Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 161. Augsburg, 9. Juni 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Consulaten angesehen werden, und daß alle Publicisten die Consulate der ganzen Levante als ihrem Wesen nach politische Posten betrachten."

Die Deputirtenkammer endigte am 3 Junius die Erörterung über das Budget des öffentlichen Unterrichts, und begann noch die Erörterung über das Budget des Innern. Neben Bewilligung von 200,000 Fr. für Errichtung von salles d'asyle, die wir gestern erwähnt, bewilligte sie auch die Errichtung von zwei neuen k. Collegien zu Angouleme und la Rochelle. Aus Anlaß des 20sten Cap. "Unterstützungen für Gelehrte und Litteratoren 243,800 Fr." enthüllte Hr. Taschereau viele Mißbräuche, die sich bei Austheilung solcher Belohnungen eingeschlichen hätten. Bei Verhandlung des Budgets des Innern drückte in Betreff der k. Theater Hr. Auguis den Wunsch aus, daß sie künftig nicht mehr unter der Direction der Regierung, sondern unter einer Municipaldirection stehen sollten, und will einen Abzug von 200,00 Fr. an der im 16 Cap. bestimmten Summe von 1,087,000 Fr. Der Berichterstatter Hr. Ducos erklärt, daß die den Theatern bewilligten Unterstützungen auf Verträgen beruhen, die man nicht brechen könne. Die Unterstützungen seyen jetzt geringer als früher. Auch habe die Regierung gedacht, daß das italienische Theater die Unterstützung entbehren könne, und diese gestrichen.

Die Kammer fährt fort, im Galopp das Ausgabenbudget zu votiren, nur bei Gelegenheit des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten soll eine Pause eintreten, um die verschiedenen Gesetzesentwürfe über die den Eisenbahnunternehmungen durch den Staat zu leistenden Unterstützungen zu debatiren. Es kommen, wie gewöhnlich, allerlei für einzelne Minister nicht sehr ehrenvolle Punkte zur Sprache: z. B. über bedeutende Summen, die verschiedenen obscuren Litteraten ohne Dienstleistungen oder andere triftige Gründe hingegeben wurden; die Ankäufe verschiedener Zeitungen für Rechnung des Cabinets, welches jetzt außer dem Moniteur universel das Eigenthum des Moniteur parisien und des Messager besitzt; außerdem kaufte es noch um vieles Geld den Nouvelliste, der aus Mangel an Abonnenten auf dem Punkte stand, zu Grunde zu gehen, und den das Cabinet sodann eingehen ließ, so daß der Kaufpreis ganz vergeblich angewendet war. Die ehemaligen gemäßigten Oppositionsblätter stehen jetzt beinahe sämmtlich zur Verfügung des Cabinets, namentlich das Siecle, der Courrier francais und der Temps, beide erstere wegen der Verbindungen, worin ihre Redactoren oder die sie leitenden Deputirten der Linken mit den Mitgliedern des Cabinets stehen, letzterer, dem Vernehmen nach, mit Hülfe der geheimen Fonds. Das Journal des Debats und die Presse sind Hofjournale, es bleiben für die gemäßigte Opposition nur das Commerce und das Capitole, dann für die äußerste Linke der National. Es ist die Rede von Bildung einiger Gesellschaften zur Herausgabe neuer Oppositionsblätter; unter andern beabsichtigt Hr. Lesseps, der ausgetretene Hauptredacteur des Commerce, die Gründung eines neuen ähnlichen Blattes. Wenn das Cabinet die Kammer auflöst, bevor die Zahl der wirklichen Oppositionsblätter sich vermehrt hat, so trägt deren Mangel sicher dazu bei, dem Ministerium seinen Sieg bei den Wahlen zu erleichtern. - Das Cabinet erwartet die Rückkehr der Herzoge von Orleans und von Aumale, um einen Entschluß in Betreff der Rückberufung des Marschalls Vallee zu fassen; der dieser Tage veröffentlichte Bericht dieses Oberbefehlshabers über den letzten Feldzug hat sich die Kritik sämmtlicher Oberofficiere zugezogen: alle machen Chorus gegen ihn, weil - sie sich