Allgemeine Zeitung. Nr. 152. Augsburg, 31. Mai 1840.erfahrenen Officiers. Man erzählt, daß er sein Pferd einem Obristen gegeben habe, welcher nach zwei Stunden mühsamen Bergsteigens vor Erschöpfung zusammengesunken war. Gewiß ist - denn ich habe es selbst gesehen - daß der junge Prinz an der Spitze einer Compagnie des 23sten Linienregiments angegriffen hat und unter den ersten war, die in eine Schanze eindrangen. Unser Verlust war beträchtlich. Wir hatten 300 Mann kampfunfähig, worunter etwa 60 Todte. Die Araber zielen gut, und ihre Schüsse waren von furchtbarer Sicherheit. Der Widerstand der Feinde war auf diesem Passe concentrirt. Von hier bis Medeah sind keine großen Schwierigkeiten mehr zu überwinden." Paris, 24 Mai. Die gestrige Verhandlung vor der Pairskammer hat den Minister des öffentlichen Unterrichts zu der feierlichen Erklärung veranlaßt, daß er in der nächsten Sitzung einen Gesetzesvorschlag über den secundären Unterricht vorlegen werde, und zwar in demselben progressiven und liberalen Geiste, der das Gesetz über den Primärunterricht vom Jahr 1833 auszeichnet. Wir sind überzeugt, daß diese Neuerung in dem versprochenen Sinne ausgeführt werden und die heilsamste Wirkung hervorbringen wird. Hr. Cousin hat Gelegenheit gehabt, den Wahrnehmungen in seinem eigenen Vaterlande jene in fremden Staaten, und namentlich in Deutschland beizufügen, und wird sie zum Frommen einer Maaßregel benützen, bei welcher das Interesse der Nation und sein eigener Ruhm gleich stark betheiligt sind. Einer Hauptschwierigkeit aber auch einem Mißstande, der seiner ganzen Aufmerksamkeit würdig ist, wird er in den sogenannten kleinen Seminarien begegnen, die von einem geistlichen Kastengeiste beseelt, unter der Freiheit des Unterrichts, die sie verlangen, nichts Anderes verstehen als Sicherung und Erweiterung ihres Monopols, das sie gegen die Verfügungen und Gesetze der Universität schützt, sie in Gestalt einer wahren geistlichen Corporation bestehen lassen, und jede Concurrenz von ihnen entfernen soll. Man spricht in dem guten Lande Frankreich viel von Freiheit des Unterrichts und von Zwang der Universitätsgesetze. Aber jeder versteht das auf seine Weise, und wer da sieht, wie die Unterrichtsanstalten dahier, die sogenannten Pensionats und Institutions gleich jedem andern Handelsgeschäft, gleich jeder andern Speculation der Industrie unternommen und geführt werden, in denen der Unternehmer an seinen möglichen Geldgewinn zuerst und an seine persönliche Befähigung zu einem so hochwichtigen Amte nur zuletzt denkt, der wird begreifen, daß es heilige Pflicht der Universität ist, diese mittlern Lehranstalten nicht dem Zufalle oder was schlimmer ist, dem groben Materialismus ihrer Vorstände anheim zu stellen, sie ohne Aufsicht und strenge Prüfung zu lassen. Vor allen Begunstigungen der Unterrichtsfreiheit muß der Zweck des Unterrichts, das Wohl der Staatsgesellschaft, seinen gebührenden Platz haben. Man klagt darüber, daß die Universität die Möglichkeit, Privatlehranstalten zu errichten, allzusehr beschränke, und deren Wirksamkeit allzusehr schmälere; gut, man möge diese Wirkung jener der eigentlichen Staatsgymnasien (Colleges) gleichsetzen, man möge ihre Zahl unbegränzt lassen, aber mindestens müssen alle Individuen, die eine solche Anstalt errichten wollen, sich in genauen Prüfungen als dazu berufen und hinlänglich befähigt ausweisen. Gegen diese Vorschrift, die der Minister des öffentlichen Unterrichts zu erlassen beabsichtigt, hat die gesunde Vernunft und das allgemeine Interesse sicherlich nichts einzuwenden; aber um so bitterer wird sich die Klage der schwer