Allgemeine Zeitung. Nr. 153. Augsburg, 1. Juni 1840.ist für das Amendement. (Bewegung.) Die HH. Arago, Barrot, Laffitte, Garnier-Pages, Dupin, L'Herbette, Berryer und die ganze Rechte erhoben sich für dasselbe. Der Art. 3. "Eine Reiterstatue des Kaisers Napoleon soll auf einem der öffentlichen Plätze von Paris errichtet werden," wird verworfen. Die Kammer geht zur Abstimmung über den Gesetzesentwurf über und nimmt denselben, amendirt wie er ist, mit 280 gegen 65 Stimmen an. Alle Journale, mit Ausnahme des Journal des Debats und der legitimistischen Blätter, tadeln das Votum der Kammer über das Amendement des Hrn. Deslongrais. Der Temps sagt: "Das Land wird gegen dieses Votum ohne Ehre und ohne Muth protestiren; es wird protestiren, entweder durch eine Subscription, wenn dieß nöthig ist, oder durch alle Stimmen der öffentlichen Meinung. Es ist nicht für seine Freiheit in Sorgen, und es will nicht, daß man seinen Ruhm schmälere." Der Courrier francais fügt bei, daß diese Entscheidung traurige Folgen haben werde, und sagt, nachdem er der Kammer über ihr Votum lebhafte Vorwürfe gemacht, zum Schlusse, "daß die Regierung sich täusche, wenn sie auf der Beibehaltung einer Kammer beharre, die nur persönliche Leidenschaften und örtliche Interessen kenne. Dieses Votum beweise besser als alle Raisonnements die Nothwendigkeit einer Auflösung." Der Moniteur sagt: "Die Bedeutung des heutigen Votums über das Amendement des Hrn. Deslongrais kann wohl keinem Zweifel unterliegen. Man darf nicht annehmen, daß die Kammer durch ihr Zurückkommen auf den ursprünglichen Entwurf der Regierung die einem glorreichen Andenken zu erweisenden Huldigungen auf allzu kleine Verhältnisse habe reduciren wollen; die imposante Majorität, welche dem Gesetze den Sieg verschaffte, beweist im Gegentheil, wie sehr sich die Kammer dem großen Nationalact, der uns die Reste des Kaisers zurückbringen soll, beigesellt." (Presse.) Hr. Boudet hat heute (26) Abends seine Entlassung als Generalsecretär des Justizministeriums in Folge eines Streits mit dem Conseilpräsidenten in der Kammer gegeben. Dieser Streit hatte sich nämlich durch eine noch heftigere Antwort, welche Hr. Boudet dem Hrn. Thiers gegeben, geendigt, der ihm auf herbe Weise zum Vorwurf gemacht hatte, daß er für das Amendement Deslongrais gestimmt hätte. Der Justizminister hat den Bericht über die Ausübung der Strafrechtspflege im Jahre 1838 erstattet. Vor die Geschwornengerichte kamen 5844 Criminalprocesse, welche 8014 Personen, darunter 1460 Weiber, betrafen. Es wurden 44 Todesurtheile gefällt; von sämmtlichen Strafen sind 22 Proc. infamirend. Die Freisprechungen betrugen bei Vergehen gegen die Person 44, bei solchen gegen das Eigenthum 33 Proc. Wegen Diebstahls kamen 5325 Anklagen vor; der Werth des gestohlenen Eigenthums war 1,164,045 Franken. Preßvergehen kamen 20, politische 35 vor, von den 78 Angeklagten in beiden Rubriken wurden 59 freigesprochen. Von den Pariser Blättern wurden im Jahr 1838 bloß 5 gerichtlich verfolgt. Vor das Zuchtpolizeigericht kamen 144,417 Fälle, mit 192,254 Angeklagten, darunter 37,870 Weiber. Von 518 aus dem Bagno entlassenen Strafgefangenen wurden 10 Proc., von 5767 aus den Strafgefängnissen