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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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hätten. Ein Anführer derselben habe des Castilianische wie ein
geborener Toledaner gesprochen, und sei in ganz auffallender Weise
über alle örtlichen und politischen Verhältnisse in Spanien auf
das genaueste unterrichtet gewesen. Endlich schließt del Rio mit
einem Lobruf über Kaiser Karl V., daß er (in Tit. 26 der "Re-
form guter Polizei zu Augspurg" 1548) diese seces und errones
aus Deutschland ausgewiesen habe. 1) Noch eine interessante
Schrift, welche das Wesen und Treiben der Zigeuner in späterer
Zeit (1664) richtig aufgefaßt hat, sind die "Zwey nützliche
Tractätlein". Sehr klar unterscheidet der Verfasser, wie auch
schon der Titel 2) zeigt, das unter dem Namen der Zigeuner in
Deutschland umherziehende gemischte Gesindel von ähnlichen oder
verwandten asiatischen Völkerschaften, "Scythen oder rechten Tar-
tarn", und sagt über die deutschen Zigeuner seiner Zeit (Bl. 3 a):
"Belangende nun die Tartern oder Zigeuner, so noch heutiges
Tages in den Ländern umbziehen, ist solches nicht mehr von den

cepti Hispani, etiam ex Graiales, Villabraxima et pagis nonnullis Cas-
tellae. Comes tam perite Castellanum idioma loquebatur, quam si Toledi
natus. Sciebat omnes Hispaniae aditus terrestres (Tuertos vocant),
omnes regionum anfractus et difficultates: quid roboris esset cuique
civitati, qui praecipui in quoque et quae cuique opes. Nihil fere ad
rempublicam pertinens, tam arcanum, quod eum lateret, nec clam hoc,
sed gloriabatur.
"
1) Speciell von den Zigeunern ist in der "Reform" nirgends die Rede,
sondern allgemein von Vaganten und Bettlern aller Art.
2) "Zwey nützliche Tractätlein. Das Erste: Wunderliche und wahr-
hafftige Beschreibung der Cinganen oder Zigeuner, so man an etlichen Orten,
aber unrecht Tatern oder Tartern nennt, deren Ursprung, Herkommen, Leben
und Wandel, Vermehr- und Fortpflanzung biß hierher. Das Andere: Von
den rechten natürlichen Tartern, welche ihren Ursprung von den alten Völ-
kern der Scyten haben, deroselben alten und newen Sitten, Religion und
Glauben, Regiment, Reichthumb und Vermögen an Viehe und Gütern, und
wie übel sie Anno 1663 in Mähren und benachbarten Orten Tyrannisiret.
Zum Theil aus glaubwürdigen Schrifften, auch etliches aus eigener Erfahrung
zusammengetragen, und in Druck gegeben von C. B. L. M. V. R." Gedruckt
im Jahr 1664. Zwölf Quartblätter, ohne Druckort. Sie befinden sich auf
der herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel und sind, meines Wissens, noch
in keinem Zigeunerwerke erwähnt worden.

hätten. Ein Anführer derſelben habe des Caſtilianiſche wie ein
geborener Toledaner geſprochen, und ſei in ganz auffallender Weiſe
über alle örtlichen und politiſchen Verhältniſſe in Spanien auf
das genaueſte unterrichtet geweſen. Endlich ſchließt del Rio mit
einem Lobruf über Kaiſer Karl V., daß er (in Tit. 26 der „Re-
form guter Polizei zu Augſpurg“ 1548) dieſe ſeces und errones
aus Deutſchland ausgewieſen habe. 1) Noch eine intereſſante
Schrift, welche das Weſen und Treiben der Zigeuner in ſpäterer
Zeit (1664) richtig aufgefaßt hat, ſind die „Zwey nützliche
Tractätlein“. Sehr klar unterſcheidet der Verfaſſer, wie auch
ſchon der Titel 2) zeigt, das unter dem Namen der Zigeuner in
Deutſchland umherziehende gemiſchte Geſindel von ähnlichen oder
verwandten aſiatiſchen Völkerſchaften, „Scythen oder rechten Tar-
tarn“, und ſagt über die deutſchen Zigeuner ſeiner Zeit (Bl. 3 a):
„Belangende nun die Tartern oder Zigeuner, ſo noch heutiges
Tages in den Ländern umbziehen, iſt ſolches nicht mehr von den

