Allgemeine Zeitung. Nr. 181. Augsburg, 29. Juni 1840.von dem spanischen Kriegsschauplatze angesehen werden müssen - die, oft so einseitigen oder grundlosen Darstellungen und Urtheile über Thatsachen und Personen antrifft, so wird es jedem Besser Unterrichteten zur Pflicht, dem Publicum die Wahrheit in geschichtlichen Thatsachen vorzulegen. Vorauszuschicken ist jedoch hiebei die Bitte an die Leser, Urtheile, wie sie bloß bei den, in rein politischen Kriegen gegen einander kämpfenden Heeren ihre volle Anwendung finden, nicht auf die Verhältnisse des spanischen Bürgerkrieges überzutragen. Man stelle sich wo möglich auf den Standpunkt objectiver Beschauung der Begebenheiten und denke sich in die Lage von Truppenbefehlshabern streitender Parteien, die von dem Geiste eines Kampfes auf Leben und Tod erfüllt sind; dann erst wird man freier und unbefangener denselben überblicken können. Unter den Männern, welche für den Carlismus in Spanien fochten und deren Thaten und Anstrengungen heute noch die constitutionelle Regierung und das unglückliche Land in Furcht und Schrecken setzen, ist der General Balmesada oben an zu stellen. Er hat des dahinsiechenden Cabrera's Vermächtniß aufgenommen. Juan de Balmaseda wurde in Altcastilien geboren und von wohlhabenden Eltern schon früh zur Militärcarriere bestimmt, wonach seine Erziehung, den damals in Spanien bestehenden Principien gemäß, sich regelte. Wir finden ihn bereits in den letzten Regierungsjahren Ferdinands VII als Oberstlieutenant der Cavallerie in Madrid, woselbst er zu den wissenschaftlich gebildeten Officieren seiner Waffe gezählt wurde. Ende 1833 zog er, die Rechte des angestammten Thronerben anerkennend, nach Portugal, mit diesem Schritte seine politische Ansicht beurkundend. Er diente dort im Stabe des alten Generals Moreno, welcher ihn mehr für einen umsichtigen und gewandten Officier, als für jenen kühnen, unbeugsamen Charakter hielt, wie er sich in den letzten Jahren des spanischen Bürgerkriegs bekannt gemacht hat. Später in Biscaya befehligte Balmaseda nur untergeordnete Reiterabtheilungen; seine Tüchtigkeit als Feldsoldat ward niemals in Zweifel gesetzt, aber seine Obern klagten über dessen strafbaren Hang eher befehlen als gehorchen zu wollen, was natürlich mit den untern Graden des Dienstes unverträglich ist. Gleichgestellte und Untergebene dagegen liebten und schätzten ihn als Freund und Beschützer. - In der Negri'schen Expedition führte Oberst Balmaseda eine Cavalleriebrigade; doch schon nach den ersten Märschen beschwerten sich die ihm vorgesetzten Generale über die Unabhängigkeitssucht und mangelhafte Subordination des Führers, während sie die strenge Disciplin seiner Soldaten lobend erwähnen mußten. Gar bald des nutzlosen Herumziehens müde, verließ Balmaseda mit seinen Reitern die Negri'sche Expedition und verblieb in den Wäldern von Soria und am Duero, dem frühern Tummelplatze Merino's. Er ward wegen dieses eigenmächtigen Schrittes mit Recht angeklagt; da jedoch Negri total geschlagen wurde, er aber als Sieger in Castiliens Gebirgen herrschte (wo er unter andern in Quintanar de la Sierra den christinischen General Zobo überfiel, tödtete, und sein ganzes Corps vernichtete), so wurde er zum Brigadier und Generalcommandanten seiner Geburtsprovinz ernannt. Maroto war mittlerweile an die Spitze der Carlistischen Armee in Biscaya und Navarra getreten, und rief Balmaseda, der sich bereits mit mehreren Bataillonen und 300 Pferden jenseits des Ebro festgesetzt hatte, im Namen des Königs zurück, und gab ihm eine untergeordnete Stellung in der Armee. Dieß entflammte den ehrsüchtigen Castilianer; er versuchte daher mehreremale sein früheres Spiel, wurde aber durch Maroto vom Commando gänzlich entfernt. - Parteigeist gab hierüber schon damals die Auslegung (welche sich später leider nur allzuwahr befunden), daß Balmaseda einen verrätherischen Briefwechsel zwischen Maroto und Espartero