entlassenen 13 Proc. wegen Vergehen, die sie in den ersten Monaten nach ihrer Freilassung begingen, angeklagt. Begnadigt wurden von den Bagno-Gefangenen vollständig 41, theilweise 97; von den Centralhaus-Gefangenen 207 vollständig, 236 theilweise; von den in Correctionshäusern Verhafteten 103 vollständig oder theilweise. Vor den einfachen Polizeigerichten wurden 202,814 Personen angeklagt. Der Cassationshof fällte 774 Urtheile in Criminal-, 324 in zuchtpolizeilichen Sachen. Der Staatsrath ermächtigte zur Einleitung von Verfolgungen gegen 119 öffentliche Beamte, darunter 33 Maires. Im Laufe des Jahres nahmen sich 2586 Personen, darunter 700 Weiber, selbst das Leben. Ein Schreiben des Commerce aus Constantine vom 4 Mai bringt eine Nachricht, welche für die Algierer Angelegenheiten große Wichtigkeit hätte, wenn sie gegründet wäre. Die Henanschas, der zahlreichste Araberstamm der ganzen Regentschaft Algier, dessen Wohnsitze sich östlich von Constantine bis zur Regentschaft Tunis ausdehnen, soll sich unterworfen haben. Die Henanschas können 10,000 Reiter ins Feld stellen, sind übrigens friedlichen Sinnes und verhielten sich bisher in einer Art Neutralität zwischen den Franzosen und Achmet-Bey, der bei einem ihrer Nachbarstämme ein Asyl gefunden. Dasselbe Schreiben erzählt auch von einem Streifzug, welchen der Commandant von Setif, Obristlieutenant Froidefond, gegen die Kabylen des Berges Tabor unternommen. Mehrere Daskrahs wurden auf diesem Zuge gänzlich zerstört und zahlreiche Heerden erbeutet. Der Erzbischof von Cuba, Pater Cyrillo, vormaliger Minister Karls V, ist seit einigen Tagen in Lyon. Er war früher zu Montpellier, wo ihm aber die Regierung den Aufenthalt verboten hat. Paris, 27 Mai. Die Journale bringen Ihnen heute die Abstimmung der Deputirtenkammer von gestern. Es sind zweierlei Dinge darin zu beachten: die Form und die Sache. Wir geben gern zu, daß die Rede des Hrn. Glais Bizoin nicht eben ein Muster von parlamentarischer Eloquenz ist, und daß der akademischen Kritik wohl einige Blößen gegeben wurden; indessen das ist in so wichtigem Streite eine werthlose Neckerei, die man höchstens der üblen Laune der Besiegten zu gut halten kann, im übrigen aber sind wir der Meinung, daß der Redner sehr vernünftige, sehr ehrenwerthe und zu beherzigende Worte gesprochen hat, und daß, wie sehr sich auch die Freunde des Ministeriums mit geharnischter Beredsamkeit dagegen wehren mögen, das Uebergewicht der Weisheit, der Staatsphilosophie, der Freiheit und Gerechtigkeit nicht auf Seite der Minister war. Wir sind selten im Falle, die politischen Theorien des Journal des Debats zu loben und unsre Bewunderung der Kammerreden des Hrn. v. Lamartine hat sich stets auf kühlem Höhepunkt gehalten, aber wir bekennen offen, daß die Sprache der heutigen Nummer des genannten Journals uns die der Wahrheit und richtigen Würdigung, und daß der Vortrag des Dichters der Harmonien in Form und Inhalt eines unbeschränkten Lobes würdig scheint. Suum cuique! Wäre der ministerielle Gesetzesvorschlag zur nationalen Beerdigung des Kaisers in seiner ursprünglichen, würdigen Einfachheit geblieben, oder besser gesagt, belassen worden, so würde die Kammer ohne allen Zweifel mit