mit wunderbaren perpendiculären Bandstreifen oder marmorirten Adern, ebenso seltsam gezeichnet, als die Felsen eigenthümlich geformt waren; bald spitze Pyramiden, bald tiefe und weite Höhlen, bald brillenartige Oeffnungen darbietend, durch welche die entfernten Gegenstände wie durch ein Perspectiv gesehen sich ausnahmen. Das Wuchern des Pflanzenwuchses ging oft in einen wahren Muthwillen der Natur über, so daß die breitblätterige Platane die Rosen des Oleanders zu tragen schien, und aus den vollen Federbüschen der blühenden Kastanien Granaten sich durchdrängten, deren feurige Blumen von Kränzen dunkelblauer Winden umschlungen waren. Eine solche Stelle, deren Originalität und Pracht nichts übertreffen kann, befand sich in der Nähe einer Verschanzung aus dem Revolutionskriege, welche die Einwohner Katáphi nannten. Die Veste selbst trug viel zur romantischen Wirkung des Ganzen bei, hoch oben wie ein Adlernest vor dem schwarzen Hintergrunde einer tiefen Höhle hängend, wo sie allen Bemühungen der Aegyptier widerstand, welche vergeblich diesen Paß zu forciren suchten. Einer der Milizsoldaten, ein schöner schwarzbärtiger Lakonier, in reicherem Anzug als die übrigen, der hier mitgefochten, hielt mein Pferd mit charakteristischer Gesticulation an, um mir, die Augen noch von der Erinnerung glänzend, die Details dieser Begebenheit mitzutheilen. Nach zwei Stunden, die einen fortwährenden Genuß gewährten, der Monate der Mühseligkeit aufwiegt, erreichten wir, allerdings auf etwas mißlichen Wegen, das elegante und in hohem Grade malerisch gelegene Klephtendorf Kúmusta, meistens von Leuten bewohnt, die uns allein eben so sicher ausgeplündert haben würden, als sie uns jetzt in Begleitung zweier Häuptlinge ihres Landstrichs mit der freundlichsten Ergebenheit entgegenkamen. Hier rasteten wir unter einigen thurmhohen Platanen von Felsen umgeben, aus welchen eine gefaßte Quelle in sieben Röhren springt und in ein großes ausgehauenes Becken fließt, an dem wir unsere Pferde tränkten. Ich benutzte diese Zeit, um im Dorf etwas umherzusteigen, war aber kaum zwanzig Schritte gegangen, als Kapitan Georgi mir mit seinen Palikaren eiligst folgte, weil er, wie er sagte, mich hier nicht aus den Augen lassen dürfe. Die Sorgfalt dieser Leute, wenn sie einmal etwas aus freien Stücken unternommen, ist wahrhaft exemplarisch zu nennen, und auch ein Zug, den die Griechen, wie manches Andere, mit den Arabern gemein haben. Der Spaziergang war sehr belohnend, besonders die Ersteigung eines Felsens, der in Form einer Krone – welcher die kleine Kirche gleichsam als Kreuz darauf dient – das Dorf in seiner Mitte überragt. Man sah von hier, nach der westlichen Seite gewandt, über einem Castanienwald das Bergkloster Golas, an die kahlen, grauen Steinkegel des Taygetos gelehnt, daneben viele schwarze Fichtenthäler, und dicht unter den Wolken die höchste Schneekuppe des heiligen Elias, die wir am nächsten Morgen zu betreten hoffen. 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Obrist Jatrákos hatte mir seinen Sohn, den Kapitan Georgi, mit zwei Phalanxofficieren und zwei Palikaren, von welchen einer der letztern ein zum Christenthum übergegangener Aegyptier ist, zur Begleitung mitgegeben; außerdem dienten uns vier unberittene Gendarmen und der Dimarch eines Dorfes am Fuße des Taygetos mit zehn Milizsoldaten zur Bedeckung, welchem Gefolge sich noch mehrere Honoratioren Mistra's, worunter auch unser zuvorkommender Wirth, Hr. Saltaferi, sich befand, bis auf eine Stunde weit angeschlossen hatten. Einer von diesen Herren machte während des Weges eine Aeußerung gegen meinen Secretär, welche den griechischen Nationalcharakter verrieth. Er bezeigte ihm nämlich seine Freude über die Ehre, welche ich ihm durch meinen Besuch erwiesen, wie er sich sehr verbindlich für mich ausdrückte, bedauerte aber zugleich, daß er diese Ehre mit so vielen Andern von der entgegengesetzten Partei theilen müsse. Natürlich hatte ich Jedem, der mir Artigkeit bewiesen, dieselbe erwiedert, ohne zu fragen, ob er für Alt-Mistra oder für Neu-Sparta sey, welche Worte hier, wie weiland Guelfen und Ghibellinen, weiße und rothe Rose, gelten.