Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

sie von Keys. Sigmunden zu Lindaw hatten erlangt, in dem stund,
wie jhre Vorfahren in klein Egypten etliche jahr lang vom Christl.
Glauben weren abgefallen. Vnd als sie sich widerum bekehrten,
ward jnen zur Buß auffgesetzt, daß sie oder etliche von den jhren
also 4 jahr solten im Elend vmbherziehen vnd Buß wircken, so
lang sie im Vnglauben waren gelegen. Aber nach Außweisung
solches Brieffs, ist die Zeit jhres Vmbherziehens vor viel jahren
außgewesen, vnd vber das schweiffen sie noch im Lande herumb,
vnd ernehren sich mit stehlen, liegen, triegen vnd wahrsagen, daß
sie nicht köndten in jhr Vatterland kommen, ob schon die zeit der
Buß vor langen hinüber. Vnd da ich weiter sie rechtfertiget,
es stünd im Brieff, daß sie solten Buß wircken, das theten
sie nicht, denn sie hetten mit Weibern zu schaffen, vnd nehmen
den Leuten das jhr, etc. Antworten sie: Sie hetten sonst nichts
zu thun."

"Steph. Pasquier thut auß einem alten frantzösischen Buch
nachfolgenden Bericht. Anno 1427 kamen solcher Zigeuner 12 gen
Paris, der eine war ein Hertzog (wie sie fürgaben) vnd der
ander ein Graff, die vbrigen 10 waren alle zu Pferd, gaben sich
für gar gute Christen auß vnd sagten, sie kommen auß Egypten,
vnd were nicht lang, daß sie von den Christen bezwungen worden,
also daß jhr gantz Land jetzt zum Christen Glauben kommen.
Jn solcher Bekehrung ließ man jhnen ein König vnd Königin,
mit dem Geding, daß sie in dem Christen Glauben steiff und vest
bleiben sollen. Aber sie wurden von den Saracenen vberfallen,

schaffter der Christenland", weder zu dulden noch zu geleiten, vielmehr haben
die Zigeuner "hie zwischen Ostern nechstkünftig aus den Landen deutscher
Nation sich zu thun"; sonst sollen die Zigeuner für vogelfrei erklärt werden.
Diese Verfügung scheint denn doch nicht recht angeschlagen zu haben. Denn
sie wird wörtlich wiederholt in der "Reform guter Polizei zu Augspurg,
1530" tit. 35; in §. 75 des "Reichsabschiedes zu Speyer" von 1544; in
der "Reform guter Polizei zu Augspurg 1548", tit. 27; und in der "Reform
guter Polizei zu Frankfurth 1577", tit. 28. Auch wird im "Reichsabschied
zu Augspurg" von 1551 in §. 82 befohlen, daß den Zigeunern nicht nur keine
neue "Paßporten" ertheilt, sondern auch die alten abgenommen und vernichtet
werden sollen.

ſie von Keyſ. Sigmunden zu Lindaw hatten erlangt, in dem ſtund,
wie jhre Vorfahren in klein Egypten etliche jahr lang vom Chriſtl.
Glauben weren abgefallen. Vnd als ſie ſich widerum bekehrten,
ward jnen zur Buß auffgeſetzt, daß ſie oder etliche von den jhren
alſo 4 jahr ſolten im Elend vmbherziehen vnd Buß wircken, ſo
lang ſie im Vnglauben waren gelegen. Aber nach Außweiſung
ſolches Brieffs, iſt die Zeit jhres Vmbherziehens vor viel jahren
außgeweſen, vnd vber das ſchweiffen ſie noch im Lande herumb,
vnd ernehren ſich mit ſtehlen, liegen, triegen vnd wahrſagen, daß
ſie nicht köndten in jhr Vatterland kommen, ob ſchon die zeit der
Buß vor langen hinüber. Vnd da ich weiter ſie rechtfertiget,
es ſtünd im Brieff, daß ſie ſolten Buß wircken, das theten
ſie nicht, denn ſie hetten mit Weibern zu ſchaffen, vnd nehmen
den Leuten das jhr, etc. Antworten ſie: Sie hetten ſonſt nichts
zu thun.“

„Steph. Pasquier thut auß einem alten frantzöſiſchen Buch
nachfolgenden Bericht. Anno 1427 kamen ſolcher Zigeuner 12 gen
Paris, der eine war ein Hertzog (wie ſie fürgaben) vnd der
ander ein Graff, die vbrigen 10 waren alle zu Pferd, gaben ſich
für gar gute Chriſten auß vnd ſagten, ſie kommen auß Egypten,
vnd were nicht lang, daß ſie von den Chriſten bezwungen worden,
alſo daß jhr gantz Land jetzt zum Chriſten Glauben kommen.
Jn ſolcher Bekehrung ließ man jhnen ein König vnd Königin,
mit dem Geding, daß ſie in dem Chriſten Glauben ſteiff und veſt
bleiben ſollen. Aber ſie wurden von den Saracenen vberfallen,

