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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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wohin die Hexenmeister, wie es hieß, ihren Zug zu nehmen pfleg-
ten. Waren sie so glücklich, ihr Eigenthum wieder zu finden
-- was dann auf die natürlichste Art von der Welt zuging --, so
diente die Geschichte davon nur zu einem neuen Beweis über das
Spiel des Teufels. Da war niemand, der nicht, um dem bei
ihm geschehenen Diebstahl ein gewisses Ansehen, etwas Außer-
ordentliches zu geben, das eine oder das andere hinzugedichtet,
und so das seinige beigetragen hatte, das Märchen vollständig
zu machen. Bald hatte die erhitzte Phantasie ein ausführliches
Gemälde der Teufeleien entworfen. Ueber einem blutigen ermor-
deten Körper, so hieß es, verbänden sich die Räuber mit gräß-
lichem Eide. Belial selbst führe dabei das Präsidium, mustere
die Glieder, gebe die Diebstähle an, und helfe sie ausführen.
Einem jeden der Räuberbande, so fabelte man weiter, stehe ein
schwarzer zottiger Ziegenbock zu Gebote, mit dem er durch die
Luft zu reiten pflege, um seinen Raub weit, weit herzuholen. Von
dieser sonderbaren Reiterei bekamen denn allgemach die Räuber
den Namen der Bocksreiter. Jn langen Winterabenden wurden
von nun an tausend und tausend Geschichten von dem Leben,
den Thaten und dem schauerlichen Ende der Bocksreiter erzählt
und weit umher verbreitet. Begünstigt durch den Aberglauben
und die Furcht des Volks, die sie weit entfernt waren zu ver-
scheuchen, hörten die Räuber viele Jahrzehnde nicht auf, ihr
Schandgewerbe zu treiben, vielmehr vermehrte sich ihre Kühnheit
mit jedem Tage. Endlich erwachte die Justiz, und suchte durch
vermehrte Strenge 1) -- wie das fast jedes mal nach Epochen zu

1) Wirft man einen Blick hinüber nach Frankreich, so findet man, daß
dort das Räuberthum zu Anfang dieses Jahrhunderts in einer Weise hauste,
welche alle menschliche Begriffe übersteigt. Die Bande von Orgeres nament-
lich, welche ihre bestimmten Anführer, Districte, Disciplin, Justiz, ihre eigenen
Henker und sogar ihre eigenen Priester hatte, verübte eine zahllose Menge
gewaltthätiger Einbrüche, Straßenräubereien, Mordthaten, Nothzüchtigungen,
und fügte den Unglücklichen, welche in ihre Hände fielen, mit satanischer Lust
die ausgedachtesten Martern zu, bis endlich 21 dieser Bande von Teufeln
zum Tode und 32 zur Galeere verurtheilt wurden. Aus ihren Trümmern
Ave-Lallemant, Gaunerthum [I.] 7

wohin die Hexenmeiſter, wie es hieß, ihren Zug zu nehmen pfleg-
ten. Waren ſie ſo glücklich, ihr Eigenthum wieder zu finden
— was dann auf die natürlichſte Art von der Welt zuging —, ſo
diente die Geſchichte davon nur zu einem neuen Beweis über das
Spiel des Teufels. Da war niemand, der nicht, um dem bei
ihm geſchehenen Diebſtahl ein gewiſſes Anſehen, etwas Außer-
ordentliches zu geben, das eine oder das andere hinzugedichtet,
und ſo das ſeinige beigetragen hatte, das Märchen vollſtändig
zu machen. Bald hatte die erhitzte Phantaſie ein ausführliches
Gemälde der Teufeleien entworfen. Ueber einem blutigen ermor-
deten Körper, ſo hieß es, verbänden ſich die Räuber mit gräß-
lichem Eide. Belial ſelbſt führe dabei das Präſidium, muſtere
die Glieder, gebe die Diebſtähle an, und helfe ſie ausführen.
Einem jeden der Räuberbande, ſo fabelte man weiter, ſtehe ein
ſchwarzer zottiger Ziegenbock zu Gebote, mit dem er durch die
Luft zu reiten pflege, um ſeinen Raub weit, weit herzuholen. Von
dieſer ſonderbaren Reiterei bekamen denn allgemach die Räuber
den Namen der Bocksreiter. Jn langen Winterabenden wurden
von nun an tauſend und tauſend Geſchichten von dem Leben,
den Thaten und dem ſchauerlichen Ende der Bocksreiter erzählt
und weit umher verbreitet. Begünſtigt durch den Aberglauben
und die Furcht des Volks, die ſie weit entfernt waren zu ver-
ſcheuchen, hörten die Räuber viele Jahrzehnde nicht auf, ihr
Schandgewerbe zu treiben, vielmehr vermehrte ſich ihre Kühnheit
mit jedem Tage. Endlich erwachte die Juſtiz, und ſuchte durch
vermehrte Strenge 1) — wie das faſt jedes mal nach Epochen zu