</p><lb/> <p>Wir kamen bei den Ruinen von Briseä vorüber, die ein mit Steinen bedecktes Feld anzeigt, nebst einigen unbedeutenden Mauern auf einem kleinen Hügel daneben, und langten in drittehalb Stunden im Wohnort des uns begleitenden Dimarchen, dem Dorfe Xerokambi, an, das an der Hügelkette gegen die Maina zu mit seinen einzeln zerstreuten Häusern anmuthig in der Mitte eines Olivenwaldes liegt. Man setzte uns hier mehrere ländliche Erfrischungen vor, unter andern sehr guten, nicht razimirten Wein von ganz rosenrother Farbe. Als ich von diesem, der uns in einer großen Tasse aus buntem Milchglase präsentirt wurde, trinken wollte, fuhr einer der Gegenwärtigen, voll griechischer Natürlichkeit, mit den Fingern hinein, um eine kleine, fast unsichtbare Fliege herauszufischen, indem er mir versicherte, daß man sich sehr in Acht nehmen müsse, hier Insecten im Getränke zu verschlucken, da einige dieser kleinen Thiere giftig seyen und die heftigsten Koliken erregen.</p><lb/> <p>Nachdem ich das Gros meines Gepäcks nach dem Schlosse des Kapitan Georgi, der es unter den hiesigen Klephten nicht recht sicher glaubte, auf der Straße nach Marathonisi, mit einem meiner Leute und einem Theil der Escorte vorausgeschickt, auch zur spätern Bergbesteigung die nöthigen Maulthiere gemiethet hatte, bestiegen wir wieder unsere Rosse und wandten uns erwartungsvoll aus der Plaine, längs der reißenden Razina, einer engen Schlucht des Gebirges zu. Hier aber umschloß uns schon in wenigen Minuten eine so bezaubernde Gegend, daß ich nicht weiß, wo ich Worte hernehmen soll, um sie genügend zu beschreiben. Wenn man jede Erhabenheit der Schweiz in einem Treibhause voll blühender ausländischer Gewächse zeigen könnte, würde der Effect ein ähnlicher seyn, und doch in Masse und Frische der Vegetation, in glänzendem Grün aller Nuancen, wie in blühender Farbenpracht der mannichfaltigsten Blumen und Blüthen, vom Dufte aromatischer Gerüche jeder Art geschwängert, weit dahinter zurückbleiben. Kein dürres Fleckchen war hier bemerkbar; die Berge sah man bis zum Gipfel, dicht, wie ein goldenes Vließ, in hellschimmernde Locken gehüllt, und selbst die höchsten Felsen erschienen farbig, mit wunderbaren perpendiculären Bandstreifen oder marmorirten Adern, ebenso seltsam gezeichnet, als die Felsen eigenthümlich geformt waren; bald spitze Pyramiden, bald tiefe und weite Höhlen, bald brillenartige Oeffnungen darbietend, durch welche die entfernten Gegenstände wie durch ein Perspectiv gesehen sich ausnahmen. Das Wuchern des Pflanzenwuchses ging oft in einen wahren Muthwillen der Natur über, so daß die breitblätterige Platane die Rosen des Oleanders zu tragen schien, und aus den vollen Federbüschen der blühenden Kastanien Granaten sich durchdrängten, deren feurige Blumen von Kränzen dunkelblauer Winden umschlungen waren. Eine solche Stelle, deren Originalität und Pracht nichts übertreffen kann, befand sich in der Nähe einer Verschanzung aus dem Revolutionskriege, welche die Einwohner Katáphi nannten. Die Veste selbst trug viel zur romantischen Wirkung des Ganzen bei, hoch oben wie ein Adlernest vor dem schwarzen Hintergrunde einer tiefen Höhle hängend, wo sie allen Bemühungen der Aegyptier widerstand, welche vergeblich diesen Paß zu forciren suchten. Einer der Milizsoldaten, ein schöner schwarzbärtiger Lakonier, in reicherem Anzug als die übrigen, der hier mitgefochten, hielt mein Pferd mit charakteristischer Gesticulation an, um mir, die Augen noch von der Erinnerung glänzend, die Details dieser Begebenheit mitzutheilen.