Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 153. Augsburg, 1. Juni 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

und dem glänzenden Absolutismus opfern will. Sehr wahr und treffend hat Hr. v. Lamartine vor jener schrankenlosen Verzückung gewarnt, die da dem Volke den Wahn geben könnte, daß alle Tyrannei und Verhöhnung des Gesetzes und der Volksrechte durch glänzende Waffenthaten und das Genie eines ruhmgekrönten Eroberers geheiligt werden. Diese Sprache geziemte denen, die sich als die wirklichen Vertreter der Julius-Revolution betrachten; desto schlimmer für sie, wenn sie dieselbe einem Manne überließen, dessen Anhänglichkeit an jene Revolution zuweilen verdächtig erscheint. Was Frankreich thun sollte, thun mußte, was dem Ministerium zur Ehre gereicht, ist bewilligt: die Heimbringung der Asche Napoleons und seine feierliche Bestattung; nur das Ueberflüssige ist verweigert. Wir können nur billigen, daß man von weitern Monumenten nach Art der Bourbonischen Verherrlichung von Ludwig dem Dreizehnten und Vierzehnten und Heinrich dem Vierten nichts hat hören wollen. Wie, St. Denis, das alte Königsgrab ist zu wenig für den Kaiser, und ihr wollt ihm ein Denkmal errichten wie jenes des "Reiters" auf dem Platz des Victoires? Der unterstrichene Ausdruck voll bittern Spottes auf den nackten Ludwig XIV in der Allongeperücke schilderte vortrefflich die maßlose Ungereimtheit eines Vorschlags der meint, nicht genug thun zu können, und in unlogischer Steigerung seinen Helden erniedrigt statt ihn zu erhöhen. In den heutigen Aeußerungen der dem Ministerium befreundeten Blätter herrscht unverkennbar die Sprache der verletzten Eigenliebe; es hat Unrecht, wenn es meint, daß die gestrige Verhandlung und Abstimmung der Kammer Frankreich dem Gelächter von Europa preis gebe. Wir glauben im Gegentheil, daß diese Sitzung auf Europa einen vielleicht unerwarteten aber wohlthätigen Eindruck hervorbringen und manches Vorurtheil berichtigen wird. Man erzeigt Frankreich selten die Ehre, es für eben so vernünftig und ruhig urtheilend als freiheitsliebend und nach militärischem Ruhme geizend zu betrachten; was man in ihm stets als fortdauernd überwiegendes Lebenselement verdächtigt, ist gerade der Sinn für die kriegerische Größe und die militärische Gewaltherrschaft. Ich habe bei einer frühern Gelegenheit, dem Streite über die Rheingränze, behauptet, daß es in Frankreich mehr billige und gerechte Politiker, auch dem Auslande gegenüber gebe, als man in Deutschland in der Regel anerkennen will; einer Ihrer Kämpen in diesem Streite hat meine Aeußerung mit ungläubiger Ironie aufgenommen. Was gestern in der Kammer der Abgeordneten vorgekommen, dürfte vielleicht als ein Argument meiner Behauptung gelten.

Niederlande.

Die Verbalprocesse der Abtheilungen der Generalstaaten über die Verantwortlichkeit der Minister sind gedruckt und vertheilt worden; man hat an der Abfassung des Gesetzesentwurfs manches zu tadeln gefunden; da man aber mit der Hauptsache einverstanden ist, so werden solche Nebendinge keinen Streit von Bedeutung veranlassen. Auch wurden die Antworten der Regierung auf die Bedenken der Kammer in Betreff der Angelegenheiten des Syndicats denselben zugeschlossen; es geht daraus bloß hervor, daß die Regierung mehr und mehr detailweise in die völlige Oeffentlichkeit des Finanzwesens hineingezogen wird. - Die zu Gröningen verhafteten Personen wurden noch an demselben Tag wieder in Freiheit gesetzt, der Buchdrucker Bolt kurz darauf aber wieder gefänglich eingezogen, und das neue Tagblatt "de Tolk der Vryheid" erscheint nun vorerst nicht mehr. - In Amsterdam ist die Nachricht eingegangen, daß die Handelsunterhandlungen Hollands mit Frankreich abgebrochen wurden. Letzteres wollte die Forderung Hollands, die Rheinprovinzen Frankreichs von dem Rheine her mit Colonialwaaren zu versehen, in keiner Weise zugeben. Bekanntlich haben die französischen Seehäfen in dieser Beziehung ein Monopol, und Elsaß muß alle derartigen transatlantischen Waaren über Havre oder Marseille beziehen.

