Allgemeine Zeitung. Nr. 161. Augsburg, 9. Juni 1840.Philosophen Christian Wolf betrifft, läßt uns einen Blick in die hohe Sinnesart des großen Königs thun. Die Cabinetsordre, deren Original sich in der Berliner königlichen Bibliothek befindet, ist aus Charlottenburg vom 6 Jun. 1740 datirt und lautet folgendermaßen: "Würdiger, besonders Lieber, Getreuer. Ihr habet nochmals an den Regierungsrath Wolf zu schreiben, ob er sich nunmehro nicht entschließen könne in meine Dienste zu gehen, und würde ich ihm alle raisonable Conditiones accordiren. Ich bin u. s. w." Höchst merkwürdig aber ist der bekannte Nachsatz von Friedrichs eigener Hand: "Ich bitte Ihn, Sich um des Wolfen Mühe zu geben; ein Mensch, der die Wahrheit sucht, und sie liebt, muß unter aller menschlichen Gesellschaft werth gehalten werden, und glaube ich, daß Er eine Conquete im Lande der Wahrheit gemacht hat, wenn er den Wolf hierher persuadirt. Wenn der Wolf hier kommen wird, so hat es keine Schwierigkeit, denn Unsere Akademie muß nicht zur Parade, sondern zur Instruction seyn. Friedrich." Die Belagerung von Morella. (Fortsetzung.) Den nächsten Tag, am 3 August, ward seit dem 23 v. M. unsern Truppen die erste Ruhe vergönnt, die der ebenfalls gänzlich erschöpfte Feind nicht zu stören wagte. Bis hierher hatte die Festung bei den täglichen und stündlichen Gefechten, auf kaum eine halbe Stunde Entfernung, nur den schweigenden Zuschauer gemacht, wenn auch einzelne Kanonenschüsse oder weit hinaus geworfene Bomben vom Castillo herab ein Lebenszeichen gegeben hatten. Im Innern der Festung herrschte jedoch die höchste Regsamkeit, indem sich Alles darauf vorbereitete, den Feind würdig zu empfangen. Der General hatte unter der Elite seiner Armee die Besatzung, ungefähr 1000 Mann, selbst ausgewählt, von welchen vier Compagnien des 2ten Bataillons von Tortosa unter ihrem ersten Commandanten, Oberstlieutenant Salvador de Palacios, das Castillo besetzt hielten. - Don Manuel Salvador de Palacios ist ein junger schöner Mann, welcher sich in den wenigen Jahren dieses Krieges vom untersten Rang eines Soldaten (denn der Tod Ferdinands VII traf ihn als Unterofficier der königlichen Garde) durch ausgezeichnete persönliche Tapferkeit und militärische Kenntnisse schnell gehoben hatte, und in diesem Augenblick (März 1840) als General und Chef der Division von Tortosa, Cabrera's Garde genannt, vorsteht. *) Das Bataillon der sogenannten Guiden von Aragon, nebst den von den kampffähigen Einwohnern des Orts freiwillig gebildeten Bataillonen, waren mit der Vertheidigung der Stadt selbst beauftragt. - Die Citadelle und einige innere Werke waren mit schweren Geschützen gut besetzt und die wenigen leichtern Kanonen in den Thürmen aufgestellt, um die äußere Mauer und die tiefen Gräben zu flankiren, welche an der westlichen Seite am Fuße der Festung sich hinziehen. Zu eben angeführtem Zweck wurden einige der vielen, nach alter Art sich hoch über die Mauer erhebenden Thürme abgetragen und zur Aufstellung von Geschützen eingerichtet. 400 Artilleristen, unter Befehl des Obersten Luis Soler, eines theoretisch gebildeten Officiers, mit einer Anzahl tüchtiger Officiere und einigen Compagnien Sappeurs sorgten für den Dienst ihrer Waffen. Oberst Ramon O'Callaghan war Gouverneur, und der Mariscal de Campo, Graf v. Negri, welchen Cabrera mit dem Oberbefehl der Veste, des Castillo und nächsten Bereichs des Terrains bekleidet hatte, leitete das Ganze. Dem Grafen zur Seite stand ein junger Ingenieur, Capitän Juan Bessieres, in der Akademie dieser Truppe gut ausgebildet und