persönlich oder ihre Freunde an seine Stelle sehnen. Aspiranten gibt es nicht weniger als neun, nämlich die Marschälle Clauzel und Molitor, dann die Generallieutenants Trezel, Graf Reille, Rulhieres, Subervic, Berthezenne, Bugeaud und Cubieres; alle lassen alle möglichen Intriguen spielen. - Die Negociationen über die neapolitanischen Angelegenheiten haben noch immer nicht begonnen; es circuliren hier folgende Nachrichten. Die letzten Instructionen des neapolitanischen Botschafters, wonach er vor Allem auf der vorläufigen Freigebung der durch die englische Marine nach Malta aufgebrachten Schiffe bestand, sollen vom Könige allein ausgegangen seyn, gegen die Ansichten des Staatsraths. Se. Maj. nimmt alle nachgesuchten Entlassungen hoher Staatsbeamten an; eine der letzten war die des Staatsrathssecretärs Capriola. Der König scheint die Partei Murat, unter andern auch den General Filangieri, zu den Geschäften berufen zu wollen, ein Umstand, der in Rom und andern Nachbarstaaten Besorgnisse verbreitet. Auch beginnt der König Mißtrauen gegen Hrn. Thiers zu fassen, weil er erfahren hat, daß sein Schwiegervater, Hr. Dosne, bei der Compagnie Taix interessirt ist, und Hr. Thiers stets darauf besteht, es gebühre dieser Compagnie eine Entschädigung von 2,500,000 Ducaten. Bei dem reizbaren Charakter des Königs ist eine Sinnesänderung leicht möglich, die das ganze Vermittelungsgeschäft zerstören könnte. Davon, daß die Unterhandlungen in Neapel stattfinden sollen, weiß man hier noch nichts, begreift aber das Interesse des Hrn. Thiers, mit allen Kräften gegen einen solchen Plan zu wirken. - Den im Budget des öffentlichen Unterrichts gebilligten Gehalt eines neuen Mitglieds des Conseil royal d'instruction publique hat Hr. Cousin für Hrn. Rossi bestimmt, der dadurch die fünfte salarirte Stelle erhält. Mehrere eingeborne Concurrenten behaupten, die verschiedenen aufeinander gefolgten Cabinette seyen in Hinsicht des berühmten Italieners mit Blindheit geschlagen, indem in allen seinen Arbeiten bereits jetzt die sonst verbotene Cumulirung mehrerer Stellen äußerst fühlbar sey.

Niederlande.

In dem Streit zwischen der Regierung und der Kammer ergibt sich eine neue unerwartete Schwierigkeit. Der neue Entwurf zur Aufhebung des Syndikats fand keinen sonderlichen Beifall, theils wegen der noch immer nicht klaren Auseinandersetzung der Lage des Syndikats, theils und vornehmlich, weil in dem Gesetzesentwurf ein Anlehen von 10 Millionen eingeschoben ist. Darum will die Kammer denselben auf die Spätjahrsitzung verschieben, die Regierung aber, welche die gegenwärtige Sitzung der Generalstaaten nach Abfertigung der anhängigen Entwürfe über das Syndikat, das Strafgesetzbuch und das Grundgesetz schließen will, scheint die Absicht zu hegen, die Frage über das Syndikat jetzt zum Schluß zu bringen. Es scheint hier der alte Grund des Streits obzuwalten, nämlich die Vertuschung zahlreicher Unregelmäßigkeiten während der jetzt noch herrschenden Unklarheit in den Finanzen. - Wenn die Kammer die Entwürfe in Betreff der Revision des Grundgesetzes annimmt, so sieht man einer außerordentlichen Versammlung der Generalstaaten in gedoppelter Zahl während des Julius oder August entgegen. - Im Widerspruch mit der kürzlich gegebenen Nachricht über das Abbrechen der Unterhandlungen in Paris theilt jetzt der Avondbode einen Brief aus letzterer Stadt mit, worin nicht nur die Hoffnung ausgesprochen ist, daß es bald zu einem für beide Länder erwünschten Handelsvertrag kommen werde, sondern sogar behauptet wird, Hr. Rochussen, der am 20 Mai von Paris abgereist sey, habe bereits einen Vertragsentwurf nach dem Haag mitgenommen, um ihn dem Haager Hofe zur Gutheißung vorzulegen.