Italien.

JJ. MM. der König und die Königin sind gestern Abend im besten Wohlseyn von Palermo und Messina hier eingetroffen. Um nicht aus der Uebung zu kommen, ließ der König heute sogleich die ganze Garnison aufs Marsfeld rücken, um zu manöuvriren. - Heute früh legte das den Admiral Stopford führende englische Admiralsschiff Princeß Charlotte von 130 Kanonen nebst einem andern Linienschiff und einer Fregatte auf hiesiger Rhede vor Anker, so daß nun eine recht stattliche Seemacht vor unsrer Stadt vereinigt ist, was einen überaus schönen Anblick gewährt. Die Schiffe beider Nationen werden von zahlreichen Neugierigen, meistens Fremden, besucht, die sich in großer Anzahl hier befinden, unter andern der junge Fürst von der Lippe. - Ueber die Verhandlungen in Paris hat hier noch nichts Näheres verlautet, man ist aber allgemein überzeugt, daß diese Angelegenheit dort beigelegt werden wird. Die Zurückgabe der gekaperten neapolitanischen Schiffe in Malta hat sich jedoch nicht bestätigt, nur eines davon, welches lauter französisches Eigenthum an Bord hatte, wurde freigegeben. Die andern werden bis zur Entscheidung daselbst zurückgehalten.

Deutschland.

Ihre Maj. die verwittwete Königin hat heute ihr Landhaus in Biederstein bezogen, wo diesen Abend I. H. die Prinzessin Marie von Darmstadt zum Besuche erwartet wird.

Ihre Hoh. die Prinzessin Marie von Hessen und bei Rhein, begleitet von der Freifrau v. Grancy, der Gräfin von Sandizell und dem Major Baron v. Trotha, sind nebst ihrem Gefolge gestern Abend 1/2 7. Uhr dahier eingetroffen, im Gasthofe zu den drei Mohren abgestiegen, und setzten heute früh nach 7 Uhr die Reise nach Schloß Biederstein bei München fort.

Unser Landtag wird sich noch weit hinaus in die Länge ziehen; man will berechnen, daß vor Eintritt Septembers die parlamentarischen Geschäfte keinenfalls aufgearbeitet seyn würden. Möglich, daß im Laufe des Sommers auch wieder eine Vertagung einträte. Was den Entwurf des Strafgesetzbuches betrifft, so ist demselben in der ersten Kammer eine Opposition vorbehalten, welche mancherlei Abänderungen nach sich ziehen, vielleicht das Zustandekommen des Gesetzbuches überhaupt in Frage stellen dürfte. Eine stehende Opposition von wissenschaftlichem Standpunkt aus ist bekanntlich auch in den Verhandlungen der zweiten Kammer von dem Abgeordneten Christ durchgeführt worden. - Die Errichtung der Rheinbrücke bei Knielingen, welche in einigen Monaten vollendet seyn wird, hat die Idee zu einem Unternehmen eingegeben, das, ohne verhältnißmäßig kostspielig zu seyn, sehr folgenreich zu werden verspricht. Man hat nämlich den Plan gefaßt, vermittelst einer Actiengesellschaft von Karlsruhe aus nach jenem Punkt eine Eisenbahn zu führen. Die Entfernung beträgt bloß 1 1/2 Wegstunden. Kommt der Plan zur Ausführung, so ist Leopoldshafen so ziemlich antiquirt, und Karlsruhe selbst wird so zu sagen zu einem Rheinhafen. - In Bezug auf die große badische Eisenbahn, die langbesprochene, von Mannheim bis Basel projectirte, auf vier Wegstunden hin im Bau begriffene, wird jetzt neuerdings versichert, daß die Aufrechthaltung