aufgefangen, darauf gepocht und dafür zur Strafe nach Segura, einer kleinen Bergstadt in Guipuscoa, verbannt worden sey. - In dem Gefecht bei Sesma (Ende November 1838), welches Maroto gegen Diego Leon lieferte, sollen Balmaseda's verwaiste Reiter den Angriff auf den Feind verweigert, Maroto der äußersten Gefahr ausgesetzt und die Vernichtung des Gegners - wie Maroto's Bericht lautete - verhindert haben. Balmaseda ward nunmehr der sogenannten navarresischen Partei und des Ministers Arias Teijeiros eifrigster Anhänger, auch sollte er auf Maroto's Befehl mit den Häuptern derselben in Estella erschossen werden, entkam aber - gewarnt durch eine hochgestellte Person - nach Altcastilien, wohin ihm 150 seiner Getreuen folgten. Von vier verschiedenen christinischen Cavallerie-Abtheilungen umstellt und getrieben, gelangte Balmaseda nach vielen Kreuz- und Quermärschen Anfangs April 1839 glücklich nach Aragon, woselbst ihm Cabrera eine ehrenvolle Stellung im Heer anwies. - Bei einer darauf stattgehabten Operation nach dem Königreich Valencia begegnete ich zum erstenmale Balmaseda, den ich bisher noch nie gesehen hatte. Ich erwähne dieß bloß, um den Eindruck zu schildern, den seine persönliche Erscheinung damals auf mich machte. Es ist ein großer, schöner Vierziger von imposantem und sehr kräftigem Körperbau, tief gebräuntem Antlitze, schwarzen Augen und Haaren, Römernase und Stirn, aber ironisch widrigem Schnitte des Mundes und Kinns. Sehr beredt in Wort und Miene, schien es mir dennoch, als ob seine langen Tiraden über Treue für den König und seine heilige Sache mehr Sprachübung als Gefühlserzeugniß waren; denn sie klangen, im reinsten castilianischen Dialekt gesprochen, dem Ohre wohl, verfehlten aber den Weg zum Herzen. Nur wenn Balmaseda seinen glühenden Haß gegen Maroto und die andern Verräther berührte, war Alles an ihm Wahrheit und Leben. Einige schmeichelhafte Bemerkungen über seinen eben beendeten Zug durch beide Castilien und die Mancha, so wie entfernte Anklänge unserer Ansichten über Maroto gewannen mir leicht den eitlen Spanier; spätere freundschaftliche Verhältnisse begründeten sich jedoch auch meinerseits auf die Achtung, welche ich ihm als ausgezeichnet bravem und wissenschaftlich gebildetem Militär zuwendete, welcher sich außerdem noch unter allen höhern Officieren in der Armee Cabrera's durch feine, einnehmende und gefällige Manieren im Umgange hervorhob. In einem der nächsten Gefechte sah ich Balmaseda's Reiter mit ihren blutrothen und schwarzen Lanzenfähnchen, die das "memento mori" deuten sollen, da sie weder Pardon geben noch erhalten. Es war eine kleine, aber trefflich ausgebildete Schaar, welche in allen Gefechten, wo sie ihrer Waffe gegenüber aufgetreten, Sieger geblieben ist; auch liebte und verehrte sie ihren kühnen Führer fast abgöttisch. - Sie erzählten mit ächt castilianischem Ernste und Pathos, wie Don Juan - (der Spanier nennt immer nur den Vornamen) - stets im Gefechte der Erste und Kühnste und das Schrecken der Christinos sey, von denen er, bei dem letzten gefahrvollen Zuge und steten Gefechten mit breitem Pallasch in kräftiger Faust oft ein halb Duzend bis zum Sattelknopf gespalten habe. Bei diesen Uebertreibungen der getreuen Reiter brachte ich stillschweigend in Anrechnung, daß ein großer Theil dieser Kämpfe in der La Mancha Don Quixotischen Andenkens stattgefunden hatte. - So viel ist jedoch gewiß, daß Balmaseda eine ungewöhnliche Körperkraft besitzt, und als Fechter mit Lanze und Schwert nicht viel seinesgleichen im heutigen Spanien antreffen wird. - Er rivalisirte, wie in diesen Leibesübungen, von dem spanischen Kriegsschauplatze angesehen werden müssen – die, oft so einseitigen oder grundlosen Darstellungen und Urtheile über Thatsachen und Personen antrifft, so wird es jedem Besser Unterrichteten zur Pflicht, dem Publicum die Wahrheit in geschichtlichen Thatsachen vorzulegen. Vorauszuschicken ist jedoch