Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

hat, dennoch bis auf die neueste Zeit niemals ganz abgebrochen ist.
Das dreiundsechzigste Kapitel des Narrenschiffes hat eine zu große
Wichtigkeit für die Gaunerliteratur, als daß es hier fehlen dürfte.
Es folgt hier nach der von J. Scheible in dessen "Kloster"
(Stuttgart 1845) neuveranstalteten Ausgabe des "Nikolaus
Höniger von Tauber Königshoffen" (Basel 1574), welche den
eigenthümlichen Vorzug hat, daß sie hinter jedem "Narren" des
Brant sogleich die Erläuterung Geiler's hinzufügt. 1)

Der LXIII Narr.

Jch förcht mir gieng an Narren ab,
Vnd hab durchsucht den bettelstab,
Klein weißheit ich da funden hab.

Von Bettlern.

Der Bettel hat ouch Narren viel,
All Welt die richt sich jetzt auffs ziel,
Vnd wil mit bettlen nehren sich,
Pfaffen, Mönchsorden sind fast rich,
Vnd klagen sich als wern sie arm
Zu bettel das es Gott erbarm,
Du bist zu notturft ouch erdacht
Vnd hast groß hauffen zamen bracht,
Noch schreit der Prior, trag her Plus,
Dem sack ist der boden ouß,
Deßgleichen thun die Heilthumbfürer,
Stirnenstosser, Stationirer
Die niemand kein Kirchweih verleihen,
Auff der sie nicht öfftlich außschreien,
1) Der vollständige Titel dieser Ausgabe ist: "Welt Spiegel, oder/ Nar-
ren Schiff,/ darin aller Ständt schandt vnd laster,/ vppiges leben, grobe Nar-
rechte sitten, vnd/ der Weltlauff, gleich als in einem Spiegel gesehen/ vnd
gestrafft werden: alles auf Sebastian Brands/ Reimme gerichtet./ Aber,/ Mit
vil andern herrlichen, Christlichen, auch/ nutzlichen Lehren, Exempeln vnd
vermanungen zu einem/ Ehrbaren vnd Christlichen Leben. Sampt gewisser
Schel/ len abtheilungen, dardurch eines jeden Standes/ laster zu erkennen./
Weilandt/ Durch den hochgelerten JOHAN GEYLER,/ Doctoren der h. Schrifft,
in Lateinischer sprach beschrie/ ben, jetzt aber mit sonderm fleiß auß dem Latein
inn das/ recht hoch Teutsch gebracht, vnnd erstmals im/ Truck außgangen,/
Durch,/ Nicolaum Höniger von Tauber/ Königshoffen./ Mit Key. May. Gnadt
vnd freyheit./ Getruckt zu Basel, durch Sebastian/ Heinricpetri./ MDLXXIIII.

hat, dennoch bis auf die neueſte Zeit niemals ganz abgebrochen iſt.
Das dreiundſechzigſte Kapitel des Narrenſchiffes hat eine zu große
Wichtigkeit für die Gaunerliteratur, als daß es hier fehlen dürfte.
Es folgt hier nach der von J. Scheible in deſſen „Kloſter“
(Stuttgart 1845) neuveranſtalteten Ausgabe des „Nikolaus
Höniger von Tauber Königshoffen“ (Baſel 1574), welche den
eigenthümlichen Vorzug hat, daß ſie hinter jedem „Narren“ des
Brant ſogleich die Erläuterung Geiler’s hinzufügt. 1)

Der LXIII Narr.

Jch förcht mir gieng an Narren ab,
Vnd hab durchſucht den bettelſtab,
Klein weißheit ich da funden hab.

Von Bettlern.