verletzten und gedemüthigten Unterrichtshändler erheben, denn mit dieser weisen Bedingung ist ihrem Reich auf einmal ein Ende gemacht. Belgien. Brüssel, 21 Mai. Bei der Wiedererwählung der HH. Lebeau, Rogier, Liedts und Mercier, die sich, weil sie zu Ministern ernannt worden, einer neuer Wahl unterwerfen mußten, hat sich keine ernstliche Opposition von Seite der Katholiken offenbart, obgleich sie von ihnen zunächst zu erwarten gewesen wäre. Im Ganzen ist die Stellung der Katholiken gegen das neue Cabinet einstweilen mehr beobachtend, als handelnd. Daß sich indessen bei dem größern Theil derselben in die beobachtende Haltung ein geheimes Mißtrauen mischt, liegt in der Natur der Dinge, und Freunde und Vertraute des Ministeriums tragen das Ihrige dazu bei, daß dieses Mißtrauen eher zu- als abnehme. So hat selbst der sonst so besonnene H. Devaux, der doctrinäre Patron des gegenwärtigen Cabinets, in der neuesten Nummer seiner "Revue Nationale" einen Aufsatz geliefert, worin er seine Animosität gegen den abgetretenen Hrn. de Theux, der ihm der Repräsentant des größern Theils der Katholiken ist, bei aller Bemühung, sie hinter gemäßigten Redeformen zu verbergen, doch so wenig zu beherrschen weiß, daß er dessen mehr als fünfjähriges Ministerium, während dessen die innere Organisation Belgiens, so wie der Friedensabschluß mit Holland zu Stande gekommen, und auch in anderer Hinsicht Großes geleistet worden, eine "leere Parenthesis" nennt, und den Kotholiken überhaupt die Aussicht eröffnet, künftig nur eine controlirende Aufsicht über die Regierung zu führen, diese selbst aber für immer in die Hände der Liberalen gegeben zu sehen. Und doch ist derselbe Hr. Devaux genöthigt anzuerkennen, daß nur dem ordnungsliebenden Geist der Katholiken die Constituirung des belgischen Staats zunächst zu verdanken ist, während die Liberalen lange Zeit jeden dahin zielenden Schritt bekämpft und erschwert haben. Ganz besonders zur Vergrößerung des Mißtrauens ist auch die Bekanntwerdung der Unterhandlungen mit der hiesigen Loge geeignet. Der "Observateur" läugnet zwar aus allen Kräften ab, daß solche Unterhandlungen der Wiedererwählung des Hrn. Lebeau vorhergegangen; die Chefs der Loge sind aber weniger discret gewesen, als das Journal, und rühmen sich sogar, den Minister in ihrer Gewalt zu haben. Künftiges Jahr nämlich tritt die periodische neue Wahl sämmtlicher Repräsentanten der Provinz Brabant, so wie vier anderer Provinzen ein. Ist man nun in der nächsten Session mit den Ministern nicht zufrieden, so soll Hr. Lebeau dafür im Jahr 1841 büßen. Zwischen solchen Anmaßungen von der einen und solchem Mißtrauen von der andern Seite wird es den Ministern schwer seyn, dasjenige, was das Wohl des Landes und die Würde der Regierung, der es ohnehin unter einer Verfassung, wie die hiesige, gar zu leicht an Ansehen und Kraft gebricht, erfordert, zur Ausführung zu bringen. Die Ernennung des Hrn. v. Stassart zum Gouverneur von Namur ist voreilig von einigen Journalen angekündigt worden; er bemüht sich vielmehr um einen Posten in der Diplomatie, auch wird eine hohe Person dringend darum angegangen, ihm sonst eine Auszeichnung zu gewähren; doch soll von dieser Seite eine große, gar wohl begreifliche Abneigung hiegegen vorherrschen. - General Vandersmissen hat von neuem bei dem Militärgerichtshofe förmlich auf Wiederaufnahme seines Processes angetragen, ist aber mit seinem Gesuch abgewiesen worden; zugleich hat sein Advocat eine Denkschrift in Druck gegeben, zum Beweise, daß der Einwurf, er habe wegen nicht bei Zeiten geleisteten Eides seinen Generalsrang verwirkt, rechtlich durchaus