einstimmiger Bereitwilligkeit eben sowohl zwei als eine Million gegeben haben, denn offenbar war es nicht der Gesichtspunkt der financiellen Ersparniß, der sie zu ihrer gestrigen Beschränkung vermochte; allein die übermäßigen Hyperbeln eines verspäteten Bonapartismus, die in dem Bericht des Marschalls Clauzel laut werden, die theatralische und von Zeit, Geschichte und einer unbefangenen Würdigung der Thatsachen gänzlich abgehende Uebertreibung der Sachwalter des Napoleonischen Regiments, das nachgebrachte eben so geschmacklose als unnütze Project, dem Kaiser noch eine Reiterstatue zu errichten, haben allmählich in die Gemüther jenes ruhig wägende Gleichgewicht zurückgeführt, das die Geschichte höher als die Dithyrambe setzt, und die Freiheit, die Sache der Völker und des menschlichen Fortschrittes nie mehr dem Ruhme ist für das Amendement. (Bewegung.) Die HH. Arago, Barrot, Laffitte, Garnier-Pagès, Dupin, L'Herbette, Berryer und die ganze Rechte erhoben sich für dasselbe. Der Art. 3. „Eine Reiterstatue des Kaisers Napoleon soll auf einem der öffentlichen Plätze von Paris errichtet werden,“ wird verworfen. Die Kammer geht zur Abstimmung über den Gesetzesentwurf über und nimmt denselben, amendirt wie er ist, mit 280 gegen 65 Stimmen an. Alle Journale, mit Ausnahme des Journal des Débats und der legitimistischen Blätter, tadeln das Votum der Kammer über das Amendement des Hrn. Deslongrais. Der Temps sagt: „Das Land wird gegen dieses Votum ohne Ehre und ohne Muth protestiren; es wird protestiren, entweder durch eine Subscription, wenn dieß nöthig ist, oder durch alle Stimmen der öffentlichen Meinung. Es ist nicht für seine Freiheit in Sorgen, und es will nicht, daß man seinen Ruhm schmälere.“ Der Courrier français fügt bei, daß diese Entscheidung traurige Folgen haben werde, und sagt, nachdem er der Kammer über ihr Votum lebhafte Vorwürfe gemacht, zum Schlusse, „daß die Regierung sich täusche, wenn sie auf der Beibehaltung einer Kammer beharre, die nur persönliche Leidenschaften und örtliche Interessen kenne. Dieses Votum beweise besser als alle Raisonnements die Nothwendigkeit einer Auflösung.“ Der Moniteur sagt: „Die Bedeutung des heutigen Votums über das Amendement des Hrn. Deslongrais kann wohl keinem Zweifel unterliegen. Man darf nicht annehmen, daß die Kammer durch ihr Zurückkommen auf den ursprünglichen Entwurf der Regierung die einem glorreichen Andenken zu erweisenden Huldigungen auf allzu kleine Verhältnisse habe reduciren wollen; die imposante Majorität, welche dem Gesetze den Sieg verschaffte, beweist im Gegentheil, wie sehr sich die Kammer dem großen Nationalact, der uns die Reste des Kaisers zurückbringen soll, beigesellt.“ (Presse.) Hr. Boudet hat heute (26) Abends seine Entlassung als Generalsecretär des Justizministeriums in Folge eines Streits mit dem Conseilpräsidenten in der Kammer gegeben. Dieser Streit hatte sich nämlich durch eine noch heftigere Antwort, welche Hr. Boudet dem Hrn. Thiers gegeben, geendigt, der ihm auf herbe Weise zum Vorwurf gemacht hatte, daß er für das Amendement Deslongrais gestimmt hätte. Der Justizminister hat den Bericht über die Ausübung der Strafrechtspflege im Jahre 1838 erstattet. Vor die Geschwornengerichte