Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.auffaßte und wiedergab. Alles was vor dem 15. Jahrhundert Sieht man wie die Literatur von den dürren chronistischen 1) "De literis et lingua Getarum sive Gothorum, item de notis Lom-
bardicis. Quibus accesserunt specimina variarum linguarum etc. editore Bon. Vulcanio Brugensi (Leyden 1597), ein sehr selten gewordenes, in vieler Hinsicht merkwürdiges und wichtiges Werk, von welchem später ausführlicher die Rede sein wird. auffaßte und wiedergab. Alles was vor dem 15. Jahrhundert Sieht man wie die Literatur von den dürren chroniſtiſchen 1) „De literis et lingua Getarum sive Gothorum, item de notis Lom-
bardicis. Quibus accesserunt specimina variarum linguarum etc. editore Bon. Vulcanio Brugensi (Leyden 1597), ein ſehr ſelten gewordenes, in vieler Hinſicht merkwürdiges und wichtiges Werk, von welchem ſpäter ausführlicher die Rede ſein wird. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0135" n="119"/> auffaßte und wiedergab. Alles was vor dem 15. Jahrhundert<lb/> in jenen vielen, aber zerſtreuten, chroniſtiſchen und archivalen Apho-<lb/> rismen vorhanden iſt, muß als ſpärliche literariſche Ausbeute dahin-<lb/> geſtellt bleiben, ſo ſehr dieſe Aphorismen auch beurkunden, wie<lb/> früh und wie tief das Gaunerthum in das Volk gedrungen war.<lb/> Sie ſind zum Theil jedoch in gaunerſprachlicher Hinſicht von<lb/> Wichtigkeit, und bieten in ihrer Bezüglichkeit auf die althochdeutſche<lb/> und niederdeutſche Sprache, ſowie auch auf das ſogenannte Jüdiſch-<lb/> Deutſche, großes Jntereſſe. Jn letzterer Hinſicht ſind es vor allem<lb/> die lombardiſchen Noten bei Vulcanius <note place="foot" n="1)">„<hi rendition="#aq">De literis et lingua Getarum sive Gothorum, item de notis Lom-<lb/> bardicis. Quibus accesserunt specimina variarum linguarum etc.<lb/> editore Bon. Vulcanio Brugensi</hi> (Leyden 1597), ein ſehr ſelten gewordenes,<lb/> in vieler Hinſicht merkwürdiges und wichtiges Werk, von welchem ſpäter<lb/> ausführlicher die Rede ſein wird.</note>, die ein eigenthümliches<lb/> flüchtiges Streiflicht auf die jüdiſch-deutſche Currentſchrift werfen,<lb/> ſo höchſt fragmentariſch dieſe Noten auch ſind, weshalb ſie denn<lb/> auch leider keine eigentliche hiſtoriſche und literargeſchichtliche Aus-<lb/> beute liefern, ſondern nur in ſpecifiſch-linguiſtiſcher Rückſicht in<lb/> Betracht kommen können.</p><lb/> <p>Sieht man wie die Literatur von den dürren chroniſtiſchen<lb/> Aphorismen zu Ende des 15. Jahrhunderts auf den überraſchend<lb/> rationell gehaltenen <hi rendition="#aq">Liber Vagatorum</hi> übergeht, und wie dann<lb/> trotz dieſer ſeiner viel verheißenden Haltung das Buch nur nach<lb/> ſeinem ethiſchen Gehalte von Theologen gewürdigt und erſt viel<lb/> ſpäter in linguiſtiſcher Hinſicht, in polizeilicher Hinſicht aber gar<lb/> nicht berückſichtigt wird, ſo ſieht man doch auch, wie trotz aller<lb/> richterlichen Befangenheit und trotz dem wirren Schwall der fana-<lb/> tiſchen, faſt alle andern Verbrechen vor dem befangenen Blicke des<lb/> Richters abſorbirenden Hexenproceſſe immer doch das Gaunerthum<lb/> mit ſeinen Thaten und Erfolgen ſich ſo unverkennbar hindurch-<lb/> drängte, daß es nicht verleugnet werden konnte, und daß die<lb/> Wahrnehmung und Erzählung des Volks erſt vom <hi rendition="#g">Volke</hi> her auf<lb/> eine unbefangenere <hi rendition="#g">richterliche</hi> Auffaſſung zurück wirkte. Das Gau-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [119/0135]
auffaßte und wiedergab. Alles was vor dem 15. Jahrhundert
in jenen vielen, aber zerſtreuten, chroniſtiſchen und archivalen Apho-
rismen vorhanden iſt, muß als ſpärliche literariſche Ausbeute dahin-
geſtellt bleiben, ſo ſehr dieſe Aphorismen auch beurkunden, wie
früh und wie tief das Gaunerthum in das Volk gedrungen war.
Sie ſind zum Theil jedoch in gaunerſprachlicher Hinſicht von
Wichtigkeit, und bieten in ihrer Bezüglichkeit auf die althochdeutſche
und niederdeutſche Sprache, ſowie auch auf das ſogenannte Jüdiſch-
Deutſche, großes Jntereſſe. Jn letzterer Hinſicht ſind es vor allem
die lombardiſchen Noten bei Vulcanius 1), die ein eigenthümliches
flüchtiges Streiflicht auf die jüdiſch-deutſche Currentſchrift werfen,
ſo höchſt fragmentariſch dieſe Noten auch ſind, weshalb ſie denn
auch leider keine eigentliche hiſtoriſche und literargeſchichtliche Aus-
beute liefern, ſondern nur in ſpecifiſch-linguiſtiſcher Rückſicht in
Betracht kommen können.
Sieht man wie die Literatur von den dürren chroniſtiſchen
Aphorismen zu Ende des 15. Jahrhunderts auf den überraſchend
rationell gehaltenen Liber Vagatorum übergeht, und wie dann
trotz dieſer ſeiner viel verheißenden Haltung das Buch nur nach
ſeinem ethiſchen Gehalte von Theologen gewürdigt und erſt viel
ſpäter in linguiſtiſcher Hinſicht, in polizeilicher Hinſicht aber gar
nicht berückſichtigt wird, ſo ſieht man doch auch, wie trotz aller
richterlichen Befangenheit und trotz dem wirren Schwall der fana-
tiſchen, faſt alle andern Verbrechen vor dem befangenen Blicke des
Richters abſorbirenden Hexenproceſſe immer doch das Gaunerthum
mit ſeinen Thaten und Erfolgen ſich ſo unverkennbar hindurch-
drängte, daß es nicht verleugnet werden konnte, und daß die
Wahrnehmung und Erzählung des Volks erſt vom Volke her auf
eine unbefangenere richterliche Auffaſſung zurück wirkte. Das Gau-
1) „De literis et lingua Getarum sive Gothorum, item de notis Lom-
bardicis. Quibus accesserunt specimina variarum linguarum etc.
editore Bon. Vulcanio Brugensi (Leyden 1597), ein ſehr ſelten gewordenes,
in vieler Hinſicht merkwürdiges und wichtiges Werk, von welchem ſpäter
ausführlicher die Rede ſein wird.
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