und dem glänzenden Absolutismus opfern will. Sehr wahr und treffend hat Hr. v. Lamartine vor jener schrankenlosen Verzückung gewarnt, die da dem Volke den Wahn geben könnte, daß alle Tyrannei und Verhöhnung des Gesetzes und der Volksrechte durch glänzende Waffenthaten und das Genie eines ruhmgekrönten Eroberers geheiligt werden. Diese Sprache geziemte denen, die sich als die wirklichen Vertreter der Julius-Revolution betrachten; desto schlimmer für sie, wenn sie dieselbe einem Manne überließen, dessen Anhänglichkeit an jene Revolution zuweilen verdächtig erscheint. Was Frankreich thun sollte, thun mußte, was dem Ministerium zur Ehre gereicht, ist bewilligt: die Heimbringung der Asche Napoleons und seine feierliche Bestattung; nur das Ueberflüssige ist verweigert. Wir können nur billigen, daß man von weitern Monumenten nach Art der Bourbonischen Verherrlichung von Ludwig dem Dreizehnten und Vierzehnten und Heinrich dem Vierten nichts hat hören wollen. Wie, St. Denis, das alte Königsgrab ist zu wenig für den Kaiser, und ihr wollt ihm ein Denkmal errichten wie jenes des „Reiters“ auf dem Platz des Victoires? Der unterstrichene Ausdruck voll bittern Spottes auf den nackten Ludwig XIV in der Allongeperücke schilderte vortrefflich die maßlose Ungereimtheit eines Vorschlags der meint, nicht genug thun zu können, und in unlogischer Steigerung seinen Helden erniedrigt statt ihn zu erhöhen. In den heutigen Aeußerungen der dem Ministerium befreundeten Blätter herrscht unverkennbar die Sprache der verletzten Eigenliebe; es hat Unrecht, wenn es meint, daß die gestrige Verhandlung und Abstimmung der Kammer Frankreich dem Gelächter von Europa preis gebe. Wir glauben im Gegentheil, daß diese Sitzung auf Europa einen vielleicht unerwarteten aber wohlthätigen Eindruck hervorbringen und manches Vorurtheil berichtigen wird. Man erzeigt Frankreich selten die Ehre, es für eben so vernünftig und ruhig urtheilend als freiheitsliebend und nach militärischem Ruhme geizend zu betrachten; was man in ihm stets als fortdauernd überwiegendes Lebenselement verdächtigt, ist gerade der Sinn für die kriegerische Größe und die militärische Gewaltherrschaft. Ich habe bei einer frühern Gelegenheit, dem Streite über die Rheingränze, behauptet, daß es in Frankreich mehr billige und gerechte Politiker, auch dem Auslande gegenüber gebe, als man in Deutschland in der Regel anerkennen will; einer Ihrer Kämpen in diesem Streite hat meine Aeußerung mit ungläubiger Ironie aufgenommen. Was gestern in der Kammer der Abgeordneten vorgekommen, dürfte vielleicht als ein Argument meiner Behauptung gelten.

Niederlande.

Die Verbalprocesse der Abtheilungen der Generalstaaten über die Verantwortlichkeit der Minister sind gedruckt und vertheilt worden; man hat an der Abfassung des Gesetzesentwurfs manches zu tadeln gefunden; da man aber mit der Hauptsache einverstanden ist, so werden solche Nebendinge keinen Streit von Bedeutung veranlassen. Auch wurden die Antworten der Regierung auf die Bedenken der Kammer in Betreff der Angelegenheiten des Syndicats denselben zugeschlossen; es geht daraus bloß hervor, daß die Regierung mehr und mehr detailweise in die völlige Oeffentlichkeit des Finanzwesens hineingezogen wird. – Die zu Gröningen verhafteten Personen wurden noch an demselben Tag wieder in Freiheit gesetzt, der Buchdrucker Bolt kurz darauf aber wieder gefänglich eingezogen, und das neue Tagblatt „de Tolk der Vryheid“ erscheint nun vorerst nicht mehr. – In Amsterdam ist die Nachricht eingegangen, daß die Handelsunterhandlungen Hollands mit Frankreich abgebrochen wurden. Letzteres wollte die Forderung Hollands, die Rheinprovinzen Frankreichs von dem Rheine her mit Colonialwaaren zu versehen, in keiner Weise zugeben. Bekanntlich haben die französischen Seehäfen in dieser Beziehung ein Monopol, und Elsaß muß alle derartigen transatlantischen Waaren über Havre oder Marseille beziehen.