kamen 5844 Criminalprocesse, welche 8014 Personen, darunter 1460 Weiber, betrafen. Es wurden 44 Todesurtheile gefällt; von sämmtlichen Strafen sind 22 Proc. infamirend. Die Freisprechungen betrugen bei Vergehen gegen die Person 44, bei solchen gegen das Eigenthum 33 Proc. Wegen Diebstahls kamen 5325 Anklagen vor; der Werth des gestohlenen Eigenthums war 1,164,045 Franken. Preßvergehen kamen 20, politische 35 vor, von den 78 Angeklagten in beiden Rubriken wurden 59 freigesprochen. Von den Pariser Blättern wurden im Jahr 1838 bloß 5 gerichtlich verfolgt. Vor das Zuchtpolizeigericht kamen 144,417 Fälle, mit 192,254 Angeklagten, darunter 37,870 Weiber. Von 518 aus dem Bagno entlassenen Strafgefangenen wurden 10 Proc., von 5767 aus den Strafgefängnissen entlassenen 13 Proc. wegen Vergehen, die sie in den ersten Monaten nach ihrer Freilassung begingen, angeklagt. Begnadigt wurden von den Bagno-Gefangenen vollständig 41, theilweise 97; von den Centralhaus-Gefangenen 207 vollständig, 236 theilweise; von den in Correctionshäusern Verhafteten 103 vollständig oder theilweise. Vor den einfachen Polizeigerichten wurden 202,814 Personen angeklagt. Der Cassationshof fällte 774 Urtheile in Criminal-, 324 in zuchtpolizeilichen Sachen. Der Staatsrath ermächtigte zur Einleitung von Verfolgungen gegen 119 öffentliche Beamte, darunter 33 Maires. Im Laufe des Jahres nahmen sich 2586 Personen, darunter 700 Weiber, selbst das Leben. Ein Schreiben des Commerce aus Constantine vom 4 Mai bringt eine Nachricht, welche für die Algierer Angelegenheiten große Wichtigkeit hätte, wenn sie gegründet wäre. Die Henanschas, der zahlreichste Araberstamm der ganzen Regentschaft Algier, dessen Wohnsitze sich östlich von Constantine bis zur Regentschaft Tunis ausdehnen, soll sich unterworfen haben. Die Henanschas können 10,000 Reiter ins Feld stellen, sind übrigens friedlichen Sinnes und verhielten sich bisher in einer Art Neutralität zwischen den Franzosen und Achmet-Bey, der bei einem ihrer Nachbarstämme ein Asyl gefunden. Dasselbe Schreiben erzählt auch von einem Streifzug, welchen der Commandant von Setif, Obristlieutenant Froidefond, gegen die Kabylen des Berges Tabor unternommen. Mehrere Daskrahs wurden auf diesem Zuge gänzlich zerstört und zahlreiche Heerden erbeutet. Der Erzbischof von Cuba, Pater Cyrillo, vormaliger Minister Karls V, ist seit einigen Tagen in Lyon. Er war früher zu Montpellier, wo ihm aber die Regierung den Aufenthalt verboten hat. Paris, 27 Mai. Die Journale bringen Ihnen heute die Abstimmung der Deputirtenkammer von gestern. Es sind zweierlei Dinge darin zu beachten: die Form und die Sache. Wir geben gern zu, daß die Rede des Hrn. Glais Bizoin nicht eben ein Muster von parlamentarischer Eloquenz ist, und daß der akademischen Kritik wohl einige Blößen gegeben wurden; indessen das ist in so wichtigem Streite eine werthlose Neckerei, die man höchstens der üblen Laune der Besiegten zu gut halten kann, im übrigen aber sind wir der Meinung, daß der Redner sehr vernünftige, sehr ehrenwerthe und zu beherzigende Worte gesprochen hat, und daß, wie sehr sich auch die Freunde des Ministeriums mit geharnischter Beredsamkeit dagegen wehren mögen, das Uebergewicht