persönlich sehr brav, damals einziger Officier seiner Waffe in dem Heer Cabrera's. Die Stadt selbst war in Bezirke abgetheilt worden, deren jeder durch die amphitheatralische Lage der Gebäude über einander und durch die von Osten nach Westen laufenden Straßen des Orts mit Etagenfeuer versehen ward, zu welchem Behuf die hintern Facen der Häuser crenellirt worden waren. Vier Stabsofficiere befehligten in diesen Abtheilungen, die durch enge Querstraßen, welche die parallellaufenden Häusermassen abtheilten, so bestimmt wurden, daß jeder Bezirk von Castillo ausging und an der Umfangsmauer die Basis fand. Als ein Zeichen des vortrefflichen Geistes, welcher die Vertheidiger beseelte, verdient die gespannteste Erwartung genannt zu werden, mit welcher die Besatzung der Zeit und besonders dem Ort der Mauer, an welchen Bresche gelegt werden würde, entgegensah, und als endlich die Mauer der zweiten Abtheilung diese gefährliche Auszeichnung traf, wurde Ramon Morales, ein junger tüchtiger Cavallerie-Oberst, welcher hier befehligte, von seinen Mitbewerbern wahrhaft beneidet. Munition für Artillerie und Besatzung war genügend vorhanden, und Lebensmittel für die ganze Armee in großen Massen aufgehäuft worden. Während der langen Dauer der Belagerung fehlte es daher nie an Brod, Fleisch und Wein, besonders da die Communication mit der Bedeckungsarmee nie ganz unterbrochen worden ist. Auch trafen jede Nacht Munitionssendungen von Cantavieja ein. Mehrere Bürgerhäuser waren zur Aufnahme der Verwundeten eingerichtet worden; doch leider mangelte es durchaus an geschickten Chirurgen. - Es ist eine Thatsache und keine Fabel, daß mehrere Amputationen mit der Holzaxt vollführt worden sind, und noch wandern heute einige lebendige Exemplare solcher ächt factiosischen Operationen auf ihren Krücken in den Straßen Morella's oder in den Invalidendepots in Benasal und San Mateo herum, hierunter auch ein ehrlicher Pommer, der bei Morella das Bein verlor. Während die gegenseitigen Armeen außerhalb der Stadt in ununterbrochenen Gefechten, fast immer zum Vortheil der Carlisten, sich herumschlugen, verweilte Cabrera nur in den Ruhestunden des Nachts in Morella, um alle nöthigen Anordnungen zu treffen, und die Ausführung jeder einzelnen, wäre es auch die der geringfügigsten, zu untersuchen. Für Cabrera ist jede Sache gleich wichtig, und wenn es auch nur die Pflege und Wartung eines einzigen seiner muchachos (Jungens) betraf. Dieß ein abermaliger Grund, welcher die fast abgöttische Liebe des gemeinen Soldaten zu Cabrera erklärt. Cabrera fand nur Gelegenheit zu loben, fast niemals zu tadeln. Vor Allen gebührt, wie immer, den Einwohnern des Landes, so wie hier im speciellen Falle den Bürgern von Morella die höchste Anerkennung ihrer freiwillig dargebrachten Opfer. Am 5 August Mittags versammelte Cabrera die Garnison Morella's, stellte ihr in kräftiger Rede die nahe bevorstehende Gefahr vor Augen, ermahnte Alle und Jeden, eingedenk und treu der Losung: "Sieg oder Tod" zu bleiben, und schloß mit den Worten: schwört mir, "wenn es seyn muß, mit mir, euch unter die Ruinen Morella's zu begraben." Alle beugten die Kniee, und zum Himmel stieg ihr mit Enthusiasmus gesprochener Eid: "Wir schwören es!" Es war dieß auch der Eid von Tausenden von Bürgern und Frauen Morella's, welche in buntem Gemisch unter einander, auf ihren Knieen liegend, die Soldaten umgaben und sich freiwillig dem Festmoment angeschlossen hatten. Sie gelobten, unaufgefordert, *) Diese Division, niemals im Dienst als Garde bezeichnet, ward nur von den übrigen Truppen so genannt.