</p><lb/> <p>Nach zwei Stunden, die einen fortwährenden Genuß gewährten, der Monate der Mühseligkeit aufwiegt, erreichten wir, allerdings auf etwas mißlichen Wegen, das elegante und in hohem Grade malerisch gelegene Klephtendorf Kúmusta, meistens von Leuten bewohnt, die uns allein eben so sicher ausgeplündert haben würden, als sie uns jetzt in Begleitung zweier Häuptlinge ihres Landstrichs mit der freundlichsten Ergebenheit entgegenkamen. Hier rasteten wir unter einigen thurmhohen Platanen von Felsen umgeben, aus welchen eine gefaßte Quelle in sieben Röhren springt und in ein großes ausgehauenes Becken fließt, an dem wir unsere Pferde tränkten. Ich benutzte diese Zeit, um im Dorf etwas umherzusteigen, war aber kaum zwanzig Schritte gegangen, als Kapitan Georgi mir mit seinen Palikaren eiligst folgte, weil er, wie er sagte, mich hier nicht aus den Augen lassen dürfe. Die Sorgfalt dieser Leute, wenn sie einmal etwas aus freien Stücken unternommen, ist wahrhaft exemplarisch zu nennen, und auch ein Zug, den die Griechen, wie manches Andere, mit den Arabern gemein haben. Der Spaziergang war sehr belohnend, besonders die Ersteigung eines Felsens, der in Form einer Krone – welcher die kleine Kirche gleichsam als Kreuz darauf dient – das Dorf in seiner Mitte überragt. Man sah von hier, nach der westlichen Seite gewandt, über einem Castanienwald das Bergkloster Golas, an die kahlen, grauen Steinkegel des Taygetos gelehnt, daneben viele schwarze Fichtenthäler, und dicht unter den Wolken die höchste Schneekuppe des heiligen Elias, die wir am nächsten Morgen zu betreten hoffen. Auf der linken entgegengesetzten Seite überschaut man einen Theil der Thalschlucht, durch die wir eben gekommen, und hinter ihr<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1193/0009]
Erinnerungen aus Griechenland und den jonischen Inseln.
I. Ersteigung des Taygetos.
_ Puli Vrisi (Quelle des Berghuhus am 21 Junius 1836 Abends). Die Temperatur war endlich so geworden, wie ich sie liebe, d. h. 28 bis 30 Grad Réaumur im Schatten, und genau um Mittag – welches aber hier in Sparta noch nicht, wie in den civilisirten Städten Athen und Tunis ein Kanonenschuß statt der fehlenden Thurmuhr anzeigt – machte ich mich zur Besteigung des Taygetos auf den Weg. Obrist Jatrákos hatte mir seinen Sohn, den Kapitan Georgi, mit zwei Phalanxofficieren und zwei Palikaren, von welchen einer der letztern ein zum Christenthum übergegangener Aegyptier ist, zur Begleitung mitgegeben; außerdem dienten uns vier unberittene Gendarmen und der Dimarch eines Dorfes am Fuße des Taygetos mit zehn Milizsoldaten zur Bedeckung, welchem Gefolge sich noch mehrere Honoratioren Mistra's, worunter auch unser zuvorkommender Wirth, Hr. Saltaferi, sich befand, bis auf eine Stunde weit angeschlossen hatten. Einer von diesen Herren machte während des Weges eine Aeußerung gegen meinen Secretär, welche den griechischen Nationalcharakter verrieth. Er bezeigte ihm nämlich seine Freude über die Ehre, welche ich ihm durch meinen Besuch erwiesen, wie er sich sehr verbindlich für mich ausdrückte, bedauerte aber zugleich, daß er diese Ehre mit so vielen Andern von der entgegengesetzten Partei theilen müsse. Natürlich hatte ich Jedem, der mir Artigkeit bewiesen, dieselbe erwiedert, ohne zu fragen, ob er für Alt-Mistra oder für Neu-Sparta sey, welche Worte hier, wie weiland Guelfen und Ghibellinen, weiße und rothe Rose, gelten.
Wir kamen bei den Ruinen von Briseä vorüber, die ein mit Steinen bedecktes Feld anzeigt, nebst einigen unbedeutenden Mauern auf einem kleinen Hügel daneben, und langten in drittehalb Stunden im Wohnort des uns begleitenden Dimarchen, dem Dorfe Xerokambi, an, das an der Hügelkette gegen die Maina zu mit seinen einzeln zerstreuten Häusern anmuthig in der Mitte eines Olivenwaldes liegt. Man setzte uns hier mehrere ländliche Erfrischungen vor, unter andern sehr guten, nicht razimirten Wein von ganz rosenrother Farbe. Als ich von diesem, der uns in einer großen Tasse aus buntem Milchglase präsentirt wurde, trinken wollte, fuhr einer der Gegenwärtigen, voll griechischer Natürlichkeit, mit den Fingern hinein, um eine kleine, fast unsichtbare Fliege herauszufischen, indem er mir versicherte, daß man sich sehr in Acht nehmen müsse, hier Insecten im Getränke zu verschlucken, da einige dieser kleinen Thiere giftig seyen und die heftigsten Koliken erregen.