hiebei die Bitte an die Leser, Urtheile, wie sie bloß bei den, in rein politischen Kriegen gegen einander kämpfenden Heeren ihre volle Anwendung finden, nicht auf die Verhältnisse des spanischen Bürgerkrieges überzutragen. Man stelle sich wo möglich auf den Standpunkt objectiver Beschauung der Begebenheiten und denke sich in die Lage von Truppenbefehlshabern streitender Parteien, die von dem Geiste eines Kampfes auf Leben und Tod erfüllt sind; dann erst wird man freier und unbefangener denselben überblicken können. Unter den Männern, welche für den Carlismus in Spanien fochten und deren Thaten und Anstrengungen heute noch die constitutionelle Regierung und das unglückliche Land in Furcht und Schrecken setzen, ist der General Balmesada oben an zu stellen. Er hat des dahinsiechenden Cabrera's Vermächtniß aufgenommen. Juan de Balmaseda wurde in Altcastilien geboren und von wohlhabenden Eltern schon früh zur Militärcarrière bestimmt, wonach seine Erziehung, den damals in Spanien bestehenden Principien gemäß, sich regelte. Wir finden ihn bereits in den letzten Regierungsjahren Ferdinands VII als Oberstlieutenant der Cavallerie in Madrid, woselbst er zu den wissenschaftlich gebildeten Officieren seiner Waffe gezählt wurde. Ende 1833 zog er, die Rechte des angestammten Thronerben anerkennend, nach Portugal, mit diesem Schritte seine politische Ansicht beurkundend. Er diente dort im Stabe des alten Generals Moreno, welcher ihn mehr für einen umsichtigen und gewandten Officier, als für jenen kühnen, unbeugsamen Charakter hielt, wie er sich in den letzten Jahren des spanischen Bürgerkriegs bekannt gemacht hat. Später in Biscaya befehligte Balmaseda nur untergeordnete Reiterabtheilungen; seine Tüchtigkeit als Feldsoldat ward niemals in Zweifel gesetzt, aber seine Obern klagten über dessen strafbaren Hang eher befehlen als gehorchen zu wollen, was natürlich mit den untern Graden des Dienstes unverträglich ist. Gleichgestellte und Untergebene dagegen liebten und schätzten ihn als Freund und Beschützer. – In der Negri'schen Expedition führte Oberst Balmaseda eine Cavalleriebrigade; doch schon nach den ersten Märschen beschwerten sich die ihm vorgesetzten Generale über die Unabhängigkeitssucht und mangelhafte Subordination des Führers, während sie die strenge Disciplin seiner Soldaten lobend erwähnen mußten. Gar bald des nutzlosen Herumziehens müde, verließ Balmaseda mit seinen Reitern die Negri'sche Expedition und verblieb in den Wäldern von Soria und am Duero, dem frühern Tummelplatze Merino's. Er ward wegen dieses eigenmächtigen Schrittes mit Recht angeklagt; da jedoch Negri total geschlagen wurde, er aber als Sieger in Castiliens Gebirgen herrschte (wo er unter andern in Quintanar de la Sierra den christinischen General Zobo überfiel, tödtete, und sein ganzes Corps vernichtete), so wurde er zum Brigadier und Generalcommandanten seiner Geburtsprovinz ernannt. Maroto war mittlerweile an die Spitze der Carlistischen Armee in Biscaya und Navarra getreten, und rief Balmaseda, der sich bereits mit mehreren Bataillonen und 300 Pferden jenseits des Ebro festgesetzt hatte, im Namen des Königs zurück, und gab ihm eine untergeordnete Stellung in der Armee. Dieß entflammte den ehrsüchtigen Castilianer; er versuchte daher mehreremale sein früheres Spiel, wurde aber durch Maroto vom Commando gänzlich entfernt. – Parteigeist gab hierüber schon damals die Auslegung (welche sich später leider nur allzuwahr befunden), daß Balmaseda einen verrätherischen Briefwechsel zwischen Maroto und Espartero aufgefangen, darauf gepocht und dafür zur Strafe nach Segura, einer kleinen Bergstadt in Guipuscoa, verbannt worden sey. – In dem Gefecht bei Sesma (Ende November 1838), welches Maroto gegen Diego Leon lieferte, sollen Balmaseda's verwaiste Reiter den Angriff auf den Feind verweigert, Maroto der äußersten Gefahr ausgesetzt und die Vernichtung des Gegners – wie Maroto's