Philosophen Christian Wolf betrifft, läßt uns einen Blick in die hohe Sinnesart des großen Königs thun. Die Cabinetsordre, deren Original sich in der Berliner königlichen Bibliothek befindet, ist aus Charlottenburg vom 6 Jun. 1740 datirt und lautet folgendermaßen: „Würdiger, besonders Lieber, Getreuer. Ihr habet nochmals an den Regierungsrath Wolf zu schreiben, ob er sich nunmehro nicht entschließen könne in meine Dienste zu gehen, und würde ich ihm alle raisonable Conditiones accordiren. Ich bin u. s. w.“ Höchst merkwürdig aber ist der bekannte Nachsatz von Friedrichs eigener Hand: „Ich bitte Ihn, Sich um des Wolfen Mühe zu geben; ein Mensch, der die Wahrheit sucht, und sie liebt, muß unter aller menschlichen Gesellschaft werth gehalten werden, und glaube ich, daß Er eine Conquete im Lande der Wahrheit gemacht hat, wenn er den Wolf hierher persuadirt. Wenn der Wolf hier kommen wird, so hat es keine Schwierigkeit, denn Unsere Akademie muß nicht zur Parade, sondern zur Instruction seyn. Friedrich.“ Die Belagerung von Morella. (Fortsetzung.) Den nächsten Tag, am 3 August, ward seit dem 23 v. M. unsern Truppen die erste Ruhe vergönnt, die der ebenfalls gänzlich erschöpfte Feind nicht zu stören wagte. Bis hierher hatte die Festung bei den täglichen und stündlichen Gefechten, auf kaum eine halbe Stunde Entfernung, nur den schweigenden Zuschauer gemacht, wenn auch einzelne Kanonenschüsse oder weit hinaus geworfene Bomben vom Castillo herab ein Lebenszeichen gegeben hatten. Im Innern der Festung herrschte jedoch die höchste Regsamkeit, indem sich Alles darauf vorbereitete, den Feind würdig zu empfangen. Der General hatte unter der Elite seiner Armee die Besatzung, ungefähr 1000 Mann, selbst ausgewählt, von welchen vier Compagnien des 2ten Bataillons von Tortosa unter ihrem ersten Commandanten, Oberstlieutenant Salvador de Palacios, das Castillo besetzt hielten. – Don Manuel Salvador de Palacios ist ein junger schöner Mann, welcher sich in den wenigen Jahren dieses Krieges vom untersten Rang eines Soldaten (denn der Tod Ferdinands VII traf ihn als Unterofficier der königlichen Garde) durch ausgezeichnete persönliche Tapferkeit und militärische Kenntnisse schnell gehoben hatte, und in diesem Augenblick (März 1840) als General und Chef der Division von Tortosa, Cabrera's Garde genannt, vorsteht. *) Das Bataillon der sogenannten Guiden von Aragon, nebst den von den kampffähigen Einwohnern des Orts freiwillig gebildeten Bataillonen, waren mit der Vertheidigung der Stadt selbst beauftragt. – Die Citadelle und einige innere Werke waren mit schweren Geschützen gut besetzt und die wenigen leichtern Kanonen in den Thürmen aufgestellt, um die äußere Mauer und die tiefen Gräben zu flankiren, welche an der westlichen Seite am Fuße der Festung sich hinziehen. Zu eben angeführtem Zweck wurden einige der vielen, nach alter Art sich hoch über die Mauer erhebenden Thürme abgetragen und zur Aufstellung von Geschützen eingerichtet. 400 Artilleristen, unter Befehl des Obersten Luis Solér, eines theoretisch gebildeten Officiers, mit einer Anzahl tüchtiger Officiere und einigen Compagnien Sappeurs sorgten für den Dienst ihrer Waffen. Oberst Ramon O'Callaghan war Gouverneur, und der Mariscal de Campo, Graf v. Negri, welchen Cabrera mit dem Oberbefehl der Veste, des Castillo und nächsten Bereichs des Terrains bekleidet hatte, leitete das Ganze. Dem Grafen zur Seite stand ein junger Ingenieur, Capitän Juan Bessieres, in der Akademie dieser Truppe gut ausgebildet und persönlich sehr brav, damals