unhaltbar, und die ganze Art, wie das Ministerium sich hierin gegen ihn benommen und ihm zugleich durch eine angebliche Amnestie den Weg Rechtens versperren wolle, eine schreiende Ungerechtigkeit sey. erfahrenen Officiers. Man erzählt, daß er sein Pferd einem Obristen gegeben habe, welcher nach zwei Stunden mühsamen Bergsteigens vor Erschöpfung zusammengesunken war. Gewiß ist – denn ich habe es selbst gesehen – daß der junge Prinz an der Spitze einer Compagnie des 23sten Linienregiments angegriffen hat und unter den ersten war, die in eine Schanze eindrangen. Unser Verlust war beträchtlich. Wir hatten 300 Mann kampfunfähig, worunter etwa 60 Todte. Die Araber zielen gut, und ihre Schüsse waren von furchtbarer Sicherheit. Der Widerstand der Feinde war auf diesem Passe concentrirt. Von hier bis Medeah sind keine großen Schwierigkeiten mehr zu überwinden.“ Paris, 24 Mai. Die gestrige Verhandlung vor der Pairskammer hat den Minister des öffentlichen Unterrichts zu der feierlichen Erklärung veranlaßt, daß er in der nächsten Sitzung einen Gesetzesvorschlag über den secundären Unterricht vorlegen werde, und zwar in demselben progressiven und liberalen Geiste, der das Gesetz über den Primärunterricht vom Jahr 1833 auszeichnet. Wir sind überzeugt, daß diese Neuerung in dem versprochenen Sinne ausgeführt werden und die heilsamste Wirkung hervorbringen wird. Hr. Cousin hat Gelegenheit gehabt, den Wahrnehmungen in seinem eigenen Vaterlande jene in fremden Staaten, und namentlich in Deutschland beizufügen, und wird sie zum Frommen einer Maaßregel benützen, bei welcher das Interesse der Nation und sein eigener Ruhm gleich stark betheiligt sind. Einer Hauptschwierigkeit aber auch einem Mißstande, der seiner ganzen Aufmerksamkeit würdig ist, wird er in den sogenannten kleinen Seminarien begegnen, die von einem geistlichen Kastengeiste beseelt, unter der Freiheit des Unterrichts, die sie verlangen, nichts Anderes verstehen als Sicherung und Erweiterung ihres Monopols, das sie gegen die Verfügungen und Gesetze der Universität schützt, sie in Gestalt einer wahren geistlichen Corporation bestehen lassen, und jede Concurrenz von ihnen entfernen soll. Man spricht in dem guten Lande Frankreich viel von Freiheit des Unterrichts und von Zwang der Universitätsgesetze. Aber jeder versteht das auf seine Weise, und wer da sieht, wie die Unterrichtsanstalten dahier, die sogenannten Pensionats und Institutions gleich jedem andern Handelsgeschäft, gleich jeder andern Speculation der Industrie unternommen und geführt werden, in denen der Unternehmer an seinen möglichen Geldgewinn zuerst und an seine persönliche Befähigung zu einem so hochwichtigen Amte nur zuletzt denkt, der wird begreifen, daß es heilige Pflicht der Universität ist, diese mittlern Lehranstalten nicht dem Zufalle oder was schlimmer ist, dem groben Materialismus ihrer Vorstände anheim zu stellen, sie ohne Aufsicht und strenge Prüfung zu lassen. Vor allen Begunstigungen der Unterrichtsfreiheit muß der Zweck des Unterrichts, das Wohl der Staatsgesellschaft, seinen gebührenden Platz haben. Man klagt darüber, daß die Universität die Möglichkeit, Privatlehranstalten zu errichten, allzusehr beschränke, und deren Wirksamkeit allzusehr schmälere; gut, man möge diese Wirkung jener der eigentlichen Staatsgymnasien (Collèges) gleichsetzen, man möge ihre Zahl unbegränzt lassen, aber mindestens müssen alle Individuen, die eine solche Anstalt errichten wollen, sich in genauen Prüfungen als dazu berufen und hinlänglich befähigt ausweisen. Gegen diese Vorschrift, die der Minister des öffentlichen Unterrichts zu erlassen