Nachdem ich das Gros meines Gepäcks nach dem Schlosse des Kapitan Georgi, der es unter den hiesigen Klephten nicht recht sicher glaubte, auf der Straße nach Marathonisi, mit einem meiner Leute und einem Theil der Escorte vorausgeschickt, auch zur spätern Bergbesteigung die nöthigen Maulthiere gemiethet hatte, bestiegen wir wieder unsere Rosse und wandten uns erwartungsvoll aus der Plaine, längs der reißenden Razina, einer engen Schlucht des Gebirges zu. Hier aber umschloß uns schon in wenigen Minuten eine so bezaubernde Gegend, daß ich nicht weiß, wo ich Worte hernehmen soll, um sie genügend zu beschreiben. Wenn man jede Erhabenheit der Schweiz in einem Treibhause voll blühender ausländischer Gewächse zeigen könnte, würde der Effect ein ähnlicher seyn, und doch in Masse und Frische der Vegetation, in glänzendem Grün aller Nuancen, wie in blühender Farbenpracht der mannichfaltigsten Blumen und Blüthen, vom Dufte aromatischer Gerüche jeder Art geschwängert, weit dahinter zurückbleiben. Kein dürres Fleckchen war hier bemerkbar; die Berge sah man bis zum Gipfel, dicht, wie ein goldenes Vließ, in hellschimmernde Locken gehüllt, und selbst die höchsten Felsen erschienen farbig, mit wunderbaren perpendiculären Bandstreifen oder marmorirten Adern, ebenso seltsam gezeichnet, als die Felsen eigenthümlich geformt waren; bald spitze Pyramiden, bald tiefe und weite Höhlen, bald brillenartige Oeffnungen darbietend, durch welche die entfernten Gegenstände wie durch ein Perspectiv gesehen sich ausnahmen. Das Wuchern des Pflanzenwuchses ging oft in einen wahren Muthwillen der Natur über, so daß die breitblätterige Platane die Rosen des Oleanders zu tragen schien, und aus den vollen Federbüschen der blühenden Kastanien Granaten sich durchdrängten, deren feurige Blumen von Kränzen dunkelblauer Winden umschlungen waren. Eine solche Stelle, deren Originalität und Pracht nichts übertreffen kann, befand sich in der Nähe einer Verschanzung aus dem Revolutionskriege, welche die Einwohner Katáphi nannten. Die Veste selbst trug viel zur romantischen Wirkung des Ganzen bei, hoch oben wie ein Adlernest vor dem schwarzen Hintergrunde einer tiefen Höhle hängend, wo sie allen Bemühungen der Aegyptier widerstand, welche vergeblich diesen Paß zu forciren suchten. Einer der Milizsoldaten, ein schöner schwarzbärtiger Lakonier, in reicherem Anzug als die übrigen, der hier mitgefochten, hielt mein Pferd mit charakteristischer Gesticulation an, um mir, die Augen noch von der Erinnerung glänzend, die Details dieser Begebenheit mitzutheilen.
Nach zwei Stunden, die einen fortwährenden Genuß gewährten, der Monate der Mühseligkeit aufwiegt, erreichten wir, allerdings auf etwas mißlichen Wegen, das elegante und in hohem Grade malerisch gelegene Klephtendorf Kúmusta, meistens von Leuten bewohnt, die uns allein eben so sicher ausgeplündert haben würden, als sie uns jetzt in Begleitung zweier Häuptlinge ihres Landstrichs mit der freundlichsten Ergebenheit entgegenkamen. Hier rasteten wir unter einigen thurmhohen Platanen von Felsen umgeben, aus welchen eine gefaßte Quelle in sieben Röhren springt und in ein großes ausgehauenes Becken fließt, an dem wir unsere Pferde tränkten. Ich benutzte diese Zeit, um im Dorf etwas umherzusteigen, war aber kaum zwanzig Schritte gegangen, als Kapitan Georgi mir mit seinen Palikaren eiligst folgte, weil er, wie er sagte, mich hier nicht aus den Augen lassen dürfe. Die Sorgfalt dieser Leute, wenn sie einmal etwas aus freien Stücken unternommen, ist wahrhaft exemplarisch zu nennen, und auch ein Zug, den die Griechen, wie manches Andere, mit den Arabern gemein haben. Der Spaziergang war sehr belohnend, besonders die Ersteigung eines Felsens, der in Form einer Krone – welcher die kleine Kirche gleichsam als Kreuz darauf dient – das Dorf in seiner Mitte überragt. Man sah von hier, nach der westlichen Seite gewandt, über einem Castanienwald das Bergkloster Golas, an die kahlen, grauen Steinkegel des Taygetos gelehnt, daneben viele schwarze Fichtenthäler, und dicht unter den Wolken die höchste Schneekuppe des heiligen Elias, die wir am nächsten Morgen zu betreten hoffen. Auf der linken entgegengesetzten Seite überschaut man einen Theil der Thalschlucht, durch die wir eben gekommen, und hinter ihr
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