einziger Officier seiner Waffe in dem Heer Cabrera's. Die Stadt selbst war in Bezirke abgetheilt worden, deren jeder durch die amphitheatralische Lage der Gebäude über einander und durch die von Osten nach Westen laufenden Straßen des Orts mit Etagenfeuer versehen ward, zu welchem Behuf die hintern Facen der Häuser crenellirt worden waren. Vier Stabsofficiere befehligten in diesen Abtheilungen, die durch enge Querstraßen, welche die parallellaufenden Häusermassen abtheilten, so bestimmt wurden, daß jeder Bezirk von Castillo ausging und an der Umfangsmauer die Basis fand. Als ein Zeichen des vortrefflichen Geistes, welcher die Vertheidiger beseelte, verdient die gespannteste Erwartung genannt zu werden, mit welcher die Besatzung der Zeit und besonders dem Ort der Mauer, an welchen Bresche gelegt werden würde, entgegensah, und als endlich die Mauer der zweiten Abtheilung diese gefährliche Auszeichnung traf, wurde Ramon Morales, ein junger tüchtiger Cavallerie-Oberst, welcher hier befehligte, von seinen Mitbewerbern wahrhaft beneidet. Munition für Artillerie und Besatzung war genügend vorhanden, und Lebensmittel für die ganze Armee in großen Massen aufgehäuft worden. Während der langen Dauer der Belagerung fehlte es daher nie an Brod, Fleisch und Wein, besonders da die Communication mit der Bedeckungsarmee nie ganz unterbrochen worden ist. Auch trafen jede Nacht Munitionssendungen von Cantavieja ein. Mehrere Bürgerhäuser waren zur Aufnahme der Verwundeten eingerichtet worden; doch leider mangelte es durchaus an geschickten Chirurgen. – Es ist eine Thatsache und keine Fabel, daß mehrere Amputationen mit der Holzaxt vollführt worden sind, und noch wandern heute einige lebendige Exemplare solcher ächt factiosischen Operationen auf ihren Krücken in den Straßen Morella's oder in den Invalidendepots in Benasal und San Mateo herum, hierunter auch ein ehrlicher Pommer, der bei Morella das Bein verlor. Während die gegenseitigen Armeen außerhalb der Stadt in ununterbrochenen Gefechten, fast immer zum Vortheil der Carlisten, sich herumschlugen, verweilte Cabrera nur in den Ruhestunden des Nachts in Morella, um alle nöthigen Anordnungen zu treffen, und die Ausführung jeder einzelnen, wäre es auch die der geringfügigsten, zu untersuchen. Für Cabrera ist jede Sache gleich wichtig, und wenn es auch nur die Pflege und Wartung eines einzigen seiner muchachos (Jungens) betraf. Dieß ein abermaliger Grund, welcher die fast abgöttische Liebe des gemeinen Soldaten zu Cabrera erklärt. Cabrera fand nur Gelegenheit zu loben, fast niemals zu tadeln. Vor Allen gebührt, wie immer, den Einwohnern des Landes, so wie hier im speciellen Falle den Bürgern von Morella die höchste Anerkennung ihrer freiwillig dargebrachten Opfer. Am 5 August Mittags versammelte Cabrera die Garnison Morella's, stellte ihr in kräftiger Rede die nahe bevorstehende Gefahr vor Augen, ermahnte Alle und Jeden, eingedenk und treu der Losung: „Sieg oder Tod“ zu bleiben, und schloß mit den Worten: schwört mir, „wenn es seyn muß, mit mir, euch unter die Ruinen Morella's zu begraben.“ Alle beugten die Kniee, und zum Himmel stieg ihr mit Enthusiasmus gesprochener Eid: „Wir schwören es!“ Es war dieß auch der Eid von Tausenden von Bürgern und Frauen Morella's, welche in buntem Gemisch unter einander, auf ihren Knieen liegend, die Soldaten umgaben und sich freiwillig dem Festmoment angeschlossen hatten. Sie gelobten, unaufgefordert, *) Diese Division, niemals im Dienst als Garde bezeichnet, ward nur von den übrigen Truppen so genannt.
