Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.von Jtalien her mit dem 15. Jahrhundert das Studium der Jener mit dem 15. Jahrhundert beginnenden Regung ist von Jtalien her mit dem 15. Jahrhundert das Studium der Jener mit dem 15. Jahrhundert beginnenden Regung iſt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0134" n="118"/> von Jtalien her mit dem 15. Jahrhundert das Studium der<lb/> alten claſſiſchen Literatur in Deutſchland Eingang fand, wurde<lb/> auch der große Unterſchied zwiſchen der Freiheit und Friſche der<lb/> antiken Lebensanſchauung und der mittelalterlichen Anſchauung,<lb/> welche die Bekämpfung der ſinnlichen Natur im Menſchen zu einer<lb/> Hauptaufgabe gemacht hatte, recht deutlich, und das deutſche Volk,<lb/> welches trotz aller Gegenwirkungen niemals ſeine geſunde friſche<lb/> und kräftige Natur ganz verloren hatte, wurde ſich dieſer ſeiner<lb/> Natur jetzt wieder recht lebendig bewußt, und fing an, ſich zum<lb/> eigenſten Volke zu conſtituiren und zu einem wahren freien<lb/><hi rendition="#g">Volksleben</hi> überzugehen, als deſſen deutlichſte und kräftigſte<lb/> Manifeſtation die <hi rendition="#g">Volkspoeſie</hi> erſcheint, in welche die ganze<lb/> deutſche Poeſie ſogar völlig aufgehen zu wollen ſchien. Zu dieſer<lb/> Regung kam auch die ſchon lange vorbereitete freiere <hi rendition="#g">religiöſe</hi><lb/> und <hi rendition="#g">humaniſtiſche</hi> Richtung, welche ſich mit jener nach einem<lb/> Ziele hinbewegte und gegen das Ende des 15. Jahrhunderts<lb/> auch <hi rendition="#g">äußerlich</hi> mit ihr <hi rendition="#g">verbunden</hi> wurde. Zu den merkwür-<lb/> digſten Erſcheinungen dieſer Zeit zählt <hi rendition="#g">Sebaſtian Brant</hi> (auch<lb/> Titio genannt, 1458—1520) und <hi rendition="#g">Geiler von Kaiſersberg</hi><lb/> (Johann Geiler 1445—1510), beide akademiſche Lehrer, beide<lb/> Männer von tiefer claſſiſcher Bildung, von klarer Natürlichkeit<lb/> und geſunder Weisheit, die mit ſcharfem objectiven Blick in das<lb/> Volk auf das entſchiedenſte die volksmäßige Richtung ihrer Zeit<lb/> begünſtigten, in derbem volksmäßigen Tone die Thorheit der Zeit<lb/> lächerlich machten und alle ihre Gebrechen, namentlich die ver-<lb/> ſunkenen kirchlichen Zuſtände, ſchonungslos bloßlegten.</p><lb/> <p>Jener mit dem 15. Jahrhundert beginnenden Regung iſt<lb/> auch die Gaunerliteratur gefolgt, die mit der merkwürdigen Be-<lb/> kanntmachung des baſeler Raths wegen „der Gilen und Lamen“<lb/> beginnend durch den Schreiber des Ebener’ſchen Manuſcripts und<lb/> durch den Chronikenſchreiber Johannes Knebel, Kaplan am Mün-<lb/> ſter zu Baſel, gewiſſermaßen ihre erſten Vertreter fand, bis der<lb/> Verfaſſer des <hi rendition="#aq">Liber Vagatorum</hi> den Stoff ſyſtematiſcher bear-<lb/> beitete, und gleichzeitig Sebaſtian Brant in ſeinem „Narrenſchiff“<lb/> und nach ihm Pamphilus Gengenbach zu Baſel den Stoff poetiſch<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [118/0134]
von Jtalien her mit dem 15. Jahrhundert das Studium der
alten claſſiſchen Literatur in Deutſchland Eingang fand, wurde
auch der große Unterſchied zwiſchen der Freiheit und Friſche der
antiken Lebensanſchauung und der mittelalterlichen Anſchauung,
welche die Bekämpfung der ſinnlichen Natur im Menſchen zu einer
Hauptaufgabe gemacht hatte, recht deutlich, und das deutſche Volk,
welches trotz aller Gegenwirkungen niemals ſeine geſunde friſche
und kräftige Natur ganz verloren hatte, wurde ſich dieſer ſeiner
Natur jetzt wieder recht lebendig bewußt, und fing an, ſich zum
eigenſten Volke zu conſtituiren und zu einem wahren freien
Volksleben überzugehen, als deſſen deutlichſte und kräftigſte
Manifeſtation die Volkspoeſie erſcheint, in welche die ganze
deutſche Poeſie ſogar völlig aufgehen zu wollen ſchien. Zu dieſer
Regung kam auch die ſchon lange vorbereitete freiere religiöſe
und humaniſtiſche Richtung, welche ſich mit jener nach einem
Ziele hinbewegte und gegen das Ende des 15. Jahrhunderts
auch äußerlich mit ihr verbunden wurde. Zu den merkwür-
digſten Erſcheinungen dieſer Zeit zählt Sebaſtian Brant (auch
Titio genannt, 1458—1520) und Geiler von Kaiſersberg
(Johann Geiler 1445—1510), beide akademiſche Lehrer, beide
Männer von tiefer claſſiſcher Bildung, von klarer Natürlichkeit
und geſunder Weisheit, die mit ſcharfem objectiven Blick in das
Volk auf das entſchiedenſte die volksmäßige Richtung ihrer Zeit
begünſtigten, in derbem volksmäßigen Tone die Thorheit der Zeit
lächerlich machten und alle ihre Gebrechen, namentlich die ver-
ſunkenen kirchlichen Zuſtände, ſchonungslos bloßlegten.
Jener mit dem 15. Jahrhundert beginnenden Regung iſt
auch die Gaunerliteratur gefolgt, die mit der merkwürdigen Be-
kanntmachung des baſeler Raths wegen „der Gilen und Lamen“
beginnend durch den Schreiber des Ebener’ſchen Manuſcripts und
durch den Chronikenſchreiber Johannes Knebel, Kaplan am Mün-
ſter zu Baſel, gewiſſermaßen ihre erſten Vertreter fand, bis der
Verfaſſer des Liber Vagatorum den Stoff ſyſtematiſcher bear-
beitete, und gleichzeitig Sebaſtian Brant in ſeinem „Narrenſchiff“
und nach ihm Pamphilus Gengenbach zu Baſel den Stoff poetiſch
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