Italien.

JJ. MM. der König und die Königin sind gestern Abend im besten Wohlseyn von Palermo und Messina hier eingetroffen. Um nicht aus der Uebung zu kommen, ließ der König heute sogleich die ganze Garnison aufs Marsfeld rücken, um zu manöuvriren. – Heute früh legte das den Admiral Stopford führende englische Admiralsschiff Princeß Charlotte von 130 Kanonen nebst einem andern Linienschiff und einer Fregatte auf hiesiger Rhede vor Anker, so daß nun eine recht stattliche Seemacht vor unsrer Stadt vereinigt ist, was einen überaus schönen Anblick gewährt. Die Schiffe beider Nationen werden von zahlreichen Neugierigen, meistens Fremden, besucht, die sich in großer Anzahl hier befinden, unter andern der junge Fürst von der Lippe. – Ueber die Verhandlungen in Paris hat hier noch nichts Näheres verlautet, man ist aber allgemein überzeugt, daß diese Angelegenheit dort beigelegt werden wird. Die Zurückgabe der gekaperten neapolitanischen Schiffe in Malta hat sich jedoch nicht bestätigt, nur eines davon, welches lauter französisches Eigenthum an Bord hatte, wurde freigegeben. Die andern werden bis zur Entscheidung daselbst zurückgehalten.

Deutschland.

Ihre Maj. die verwittwete Königin hat heute ihr Landhaus in Biederstein bezogen, wo diesen Abend I. H. die Prinzessin Marie von Darmstadt zum Besuche erwartet wird.

Ihre Hoh. die Prinzessin Marie von Hessen und bei Rhein, begleitet von der Freifrau v. Grancy, der Gräfin von Sandizell und dem Major Baron v. Trotha, sind nebst ihrem Gefolge gestern Abend 1/2 7. Uhr dahier eingetroffen, im Gasthofe zu den drei Mohren abgestiegen, und setzten heute früh nach 7 Uhr die Reise nach Schloß Biederstein bei München fort.