Bericht lautete – verhindert haben. Balmaseda ward nunmehr der sogenannten navarresischen Partei und des Ministers Arias Teijeiros eifrigster Anhänger, auch sollte er auf Maroto's Befehl mit den Häuptern derselben in Estella erschossen werden, entkam aber – gewarnt durch eine hochgestellte Person – nach Altcastilien, wohin ihm 150 seiner Getreuen folgten. Von vier verschiedenen christinischen Cavallerie-Abtheilungen umstellt und getrieben, gelangte Balmaseda nach vielen Kreuz- und Quermärschen Anfangs April 1839 glücklich nach Aragon, woselbst ihm Cabrera eine ehrenvolle Stellung im Heer anwies. – Bei einer darauf stattgehabten Operation nach dem Königreich Valencia begegnete ich zum erstenmale Balmaseda, den ich bisher noch nie gesehen hatte. Ich erwähne dieß bloß, um den Eindruck zu schildern, den seine persönliche Erscheinung damals auf mich machte. Es ist ein großer, schöner Vierziger von imposantem und sehr kräftigem Körperbau, tief gebräuntem Antlitze, schwarzen Augen und Haaren, Römernase und Stirn, aber ironisch widrigem Schnitte des Mundes und Kinns. Sehr beredt in Wort und Miene, schien es mir dennoch, als ob seine langen Tiraden über Treue für den König und seine heilige Sache mehr Sprachübung als Gefühlserzeugniß waren; denn sie klangen, im reinsten castilianischen Dialekt gesprochen, dem Ohre wohl, verfehlten aber den Weg zum Herzen. Nur wenn Balmaseda seinen glühenden Haß gegen Maroto und die andern Verräther berührte, war Alles an ihm Wahrheit und Leben. Einige schmeichelhafte Bemerkungen über seinen eben beendeten Zug durch beide Castilien und die Mancha, so wie entfernte Anklänge unserer Ansichten über Maroto gewannen mir leicht den eitlen Spanier; spätere freundschaftliche Verhältnisse begründeten sich jedoch auch meinerseits auf die Achtung, welche ich ihm als ausgezeichnet bravem und wissenschaftlich gebildetem Militär zuwendete, welcher sich außerdem noch unter allen höhern Officieren in der Armee Cabrera's durch feine, einnehmende und gefällige Manieren im Umgange hervorhob. In einem der nächsten Gefechte sah ich Balmaseda's Reiter mit ihren blutrothen und schwarzen Lanzenfähnchen, die das „memento mori“ deuten sollen, da sie weder Pardon geben noch erhalten. Es war eine kleine, aber trefflich ausgebildete Schaar, welche in allen Gefechten, wo sie ihrer Waffe gegenüber aufgetreten, Sieger geblieben ist; auch liebte und verehrte sie ihren kühnen Führer fast abgöttisch. – Sie erzählten mit ächt castilianischem Ernste und Pathos, wie Don Juan – (der Spanier nennt immer nur den Vornamen) – stets im Gefechte der Erste und Kühnste und das Schrecken der Christinos sey, von denen er, bei dem letzten gefahrvollen Zuge und steten Gefechten mit breitem Pallasch in kräftiger Faust oft ein halb Duzend bis zum Sattelknopf gespalten habe. Bei diesen Uebertreibungen der getreuen Reiter brachte ich stillschweigend in Anrechnung, daß ein großer Theil dieser Kämpfe in der La Mancha Don Quixotischen Andenkens stattgefunden hatte. – So viel ist jedoch gewiß, daß Balmaseda eine ungewöhnliche Körperkraft besitzt, und als Fechter mit Lanze und Schwert nicht viel seinesgleichen im heutigen Spanien antreffen wird. – Er rivalisirte, wie in diesen Leibesübungen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0011" n="1435"/> von dem spanischen Kriegsschauplatze angesehen werden müssen – die, oft so einseitigen oder grundlosen Darstellungen und Urtheile über Thatsachen und Personen antrifft, so wird es jedem Besser Unterrichteten zur Pflicht, dem Publicum die Wahrheit in geschichtlichen Thatsachen vorzulegen. Vorauszuschicken ist jedoch hiebei die Bitte an die Leser, Urtheile, wie sie bloß bei den, in rein politischen Kriegen gegen einander kämpfenden Heeren ihre volle Anwendung finden, nicht auf die Verhältnisse des spanischen Bürgerkrieges überzutragen. Man stelle sich wo möglich auf den Standpunkt objectiver Beschauung der Begebenheiten und denke sich in die Lage von Truppenbefehlshabern streitender Parteien, die von dem Geiste eines Kampfes auf Leben und Tod erfüllt sind; dann erst wird man freier und unbefangener denselben überblicken können.