ſchaffter der Chriſtenland“, weder zu dulden noch zu geleiten, vielmehr haben
die Zigeuner „hie zwiſchen Oſtern nechſtkünftig aus den Landen deutſcher
Nation ſich zu thun“; ſonſt ſollen die Zigeuner für vogelfrei erklärt werden.
Dieſe Verfügung ſcheint denn doch nicht recht angeſchlagen zu haben. Denn
ſie wird wörtlich wiederholt in der „Reform guter Polizei zu Augſpurg,
1530“ tit. 35; in §. 75 des „Reichsabſchiedes zu Speyer“ von 1544; in
der „Reform guter Polizei zu Augſpurg 1548“, tit. 27; und in der „Reform
guter Polizei zu Frankfurth 1577“, tit. 28. Auch wird im „Reichsabſchied
zu Augſpurg“ von 1551 in §. 82 befohlen, daß den Zigeunern nicht nur keine
neue „Paßporten“ ertheilt, ſondern auch die alten abgenommen und vernichtet
werden ſollen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0044" n="28"/>
&#x017F;ie von Key&#x017F;. Sigmunden zu Lindaw hatten erlangt, in dem &#x017F;tund,<lb/>
wie jhre Vorfahren in klein Egypten etliche jahr lang vom Chri&#x017F;tl.<lb/>
Glauben weren abgefallen. Vnd als &#x017F;ie &#x017F;ich widerum bekehrten,<lb/>
ward jnen zur Buß auffge&#x017F;etzt, daß &#x017F;ie oder etliche von den jhren<lb/>
al&#x017F;o 4 jahr &#x017F;olten im Elend vmbherziehen vnd Buß wircken, &#x017F;o<lb/>
lang &#x017F;ie im Vnglauben waren gelegen. Aber nach Außwei&#x017F;ung<lb/>
&#x017F;olches Brieffs, i&#x017F;t die Zeit jhres Vmbherziehens vor viel jahren<lb/>
außgewe&#x017F;en, vnd vber das &#x017F;chweiffen &#x017F;ie noch im Lande herumb,<lb/>
vnd ernehren &#x017F;ich mit &#x017F;tehlen, liegen, triegen vnd wahr&#x017F;agen, daß<lb/>
&#x017F;ie nicht köndten in jhr Vatterland kommen, ob &#x017F;chon die zeit der<lb/>
Buß vor langen hinüber. Vnd da ich weiter &#x017F;ie rechtfertiget,<lb/>
es &#x017F;tünd im Brieff, daß &#x017F;ie &#x017F;olten Buß wircken, das theten<lb/>
&#x017F;ie nicht, denn &#x017F;ie hetten mit Weibern zu &#x017F;chaffen, vnd nehmen<lb/>
den Leuten das jhr, <hi rendition="#aq">etc.</hi> Antworten &#x017F;ie: Sie hetten &#x017F;on&#x017F;t nichts<lb/>
zu thun.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Steph. Pasquier thut auß einem alten frantzö&#x017F;i&#x017F;chen Buch<lb/>
nachfolgenden Bericht. Anno 1427 kamen &#x017F;olcher Zigeuner 12 gen<lb/>
Paris, der eine war ein Hertzog (wie &#x017F;ie fürgaben) vnd der<lb/>
ander ein Graff, die vbrigen 10 waren alle zu Pferd, gaben &#x017F;ich<lb/>
für gar gute Chri&#x017F;ten auß vnd &#x017F;agten, &#x017F;ie kommen auß Egypten,<lb/>
vnd were nicht lang, daß &#x017F;ie von den Chri&#x017F;ten bezwungen worden,<lb/>
al&#x017F;o daß jhr gantz Land jetzt zum Chri&#x017F;ten Glauben kommen.<lb/>
Jn &#x017F;olcher Bekehrung ließ man jhnen ein König vnd Königin,<lb/>
mit dem Geding, daß &#x017F;ie in dem Chri&#x017F;ten Glauben &#x017F;teiff und ve&#x017F;t<lb/>
bleiben &#x017F;ollen. Aber &#x017F;ie wurden von den Saracenen vberfallen,<lb/><note xml:id="seg2pn_7_2" prev="#seg2pn_7_1" place="foot" n="2)">&#x017F;chaffter der Chri&#x017F;tenland&#x201C;, weder zu dulden noch zu geleiten, vielmehr haben<lb/>
die Zigeuner &#x201E;hie zwi&#x017F;chen O&#x017F;tern nech&#x017F;tkünftig aus den Landen deut&#x017F;cher<lb/>
Nation &#x017F;ich zu thun&#x201C;; &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;ollen die Zigeuner für vogelfrei erklärt werden.<lb/>