Der Bettel hat ouch Narren viel,
All Welt die richt ſich jetzt auffs ziel,
Vnd wil mit bettlen nehren ſich,
Pfaffen, Mönchsorden ſind faſt rich,
Vnd klagen ſich als wern ſie arm
Zu bettel das es Gott erbarm,
Du biſt zu notturft ouch erdacht
Vnd haſt groß hauffen zamen bracht,
Noch ſchreit der Prior, trag her Plus,
Dem ſack iſt der boden ouß,
Deßgleichen thun die Heilthumbfürer,
Stirnenſtoſſer, Stationirer
Die niemand kein Kirchweih verleihen,
Auff der ſie nicht öfftlich außſchreien,
1) Der vollſtändige Titel dieſer Ausgabe iſt: „Welt Spiegel, oder/ Nar-
ren Schiff,/ darin aller Ständt ſchandt vnd laſter,/ vppiges leben, grobe Nar-
rechte ſitten, vnd/ der Weltlauff, gleich als in einem Spiegel geſehen/ vnd
geſtrafft werden: alles auf Sebaſtian Brands/ Reimme gerichtet./ Aber,/ Mit
vil andern herrlichen, Chriſtlichen, auch/ nutzlichen Lehren, Exempeln vnd
vermanungen zu einem/ Ehrbaren vnd Chriſtlichen Leben. Sampt gewiſſer
Schel/ len abtheilungen, dardurch eines jeden Standes/ laſter zu erkennen./
Weilandt/ Durch den hochgelerten JOHAN GEYLER,/ Doctoren der h. Schrifft,
in Lateiniſcher ſprach beſchrie/ ben, jetzt aber mit ſonderm fleiß auß dem Latein
inn das/ recht hoch Teutſch gebracht, vnnd erſtmals im/ Truck außgangen,/
Durch,/ Nicolaum Höniger von Tauber/ Königshoffen./ Mit Key. May. Gnadt
vnd freyheit./ Getruckt zu Baſel, durch Sebaſtian/ Heinricpetri./ MDLXXIIII.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0149" n="133"/>
hat, dennoch bis auf die neue&#x017F;te Zeit niemals ganz abgebrochen i&#x017F;t.<lb/>
Das dreiund&#x017F;echzig&#x017F;te Kapitel des Narren&#x017F;chiffes hat eine zu große<lb/>
Wichtigkeit für die Gaunerliteratur, als daß es hier fehlen dürfte.<lb/>
Es folgt hier nach der von J. Scheible in de&#x017F;&#x017F;en &#x201E;Klo&#x017F;ter&#x201C;<lb/>
(Stuttgart 1845) neuveran&#x017F;talteten Ausgabe des &#x201E;Nikolaus<lb/>
Höniger von Tauber Königshoffen&#x201C; (Ba&#x017F;el 1574), welche den<lb/>
eigenthümlichen Vorzug hat, daß &#x017F;ie hinter jedem &#x201E;Narren&#x201C; des<lb/>
Brant &#x017F;ogleich die Erläuterung Geiler&#x2019;s hinzufügt. <note place="foot" n="1)">Der voll&#x017F;tändige Titel die&#x017F;er Ausgabe i&#x017F;t: &#x201E;Welt Spiegel, oder/ Nar-<lb/>
ren Schiff,/ darin aller Ständt &#x017F;chandt vnd la&#x017F;ter,/ vppiges leben, grobe Nar-<lb/>
rechte &#x017F;itten, vnd/ der Weltlauff, gleich als in einem Spiegel ge&#x017F;ehen/ vnd<lb/>
ge&#x017F;trafft werden: alles auf Seba&#x017F;tian Brands/ Reimme gerichtet./ Aber,/ Mit<lb/>
vil andern herrlichen, Chri&#x017F;tlichen, auch/ nutzlichen Lehren, Exempeln vnd<lb/>
vermanungen zu einem/ Ehrbaren vnd Chri&#x017F;tlichen Leben. Sampt gewi&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Schel/ len abtheilungen, dardurch eines jeden Standes/ la&#x017F;ter zu erkennen./<lb/>
Weilandt/ Durch den hochgelerten JOHAN GEYLER,/ Doctoren der h. Schrifft,<lb/>
in Lateini&#x017F;cher &#x017F;prach be&#x017F;chrie/ ben, jetzt aber mit &#x017F;onderm fleiß auß dem Latein<lb/>
inn das/ recht hoch Teut&#x017F;ch gebracht, vnnd er&#x017F;tmals im/ Truck außgangen,/<lb/>
Durch,/ Nicolaum Höniger von Tauber/ Königshoffen./ Mit Key. May. Gnadt<lb/>
vnd freyheit./ Getruckt zu Ba&#x017F;el, durch Seba&#x017F;tian/ Heinricpetri./ <hi rendition="#aq">MDLXXIIII.</hi></note></p><lb/>
          <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Der</hi><hi rendition="#aq">LXIII</hi><hi rendition="#g">Narr</hi>.</hi> </p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Jch förcht mir gieng an Narren ab,</l><lb/>