</p><lb/> <p>Unter den Männern, welche für den Carlismus in Spanien fochten und deren Thaten und Anstrengungen heute noch die constitutionelle Regierung und das unglückliche Land in Furcht und Schrecken setzen, ist der General Balmesada oben an zu stellen. Er hat des dahinsiechenden Cabrera's Vermächtniß aufgenommen. Juan de Balmaseda wurde in Altcastilien geboren und von wohlhabenden Eltern schon früh zur Militärcarrière bestimmt, wonach seine Erziehung, den damals in Spanien bestehenden Principien gemäß, sich regelte. Wir finden ihn bereits in den letzten Regierungsjahren Ferdinands VII als Oberstlieutenant der Cavallerie in Madrid, woselbst er zu den wissenschaftlich gebildeten Officieren seiner Waffe gezählt wurde. Ende 1833 zog er, die Rechte des angestammten Thronerben anerkennend, nach Portugal, mit diesem Schritte seine politische Ansicht beurkundend. Er diente dort im Stabe des alten Generals Moreno, welcher ihn mehr für einen umsichtigen und gewandten Officier, als für jenen kühnen, unbeugsamen Charakter hielt, wie er sich in den letzten Jahren des spanischen Bürgerkriegs bekannt gemacht hat. Später in Biscaya befehligte Balmaseda nur untergeordnete Reiterabtheilungen; seine Tüchtigkeit als Feldsoldat ward niemals in Zweifel gesetzt, aber seine Obern klagten über dessen strafbaren Hang eher befehlen als gehorchen zu wollen, was natürlich mit den untern Graden des Dienstes unverträglich ist. Gleichgestellte und Untergebene dagegen liebten und schätzten ihn als Freund und Beschützer. – In der Negri'schen Expedition führte Oberst Balmaseda eine Cavalleriebrigade; doch schon nach den ersten Märschen beschwerten sich die ihm vorgesetzten Generale über die Unabhängigkeitssucht und mangelhafte Subordination des Führers, während sie die strenge Disciplin seiner Soldaten lobend erwähnen mußten. Gar bald des nutzlosen Herumziehens müde, verließ Balmaseda mit seinen Reitern die Negri'sche Expedition und verblieb in den Wäldern von Soria und am Duero, dem frühern Tummelplatze Merino's. Er ward wegen dieses eigenmächtigen Schrittes mit Recht angeklagt; da jedoch Negri total geschlagen wurde, er aber als Sieger in Castiliens Gebirgen herrschte (wo er unter andern in Quintanar de la Sierra den christinischen General Zobo überfiel, tödtete, und sein ganzes Corps vernichtete), so wurde er zum Brigadier und Generalcommandanten seiner Geburtsprovinz ernannt.</p><lb/> <p>Maroto war mittlerweile an die Spitze der Carlistischen Armee in Biscaya und Navarra getreten, und rief Balmaseda, der sich bereits mit mehreren Bataillonen und 300 Pferden jenseits des Ebro festgesetzt hatte, im Namen <hi rendition="#g">des Königs zurück</hi>, und gab ihm eine untergeordnete Stellung in der Armee.</p><lb/> <p>Dieß entflammte den ehrsüchtigen Castilianer; er versuchte daher mehreremale sein früheres Spiel, wurde aber durch Maroto vom Commando gänzlich entfernt. – Parteigeist gab hierüber schon damals die Auslegung (welche sich später leider nur allzuwahr befunden), daß Balmaseda einen verrätherischen Briefwechsel zwischen Maroto und Espartero aufgefangen, darauf gepocht und dafür zur Strafe nach Segura, einer kleinen Bergstadt in Guipuscoa, verbannt worden sey. – In dem Gefecht bei Sesma (Ende November 1838), welches Maroto gegen Diego Leon lieferte, sollen Balmaseda's verwaiste Reiter den Angriff auf den Feind verweigert, Maroto der äußersten Gefahr ausgesetzt und die Vernichtung des Gegners – wie Maroto's Bericht lautete – verhindert haben.