Consulaten angesehen werden, und daß alle Publicisten die Consulate der ganzen Levante als ihrem Wesen nach politische Posten betrachten.“

Die Deputirtenkammer endigte am 3 Junius die Erörterung über das Budget des öffentlichen Unterrichts, und begann noch die Erörterung über das Budget des Innern. Neben Bewilligung von 200,000 Fr. für Errichtung von salles d'asyle, die wir gestern erwähnt, bewilligte sie auch die Errichtung von zwei neuen k. Collegien zu Angoulème und la Rochelle. Aus Anlaß des 20sten Cap. „Unterstützungen für Gelehrte und Litteratoren 243,800 Fr.“ enthüllte Hr. Taschereau viele Mißbräuche, die sich bei Austheilung solcher Belohnungen eingeschlichen hätten. Bei Verhandlung des Budgets des Innern drückte in Betreff der k. Theater Hr. Auguis den Wunsch aus, daß sie künftig nicht mehr unter der Direction der Regierung, sondern unter einer Municipaldirection stehen sollten, und will einen Abzug von 200,00 Fr. an der im 16 Cap. bestimmten Summe von 1,087,000 Fr. Der Berichterstatter Hr. Ducos erklärt, daß die den Theatern bewilligten Unterstützungen auf Verträgen beruhen, die man nicht brechen könne. Die Unterstützungen seyen jetzt geringer als früher. Auch habe die Regierung gedacht, daß das italienische Theater die Unterstützung entbehren könne, und diese gestrichen.

Die Kammer fährt fort, im Galopp das Ausgabenbudget zu votiren, nur bei Gelegenheit des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten soll eine Pause eintreten, um die verschiedenen Gesetzesentwürfe über die den Eisenbahnunternehmungen durch den Staat zu leistenden Unterstützungen zu debatiren. Es kommen, wie gewöhnlich, allerlei für einzelne Minister nicht sehr ehrenvolle Punkte zur Sprache: z. B. über bedeutende Summen, die verschiedenen obscuren Litteraten ohne Dienstleistungen oder andere triftige Gründe hingegeben wurden; die Ankäufe verschiedener Zeitungen für Rechnung des Cabinets, welches jetzt außer dem Moniteur universel das Eigenthum des Moniteur parisien und des Messager besitzt; außerdem kaufte es noch um vieles Geld den Nouvelliste, der aus Mangel an Abonnenten auf dem Punkte stand, zu Grunde zu gehen, und den das Cabinet sodann eingehen ließ, so daß der Kaufpreis ganz vergeblich angewendet war. Die ehemaligen gemäßigten Oppositionsblätter stehen jetzt beinahe sämmtlich zur Verfügung des Cabinets, namentlich das Siècle, der Courrier français und der Temps, beide erstere wegen der Verbindungen, worin ihre Redactoren oder die sie leitenden Deputirten der Linken mit den Mitgliedern des Cabinets stehen, letzterer, dem Vernehmen nach, mit Hülfe der geheimen Fonds. Das Journal des Débats und die Presse sind Hofjournale, es bleiben für die gemäßigte Opposition nur das Commerce und das Capitole, dann für die äußerste Linke der National. Es ist die Rede von Bildung einiger Gesellschaften zur Herausgabe neuer Oppositionsblätter; unter andern beabsichtigt Hr. Lesseps, der ausgetretene Hauptredacteur des Commerce, die Gründung eines neuen ähnlichen Blattes. Wenn das Cabinet die Kammer auflöst, bevor die Zahl der wirklichen Oppositionsblätter sich vermehrt hat, so trägt deren Mangel sicher dazu bei, dem Ministerium seinen Sieg bei den Wahlen zu erleichtern. – Das Cabinet erwartet die Rückkehr der Herzoge von Orleans und von Aumale, um einen Entschluß in Betreff der Rückberufung des Marschalls Vallée zu fassen; der dieser Tage veröffentlichte Bericht dieses Oberbefehlshabers über den letzten Feldzug hat sich die Kritik sämmtlicher Oberofficiere zugezogen: alle machen Chorus gegen ihn, weil – sie sich persönlich oder ihre Freunde an seine Stelle sehnen. Aspiranten gibt es nicht weniger als neun, nämlich die Marschälle Clauzel und Molitor, dann die Generallieutenants Trezel, Graf Reille, Rulhières, Subervic, Berthezènne, Bugeaud