            <l>Vnd hab durch&#x017F;ucht den bettel&#x017F;tab,</l><lb/>
            <l>Klein weißheit ich da funden hab.</l>
          </lg><lb/>
          <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Von Bettlern.</hi> </hi> </p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Der Bettel hat ouch Narren viel,</l><lb/>
            <l>All Welt die richt &#x017F;ich jetzt auffs ziel,</l><lb/>
            <l>Vnd wil mit bettlen nehren &#x017F;ich,</l><lb/>
            <l>Pfaffen, Mönchsorden &#x017F;ind fa&#x017F;t rich,</l><lb/>
            <l>Vnd klagen &#x017F;ich als wern &#x017F;ie arm</l><lb/>
            <l>Zu bettel das es Gott erbarm,</l><lb/>
            <l>Du bi&#x017F;t zu notturft ouch erdacht</l><lb/>
            <l>Vnd ha&#x017F;t groß hauffen zamen bracht,</l><lb/>
            <l>Noch &#x017F;chreit der Prior, trag her Plus,</l><lb/>
            <l>Dem &#x017F;ack i&#x017F;t der boden ouß,</l><lb/>
            <l>Deßgleichen thun die Heilthumbfürer,</l><lb/>
            <l>Stirnen&#x017F;to&#x017F;&#x017F;er, Stationirer</l><lb/>
            <l>Die niemand kein Kirchweih verleihen,</l><lb/>
            <l>Auff der &#x017F;ie nicht öfftlich auß&#x017F;chreien,</l><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[133/0149] hat, dennoch bis auf die neueſte Zeit niemals ganz abgebrochen iſt. Das dreiundſechzigſte Kapitel des Narrenſchiffes hat eine zu große Wichtigkeit für die Gaunerliteratur, als daß es hier fehlen dürfte. Es folgt hier nach der von J. Scheible in deſſen „Kloſter“ (Stuttgart 1845) neuveranſtalteten Ausgabe des „Nikolaus Höniger von Tauber Königshoffen“ (Baſel 1574), welche den eigenthümlichen Vorzug hat, daß ſie hinter jedem „Narren“ des Brant ſogleich die Erläuterung Geiler’s hinzufügt. 1) Der LXIII Narr. Jch förcht mir gieng an Narren ab, Vnd hab durchſucht den bettelſtab, Klein weißheit ich da funden hab. Von Bettlern. Der Bettel hat ouch Narren viel, All Welt die richt ſich jetzt auffs ziel, Vnd wil mit bettlen nehren ſich, Pfaffen, Mönchsorden ſind faſt rich, Vnd klagen ſich als wern ſie arm Zu bettel das es Gott erbarm, Du biſt zu notturft ouch erdacht Vnd haſt groß hauffen zamen bracht, Noch ſchreit der Prior, trag her Plus, Dem ſack iſt der boden ouß, Deßgleichen thun die Heilthumbfürer, Stirnenſtoſſer, Stationirer Die niemand kein Kirchweih verleihen, Auff der ſie nicht öfftlich außſchreien, 1) Der vollſtändige Titel dieſer Ausgabe iſt: „Welt Spiegel, oder/ Nar- ren Schiff,/ darin aller Ständt ſchandt vnd laſter,/ vppiges leben, grobe Nar- rechte ſitten, vnd/ der Weltlauff, gleich als in einem Spiegel geſehen/ vnd geſtrafft werden: alles auf Sebaſtian Brands/ Reimme gerichtet./ Aber,/ Mit vil andern herrlichen, Chriſtlichen, auch/ nutzlichen Lehren, Exempeln vnd vermanungen zu einem/ Ehrbaren vnd Chriſtlichen Leben. Sampt gewiſſer Schel/ len abtheilungen, dardurch eines jeden Standes/ laſter zu erkennen./ Weilandt/ Durch den hochgelerten JOHAN GEYLER,/ Doctoren der h. Schrifft, in Lateiniſcher ſprach beſchrie/ ben, jetzt aber mit ſonderm fleiß auß dem Latein inn das/ recht hoch Teutſch gebracht, vnnd erſtmals im/ Truck außgangen,/ Durch,/ Nicolaum Höniger von Tauber/ Königshoffen./ Mit Key. May. Gnadt vnd freyheit./ Getruckt zu Baſel, durch Sebaſtian/ Heinricpetri./ MDLXXIIII.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/149
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/149>, abgerufen am 22.11.2024.