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Der General hatte unter der Elite seiner Armee die Besatzung, ungefähr 1000 Mann, selbst ausgewählt, von welchen vier Compagnien des 2ten Bataillons von Tortosa unter ihrem ersten Commandanten, Oberstlieutenant Salvador de Palacios, das Castillo besetzt hielten. – Don Manuel Salvador de Palacios ist ein junger schöner Mann, welcher sich in den wenigen Jahren dieses Krieges vom untersten Rang eines Soldaten (denn der Tod Ferdinands VII traf ihn als Unterofficier der königlichen Garde) durch ausgezeichnete persönliche Tapferkeit und militärische Kenntnisse schnell gehoben hatte, und in diesem Augenblick (März 1840) als General und Chef der Division von Tortosa, Cabrera's Garde genannt, vorsteht. <note place="foot" n="*)"><p>Diese Division, niemals im Dienst als Garde bezeichnet, ward nur von den übrigen Truppen so genannt.</p></note> Das Bataillon der sogenannten Guiden von Aragon, nebst den von den kampffähigen Einwohnern des Orts freiwillig gebildeten Bataillonen, waren mit der Vertheidigung der Stadt selbst beauftragt. – Die Citadelle und einige innere Werke waren mit schweren Geschützen gut besetzt und die wenigen leichtern Kanonen in den Thürmen aufgestellt, um die äußere Mauer und die tiefen Gräben zu flankiren, welche an der westlichen Seite am Fuße der Festung sich hinziehen. Zu eben angeführtem Zweck wurden einige der vielen, nach alter Art sich hoch über die Mauer erhebenden Thürme abgetragen und zur Aufstellung von Geschützen eingerichtet. 400 Artilleristen, unter Befehl des Obersten Luis Solér, eines theoretisch gebildeten Officiers, mit einer Anzahl tüchtiger Officiere und einigen Compagnien Sappeurs sorgten für den Dienst ihrer Waffen. Oberst Ramon O'Callaghan war Gouverneur, und der Mariscal de Campo, Graf v. Negri, welchen Cabrera mit dem Oberbefehl der Veste, des Castillo und nächsten Bereichs des Terrains bekleidet hatte, leitete das Ganze. Dem Grafen zur Seite stand ein junger Ingenieur, Capitän Juan Bessieres, in der Akademie dieser Truppe gut ausgebildet und persönlich sehr brav, damals einziger Officier seiner Waffe in dem Heer Cabrera's. Die Stadt selbst war in Bezirke abgetheilt worden, deren jeder durch die amphitheatralische Lage der Gebäude über einander und durch die von Osten nach Westen laufenden Straßen des Orts mit Etagenfeuer versehen ward, zu welchem Behuf die hintern Facen der Häuser crenellirt worden waren. 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Auch trafen jede Nacht Munitionssendungen von Cantavieja ein.</p><lb/> <p>Mehrere Bürgerhäuser waren zur Aufnahme der Verwundeten eingerichtet worden; doch leider mangelte es durchaus an geschickten Chirurgen. – Es ist eine Thatsache und keine Fabel, daß mehrere Amputationen mit der Holzaxt vollführt worden sind, und noch wandern heute einige lebendige Exemplare solcher ächt factiosischen Operationen auf ihren Krücken in den Straßen Morella's oder in den Invalidendepots in Benasal und San Mateo herum, hierunter auch ein ehrlicher Pommer, der bei Morella das Bein verlor.</p><lb/> <p>Während die gegenseitigen Armeen außerhalb der Stadt in ununterbrochenen Gefechten, fast immer zum Vortheil der Carlisten, sich herumschlugen, verweilte Cabrera nur in den Ruhestunden des Nachts in Morella, um alle nöthigen Anordnungen zu treffen, und die Ausführung jeder einzelnen, wäre es auch die der geringfügigsten, zu untersuchen. Für Cabrera ist jede Sache gleich wichtig, und wenn es auch nur die Pflege und Wartung eines einzigen seiner muchachos (Jungens) betraf. Dieß ein abermaliger Grund, welcher die fast abgöttische Liebe des gemeinen Soldaten zu Cabrera erklärt. Cabrera fand nur Gelegenheit zu loben, fast niemals zu tadeln. 