und Cubières; alle lassen alle möglichen Intriguen spielen. – Die Negociationen über die neapolitanischen Angelegenheiten haben noch immer nicht begonnen; es circuliren hier folgende Nachrichten. Die letzten Instructionen des neapolitanischen Botschafters, wonach er vor Allem auf der vorläufigen Freigebung der durch die englische Marine nach Malta aufgebrachten Schiffe bestand, sollen vom Könige allein ausgegangen seyn, gegen die Ansichten des Staatsraths. Se. Maj. nimmt alle nachgesuchten Entlassungen hoher Staatsbeamten an; eine der letzten war die des Staatsrathssecretärs Capriola. Der König scheint die Partei Murat, unter andern auch den General Filangieri, zu den Geschäften berufen zu wollen, ein Umstand, der in Rom und andern Nachbarstaaten Besorgnisse verbreitet. Auch beginnt der König Mißtrauen gegen Hrn. Thiers zu fassen, weil er erfahren hat, daß sein Schwiegervater, Hr. Dosne, bei der Compagnie Taix interessirt ist, und Hr. Thiers stets darauf besteht, es gebühre dieser Compagnie eine Entschädigung von 2,500,000 Ducaten. Bei dem reizbaren Charakter des Königs ist eine Sinnesänderung leicht möglich, die das ganze Vermittelungsgeschäft zerstören könnte. Davon, daß die Unterhandlungen in Neapel stattfinden sollen, weiß man hier noch nichts, begreift aber das Interesse des Hrn. Thiers, mit allen Kräften gegen einen solchen Plan zu wirken. – Den im Budget des öffentlichen Unterrichts gebilligten Gehalt eines neuen Mitglieds des Conseil royal d'instruction publique hat Hr. Cousin für Hrn. Rossi bestimmt, der dadurch die fünfte salarirte Stelle erhält. Mehrere eingeborne Concurrenten behaupten, die verschiedenen aufeinander gefolgten Cabinette seyen in Hinsicht des berühmten Italieners mit Blindheit geschlagen, indem in allen seinen Arbeiten bereits jetzt die sonst verbotene Cumulirung mehrerer Stellen äußerst fühlbar sey.

Niederlande.

In dem Streit zwischen der Regierung und der Kammer ergibt sich eine neue unerwartete Schwierigkeit. Der neue Entwurf zur Aufhebung des Syndikats fand keinen sonderlichen Beifall, theils wegen der noch immer nicht klaren Auseinandersetzung der Lage des Syndikats, theils und vornehmlich, weil in dem Gesetzesentwurf ein Anlehen von 10 Millionen eingeschoben ist. Darum will die Kammer denselben auf die Spätjahrsitzung verschieben, die Regierung aber, welche die gegenwärtige Sitzung der Generalstaaten nach Abfertigung der anhängigen Entwürfe über das Syndikat, das Strafgesetzbuch und das Grundgesetz schließen will, scheint die Absicht zu hegen, die Frage über das Syndikat jetzt zum Schluß zu bringen. Es scheint hier der alte Grund des Streits obzuwalten, nämlich die Vertuschung zahlreicher Unregelmäßigkeiten während der jetzt noch herrschenden Unklarheit in den Finanzen. – Wenn die Kammer die Entwürfe in Betreff der Revision des Grundgesetzes annimmt, so sieht man einer außerordentlichen Versammlung der Generalstaaten in gedoppelter Zahl während des Julius oder August entgegen. – Im Widerspruch mit der kürzlich gegebenen Nachricht über das Abbrechen der Unterhandlungen in Paris theilt jetzt der Avondbode einen Brief aus letzterer Stadt mit, worin nicht nur die Hoffnung ausgesprochen ist, daß es bald zu einem für beide Länder erwünschten Handelsvertrag kommen werde, sondern sogar behauptet wird, Hr. Rochussen, der am 20 Mai von Paris abgereist sey, habe bereits einen Vertragsentwurf nach dem Haag mitgenommen, um ihn dem Haager Hofe zur Gutheißung vorzulegen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0006" n="1286"/>