der Weisheit, der Staatsphilosophie, der Freiheit und Gerechtigkeit nicht auf Seite der Minister war. Wir sind selten im Falle, die politischen Theorien des Journal des Débats zu loben und unsre Bewunderung der Kammerreden des Hrn. v. Lamartine hat sich stets auf kühlem Höhepunkt gehalten, aber wir bekennen offen, daß die Sprache der heutigen Nummer des genannten Journals uns die der Wahrheit und richtigen Würdigung, und daß der Vortrag des Dichters der Harmonien in Form und Inhalt eines unbeschränkten Lobes würdig scheint. Suum cuique! Wäre der ministerielle Gesetzesvorschlag zur nationalen Beerdigung des Kaisers in seiner ursprünglichen, würdigen Einfachheit geblieben, oder besser gesagt, belassen worden, so würde die Kammer ohne allen Zweifel mit einstimmiger Bereitwilligkeit eben sowohl zwei als eine Million gegeben haben, denn offenbar war es nicht der Gesichtspunkt der financiellen Ersparniß, der sie zu ihrer gestrigen Beschränkung vermochte; allein die übermäßigen Hyperbeln eines verspäteten Bonapartismus, die in dem Bericht des Marschalls Clauzel laut werden, die theatralische und von Zeit, Geschichte und einer unbefangenen Würdigung der Thatsachen gänzlich abgehende Uebertreibung der Sachwalter des Napoleonischen Regiments, das nachgebrachte eben so geschmacklose als unnütze Project, dem Kaiser noch eine Reiterstatue zu errichten, haben allmählich in die Gemüther jenes ruhig wägende Gleichgewicht zurückgeführt, das die Geschichte höher als die Dithyrambe setzt, und die Freiheit, die Sache der Völker und des menschlichen Fortschrittes nie mehr dem Ruhme <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0004" n="1220"/> ist für das Amendement. (Bewegung.) Die HH. Arago, Barrot, Laffitte, Garnier-Pagès, Dupin, L'Herbette, Berryer und die ganze Rechte erhoben sich für dasselbe. Der Art. 3. „Eine Reiterstatue des Kaisers Napoleon soll auf einem der öffentlichen Plätze von Paris errichtet werden,“ wird verworfen. Die Kammer geht zur Abstimmung über den Gesetzesentwurf über und nimmt denselben, amendirt wie er ist, mit 280 gegen 65 Stimmen an.</p><lb/> <p>Alle Journale, mit Ausnahme des <hi rendition="#g">Journal des Débats</hi> und der legitimistischen Blätter, tadeln das Votum der Kammer über das Amendement des Hrn. Deslongrais. Der <hi rendition="#g">Temps</hi> sagt: „Das Land wird gegen dieses Votum ohne Ehre und ohne Muth protestiren; es wird protestiren, entweder durch eine Subscription, wenn dieß nöthig ist, oder durch alle Stimmen der öffentlichen Meinung. 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Begnadigt wurden von den Bagno-Gefangenen vollständig 41, theilweise 97; von den Centralhaus-Gefangenen 207 vollständig, 236 theilweise; von den in Correctionshäusern Verhafteten 103 vollständig oder theilweise. Vor den einfachen Polizeigerichten wurden 202,814 Personen angeklagt. Der Cassationshof fällte 774 Urtheile in Criminal-, 324 in zuchtpolizeilichen Sachen. Der Staatsrath ermächtigte zur Einleitung von Verfolgungen gegen 119 öffentliche Beamte, darunter 33 Maires. Im Laufe des Jahres nahmen sich 2586 Personen, darunter 700 Weiber, selbst das Leben.