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Philosophen Christian Wolf betrifft, läßt uns einen Blick in die hohe Sinnesart des großen Königs thun. Die Cabinetsordre, deren Original sich in der Berliner königlichen Bibliothek befindet, ist aus Charlottenburg vom 6 Jun. 1740 datirt und lautet folgendermaßen: „Würdiger, besonders Lieber, Getreuer. Ihr habet nochmals an den Regierungsrath Wolf zu schreiben, ob er sich nunmehro nicht entschließen könne in meine Dienste zu gehen, und würde ich ihm alle raisonable Conditiones accordiren. Ich bin u. s. w.“ Höchst merkwürdig aber ist der bekannte Nachsatz von Friedrichs eigener Hand: „Ich bitte Ihn, Sich um des Wolfen Mühe zu geben; ein Mensch, der die Wahrheit sucht, und sie liebt, muß unter aller menschlichen Gesellschaft werth gehalten werden, und glaube ich, daß Er eine Conquete im Lande der Wahrheit gemacht hat, wenn er den Wolf hierher persuadirt. Wenn der Wolf hier kommen wird, so hat es keine Schwierigkeit, denn Unsere Akademie muß nicht zur Parade, sondern zur Instruction seyn. Friedrich.“
Die Belagerung von Morella.
(Fortsetzung.)
Den nächsten Tag, am 3 August, ward seit dem 23 v. M. unsern Truppen die erste Ruhe vergönnt, die der ebenfalls gänzlich erschöpfte Feind nicht zu stören wagte.
Bis hierher hatte die Festung bei den täglichen und stündlichen Gefechten, auf kaum eine halbe Stunde Entfernung, nur den schweigenden Zuschauer gemacht, wenn auch einzelne Kanonenschüsse oder weit hinaus geworfene Bomben vom Castillo herab ein Lebenszeichen gegeben hatten. Im Innern der Festung herrschte jedoch die höchste Regsamkeit, indem sich Alles darauf vorbereitete, den Feind würdig zu empfangen. Der General hatte unter der Elite seiner Armee die Besatzung, ungefähr 1000 Mann, selbst ausgewählt, von welchen vier Compagnien des 2ten Bataillons von Tortosa unter ihrem ersten Commandanten, Oberstlieutenant Salvador de Palacios, das Castillo besetzt hielten. – Don Manuel Salvador de Palacios ist ein junger schöner Mann, welcher sich in den wenigen Jahren dieses Krieges vom untersten Rang eines Soldaten (denn der Tod Ferdinands VII traf ihn als Unterofficier der königlichen Garde) durch ausgezeichnete persönliche Tapferkeit und militärische Kenntnisse schnell gehoben hatte, und in diesem Augenblick (März 1840) als General und Chef der Division von Tortosa, Cabrera's Garde genannt, vorsteht. *) Das Bataillon der sogenannten Guiden von Aragon, nebst den von den kampffähigen Einwohnern des Orts freiwillig gebildeten Bataillonen, waren mit der Vertheidigung der Stadt selbst beauftragt. – Die Citadelle und einige innere Werke waren mit schweren Geschützen gut besetzt und die wenigen leichtern Kanonen in den Thürmen aufgestellt, um die äußere Mauer und die tiefen Gräben zu flankiren, welche an der westlichen Seite am Fuße der Festung sich hinziehen. Zu eben angeführtem Zweck wurden einige der vielen, nach alter Art sich hoch über die Mauer erhebenden Thürme abgetragen und zur Aufstellung von Geschützen eingerichtet. 400 Artilleristen, unter Befehl des Obersten Luis Solér, eines theoretisch gebildeten Officiers, mit einer Anzahl tüchtiger Officiere und einigen Compagnien Sappeurs sorgten für den Dienst ihrer Waffen. Oberst Ramon O'Callaghan war Gouverneur, und der Mariscal de Campo, Graf v. Negri, welchen Cabrera mit dem Oberbefehl der Veste, des Castillo und nächsten Bereichs des Terrains bekleidet hatte, leitete das Ganze. Dem Grafen zur Seite stand ein junger Ingenieur, Capitän Juan Bessieres, in der Akademie dieser Truppe gut ausgebildet und persönlich sehr brav, damals einziger Officier seiner Waffe in dem Heer Cabrera's. Die Stadt selbst war in Bezirke abgetheilt worden, deren jeder durch die amphitheatralische Lage der Gebäude über einander und durch die von Osten nach Westen laufenden Straßen des Orts mit Etagenfeuer versehen ward, zu welchem Behuf die hintern Facen der Häuser crenellirt worden waren. Vier Stabsofficiere befehligten in diesen Abtheilungen, die durch enge Querstraßen, welche die parallellaufenden Häusermassen abtheilten, so bestimmt wurden, daß jeder Bezirk von Castillo ausging und an der Umfangsmauer die Basis fand.