Consulaten angesehen werden, und daß alle Publicisten die Consulate der ganzen Levante als ihrem Wesen nach politische Posten betrachten.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#g">Deputirtenkammer</hi> endigte am 3 Junius die Erörterung über das Budget des öffentlichen Unterrichts, und begann noch die Erörterung über das Budget des Innern. Neben Bewilligung von 200,000 Fr. für Errichtung von salles d'asyle, die wir gestern erwähnt, bewilligte sie auch die Errichtung von zwei neuen k. Collegien zu Angoulème und la Rochelle. Aus Anlaß des 20sten Cap. &#x201E;Unterstützungen für Gelehrte und Litteratoren 243,800 Fr.&#x201C; enthüllte Hr. Taschereau viele Mißbräuche, die sich bei Austheilung solcher Belohnungen eingeschlichen hätten. Bei Verhandlung des Budgets des Innern drückte in Betreff der k. Theater Hr. Auguis den Wunsch aus, daß sie künftig nicht mehr unter der Direction der Regierung, sondern unter einer Municipaldirection stehen sollten, und will einen Abzug von 200,00 Fr. an der im 16 Cap. bestimmten Summe von 1,087,000 Fr. Der Berichterstatter Hr. Ducos erklärt, daß die den Theatern bewilligten Unterstützungen auf Verträgen beruhen, die man nicht brechen könne. Die Unterstützungen seyen jetzt geringer als früher. Auch habe die Regierung gedacht, daß das italienische Theater die Unterstützung entbehren könne, und diese gestrichen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 4 Jun.</dateline>
          <p> Die Kammer fährt fort, im Galopp das Ausgabenbudget zu votiren, nur bei Gelegenheit des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten soll eine Pause eintreten, um die verschiedenen Gesetzesentwürfe über die den Eisenbahnunternehmungen durch den Staat zu leistenden Unterstützungen zu debatiren. Es kommen, wie gewöhnlich, allerlei für einzelne Minister nicht sehr ehrenvolle Punkte zur Sprache: z. B. über bedeutende Summen, die verschiedenen obscuren Litteraten ohne Dienstleistungen oder andere triftige Gründe hingegeben wurden; die Ankäufe verschiedener Zeitungen für Rechnung des Cabinets, welches jetzt außer dem Moniteur universel das Eigenthum des Moniteur parisien und des Messager besitzt; außerdem kaufte es noch um vieles Geld den Nouvelliste, der aus Mangel an Abonnenten auf dem Punkte stand, zu Grunde zu gehen, und den das Cabinet sodann eingehen ließ, so daß der Kaufpreis ganz vergeblich angewendet war. Die ehemaligen gemäßigten Oppositionsblätter stehen jetzt beinahe sämmtlich zur Verfügung des Cabinets, namentlich das Siècle, der Courrier français und der Temps, beide erstere wegen der Verbindungen, worin ihre Redactoren oder die sie leitenden Deputirten der Linken mit den Mitgliedern des Cabinets stehen, letzterer, dem Vernehmen nach, mit Hülfe der geheimen Fonds. Das Journal des Débats und die Presse sind Hofjournale, es bleiben für die gemäßigte Opposition nur das Commerce und das Capitole, dann für die äußerste Linke der National. Es ist die Rede von Bildung einiger Gesellschaften zur Herausgabe neuer Oppositionsblätter; unter andern beabsichtigt Hr. Lesseps, der ausgetretene Hauptredacteur des Commerce, die Gründung eines neuen ähnlichen Blattes. Wenn das Cabinet die Kammer auflöst, bevor die Zahl der wirklichen Oppositionsblätter sich vermehrt hat, so trägt deren Mangel sicher dazu bei, dem Ministerium seinen Sieg bei den Wahlen zu erleichtern. &#x2013; Das Cabinet erwartet die Rückkehr der Herzoge von Orleans und von Aumale, um einen Entschluß in Betreff der Rückberufung des Marschalls Vallée zu fassen; der dieser Tage veröffentlichte Bericht dieses Oberbefehlshabers über den letzten Feldzug hat sich die Kritik sämmtlicher Oberofficiere zugezogen: alle machen Chorus gegen ihn, weil &#x2013; sie sich persönlich oder ihre Freunde an seine Stelle sehnen. Aspiranten gibt es nicht weniger als neun, nämlich die Marschälle Clauzel und Molitor, dann die Generallieutenants Trezel, Graf Reille, Rulhières, Subervic, Berthezènne, Bugeaud und Cubières; alle lassen alle