</p><lb/> <p>Ein Schreiben des <hi rendition="#g">Commerce</hi> aus <hi rendition="#b">Constantine</hi> vom 4 Mai bringt eine Nachricht, welche für die Algierer Angelegenheiten große Wichtigkeit hätte, wenn sie gegründet wäre. Die Henanschas, der zahlreichste Araberstamm der ganzen Regentschaft Algier, dessen Wohnsitze sich östlich von Constantine bis zur Regentschaft Tunis ausdehnen, soll sich unterworfen haben. Die Henanschas können 10,000 Reiter ins Feld stellen, sind übrigens friedlichen Sinnes und verhielten sich bisher in einer Art Neutralität zwischen den Franzosen und Achmet-Bey, der bei einem ihrer Nachbarstämme ein Asyl gefunden. Dasselbe Schreiben erzählt auch von einem Streifzug, welchen der Commandant von Setif, Obristlieutenant Froidefond, gegen die Kabylen des Berges Tabor unternommen. Mehrere Daskrahs wurden auf diesem Zuge gänzlich zerstört und zahlreiche Heerden erbeutet.</p><lb/> <p>Der Erzbischof von Cuba, Pater Cyrillo, vormaliger Minister Karls V, ist seit einigen Tagen in Lyon. Er war früher zu Montpellier, wo ihm aber die Regierung den Aufenthalt verboten hat.</p> </div><lb/> <div n="2"> <byline> <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 27 Mai.</dateline> <p> Die Journale bringen Ihnen heute die Abstimmung der Deputirtenkammer von gestern. Es sind zweierlei Dinge darin zu beachten: die Form und die Sache. 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Lamartine hat sich stets auf kühlem Höhepunkt gehalten, aber wir bekennen offen, daß die Sprache der heutigen Nummer des genannten Journals uns die der Wahrheit und richtigen Würdigung, und daß der Vortrag des Dichters der Harmonien in Form und Inhalt eines unbeschränkten Lobes würdig scheint. Suum cuique! Wäre der ministerielle Gesetzesvorschlag zur nationalen Beerdigung des Kaisers in seiner ursprünglichen, würdigen Einfachheit geblieben, oder besser gesagt, belassen worden, so würde die Kammer ohne allen Zweifel mit einstimmiger Bereitwilligkeit eben sowohl zwei als eine Million gegeben haben, denn offenbar war es nicht der Gesichtspunkt der financiellen Ersparniß, der sie zu ihrer gestrigen Beschränkung vermochte; allein die übermäßigen Hyperbeln eines verspäteten Bonapartismus, die in dem Bericht des Marschalls Clauzel laut werden, die theatralische und von Zeit, Geschichte und einer unbefangenen Würdigung der Thatsachen gänzlich abgehende Uebertreibung der Sachwalter des Napoleonischen Regiments, das nachgebrachte eben so geschmacklose als unnütze Project, dem Kaiser noch eine Reiterstatue zu errichten, haben allmählich in die Gemüther jenes ruhig wägende Gleichgewicht zurückgeführt, das die Geschichte höher als die Dithyrambe setzt, und die Freiheit, die Sache der Völker und des menschlichen Fortschrittes nie mehr dem Ruhme<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1220/0004]
ist für das Amendement. (Bewegung.) Die HH. Arago, Barrot, Laffitte, Garnier-Pagès, Dupin, L'Herbette, Berryer und die ganze Rechte erhoben sich für dasselbe. Der Art. 3. „Eine Reiterstatue des Kaisers Napoleon soll auf einem der öffentlichen Plätze von Paris errichtet werden,“ wird verworfen. Die Kammer geht zur Abstimmung über den Gesetzesentwurf über und nimmt denselben, amendirt wie er ist, mit 280 gegen 65 Stimmen an.