Als ein Zeichen des vortrefflichen Geistes, welcher die Vertheidiger beseelte, verdient die gespannteste Erwartung genannt zu werden, mit welcher die Besatzung der Zeit und besonders dem Ort der Mauer, an welchen Bresche gelegt werden würde, entgegensah, und als endlich die Mauer der zweiten Abtheilung diese gefährliche Auszeichnung traf, wurde Ramon Morales, ein junger tüchtiger Cavallerie-Oberst, welcher hier befehligte, von seinen Mitbewerbern wahrhaft beneidet. Munition für Artillerie und Besatzung war genügend vorhanden, und Lebensmittel für die ganze Armee in großen Massen aufgehäuft worden. Während der langen Dauer der Belagerung fehlte es daher nie an Brod, Fleisch und Wein, besonders da die Communication mit der Bedeckungsarmee nie ganz unterbrochen worden ist. Auch trafen jede Nacht Munitionssendungen von Cantavieja ein.
Mehrere Bürgerhäuser waren zur Aufnahme der Verwundeten eingerichtet worden; doch leider mangelte es durchaus an geschickten Chirurgen. – Es ist eine Thatsache und keine Fabel, daß mehrere Amputationen mit der Holzaxt vollführt worden sind, und noch wandern heute einige lebendige Exemplare solcher ächt factiosischen Operationen auf ihren Krücken in den Straßen Morella's oder in den Invalidendepots in Benasal und San Mateo herum, hierunter auch ein ehrlicher Pommer, der bei Morella das Bein verlor.
Während die gegenseitigen Armeen außerhalb der Stadt in ununterbrochenen Gefechten, fast immer zum Vortheil der Carlisten, sich herumschlugen, verweilte Cabrera nur in den Ruhestunden des Nachts in Morella, um alle nöthigen Anordnungen zu treffen, und die Ausführung jeder einzelnen, wäre es auch die der geringfügigsten, zu untersuchen. Für Cabrera ist jede Sache gleich wichtig, und wenn es auch nur die Pflege und Wartung eines einzigen seiner muchachos (Jungens) betraf. Dieß ein abermaliger Grund, welcher die fast abgöttische Liebe des gemeinen Soldaten zu Cabrera erklärt. Cabrera fand nur Gelegenheit zu loben, fast niemals zu tadeln. Vor Allen gebührt, wie immer, den Einwohnern des Landes, so wie hier im speciellen Falle den Bürgern von Morella die höchste Anerkennung ihrer freiwillig dargebrachten Opfer.
Am 5 August Mittags versammelte Cabrera die Garnison Morella's, stellte ihr in kräftiger Rede die nahe bevorstehende Gefahr vor Augen, ermahnte Alle und Jeden, eingedenk und treu der Losung: „Sieg oder Tod“ zu bleiben, und schloß mit den Worten: schwört mir, „wenn es seyn muß, mit mir, euch unter die Ruinen Morella's zu begraben.“ Alle beugten die Kniee, und zum Himmel stieg ihr mit Enthusiasmus gesprochener Eid: „Wir schwören es!“ Es war dieß auch der Eid von Tausenden von Bürgern und Frauen Morella's, welche in buntem Gemisch unter einander, auf ihren Knieen liegend, die Soldaten umgaben und sich freiwillig dem Festmoment angeschlossen hatten. Sie gelobten, unaufgefordert,
*) Diese Division, niemals im Dienst als Garde bezeichnet, ward nur von den übrigen Truppen so genannt.
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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