</p><lb/> <p>Balmaseda ward nunmehr der sogenannten navarresischen Partei und des Ministers Arias Teijeiros eifrigster Anhänger, auch sollte er auf Maroto's Befehl mit den Häuptern derselben in Estella erschossen werden, entkam aber – gewarnt durch eine hochgestellte Person – nach Altcastilien, wohin ihm 150 seiner Getreuen folgten. Von vier verschiedenen christinischen Cavallerie-Abtheilungen umstellt und getrieben, gelangte Balmaseda nach vielen Kreuz- und Quermärschen Anfangs April 1839 glücklich nach Aragon, woselbst ihm Cabrera eine ehrenvolle Stellung im Heer anwies. – Bei einer darauf stattgehabten Operation nach dem Königreich Valencia begegnete ich zum erstenmale Balmaseda, den ich bisher noch nie gesehen hatte. Ich erwähne dieß bloß, um den Eindruck zu schildern, den seine persönliche Erscheinung damals auf mich machte.</p><lb/> <p>Es ist ein großer, schöner Vierziger von imposantem und sehr kräftigem Körperbau, tief gebräuntem Antlitze, schwarzen Augen und Haaren, Römernase und Stirn, aber ironisch widrigem Schnitte des Mundes und Kinns. Sehr beredt in Wort und Miene, schien es mir dennoch, als ob seine langen Tiraden über Treue für den König und seine heilige Sache mehr Sprachübung als Gefühlserzeugniß waren; denn sie klangen, im reinsten castilianischen Dialekt gesprochen, dem Ohre wohl, verfehlten aber den Weg zum Herzen. Nur wenn Balmaseda seinen glühenden Haß gegen Maroto und die andern Verräther berührte, war Alles an ihm Wahrheit und Leben. Einige schmeichelhafte Bemerkungen über seinen eben beendeten Zug durch beide Castilien und die Mancha, so wie entfernte Anklänge unserer Ansichten über Maroto gewannen mir leicht den eitlen Spanier; spätere freundschaftliche Verhältnisse begründeten sich jedoch auch meinerseits auf die Achtung, welche ich ihm als ausgezeichnet bravem und wissenschaftlich gebildetem Militär zuwendete, welcher sich außerdem noch unter allen höhern Officieren in der Armee Cabrera's durch feine, einnehmende und gefällige Manieren im Umgange hervorhob. In einem der nächsten Gefechte sah ich Balmaseda's Reiter mit ihren blutrothen und schwarzen Lanzenfähnchen, die das „memento mori“ deuten sollen, da sie weder Pardon geben noch erhalten. Es war eine kleine, aber trefflich ausgebildete Schaar, welche in allen Gefechten, wo sie ihrer Waffe gegenüber aufgetreten, Sieger geblieben ist; auch liebte und verehrte sie ihren kühnen Führer fast abgöttisch. – Sie erzählten mit ächt castilianischem Ernste und Pathos, wie Don Juan – (der Spanier nennt immer nur den Vornamen) – stets im Gefechte der Erste und Kühnste und das Schrecken der Christinos sey, von denen er, bei dem letzten gefahrvollen Zuge und steten Gefechten mit breitem Pallasch in kräftiger Faust oft ein halb Duzend bis zum Sattelknopf gespalten habe. Bei diesen Uebertreibungen der getreuen Reiter brachte ich stillschweigend in Anrechnung, daß ein großer Theil dieser Kämpfe in der La Mancha Don Quixotischen Andenkens stattgefunden hatte. – So viel ist jedoch gewiß, daß Balmaseda eine ungewöhnliche Körperkraft besitzt, und als Fechter mit Lanze und Schwert nicht viel seinesgleichen im heutigen Spanien antreffen wird. – Er rivalisirte, wie in diesen Leibesübungen,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [1435/0011]
von dem spanischen Kriegsschauplatze angesehen werden müssen – die, oft so einseitigen oder grundlosen Darstellungen und Urtheile über Thatsachen und Personen antrifft, so wird es jedem Besser Unterrichteten zur Pflicht, dem Publicum die Wahrheit in geschichtlichen Thatsachen vorzulegen. Vorauszuschicken ist jedoch hiebei die Bitte an die Leser, Urtheile, wie sie bloß bei den, in rein politischen Kriegen gegen einander kämpfenden Heeren ihre volle Anwendung finden, nicht auf die Verhältnisse des spanischen Bürgerkrieges überzutragen. Man stelle sich wo möglich auf den Standpunkt objectiver Beschauung der Begebenheiten und denke sich in die Lage von Truppenbefehlshabern streitender Parteien, die von dem Geiste eines Kampfes auf Leben und Tod erfüllt sind; dann erst wird man freier und unbefangener denselben überblicken können.