möglichen Intriguen spielen. &#x2013; Die Negociationen über die neapolitanischen Angelegenheiten haben noch immer nicht begonnen; es circuliren hier folgende Nachrichten. Die letzten Instructionen des neapolitanischen Botschafters, wonach er vor Allem auf der vorläufigen Freigebung der durch die englische Marine nach Malta aufgebrachten Schiffe bestand, sollen vom Könige allein ausgegangen seyn, gegen die Ansichten des Staatsraths. Se. Maj. nimmt alle nachgesuchten Entlassungen hoher Staatsbeamten an; eine der letzten war die des Staatsrathssecretärs Capriola. Der König scheint die Partei Murat, unter andern auch den General Filangieri, zu den Geschäften berufen zu wollen, ein Umstand, der in Rom und andern Nachbarstaaten Besorgnisse verbreitet. Auch beginnt der König Mißtrauen gegen Hrn. Thiers zu fassen, weil er erfahren hat, daß sein Schwiegervater, Hr. Dosne, bei der Compagnie Taix interessirt ist, und Hr. Thiers stets darauf besteht, es gebühre dieser Compagnie eine Entschädigung von 2,500,000 Ducaten. Bei dem reizbaren Charakter des Königs ist eine Sinnesänderung leicht möglich, die das ganze Vermittelungsgeschäft zerstören könnte. Davon, daß die Unterhandlungen in Neapel stattfinden sollen, weiß man hier noch nichts, begreift aber das Interesse des Hrn. Thiers, mit allen Kräften gegen einen solchen Plan zu wirken. &#x2013; Den im Budget des öffentlichen Unterrichts gebilligten Gehalt eines neuen Mitglieds des Conseil royal d'instruction publique hat Hr. Cousin für Hrn. Rossi bestimmt, der dadurch die fünfte salarirte Stelle erhält. Mehrere eingeborne Concurrenten behaupten, die verschiedenen aufeinander gefolgten Cabinette seyen in Hinsicht des berühmten Italieners mit Blindheit geschlagen, indem in allen seinen Arbeiten bereits jetzt die sonst verbotene Cumulirung mehrerer Stellen äußerst fühlbar sey.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Niederlande.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Vom Niederrhein,</hi> 2 Jun.</dateline>
          <p> In dem Streit zwischen der Regierung und der Kammer ergibt sich eine neue unerwartete Schwierigkeit. Der neue Entwurf zur Aufhebung des Syndikats fand keinen sonderlichen Beifall, theils wegen der noch immer nicht klaren Auseinandersetzung der Lage des Syndikats, theils und vornehmlich, weil in dem Gesetzesentwurf ein Anlehen von 10 Millionen eingeschoben ist. Darum will die Kammer denselben auf die Spätjahrsitzung verschieben, die Regierung aber, welche die gegenwärtige Sitzung der Generalstaaten nach Abfertigung der anhängigen Entwürfe über das Syndikat, das Strafgesetzbuch und das Grundgesetz schließen will, scheint die Absicht zu hegen, die Frage über das Syndikat jetzt zum Schluß zu bringen. Es scheint hier der alte Grund des Streits obzuwalten, nämlich die Vertuschung zahlreicher Unregelmäßigkeiten während der jetzt noch herrschenden Unklarheit in den Finanzen. &#x2013; Wenn die Kammer die Entwürfe in Betreff der Revision des Grundgesetzes annimmt, so sieht man einer außerordentlichen Versammlung der Generalstaaten in gedoppelter Zahl während des Julius oder August entgegen. &#x2013; Im Widerspruch mit der kürzlich gegebenen Nachricht über das Abbrechen der Unterhandlungen in Paris theilt jetzt der Avondbode einen Brief aus letzterer Stadt mit, worin nicht nur die Hoffnung ausgesprochen ist, daß es bald zu einem für beide Länder erwünschten Handelsvertrag kommen werde, sondern sogar behauptet wird, Hr. Rochussen, der am 20 Mai von Paris abgereist sey, habe bereits einen Vertragsentwurf nach dem Haag mitgenommen, um ihn dem Haager Hofe zur Gutheißung vorzulegen.</p>
        </div>