beabsichtigt, hat die gesunde Vernunft und das allgemeine Interesse sicherlich nichts einzuwenden; aber um so bitterer wird sich die Klage der schwer verletzten und gedemüthigten Unterrichtshändler erheben, denn mit dieser weisen Bedingung ist ihrem Reich auf einmal ein Ende gemacht. Belgien. Brüssel, 21 Mai. Bei der Wiedererwählung der HH. Lebeau, Rogier, Liedts und Mercier, die sich, weil sie zu Ministern ernannt worden, einer neuer Wahl unterwerfen mußten, hat sich keine ernstliche Opposition von Seite der Katholiken offenbart, obgleich sie von ihnen zunächst zu erwarten gewesen wäre. Im Ganzen ist die Stellung der Katholiken gegen das neue Cabinet einstweilen mehr beobachtend, als handelnd. Daß sich indessen bei dem größern Theil derselben in die beobachtende Haltung ein geheimes Mißtrauen mischt, liegt in der Natur der Dinge, und Freunde und Vertraute des Ministeriums tragen das Ihrige dazu bei, daß dieses Mißtrauen eher zu- als abnehme. So hat selbst der sonst so besonnene H. Devaux, der doctrinäre Patron des gegenwärtigen Cabinets, in der neuesten Nummer seiner „Revue Nationale“ einen Aufsatz geliefert, worin er seine Animosität gegen den abgetretenen Hrn. de Theux, der ihm der Repräsentant des größern Theils der Katholiken ist, bei aller Bemühung, sie hinter gemäßigten Redeformen zu verbergen, doch so wenig zu beherrschen weiß, daß er dessen mehr als fünfjähriges Ministerium, während dessen die innere Organisation Belgiens, so wie der Friedensabschluß mit Holland zu Stande gekommen, und auch in anderer Hinsicht Großes geleistet worden, eine „leere Parenthesis“ nennt, und den Kotholiken überhaupt die Aussicht eröffnet, künftig nur eine controlirende Aufsicht über die Regierung zu führen, diese selbst aber für immer in die Hände der Liberalen gegeben zu sehen. Und doch ist derselbe Hr. Devaux genöthigt anzuerkennen, daß nur dem ordnungsliebenden Geist der Katholiken die Constituirung des belgischen Staats zunächst zu verdanken ist, während die Liberalen lange Zeit jeden dahin zielenden Schritt bekämpft und erschwert haben. Ganz besonders zur Vergrößerung des Mißtrauens ist auch die Bekanntwerdung der Unterhandlungen mit der hiesigen Loge geeignet. Der „Observateur“ läugnet zwar aus allen Kräften ab, daß solche Unterhandlungen der Wiedererwählung des Hrn. Lebeau vorhergegangen; die Chefs der Loge sind aber weniger discret gewesen, als das Journal, und rühmen sich sogar, den Minister in ihrer Gewalt zu haben. Künftiges Jahr nämlich tritt die periodische neue Wahl sämmtlicher Repräsentanten der Provinz Brabant, so wie vier anderer Provinzen ein. Ist man nun in der nächsten Session mit den Ministern nicht zufrieden, so soll Hr. Lebeau dafür im Jahr 1841 büßen. Zwischen solchen Anmaßungen von der einen und solchem Mißtrauen von der andern Seite wird es den Ministern schwer seyn, dasjenige, was das Wohl des Landes und die Würde der Regierung, der es ohnehin unter einer Verfassung, wie die hiesige, gar zu leicht an Ansehen und Kraft gebricht, erfordert, zur Ausführung zu bringen. Die Ernennung des Hrn. v. Stassart zum Gouverneur von Namur ist voreilig von einigen Journalen angekündigt worden; er bemüht sich vielmehr um einen Posten in der Diplomatie, auch wird eine hohe Person dringend darum angegangen, ihm sonst eine Auszeichnung zu gewähren; doch soll von dieser Seite eine große, gar wohl begreifliche Abneigung hiegegen vorherrschen. – General Vandersmissen hat von neuem bei dem Militärgerichtshofe förmlich auf Wiederaufnahme seines Processes angetragen, ist aber mit seinem Gesuch abgewiesen worden; zugleich hat sein Advocat eine Denkschrift in Druck gegeben, zum Beweise, daß der Einwurf, er habe wegen nicht bei Zeiten geleisteten Eides seinen Generalsrang verwirkt, rechtlich durchaus unhaltbar, und die ganze Art, wie das Ministerium sich hierin gegen ihn benommen und ihm zugleich durch eine angebliche Amnestie den Weg Rechtens versperren wolle, eine schreiende Ungerechtigkeit sey. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0010" n="1210"/> erfahrenen Officiers. 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Cousin hat Gelegenheit gehabt, den Wahrnehmungen in seinem eigenen Vaterlande jene in fremden Staaten, und namentlich in Deutschland beizufügen, und wird sie zum Frommen einer Maaßregel benützen, bei welcher das Interesse der Nation und sein eigener Ruhm gleich stark betheiligt sind. Einer Hauptschwierigkeit aber auch einem Mißstande, der seiner ganzen Aufmerksamkeit würdig ist, wird er in den sogenannten kleinen Seminarien begegnen, die von einem geistlichen Kastengeiste beseelt, unter der Freiheit des Unterrichts, die sie verlangen, nichts Anderes verstehen als Sicherung und Erweiterung ihres Monopols, das sie gegen die Verfügungen und Gesetze der Universität schützt, sie in Gestalt einer wahren geistlichen Corporation bestehen lassen, und jede Concurrenz von ihnen entfernen soll. Man spricht in dem guten Lande Frankreich viel von Freiheit des Unterrichts und von Zwang der Universitätsgesetze. Aber jeder versteht das auf seine Weise, und wer da sieht, wie die Unterrichtsanstalten dahier, die sogenannten Pensionats und Institutions gleich jedem andern Handelsgeschäft, gleich jeder andern Speculation der Industrie unternommen und geführt werden, in denen der Unternehmer an seinen möglichen Geldgewinn zuerst und an seine persönliche Befähigung zu einem so hochwichtigen Amte nur zuletzt denkt, der wird begreifen, daß es heilige Pflicht der Universität ist, diese mittlern Lehranstalten nicht dem Zufalle oder was schlimmer ist, dem groben Materialismus ihrer Vorstände anheim zu stellen, sie ohne Aufsicht und strenge Prüfung zu lassen. Vor allen Begunstigungen der Unterrichtsfreiheit muß der Zweck des Unterrichts, das Wohl der Staatsgesellschaft, seinen gebührenden Platz haben. Man klagt darüber, daß die Universität die Möglichkeit, Privatlehranstalten zu errichten, allzusehr beschränke, und deren Wirksamkeit allzusehr schmälere; gut, man möge diese Wirkung jener der eigentlichen Staatsgymnasien (Collèges) gleichsetzen, man möge ihre Zahl unbegränzt lassen, aber mindestens müssen alle Individuen, die eine solche Anstalt errichten wollen, sich in genauen Prüfungen als dazu berufen und hinlänglich befähigt ausweisen. Gegen diese Vorschrift, die der Minister des öffentlichen Unterrichts zu erlassen beabsichtigt, hat die gesunde Vernunft und das allgemeine Interesse sicherlich nichts einzuwenden; aber um so bitterer wird sich die Klage der schwer verletzten und gedemüthigten Unterrichtshändler erheben, denn mit dieser weisen Bedingung ist ihrem Reich auf einmal ein Ende gemacht.</p><lb/> </div> </div> <div type="jArticle" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Belgien.</hi> </head><lb/> <div n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Brüssel,</hi> 21 Mai.