Unter den Männern, welche für den Carlismus in Spanien fochten und deren Thaten und Anstrengungen heute noch die constitutionelle Regierung und das unglückliche Land in Furcht und Schrecken setzen, ist der General Balmesada oben an zu stellen. Er hat des dahinsiechenden Cabrera's Vermächtniß aufgenommen. Juan de Balmaseda wurde in Altcastilien geboren und von wohlhabenden Eltern schon früh zur Militärcarrière bestimmt, wonach seine Erziehung, den damals in Spanien bestehenden Principien gemäß, sich regelte. Wir finden ihn bereits in den letzten Regierungsjahren Ferdinands VII als Oberstlieutenant der Cavallerie in Madrid, woselbst er zu den wissenschaftlich gebildeten Officieren seiner Waffe gezählt wurde. Ende 1833 zog er, die Rechte des angestammten Thronerben anerkennend, nach Portugal, mit diesem Schritte seine politische Ansicht beurkundend. Er diente dort im Stabe des alten Generals Moreno, welcher ihn mehr für einen umsichtigen und gewandten Officier, als für jenen kühnen, unbeugsamen Charakter hielt, wie er sich in den letzten Jahren des spanischen Bürgerkriegs bekannt gemacht hat. Später in Biscaya befehligte Balmaseda nur untergeordnete Reiterabtheilungen; seine Tüchtigkeit als Feldsoldat ward niemals in Zweifel gesetzt, aber seine Obern klagten über dessen strafbaren Hang eher befehlen als gehorchen zu wollen, was natürlich mit den untern Graden des Dienstes unverträglich ist. Gleichgestellte und Untergebene dagegen liebten und schätzten ihn als Freund und Beschützer. – In der Negri'schen Expedition führte Oberst Balmaseda eine Cavalleriebrigade; doch schon nach den ersten Märschen beschwerten sich die ihm vorgesetzten Generale über die Unabhängigkeitssucht und mangelhafte Subordination des Führers, während sie die strenge Disciplin seiner Soldaten lobend erwähnen mußten. Gar bald des nutzlosen Herumziehens müde, verließ Balmaseda mit seinen Reitern die Negri'sche Expedition und verblieb in den Wäldern von Soria und am Duero, dem frühern Tummelplatze Merino's. Er ward wegen dieses eigenmächtigen Schrittes mit Recht angeklagt; da jedoch Negri total geschlagen wurde, er aber als Sieger in Castiliens Gebirgen herrschte (wo er unter andern in Quintanar de la Sierra den christinischen General Zobo überfiel, tödtete, und sein ganzes Corps vernichtete), so wurde er zum Brigadier und Generalcommandanten seiner Geburtsprovinz ernannt.
Maroto war mittlerweile an die Spitze der Carlistischen Armee in Biscaya und Navarra getreten, und rief Balmaseda, der sich bereits mit mehreren Bataillonen und 300 Pferden jenseits des Ebro festgesetzt hatte, im Namen des Königs zurück, und gab ihm eine untergeordnete Stellung in der Armee.