Alle Journale, mit Ausnahme des Journal des Débats und der legitimistischen Blätter, tadeln das Votum der Kammer über das Amendement des Hrn. Deslongrais. Der Temps sagt: „Das Land wird gegen dieses Votum ohne Ehre und ohne Muth protestiren; es wird protestiren, entweder durch eine Subscription, wenn dieß nöthig ist, oder durch alle Stimmen der öffentlichen Meinung. Es ist nicht für seine Freiheit in Sorgen, und es will nicht, daß man seinen Ruhm schmälere.“ Der Courrier français fügt bei, daß diese Entscheidung traurige Folgen haben werde, und sagt, nachdem er der Kammer über ihr Votum lebhafte Vorwürfe gemacht, zum Schlusse, „daß die Regierung sich täusche, wenn sie auf der Beibehaltung einer Kammer beharre, die nur persönliche Leidenschaften und örtliche Interessen kenne. Dieses Votum beweise besser als alle Raisonnements die Nothwendigkeit einer Auflösung.“
Der Moniteur sagt: „Die Bedeutung des heutigen Votums über das Amendement des Hrn. Deslongrais kann wohl keinem Zweifel unterliegen. Man darf nicht annehmen, daß die Kammer durch ihr Zurückkommen auf den ursprünglichen Entwurf der Regierung die einem glorreichen Andenken zu erweisenden Huldigungen auf allzu kleine Verhältnisse habe reduciren wollen; die imposante Majorität, welche dem Gesetze den Sieg verschaffte, beweist im Gegentheil, wie sehr sich die Kammer dem großen Nationalact, der uns die Reste des Kaisers zurückbringen soll, beigesellt.“
(Presse.) Hr. Boudet hat heute (26) Abends seine Entlassung als Generalsecretär des Justizministeriums in Folge eines Streits mit dem Conseilpräsidenten in der Kammer gegeben. Dieser Streit hatte sich nämlich durch eine noch heftigere Antwort, welche Hr. Boudet dem Hrn. Thiers gegeben, geendigt, der ihm auf herbe Weise zum Vorwurf gemacht hatte, daß er für das Amendement Deslongrais gestimmt hätte.
Der Justizminister hat den Bericht über die Ausübung der Strafrechtspflege im Jahre 1838 erstattet. Vor die Geschwornengerichte kamen 5844 Criminalprocesse, welche 8014 Personen, darunter 1460 Weiber, betrafen. Es wurden 44 Todesurtheile gefällt; von sämmtlichen Strafen sind 22 Proc. infamirend. Die Freisprechungen betrugen bei Vergehen gegen die Person 44, bei solchen gegen das Eigenthum 33 Proc. Wegen Diebstahls kamen 5325 Anklagen vor; der Werth des gestohlenen Eigenthums war 1,164,045 Franken. Preßvergehen kamen 20, politische 35 vor, von den 78 Angeklagten in beiden Rubriken wurden 59 freigesprochen. Von den Pariser Blättern wurden im Jahr 1838 bloß 5 gerichtlich verfolgt. Vor das Zuchtpolizeigericht kamen 144,417 Fälle, mit 192,254 Angeklagten, darunter 37,870 Weiber. Von 518 aus dem Bagno entlassenen Strafgefangenen wurden 10 Proc., von 5767 aus den Strafgefängnissen entlassenen 13 Proc. wegen Vergehen, die sie in den ersten Monaten nach ihrer Freilassung begingen, angeklagt. Begnadigt wurden von den Bagno-Gefangenen vollständig 41, theilweise 97; von den Centralhaus-Gefangenen 207 vollständig, 236 theilweise; von den in Correctionshäusern Verhafteten 103 vollständig oder theilweise. Vor den einfachen Polizeigerichten wurden 202,814 Personen angeklagt. Der Cassationshof fällte 774 Urtheile in Criminal-, 324 in zuchtpolizeilichen Sachen. Der Staatsrath ermächtigte zur Einleitung von Verfolgungen gegen 119 öffentliche Beamte, darunter 33 Maires. Im Laufe des Jahres nahmen sich 2586 Personen, darunter 700 Weiber, selbst das Leben.