</dateline> <p> Bei der Wiedererwählung der HH. Lebeau, Rogier, Liedts und Mercier, die sich, weil sie zu Ministern ernannt worden, einer neuer Wahl unterwerfen mußten, hat sich keine ernstliche Opposition von Seite der Katholiken offenbart, obgleich sie von ihnen zunächst zu erwarten gewesen wäre. Im Ganzen ist die Stellung der Katholiken gegen das neue Cabinet einstweilen mehr beobachtend, als handelnd. Daß sich indessen bei dem größern Theil derselben in die beobachtende Haltung ein geheimes Mißtrauen mischt, liegt in der Natur der Dinge, und Freunde und Vertraute des Ministeriums tragen das Ihrige dazu bei, daß dieses Mißtrauen eher zu- als abnehme. So hat selbst der sonst so besonnene H. Devaux, der doctrinäre Patron des gegenwärtigen Cabinets, in der neuesten Nummer seiner „Revue Nationale“ einen Aufsatz geliefert, worin er seine Animosität gegen den abgetretenen Hrn. de Theux, der ihm der Repräsentant des größern Theils der Katholiken ist, bei aller Bemühung, sie hinter gemäßigten Redeformen zu verbergen, doch so wenig zu beherrschen weiß, daß er dessen mehr als fünfjähriges Ministerium, während dessen die innere Organisation Belgiens, so wie der Friedensabschluß mit Holland zu Stande gekommen, und auch in anderer Hinsicht Großes geleistet worden, eine „leere Parenthesis“ nennt, und den Kotholiken überhaupt die Aussicht eröffnet, künftig nur eine controlirende Aufsicht über die Regierung zu führen, diese selbst aber für immer in die Hände der Liberalen gegeben zu sehen. Und doch ist derselbe Hr. Devaux genöthigt anzuerkennen, daß nur dem ordnungsliebenden Geist der Katholiken die Constituirung des belgischen Staats zunächst zu verdanken ist, während die Liberalen lange Zeit jeden dahin zielenden Schritt bekämpft und erschwert haben. Ganz besonders zur Vergrößerung des Mißtrauens ist auch die Bekanntwerdung der Unterhandlungen mit der hiesigen Loge geeignet. Der „Observateur“ läugnet zwar aus allen Kräften ab, daß solche Unterhandlungen der Wiedererwählung des Hrn. Lebeau vorhergegangen; die Chefs der Loge sind aber weniger discret gewesen, als das Journal, und rühmen sich sogar, den Minister in ihrer Gewalt zu haben. Künftiges Jahr nämlich tritt die periodische neue Wahl sämmtlicher Repräsentanten der Provinz Brabant, so wie vier anderer Provinzen ein. Ist man nun in der nächsten Session mit den Ministern nicht zufrieden, so soll Hr. Lebeau dafür im Jahr 1841 büßen. Zwischen solchen Anmaßungen von der einen und solchem Mißtrauen von der andern Seite wird es den Ministern schwer seyn, dasjenige, was das Wohl des Landes und die Würde der Regierung, der es ohnehin unter einer Verfassung, wie die hiesige, gar zu leicht an Ansehen und Kraft gebricht, erfordert, zur Ausführung zu bringen. Die Ernennung des Hrn. v. Stassart zum Gouverneur von Namur ist voreilig von einigen Journalen angekündigt worden; er bemüht sich vielmehr um einen Posten in der Diplomatie, auch wird eine hohe Person dringend darum angegangen, ihm sonst eine Auszeichnung zu gewähren; doch soll von dieser Seite eine große, gar wohl begreifliche Abneigung hiegegen vorherrschen. – General Vandersmissen hat von neuem bei dem Militärgerichtshofe förmlich auf Wiederaufnahme seines Processes angetragen, ist aber mit seinem Gesuch abgewiesen worden; zugleich hat sein Advocat eine Denkschrift in Druck gegeben, zum Beweise, daß der Einwurf, er habe wegen nicht bei Zeiten geleisteten Eides seinen Generalsrang verwirkt, rechtlich durchaus unhaltbar, und die ganze Art, wie das Ministerium sich hierin gegen ihn benommen und ihm zugleich durch eine angebliche Amnestie den Weg Rechtens versperren wolle, eine schreiende Ungerechtigkeit sey.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1210/0010]