      </div><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1286/0006] Consulaten angesehen werden, und daß alle Publicisten die Consulate der ganzen Levante als ihrem Wesen nach politische Posten betrachten.“ Die Deputirtenkammer endigte am 3 Junius die Erörterung über das Budget des öffentlichen Unterrichts, und begann noch die Erörterung über das Budget des Innern. Neben Bewilligung von 200,000 Fr. für Errichtung von salles d'asyle, die wir gestern erwähnt, bewilligte sie auch die Errichtung von zwei neuen k. Collegien zu Angoulème und la Rochelle. Aus Anlaß des 20sten Cap. „Unterstützungen für Gelehrte und Litteratoren 243,800 Fr.“ enthüllte Hr. Taschereau viele Mißbräuche, die sich bei Austheilung solcher Belohnungen eingeschlichen hätten. Bei Verhandlung des Budgets des Innern drückte in Betreff der k. Theater Hr. Auguis den Wunsch aus, daß sie künftig nicht mehr unter der Direction der Regierung, sondern unter einer Municipaldirection stehen sollten, und will einen Abzug von 200,00 Fr. an der im 16 Cap. bestimmten Summe von 1,087,000 Fr. Der Berichterstatter Hr. Ducos erklärt, daß die den Theatern bewilligten Unterstützungen auf Verträgen beruhen, die man nicht brechen könne. Die Unterstützungen seyen jetzt geringer als früher. Auch habe die Regierung gedacht, daß das italienische Theater die Unterstützung entbehren könne, und diese gestrichen. _ Paris, 4 Jun. Die Kammer fährt fort, im Galopp das Ausgabenbudget zu votiren, nur bei Gelegenheit des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten soll eine Pause eintreten, um die verschiedenen Gesetzesentwürfe über die den Eisenbahnunternehmungen durch den Staat zu leistenden Unterstützungen zu debatiren. Es kommen, wie gewöhnlich, allerlei für einzelne Minister nicht sehr ehrenvolle Punkte zur Sprache: z. B. über bedeutende Summen, die verschiedenen obscuren Litteraten ohne Dienstleistungen oder andere triftige Gründe hingegeben wurden; die Ankäufe verschiedener Zeitungen für Rechnung des Cabinets, welches jetzt außer dem Moniteur universel das Eigenthum des Moniteur parisien und des Messager besitzt; außerdem kaufte es noch um vieles Geld den Nouvelliste, der aus Mangel an Abonnenten auf dem Punkte stand, zu Grunde zu gehen, und den das Cabinet sodann eingehen ließ, so daß der Kaufpreis ganz vergeblich angewendet war. Die ehemaligen gemäßigten Oppositionsblätter stehen jetzt beinahe sämmtlich zur Verfügung des Cabinets, namentlich das Siècle, der Courrier français und der Temps, beide erstere wegen der Verbindungen, worin ihre Redactoren oder die sie leitenden Deputirten der Linken mit den Mitgliedern des Cabinets stehen, letzterer, dem Vernehmen nach, mit Hülfe der geheimen Fonds. Das Journal des Débats und die Presse sind Hofjournale, es bleiben für die gemäßigte Opposition nur das Commerce und das Capitole, dann für die äußerste Linke der National. Es ist die Rede von Bildung einiger Gesellschaften zur Herausgabe neuer Oppositionsblätter; unter andern beabsichtigt Hr. Lesseps, der ausgetretene Hauptredacteur des Commerce, die Gründung eines neuen ähnlichen Blattes. Wenn das Cabinet die Kammer auflöst, bevor die Zahl der wirklichen Oppositionsblätter sich vermehrt hat, so trägt deren Mangel sicher dazu bei, dem Ministerium seinen Sieg bei den Wahlen zu erleichtern. – Das Cabinet erwartet die Rückkehr der Herzoge von Orleans und von Aumale, um einen Entschluß in Betreff der Rückberufung des Marschalls Vallée zu fassen; der dieser Tage veröffentlichte Bericht dieses Oberbefehlshabers über den letzten Feldzug hat sich die Kritik sämmtlicher Oberofficiere zugezogen: alle machen Chorus gegen ihn, weil – sie sich persönlich oder ihre Freunde an seine Stelle sehnen. Aspiranten gibt es nicht weniger als neun, nämlich die Marschälle Clauzel und Molitor, dann die Generallieutenants Trezel, Graf Reille, Rulhières, Subervic, Berthezènne, Bugeaud und Cubières; alle lassen alle