Ein Schreiben des Commerce aus Constantine vom 4 Mai bringt eine Nachricht, welche für die Algierer Angelegenheiten große Wichtigkeit hätte, wenn sie gegründet wäre. Die Henanschas, der zahlreichste Araberstamm der ganzen Regentschaft Algier, dessen Wohnsitze sich östlich von Constantine bis zur Regentschaft Tunis ausdehnen, soll sich unterworfen haben. Die Henanschas können 10,000 Reiter ins Feld stellen, sind übrigens friedlichen Sinnes und verhielten sich bisher in einer Art Neutralität zwischen den Franzosen und Achmet-Bey, der bei einem ihrer Nachbarstämme ein Asyl gefunden. Dasselbe Schreiben erzählt auch von einem Streifzug, welchen der Commandant von Setif, Obristlieutenant Froidefond, gegen die Kabylen des Berges Tabor unternommen. Mehrere Daskrahs wurden auf diesem Zuge gänzlich zerstört und zahlreiche Heerden erbeutet.
Der Erzbischof von Cuba, Pater Cyrillo, vormaliger Minister Karls V, ist seit einigen Tagen in Lyon. Er war früher zu Montpellier, wo ihm aber die Regierung den Aufenthalt verboten hat.
_ Paris, 27 Mai. Die Journale bringen Ihnen heute die Abstimmung der Deputirtenkammer von gestern. Es sind zweierlei Dinge darin zu beachten: die Form und die Sache. Wir geben gern zu, daß die Rede des Hrn. Glais Bizoin nicht eben ein Muster von parlamentarischer Eloquenz ist, und daß der akademischen Kritik wohl einige Blößen gegeben wurden; indessen das ist in so wichtigem Streite eine werthlose Neckerei, die man höchstens der üblen Laune der Besiegten zu gut halten kann, im übrigen aber sind wir der Meinung, daß der Redner sehr vernünftige, sehr ehrenwerthe und zu beherzigende Worte gesprochen hat, und daß, wie sehr sich auch die Freunde des Ministeriums mit geharnischter Beredsamkeit dagegen wehren mögen, das Uebergewicht der Weisheit, der Staatsphilosophie, der Freiheit und Gerechtigkeit nicht auf Seite der Minister war. Wir sind selten im Falle, die politischen Theorien des Journal des Débats zu loben und unsre Bewunderung der Kammerreden des Hrn. v. Lamartine hat sich stets auf kühlem Höhepunkt gehalten, aber wir bekennen offen, daß die Sprache der heutigen Nummer des genannten Journals uns die der Wahrheit und richtigen Würdigung, und daß der Vortrag des Dichters der Harmonien in Form und Inhalt eines unbeschränkten Lobes würdig scheint. Suum cuique! Wäre der ministerielle Gesetzesvorschlag zur nationalen Beerdigung des Kaisers in seiner ursprünglichen, würdigen Einfachheit geblieben, oder besser gesagt, belassen worden, so würde die Kammer ohne allen Zweifel mit einstimmiger Bereitwilligkeit eben sowohl zwei als eine Million gegeben haben, denn offenbar war es nicht der Gesichtspunkt der financiellen Ersparniß, der sie zu ihrer gestrigen Beschränkung vermochte; allein die übermäßigen Hyperbeln eines verspäteten Bonapartismus, die in dem Bericht des Marschalls Clauzel laut werden, die theatralische und von Zeit, Geschichte und einer unbefangenen Würdigung der Thatsachen gänzlich abgehende Uebertreibung der Sachwalter des Napoleonischen Regiments, das nachgebrachte eben so geschmacklose als unnütze Project, dem Kaiser noch eine Reiterstatue zu errichten, haben allmählich in die Gemüther jenes ruhig wägende Gleichgewicht zurückgeführt, das die Geschichte höher als die Dithyrambe setzt, und die Freiheit, die Sache der Völker und des menschlichen Fortschrittes nie mehr dem Ruhme
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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