erfahrenen Officiers. Man erzählt, daß er sein Pferd einem Obristen gegeben habe, welcher nach zwei Stunden mühsamen Bergsteigens vor Erschöpfung zusammengesunken war. Gewiß ist – denn ich habe es selbst gesehen – daß der junge Prinz an der Spitze einer Compagnie des 23sten Linienregiments angegriffen hat und unter den ersten war, die in eine Schanze eindrangen. Unser Verlust war beträchtlich. Wir hatten 300 Mann kampfunfähig, worunter etwa 60 Todte. Die Araber zielen gut, und ihre Schüsse waren von furchtbarer Sicherheit. Der Widerstand der Feinde war auf diesem Passe concentrirt. Von hier bis Medeah sind keine großen Schwierigkeiten mehr zu überwinden.“
_ Paris, 24 Mai. Die gestrige Verhandlung vor der Pairskammer hat den Minister des öffentlichen Unterrichts zu der feierlichen Erklärung veranlaßt, daß er in der nächsten Sitzung einen Gesetzesvorschlag über den secundären Unterricht vorlegen werde, und zwar in demselben progressiven und liberalen Geiste, der das Gesetz über den Primärunterricht vom Jahr 1833 auszeichnet. Wir sind überzeugt, daß diese Neuerung in dem versprochenen Sinne ausgeführt werden und die heilsamste Wirkung hervorbringen wird. Hr. Cousin hat Gelegenheit gehabt, den Wahrnehmungen in seinem eigenen Vaterlande jene in fremden Staaten, und namentlich in Deutschland beizufügen, und wird sie zum Frommen einer Maaßregel benützen, bei welcher das Interesse der Nation und sein eigener Ruhm gleich stark betheiligt sind. Einer Hauptschwierigkeit aber auch einem Mißstande, der seiner ganzen Aufmerksamkeit würdig ist, wird er in den sogenannten kleinen Seminarien begegnen, die von einem geistlichen Kastengeiste beseelt, unter der Freiheit des Unterrichts, die sie verlangen, nichts Anderes verstehen als Sicherung und Erweiterung ihres Monopols, das sie gegen die Verfügungen und Gesetze der Universität schützt, sie in Gestalt einer wahren geistlichen Corporation bestehen lassen, und jede Concurrenz von ihnen entfernen soll. Man spricht in dem guten Lande Frankreich viel von Freiheit des Unterrichts und von Zwang der Universitätsgesetze. Aber jeder versteht das auf seine Weise, und wer da sieht, wie die Unterrichtsanstalten dahier, die sogenannten Pensionats und Institutions gleich jedem andern Handelsgeschäft, gleich jeder andern Speculation der Industrie unternommen und geführt werden, in denen der Unternehmer an seinen möglichen Geldgewinn zuerst und an seine persönliche Befähigung zu einem so hochwichtigen Amte nur zuletzt denkt, der wird begreifen, daß es heilige Pflicht der Universität ist, diese mittlern Lehranstalten nicht dem Zufalle oder was schlimmer ist, dem groben Materialismus ihrer Vorstände anheim zu stellen, sie ohne Aufsicht und strenge Prüfung zu lassen. Vor allen Begunstigungen der Unterrichtsfreiheit muß der Zweck des Unterrichts, das Wohl der Staatsgesellschaft, seinen gebührenden Platz haben. Man klagt darüber, daß die Universität die Möglichkeit, Privatlehranstalten zu errichten, allzusehr beschränke, und deren Wirksamkeit allzusehr schmälere; gut, man möge diese Wirkung jener der eigentlichen Staatsgymnasien (Collèges) gleichsetzen, man möge ihre Zahl unbegränzt lassen, aber mindestens müssen alle Individuen, die eine solche Anstalt errichten wollen, sich in genauen Prüfungen als dazu berufen und hinlänglich befähigt ausweisen. Gegen diese Vorschrift, die der Minister des öffentlichen Unterrichts zu erlassen beabsichtigt, hat die gesunde Vernunft und das allgemeine Interesse sicherlich nichts einzuwenden; aber um so bitterer wird sich die Klage der schwer verletzten und gedemüthigten Unterrichtshändler erheben, denn mit dieser weisen Bedingung ist ihrem Reich auf einmal ein Ende gemacht.
Belgien.