Unser Landtag wird sich noch weit hinaus in die Länge ziehen; man will berechnen, daß vor Eintritt Septembers die parlamentarischen Geschäfte keinenfalls aufgearbeitet seyn würden. Möglich, daß im Laufe des Sommers auch wieder eine Vertagung einträte. Was den Entwurf des Strafgesetzbuches betrifft, so ist demselben in der ersten Kammer eine Opposition vorbehalten, welche mancherlei Abänderungen nach sich ziehen, vielleicht das Zustandekommen des Gesetzbuches überhaupt in Frage stellen dürfte. Eine stehende Opposition von wissenschaftlichem Standpunkt aus ist bekanntlich auch in den Verhandlungen der zweiten Kammer von dem Abgeordneten Christ durchgeführt worden. – Die Errichtung der Rheinbrücke bei Knielingen, welche in einigen Monaten vollendet seyn wird, hat die Idee zu einem Unternehmen eingegeben, das, ohne verhältnißmäßig kostspielig zu seyn, sehr folgenreich zu werden verspricht. Man hat nämlich den Plan gefaßt, vermittelst einer Actiengesellschaft von Karlsruhe aus nach jenem Punkt eine Eisenbahn zu führen. Die Entfernung beträgt bloß 1 1/2 Wegstunden. Kommt der Plan zur Ausführung, so ist Leopoldshafen so ziemlich antiquirt, und Karlsruhe selbst wird so zu sagen zu einem Rheinhafen. – In Bezug auf die große badische Eisenbahn, die langbesprochene, von Mannheim bis Basel projectirte, auf vier Wegstunden hin im Bau begriffene, wird jetzt neuerdings versichert, daß die Aufrechthaltung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0005" n="1221"/>
und dem glänzenden Absolutismus opfern will. Sehr wahr und treffend hat Hr. v. Lamartine vor jener schrankenlosen Verzückung gewarnt, die da dem Volke den Wahn geben könnte, daß alle Tyrannei und Verhöhnung des Gesetzes und der Volksrechte durch glänzende Waffenthaten und das Genie eines ruhmgekrönten Eroberers geheiligt werden. Diese Sprache geziemte denen, die sich als die wirklichen Vertreter der Julius-Revolution betrachten; desto schlimmer für sie, wenn sie dieselbe einem Manne überließen, dessen Anhänglichkeit an jene Revolution zuweilen verdächtig erscheint. Was Frankreich thun sollte, thun mußte, was dem Ministerium zur Ehre gereicht, ist bewilligt: die Heimbringung der Asche Napoleons und seine feierliche Bestattung; nur das Ueberflüssige ist verweigert. Wir können nur billigen, daß man von weitern Monumenten nach Art der Bourbonischen Verherrlichung von Ludwig dem Dreizehnten und Vierzehnten und Heinrich dem Vierten nichts hat hören wollen. Wie, St. Denis, das alte Königsgrab ist zu wenig für den Kaiser, und ihr wollt ihm ein Denkmal errichten wie jenes des &#x201E;<hi rendition="#g">Reiters</hi>&#x201C; auf dem Platz des Victoires? Der unterstrichene Ausdruck voll bittern Spottes auf den nackten Ludwig XIV in der Allongeperücke schilderte vortrefflich die maßlose Ungereimtheit eines Vorschlags der meint, nicht genug thun zu können, und in unlogischer Steigerung seinen Helden erniedrigt statt ihn zu erhöhen. In den heutigen Aeußerungen der dem Ministerium befreundeten Blätter herrscht unverkennbar die Sprache der verletzten Eigenliebe; es hat Unrecht, wenn es meint, daß die gestrige Verhandlung und Abstimmung der Kammer Frankreich dem Gelächter von Europa preis gebe. Wir glauben im Gegentheil, daß diese Sitzung auf Europa einen vielleicht unerwarteten aber wohlthätigen Eindruck hervorbringen und manches Vorurtheil berichtigen wird. Man erzeigt Frankreich selten die Ehre, es für eben so vernünftig und ruhig urtheilend als freiheitsliebend und nach militärischem Ruhme geizend zu betrachten; was man in ihm stets als fortdauernd überwiegendes Lebenselement verdächtigt, ist gerade der Sinn für die kriegerische Größe und die militärische Gewaltherrschaft. Ich habe bei einer frühern Gelegenheit, dem Streite über die Rheingränze, behauptet, daß es in Frankreich mehr billige und gerechte Politiker, auch dem Auslande gegenüber gebe, als man in Deutschland in der Regel anerkennen will; einer Ihrer Kämpen in diesem Streite hat meine Aeußerung mit ungläubiger Ironie aufgenommen. Was gestern in der Kammer der Abgeordneten vorgekommen, dürfte vielleicht als ein Argument meiner Behauptung gelten.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Niederlande.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Vom Niederrhein,</hi> 26 Mai.</dateline>
