Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.aber diese farbigen Typen nicht mit dem persönlichen Bestande 1) Vgl. Grellmann, a. a. O., S. 143 fg.
aber dieſe farbigen Typen nicht mit dem perſönlichen Beſtande 1) Vgl. Grellmann, a. a. O., S. 143 fg.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0031" n="15"/> aber dieſe farbigen Typen nicht mit dem perſönlichen Beſtande<lb/> verwechſeln. Die Juden und Zigeuner ſind nur einzelne Zuthaten<lb/> zum Gaunerthum, die zwar durch den farbigen Typus der äußern<lb/> Erſcheinung ſehr leicht erkennbar, immer jedoch nicht der präva-<lb/> lirende Theil jener Maſſe ſind, obſchon in jener wunderlichen Com-<lb/> poſition der Gaunerſprache ganz beſonders das jüdiſche und, jedoch<lb/> bei weitem weniger, das zigeuneriſche Sprachidiom auffallend her-<lb/> vortritt, während doch die Gaunerſprache lediglich die deutſche<lb/> Sprache iſt mit deutſchen Flexionen und mit bei weitem mehr<lb/> deutſchen Wörtern und Redensarten aus allen Provinzen, als<lb/> mit hebräiſchen und zigeuneriſchen Ausdrucksformen. Die nur<lb/> ſcheinbare Prävalenz des jüdiſchen und zigeuneriſchen Weſens und<lb/> ſprachlichen Ausdrucks erklärt ſich aus der Stabilität der hiſtoriſch<lb/> gegebenen markirten Erſcheinung. Die Juden hatten ſich ſchon<lb/> ſehr lange überall in Deutſchland feſtgeſetzt. Sie traten überall<lb/> in ihrer ganzen Eigenthümlichkeit auf, ohne je in größern na-<lb/> tionellen Gruppen ſich zuſammenzuthun und ſomit als große<lb/> Maſſe gefährlich zu erſcheinen, während die im 15. Jahrhundert<lb/> auftretenden Zigeuner, als in jeder Hinſicht ſofort erkennbar grup-<lb/> pirte Vagantenmaſſe, ſchon bald nach ihrem Auftreten verfolgt<lb/> wurden, und endlich nach den beſonders von Maria Thereſia ge-<lb/> machten Verſuchen, die „Menſchen und Aas freſſenden Zigeuner<lb/> zu cultiviren“ <note place="foot" n="1)">Vgl. Grellmann, a. a. O., S. 143 fg.</note>, nach und nach ſo weit als Vagantenmaſſe be-<lb/> ſeitigt worden ſind, daß jedes jetzige Hervortreten einer Gruppe<lb/> oder auch ſchon einer einzelnen Jndividualität ſofort bemerkbar<lb/> und bei dem heutigen Weſen und Wirken der deutſchen Polizei<lb/> als neu auftauchende fremdartige Erſcheinung erkannt und ent-<lb/> fernt wird. Die fremdartige Erſcheinung beider Elemente wurde<lb/> aber, ſobald im Mittelalter das Gaunerthum ſich zur gewerblichen<lb/> Kunſt zuſammenzuthun anfing, mit Leichtigkeit zum Deckmantel<lb/> aller verworfenen Elemente benutzt, und daher gewann die Far-<lb/> bigkeit jener exoteriſchen Eigenthümlichkeiten nur noch mehr an<lb/> Conſiſtenz. Gewichtige Augenzeugen, wie del Rio (<hi rendition="#aq">„Disquis. mag.</hi>“,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [15/0031]
aber dieſe farbigen Typen nicht mit dem perſönlichen Beſtande
verwechſeln. Die Juden und Zigeuner ſind nur einzelne Zuthaten
zum Gaunerthum, die zwar durch den farbigen Typus der äußern
Erſcheinung ſehr leicht erkennbar, immer jedoch nicht der präva-
lirende Theil jener Maſſe ſind, obſchon in jener wunderlichen Com-
poſition der Gaunerſprache ganz beſonders das jüdiſche und, jedoch
bei weitem weniger, das zigeuneriſche Sprachidiom auffallend her-
vortritt, während doch die Gaunerſprache lediglich die deutſche
Sprache iſt mit deutſchen Flexionen und mit bei weitem mehr
deutſchen Wörtern und Redensarten aus allen Provinzen, als
mit hebräiſchen und zigeuneriſchen Ausdrucksformen. Die nur
ſcheinbare Prävalenz des jüdiſchen und zigeuneriſchen Weſens und
ſprachlichen Ausdrucks erklärt ſich aus der Stabilität der hiſtoriſch
gegebenen markirten Erſcheinung. Die Juden hatten ſich ſchon
ſehr lange überall in Deutſchland feſtgeſetzt. Sie traten überall
in ihrer ganzen Eigenthümlichkeit auf, ohne je in größern na-
tionellen Gruppen ſich zuſammenzuthun und ſomit als große
Maſſe gefährlich zu erſcheinen, während die im 15. Jahrhundert
auftretenden Zigeuner, als in jeder Hinſicht ſofort erkennbar grup-
pirte Vagantenmaſſe, ſchon bald nach ihrem Auftreten verfolgt
wurden, und endlich nach den beſonders von Maria Thereſia ge-
machten Verſuchen, die „Menſchen und Aas freſſenden Zigeuner
zu cultiviren“ 1), nach und nach ſo weit als Vagantenmaſſe be-
ſeitigt worden ſind, daß jedes jetzige Hervortreten einer Gruppe
oder auch ſchon einer einzelnen Jndividualität ſofort bemerkbar
und bei dem heutigen Weſen und Wirken der deutſchen Polizei
als neu auftauchende fremdartige Erſcheinung erkannt und ent-
fernt wird. Die fremdartige Erſcheinung beider Elemente wurde
aber, ſobald im Mittelalter das Gaunerthum ſich zur gewerblichen
Kunſt zuſammenzuthun anfing, mit Leichtigkeit zum Deckmantel
aller verworfenen Elemente benutzt, und daher gewann die Far-
bigkeit jener exoteriſchen Eigenthümlichkeiten nur noch mehr an
Conſiſtenz. Gewichtige Augenzeugen, wie del Rio („Disquis. mag.“,
1) Vgl. Grellmann, a. a. O., S. 143 fg.
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