möglichen Intriguen spielen. – Die Negociationen über die neapolitanischen Angelegenheiten haben noch immer nicht begonnen; es circuliren hier folgende Nachrichten. Die letzten Instructionen des neapolitanischen Botschafters, wonach er vor Allem auf der vorläufigen Freigebung der durch die englische Marine nach Malta aufgebrachten Schiffe bestand, sollen vom Könige allein ausgegangen seyn, gegen die Ansichten des Staatsraths. Se. Maj. nimmt alle nachgesuchten Entlassungen hoher Staatsbeamten an; eine der letzten war die des Staatsrathssecretärs Capriola. Der König scheint die Partei Murat, unter andern auch den General Filangieri, zu den Geschäften berufen zu wollen, ein Umstand, der in Rom und andern Nachbarstaaten Besorgnisse verbreitet. Auch beginnt der König Mißtrauen gegen Hrn. Thiers zu fassen, weil er erfahren hat, daß sein Schwiegervater, Hr. Dosne, bei der Compagnie Taix interessirt ist, und Hr. Thiers stets darauf besteht, es gebühre dieser Compagnie eine Entschädigung von 2,500,000 Ducaten. Bei dem reizbaren Charakter des Königs ist eine Sinnesänderung leicht möglich, die das ganze Vermittelungsgeschäft zerstören könnte. Davon, daß die Unterhandlungen in Neapel stattfinden sollen, weiß man hier noch nichts, begreift aber das Interesse des Hrn. Thiers, mit allen Kräften gegen einen solchen Plan zu wirken. – Den im Budget des öffentlichen Unterrichts gebilligten Gehalt eines neuen Mitglieds des Conseil royal d'instruction publique hat Hr. Cousin für Hrn. Rossi bestimmt, der dadurch die fünfte salarirte Stelle erhält. Mehrere eingeborne Concurrenten behaupten, die verschiedenen aufeinander gefolgten Cabinette seyen in Hinsicht des berühmten Italieners mit Blindheit geschlagen, indem in allen seinen Arbeiten bereits jetzt die sonst verbotene Cumulirung mehrerer Stellen äußerst fühlbar sey. Niederlande. _ Vom Niederrhein, 2 Jun. In dem Streit zwischen der Regierung und der Kammer ergibt sich eine neue unerwartete Schwierigkeit. Der neue Entwurf zur Aufhebung des Syndikats fand keinen sonderlichen Beifall, theils wegen der noch immer nicht klaren Auseinandersetzung der Lage des Syndikats, theils und vornehmlich, weil in dem Gesetzesentwurf ein Anlehen von 10 Millionen eingeschoben ist. Darum will die Kammer denselben auf die Spätjahrsitzung verschieben, die Regierung aber, welche die gegenwärtige Sitzung der Generalstaaten nach Abfertigung der anhängigen Entwürfe über das Syndikat, das Strafgesetzbuch und das Grundgesetz schließen will, scheint die Absicht zu hegen, die Frage über das Syndikat jetzt zum Schluß zu bringen. Es scheint hier der alte Grund des Streits obzuwalten, nämlich die Vertuschung zahlreicher Unregelmäßigkeiten während der jetzt noch herrschenden Unklarheit in den Finanzen. – Wenn die Kammer die Entwürfe in Betreff der Revision des Grundgesetzes annimmt, so sieht man einer außerordentlichen Versammlung der Generalstaaten in gedoppelter Zahl während des Julius oder August entgegen. – Im Widerspruch mit der kürzlich gegebenen Nachricht über das Abbrechen der Unterhandlungen in Paris theilt jetzt der Avondbode einen Brief aus letzterer Stadt mit, worin nicht nur die Hoffnung ausgesprochen ist, daß es bald zu einem für beide Länder erwünschten Handelsvertrag kommen werde, sondern sogar behauptet wird, Hr. Rochussen, der am 20 Mai von Paris abgereist sey, habe bereits einen Vertragsentwurf nach dem Haag mitgenommen, um ihn dem Haager Hofe zur Gutheißung vorzulegen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_161_18400609
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_161_18400609/6
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 161. Augsburg, 9. Juni 1840, S. 1286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_161_18400609/6>, abgerufen am 21.11.2024.