          <p> Die Verbalprocesse der Abtheilungen der Generalstaaten über die Verantwortlichkeit der Minister sind gedruckt und vertheilt worden; man hat an der Abfassung des Gesetzesentwurfs manches zu tadeln gefunden; da man aber mit der Hauptsache einverstanden ist, so werden solche Nebendinge keinen Streit von Bedeutung veranlassen. Auch wurden die Antworten der Regierung auf die Bedenken der Kammer in Betreff der Angelegenheiten des Syndicats denselben zugeschlossen; es geht daraus bloß hervor, daß die Regierung mehr und mehr detailweise in die völlige Oeffentlichkeit des Finanzwesens hineingezogen wird. &#x2013; Die zu Gröningen verhafteten Personen wurden noch an demselben Tag wieder in Freiheit gesetzt, der Buchdrucker Bolt kurz darauf aber wieder gefänglich eingezogen, und das neue Tagblatt &#x201E;de Tolk der Vryheid&#x201C; erscheint nun vorerst nicht mehr. &#x2013; In Amsterdam ist die Nachricht eingegangen, daß die <hi rendition="#g">Handelsunterhandlungen Hollands mit Frankreich abgebrochen wurden</hi>. Letzteres wollte die Forderung Hollands, die Rheinprovinzen Frankreichs von dem Rheine her mit Colonialwaaren zu versehen, in keiner Weise zugeben. Bekanntlich haben die französischen Seehäfen in dieser Beziehung ein Monopol, und Elsaß muß alle derartigen transatlantischen Waaren über Havre oder Marseille beziehen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Italien.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Neapel,</hi> 21 Mai.</dateline>
          <p> JJ. MM. der König und die Königin sind gestern Abend im besten Wohlseyn von Palermo und Messina hier eingetroffen. Um nicht aus der Uebung zu kommen, ließ der König heute sogleich die ganze Garnison aufs Marsfeld rücken, um zu manöuvriren. &#x2013; Heute früh legte das den Admiral Stopford führende englische Admiralsschiff Princeß Charlotte von 130 Kanonen nebst einem andern Linienschiff und einer Fregatte auf hiesiger Rhede vor Anker, so daß nun eine recht stattliche Seemacht vor unsrer Stadt vereinigt ist, was einen überaus schönen Anblick gewährt. Die Schiffe beider Nationen werden von zahlreichen Neugierigen, meistens Fremden, besucht, die sich in großer Anzahl hier befinden, unter andern der junge Fürst von der Lippe. &#x2013; Ueber die Verhandlungen in Paris hat hier noch nichts Näheres verlautet, man ist aber allgemein überzeugt, daß diese Angelegenheit dort beigelegt werden wird. Die Zurückgabe der gekaperten neapolitanischen Schiffe in Malta hat sich jedoch nicht bestätigt, nur eines davon, welches lauter französisches Eigenthum an Bord hatte, wurde freigegeben. Die andern werden bis zur Entscheidung daselbst zurückgehalten.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Deutschland.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">München,</hi> 30 Mai.</dateline>
          <p> Ihre Maj. die verwittwete Königin hat heute ihr Landhaus in Biederstein bezogen, wo diesen Abend I. H. die Prinzessin Marie von Darmstadt zum Besuche erwartet wird.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Augsburg,</hi> 31 Mai.</dateline>
          <p> Ihre Hoh. die Prinzessin Marie von Hessen und bei Rhein, begleitet von der Freifrau v. Grancy, der Gräfin von Sandizell und dem Major Baron v. Trotha, sind nebst ihrem Gefolge gestern Abend 1/2 7. Uhr dahier eingetroffen, im Gasthofe zu den drei Mohren abgestiegen, und setzten heute früh nach 7 Uhr die Reise nach Schloß Biederstein bei München fort.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Karlsruhe,</hi> 28 Mai.</dateline>