Dieß entflammte den ehrsüchtigen Castilianer; er versuchte daher mehreremale sein früheres Spiel, wurde aber durch Maroto vom Commando gänzlich entfernt. – Parteigeist gab hierüber schon damals die Auslegung (welche sich später leider nur allzuwahr befunden), daß Balmaseda einen verrätherischen Briefwechsel zwischen Maroto und Espartero aufgefangen, darauf gepocht und dafür zur Strafe nach Segura, einer kleinen Bergstadt in Guipuscoa, verbannt worden sey. – In dem Gefecht bei Sesma (Ende November 1838), welches Maroto gegen Diego Leon lieferte, sollen Balmaseda's verwaiste Reiter den Angriff auf den Feind verweigert, Maroto der äußersten Gefahr ausgesetzt und die Vernichtung des Gegners – wie Maroto's Bericht lautete – verhindert haben.
Balmaseda ward nunmehr der sogenannten navarresischen Partei und des Ministers Arias Teijeiros eifrigster Anhänger, auch sollte er auf Maroto's Befehl mit den Häuptern derselben in Estella erschossen werden, entkam aber – gewarnt durch eine hochgestellte Person – nach Altcastilien, wohin ihm 150 seiner Getreuen folgten. Von vier verschiedenen christinischen Cavallerie-Abtheilungen umstellt und getrieben, gelangte Balmaseda nach vielen Kreuz- und Quermärschen Anfangs April 1839 glücklich nach Aragon, woselbst ihm Cabrera eine ehrenvolle Stellung im Heer anwies. – Bei einer darauf stattgehabten Operation nach dem Königreich Valencia begegnete ich zum erstenmale Balmaseda, den ich bisher noch nie gesehen hatte. Ich erwähne dieß bloß, um den Eindruck zu schildern, den seine persönliche Erscheinung damals auf mich machte.
Es ist ein großer, schöner Vierziger von imposantem und sehr kräftigem Körperbau, tief gebräuntem Antlitze, schwarzen Augen und Haaren, Römernase und Stirn, aber ironisch widrigem Schnitte des Mundes und Kinns. Sehr beredt in Wort und Miene, schien es mir dennoch, als ob seine langen Tiraden über Treue für den König und seine heilige Sache mehr Sprachübung als Gefühlserzeugniß waren; denn sie klangen, im reinsten castilianischen Dialekt gesprochen, dem Ohre wohl, verfehlten aber den Weg zum Herzen. Nur wenn Balmaseda seinen glühenden Haß gegen Maroto und die andern Verräther berührte, war Alles an ihm Wahrheit und Leben. Einige schmeichelhafte Bemerkungen über seinen eben beendeten Zug durch beide Castilien und die Mancha, so wie entfernte Anklänge unserer Ansichten über Maroto gewannen mir leicht den eitlen Spanier; spätere freundschaftliche Verhältnisse begründeten sich jedoch auch meinerseits auf die Achtung, welche ich ihm als ausgezeichnet bravem und wissenschaftlich gebildetem Militär zuwendete, welcher sich außerdem noch unter allen höhern Officieren in der Armee Cabrera's durch feine, einnehmende und gefällige Manieren im Umgange hervorhob. In einem der nächsten Gefechte sah ich Balmaseda's Reiter mit ihren blutrothen und schwarzen Lanzenfähnchen, die das „memento mori“ deuten sollen, da sie weder Pardon geben noch erhalten. Es war eine kleine, aber trefflich ausgebildete Schaar, welche in allen Gefechten, wo sie ihrer Waffe gegenüber aufgetreten, Sieger geblieben ist; auch liebte und verehrte sie ihren kühnen Führer fast abgöttisch. – Sie erzählten mit ächt castilianischem Ernste und Pathos, wie Don Juan – (der Spanier nennt immer nur den Vornamen) – stets im Gefechte der Erste und Kühnste und das Schrecken der Christinos sey, von denen er, bei dem letzten gefahrvollen Zuge und steten Gefechten mit breitem Pallasch in kräftiger Faust oft ein halb Duzend bis zum Sattelknopf gespalten habe. Bei diesen Uebertreibungen der getreuen Reiter brachte ich stillschweigend in Anrechnung, daß ein großer Theil dieser Kämpfe in der La Mancha Don Quixotischen Andenkens stattgefunden hatte. – So viel ist jedoch gewiß, daß Balmaseda eine ungewöhnliche Körperkraft besitzt, und als Fechter mit Lanze und Schwert nicht viel seinesgleichen im heutigen Spanien antreffen wird. – Er rivalisirte, wie in diesen Leibesübungen,
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