Die&#x017F;e Verfügung &#x017F;cheint denn doch nicht recht ange&#x017F;chlagen zu haben. Denn<lb/>
&#x017F;ie wird wörtlich wiederholt in der &#x201E;Reform guter Polizei zu Aug&#x017F;purg,<lb/>
1530&#x201C; <hi rendition="#aq">tit.</hi> 35; in §. 75 des &#x201E;Reichsab&#x017F;chiedes zu Speyer&#x201C; von 1544; in<lb/>
der &#x201E;Reform guter Polizei zu Aug&#x017F;purg 1548&#x201C;, <hi rendition="#aq">tit.</hi> 27; und in der &#x201E;Reform<lb/>
guter Polizei zu Frankfurth 1577&#x201C;, <hi rendition="#aq">tit.</hi> 28. Auch wird im &#x201E;Reichsab&#x017F;chied<lb/>
zu Aug&#x017F;purg&#x201C; von 1551 in §. 82 befohlen, daß den Zigeunern nicht nur keine<lb/>
neue &#x201E;Paßporten&#x201C; ertheilt, &#x017F;ondern auch die alten abgenommen und vernichtet<lb/>
werden &#x017F;ollen.</note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[28/0044] ſie von Keyſ. Sigmunden zu Lindaw hatten erlangt, in dem ſtund, wie jhre Vorfahren in klein Egypten etliche jahr lang vom Chriſtl. Glauben weren abgefallen. Vnd als ſie ſich widerum bekehrten, ward jnen zur Buß auffgeſetzt, daß ſie oder etliche von den jhren alſo 4 jahr ſolten im Elend vmbherziehen vnd Buß wircken, ſo lang ſie im Vnglauben waren gelegen. Aber nach Außweiſung ſolches Brieffs, iſt die Zeit jhres Vmbherziehens vor viel jahren außgeweſen, vnd vber das ſchweiffen ſie noch im Lande herumb, vnd ernehren ſich mit ſtehlen, liegen, triegen vnd wahrſagen, daß ſie nicht köndten in jhr Vatterland kommen, ob ſchon die zeit der Buß vor langen hinüber. Vnd da ich weiter ſie rechtfertiget, es ſtünd im Brieff, daß ſie ſolten Buß wircken, das theten ſie nicht, denn ſie hetten mit Weibern zu ſchaffen, vnd nehmen den Leuten das jhr, etc. Antworten ſie: Sie hetten ſonſt nichts zu thun.“ „Steph. Pasquier thut auß einem alten frantzöſiſchen Buch nachfolgenden Bericht. Anno 1427 kamen ſolcher Zigeuner 12 gen Paris, der eine war ein Hertzog (wie ſie fürgaben) vnd der ander ein Graff, die vbrigen 10 waren alle zu Pferd, gaben ſich für gar gute Chriſten auß vnd ſagten, ſie kommen auß Egypten, vnd were nicht lang, daß ſie von den Chriſten bezwungen worden, alſo daß jhr gantz Land jetzt zum Chriſten Glauben kommen. Jn ſolcher Bekehrung ließ man jhnen ein König vnd Königin, mit dem Geding, daß ſie in dem Chriſten Glauben ſteiff und veſt bleiben ſollen. Aber ſie wurden von den Saracenen vberfallen, 2) 2) ſchaffter der Chriſtenland“, weder zu dulden noch zu geleiten, vielmehr haben die Zigeuner „hie zwiſchen Oſtern nechſtkünftig aus den Landen deutſcher Nation ſich zu thun“; ſonſt ſollen die Zigeuner für vogelfrei erklärt werden. Dieſe Verfügung ſcheint denn doch nicht recht angeſchlagen zu haben. Denn ſie wird wörtlich wiederholt in der „Reform guter Polizei zu Augſpurg, 1530“ tit. 35; in §. 75 des „Reichsabſchiedes zu Speyer“ von 1544; in der „Reform guter Polizei zu Augſpurg 1548“, tit. 27; und in der „Reform guter Polizei zu Frankfurth 1577“, tit. 28. Auch wird im „Reichsabſchied zu Augſpurg“ von 1551 in §. 82 befohlen, daß den Zigeunern nicht nur keine neue „Paßporten“ ertheilt, ſondern auch die alten abgenommen und vernichtet werden ſollen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/44
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/44>, abgerufen am 03.12.2024.