          <p> Unser Landtag wird sich noch weit hinaus in die Länge ziehen; man will berechnen, daß vor Eintritt Septembers die parlamentarischen Geschäfte keinenfalls aufgearbeitet seyn würden. Möglich, daß im Laufe des Sommers auch wieder eine Vertagung einträte. Was den Entwurf des Strafgesetzbuches betrifft, so ist demselben in der ersten Kammer eine Opposition vorbehalten, welche mancherlei Abänderungen nach sich ziehen, vielleicht das Zustandekommen des Gesetzbuches überhaupt in Frage stellen dürfte. Eine stehende Opposition von wissenschaftlichem Standpunkt aus ist bekanntlich auch in den Verhandlungen der zweiten Kammer von dem Abgeordneten Christ durchgeführt worden. &#x2013; Die Errichtung der Rheinbrücke bei Knielingen, welche in einigen Monaten vollendet seyn wird, hat die Idee zu einem Unternehmen eingegeben, das, ohne verhältnißmäßig kostspielig zu seyn, sehr folgenreich zu werden verspricht. Man hat nämlich den Plan gefaßt, vermittelst einer Actiengesellschaft von Karlsruhe aus nach jenem Punkt eine Eisenbahn zu führen. Die Entfernung beträgt bloß 1 1/2 Wegstunden. Kommt der Plan zur Ausführung, so ist Leopoldshafen so ziemlich antiquirt, und Karlsruhe selbst wird so zu sagen zu einem Rheinhafen. &#x2013; In Bezug auf die große badische Eisenbahn, die langbesprochene, von Mannheim bis Basel projectirte, auf vier Wegstunden hin im Bau begriffene, wird jetzt neuerdings versichert, daß die Aufrechthaltung<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1221/0005] und dem glänzenden Absolutismus opfern will. Sehr wahr und treffend hat Hr. v. Lamartine vor jener schrankenlosen Verzückung gewarnt, die da dem Volke den Wahn geben könnte, daß alle Tyrannei und Verhöhnung des Gesetzes und der Volksrechte durch glänzende Waffenthaten und das Genie eines ruhmgekrönten Eroberers geheiligt werden. Diese Sprache geziemte denen, die sich als die wirklichen Vertreter der Julius-Revolution betrachten; desto schlimmer für sie, wenn sie dieselbe einem Manne überließen, dessen Anhänglichkeit an jene Revolution zuweilen verdächtig erscheint. Was Frankreich thun sollte, thun mußte, was dem Ministerium zur Ehre gereicht, ist bewilligt: die Heimbringung der Asche Napoleons und seine feierliche Bestattung; nur das Ueberflüssige ist verweigert. Wir können nur billigen, daß man von weitern Monumenten nach Art der Bourbonischen Verherrlichung von Ludwig dem Dreizehnten und Vierzehnten und Heinrich dem Vierten nichts hat hören wollen. Wie, St. Denis, das alte Königsgrab ist zu wenig für den Kaiser, und ihr wollt ihm ein Denkmal errichten wie jenes des „Reiters“ auf dem Platz des Victoires? Der unterstrichene Ausdruck voll bittern Spottes auf den nackten Ludwig XIV in der Allongeperücke schilderte vortrefflich die maßlose Ungereimtheit eines Vorschlags der meint, nicht genug thun zu können, und in unlogischer Steigerung seinen Helden erniedrigt statt ihn zu erhöhen. In den heutigen Aeußerungen der dem Ministerium befreundeten Blätter herrscht unverkennbar die Sprache der verletzten Eigenliebe; es hat Unrecht, wenn es meint, daß die gestrige Verhandlung und Abstimmung der Kammer Frankreich dem Gelächter von Europa preis gebe. Wir glauben im Gegentheil, daß diese Sitzung auf Europa einen vielleicht unerwarteten aber wohlthätigen Eindruck hervorbringen und manches Vorurtheil berichtigen wird. Man erzeigt Frankreich selten die Ehre, es für eben so vernünftig und ruhig urtheilend als freiheitsliebend und nach militärischem Ruhme geizend zu betrachten; was man in ihm stets als fortdauernd überwiegendes Lebenselement verdächtigt, ist gerade der Sinn für die kriegerische Größe und die militärische Gewaltherrschaft. Ich habe bei einer frühern Gelegenheit, dem Streite über die Rheingränze, behauptet, daß es in Frankreich mehr billige und gerechte Politiker, auch dem Auslande gegenüber gebe, als man in Deutschland in der Regel anerkennen will; einer Ihrer Kämpen in diesem Streite hat meine Aeußerung mit ungläubiger Ironie aufgenommen. Was gestern in der Kammer der Abgeordneten vorgekommen, dürfte vielleicht als ein Argument meiner Behauptung gelten. Niederlande. _ Vom Niederrhein, 26 Mai. Die Verbalprocesse der Abtheilungen der Generalstaaten über die Verantwortlichkeit der Minister sind gedruckt und vertheilt worden; man hat an der Abfassung des Gesetzesentwurfs manches zu tadeln gefunden; da man aber mit der Hauptsache einverstanden ist, so werden solche Nebendinge keinen Streit von Bedeutung veranlassen. Auch wurden die Antworten der Regierung auf die Bedenken der Kammer in Betreff der Angelegenheiten des Syndicats denselben zugeschlossen; es geht daraus bloß hervor, daß die Regierung mehr und mehr detailweise in die völlige Oeffentlichkeit des Finanzwesens hineingezogen