_ Brüssel, 21 Mai. Bei der Wiedererwählung der HH. Lebeau, Rogier, Liedts und Mercier, die sich, weil sie zu Ministern ernannt worden, einer neuer Wahl unterwerfen mußten, hat sich keine ernstliche Opposition von Seite der Katholiken offenbart, obgleich sie von ihnen zunächst zu erwarten gewesen wäre. Im Ganzen ist die Stellung der Katholiken gegen das neue Cabinet einstweilen mehr beobachtend, als handelnd. Daß sich indessen bei dem größern Theil derselben in die beobachtende Haltung ein geheimes Mißtrauen mischt, liegt in der Natur der Dinge, und Freunde und Vertraute des Ministeriums tragen das Ihrige dazu bei, daß dieses Mißtrauen eher zu- als abnehme. So hat selbst der sonst so besonnene H. Devaux, der doctrinäre Patron des gegenwärtigen Cabinets, in der neuesten Nummer seiner „Revue Nationale“ einen Aufsatz geliefert, worin er seine Animosität gegen den abgetretenen Hrn. de Theux, der ihm der Repräsentant des größern Theils der Katholiken ist, bei aller Bemühung, sie hinter gemäßigten Redeformen zu verbergen, doch so wenig zu beherrschen weiß, daß er dessen mehr als fünfjähriges Ministerium, während dessen die innere Organisation Belgiens, so wie der Friedensabschluß mit Holland zu Stande gekommen, und auch in anderer Hinsicht Großes geleistet worden, eine „leere Parenthesis“ nennt, und den Kotholiken überhaupt die Aussicht eröffnet, künftig nur eine controlirende Aufsicht über die Regierung zu führen, diese selbst aber für immer in die Hände der Liberalen gegeben zu sehen. Und doch ist derselbe Hr. Devaux genöthigt anzuerkennen, daß nur dem ordnungsliebenden Geist der Katholiken die Constituirung des belgischen Staats zunächst zu verdanken ist, während die Liberalen lange Zeit jeden dahin zielenden Schritt bekämpft und erschwert haben. Ganz besonders zur Vergrößerung des Mißtrauens ist auch die Bekanntwerdung der Unterhandlungen mit der hiesigen Loge geeignet. Der „Observateur“ läugnet zwar aus allen Kräften ab, daß solche Unterhandlungen der Wiedererwählung des Hrn. Lebeau vorhergegangen; die Chefs der Loge sind aber weniger discret gewesen, als das Journal, und rühmen sich sogar, den Minister in ihrer Gewalt zu haben. Künftiges Jahr nämlich tritt die periodische neue Wahl sämmtlicher Repräsentanten der Provinz Brabant, so wie vier anderer Provinzen ein. Ist man nun in der nächsten Session mit den Ministern nicht zufrieden, so soll Hr. Lebeau dafür im Jahr 1841 büßen. Zwischen solchen Anmaßungen von der einen und solchem Mißtrauen von der andern Seite wird es den Ministern schwer seyn, dasjenige, was das Wohl des Landes und die Würde der Regierung, der es ohnehin unter einer Verfassung, wie die hiesige, gar zu leicht an Ansehen und Kraft gebricht, erfordert, zur Ausführung zu bringen. Die Ernennung des Hrn. v. Stassart zum Gouverneur von Namur ist voreilig von einigen Journalen angekündigt worden; er bemüht sich vielmehr um einen Posten in der Diplomatie, auch wird eine hohe Person dringend darum angegangen, ihm sonst eine Auszeichnung zu gewähren; doch soll von dieser Seite eine große, gar wohl begreifliche Abneigung hiegegen vorherrschen. – General Vandersmissen hat von neuem bei dem Militärgerichtshofe förmlich auf Wiederaufnahme seines Processes angetragen, ist aber mit seinem Gesuch abgewiesen worden; zugleich hat sein Advocat eine Denkschrift in Druck gegeben, zum Beweise, daß der Einwurf, er habe wegen nicht bei Zeiten geleisteten Eides seinen Generalsrang verwirkt, rechtlich durchaus unhaltbar, und die ganze Art, wie das Ministerium sich hierin gegen ihn benommen und ihm zugleich durch eine angebliche Amnestie den Weg Rechtens versperren wolle, eine schreiende Ungerechtigkeit sey.
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
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