1) Wirft man einen Blick hinüber nach Frankreich, ſo findet man, daß
dort das Räuberthum zu Anfang dieſes Jahrhunderts in einer Weiſe hauſte,
welche alle menſchliche Begriffe überſteigt. Die Bande von Orgères nament-
lich, welche ihre beſtimmten Anführer, Diſtricte, Disciplin, Juſtiz, ihre eigenen
Henker und ſogar ihre eigenen Prieſter hatte, verübte eine zahlloſe Menge
gewaltthätiger Einbrüche, Straßenräubereien, Mordthaten, Nothzüchtigungen,
und fügte den Unglücklichen, welche in ihre Hände fielen, mit ſataniſcher Luſt
die ausgedachteſten Martern zu, bis endlich 21 dieſer Bande von Teufeln
zum Tode und 32 zur Galeere verurtheilt wurden. Aus ihren Trümmern
Avé-Lallemant, Gaunerthum [I.] 7
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[97/0113] wohin die Hexenmeiſter, wie es hieß, ihren Zug zu nehmen pfleg- ten. Waren ſie ſo glücklich, ihr Eigenthum wieder zu finden — was dann auf die natürlichſte Art von der Welt zuging —, ſo diente die Geſchichte davon nur zu einem neuen Beweis über das Spiel des Teufels. Da war niemand, der nicht, um dem bei ihm geſchehenen Diebſtahl ein gewiſſes Anſehen, etwas Außer- ordentliches zu geben, das eine oder das andere hinzugedichtet, und ſo das ſeinige beigetragen hatte, das Märchen vollſtändig zu machen. Bald hatte die erhitzte Phantaſie ein ausführliches Gemälde der Teufeleien entworfen. Ueber einem blutigen ermor- deten Körper, ſo hieß es, verbänden ſich die Räuber mit gräß- lichem Eide. Belial ſelbſt führe dabei das Präſidium, muſtere die Glieder, gebe die Diebſtähle an, und helfe ſie ausführen. Einem jeden der Räuberbande, ſo fabelte man weiter, ſtehe ein ſchwarzer zottiger Ziegenbock zu Gebote, mit dem er durch die Luft zu reiten pflege, um ſeinen Raub weit, weit herzuholen. Von dieſer ſonderbaren Reiterei bekamen denn allgemach die Räuber den Namen der Bocksreiter. Jn langen Winterabenden wurden von nun an tauſend und tauſend Geſchichten von dem Leben, den Thaten und dem ſchauerlichen Ende der Bocksreiter erzählt und weit umher verbreitet. Begünſtigt durch den Aberglauben und die Furcht des Volks, die ſie weit entfernt waren zu ver- ſcheuchen, hörten die Räuber viele Jahrzehnde nicht auf, ihr Schandgewerbe zu treiben, vielmehr vermehrte ſich ihre Kühnheit mit jedem Tage. Endlich erwachte die Juſtiz, und ſuchte durch vermehrte Strenge 1) — wie das faſt jedes mal nach Epochen zu 1) Wirft man einen Blick hinüber nach Frankreich, ſo findet man, daß dort das Räuberthum zu Anfang dieſes Jahrhunderts in einer Weiſe hauſte, welche alle menſchliche Begriffe überſteigt. Die Bande von Orgères nament- lich, welche ihre beſtimmten Anführer, Diſtricte, Disciplin, Juſtiz, ihre eigenen Henker und ſogar ihre eigenen Prieſter hatte, verübte eine zahlloſe Menge gewaltthätiger Einbrüche, Straßenräubereien, Mordthaten, Nothzüchtigungen, und fügte den Unglücklichen, welche in ihre Hände fielen, mit ſataniſcher Luſt die ausgedachteſten Martern zu, bis endlich 21 dieſer Bande von Teufeln zum Tode und 32 zur Galeere verurtheilt wurden. Aus ihren Trümmern Avé-Lallemant, Gaunerthum I. 7

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/113>, abgerufen am 04.12.2024.