wird. – Die zu Gröningen verhafteten Personen wurden noch an demselben Tag wieder in Freiheit gesetzt, der Buchdrucker Bolt kurz darauf aber wieder gefänglich eingezogen, und das neue Tagblatt „de Tolk der Vryheid“ erscheint nun vorerst nicht mehr. – In Amsterdam ist die Nachricht eingegangen, daß die Handelsunterhandlungen Hollands mit Frankreich abgebrochen wurden. Letzteres wollte die Forderung Hollands, die Rheinprovinzen Frankreichs von dem Rheine her mit Colonialwaaren zu versehen, in keiner Weise zugeben. Bekanntlich haben die französischen Seehäfen in dieser Beziehung ein Monopol, und Elsaß muß alle derartigen transatlantischen Waaren über Havre oder Marseille beziehen. Italien. _ Neapel, 21 Mai. JJ. MM. der König und die Königin sind gestern Abend im besten Wohlseyn von Palermo und Messina hier eingetroffen. Um nicht aus der Uebung zu kommen, ließ der König heute sogleich die ganze Garnison aufs Marsfeld rücken, um zu manöuvriren. – Heute früh legte das den Admiral Stopford führende englische Admiralsschiff Princeß Charlotte von 130 Kanonen nebst einem andern Linienschiff und einer Fregatte auf hiesiger Rhede vor Anker, so daß nun eine recht stattliche Seemacht vor unsrer Stadt vereinigt ist, was einen überaus schönen Anblick gewährt. Die Schiffe beider Nationen werden von zahlreichen Neugierigen, meistens Fremden, besucht, die sich in großer Anzahl hier befinden, unter andern der junge Fürst von der Lippe. – Ueber die Verhandlungen in Paris hat hier noch nichts Näheres verlautet, man ist aber allgemein überzeugt, daß diese Angelegenheit dort beigelegt werden wird. Die Zurückgabe der gekaperten neapolitanischen Schiffe in Malta hat sich jedoch nicht bestätigt, nur eines davon, welches lauter französisches Eigenthum an Bord hatte, wurde freigegeben. Die andern werden bis zur Entscheidung daselbst zurückgehalten. Deutschland. _ München, 30 Mai. Ihre Maj. die verwittwete Königin hat heute ihr Landhaus in Biederstein bezogen, wo diesen Abend I. H. die Prinzessin Marie von Darmstadt zum Besuche erwartet wird. _ Augsburg, 31 Mai. Ihre Hoh. die Prinzessin Marie von Hessen und bei Rhein, begleitet von der Freifrau v. Grancy, der Gräfin von Sandizell und dem Major Baron v. Trotha, sind nebst ihrem Gefolge gestern Abend 1/2 7. Uhr dahier eingetroffen, im Gasthofe zu den drei Mohren abgestiegen, und setzten heute früh nach 7 Uhr die Reise nach Schloß Biederstein bei München fort. _ Karlsruhe, 28 Mai. Unser Landtag wird sich noch weit hinaus in die Länge ziehen; man will berechnen, daß vor Eintritt Septembers die parlamentarischen Geschäfte keinenfalls aufgearbeitet seyn würden. Möglich, daß im Laufe des Sommers auch wieder eine Vertagung einträte. Was den Entwurf des Strafgesetzbuches betrifft, so ist demselben in der ersten Kammer eine Opposition vorbehalten, welche mancherlei Abänderungen nach sich ziehen, vielleicht das Zustandekommen des Gesetzbuches überhaupt in Frage stellen dürfte. Eine stehende Opposition von wissenschaftlichem Standpunkt aus ist bekanntlich auch in den Verhandlungen der zweiten Kammer von dem Abgeordneten Christ durchgeführt worden. – Die Errichtung der Rheinbrücke bei Knielingen, welche in einigen Monaten vollendet seyn wird, hat die Idee zu einem Unternehmen eingegeben, das, ohne verhältnißmäßig kostspielig zu seyn, sehr folgenreich zu werden verspricht. Man hat nämlich den Plan gefaßt, vermittelst einer Actiengesellschaft von Karlsruhe aus nach jenem Punkt eine Eisenbahn zu führen. Die Entfernung beträgt bloß 1 1/2 Wegstunden. Kommt der Plan zur Ausführung, so ist Leopoldshafen so ziemlich antiquirt, und Karlsruhe selbst wird so zu sagen zu einem Rheinhafen. – In Bezug auf die große badische Eisenbahn, die langbesprochene, von Mannheim bis Basel projectirte, auf vier Wegstunden hin im Bau begriffene, wird jetzt neuerdings versichert, daß die Aufrechthaltung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_153_18400601
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_153_18400601/5
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 153. Augsburg, 1. Juni 1840, S. 1221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_153_18400601/5>, abgerufen am 21.11.2024.