cepti Hispani, etiam ex Graiales, Villabraxima et pagis nonnullis Cas-
tellae. Comes tam perite Castellanum idioma loquebatur, quam si Toledi
natus. Sciebat omnes Hispaniae aditus terrestres (Tuertos vocant),
omnes regionum anfractus et difficultates: quid roboris esset cuique
civitati, qui praecipui in quoque et quae cuique opes. Nihil fere ad
rempublicam pertinens, tam arcanum, quod eum lateret, nec clam hoc,
sed gloriabatur.
1) Speciell von den Zigeunern iſt in der „Reform“ nirgends die Rede,
ſondern allgemein von Vaganten und Bettlern aller Art.
2) „Zwey nützliche Tractätlein. Das Erſte: Wunderliche und wahr-
hafftige Beſchreibung der Cinganen oder Zigeuner, ſo man an etlichen Orten,
aber unrecht Tatern oder Tartern nennt, deren Urſprung, Herkommen, Leben
und Wandel, Vermehr- und Fortpflanzung biß hierher. Das Andere: Von
den rechten natürlichen Tartern, welche ihren Urſprung von den alten Völ-
kern der Scyten haben, deroſelben alten und newen Sitten, Religion und
Glauben, Regiment, Reichthumb und Vermögen an Viehe und Gütern, und
wie übel ſie Anno 1663 in Mähren und benachbarten Orten Tyranniſiret.
Zum Theil aus glaubwürdigen Schrifften, auch etliches aus eigener Erfahrung
zuſammengetragen, und in Druck gegeben von C. B. L. M. V. R.“ Gedruckt
im Jahr 1664. Zwölf Quartblätter, ohne Druckort. Sie befinden ſich auf
der herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel und ſind, meines Wiſſens, noch
in keinem Zigeunerwerke erwähnt worden.
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[31/0047] hätten. Ein Anführer derſelben habe des Caſtilianiſche wie ein geborener Toledaner geſprochen, und ſei in ganz auffallender Weiſe über alle örtlichen und politiſchen Verhältniſſe in Spanien auf das genaueſte unterrichtet geweſen. Endlich ſchließt del Rio mit einem Lobruf über Kaiſer Karl V., daß er (in Tit. 26 der „Re- form guter Polizei zu Augſpurg“ 1548) dieſe ſeces und errones aus Deutſchland ausgewieſen habe. 1) Noch eine intereſſante Schrift, welche das Weſen und Treiben der Zigeuner in ſpäterer Zeit (1664) richtig aufgefaßt hat, ſind die „Zwey nützliche Tractätlein“. Sehr klar unterſcheidet der Verfaſſer, wie auch ſchon der Titel 2) zeigt, das unter dem Namen der Zigeuner in Deutſchland umherziehende gemiſchte Geſindel von ähnlichen oder verwandten aſiatiſchen Völkerſchaften, „Scythen oder rechten Tar- tarn“, und ſagt über die deutſchen Zigeuner ſeiner Zeit (Bl. 3 a): „Belangende nun die Tartern oder Zigeuner, ſo noch heutiges Tages in den Ländern umbziehen, iſt ſolches nicht mehr von den 2) 1) Speciell von den Zigeunern iſt in der „Reform“ nirgends die Rede, ſondern allgemein von Vaganten und Bettlern aller Art. 2) „Zwey nützliche Tractätlein. Das Erſte: Wunderliche und wahr- hafftige Beſchreibung der Cinganen oder Zigeuner, ſo man an etlichen Orten, aber unrecht Tatern oder Tartern nennt, deren Urſprung, Herkommen, Leben und Wandel, Vermehr- und Fortpflanzung biß hierher. Das Andere: Von den rechten natürlichen Tartern, welche ihren Urſprung von den alten Völ- kern der Scyten haben, deroſelben alten und newen Sitten, Religion und Glauben, Regiment, Reichthumb und Vermögen an Viehe und Gütern, und wie übel ſie Anno 1663 in Mähren und benachbarten Orten Tyranniſiret. Zum Theil aus glaubwürdigen Schrifften, auch etliches aus eigener Erfahrung zuſammengetragen, und in Druck gegeben von C. B. L. M. V. R.“ Gedruckt im Jahr 1664. Zwölf Quartblätter, ohne Druckort. Sie befinden ſich auf der herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel und ſind, meines Wiſſens, noch in keinem Zigeunerwerke erwähnt worden. 2) cepti Hispani, etiam ex Graiales, Villabraxima et pagis nonnullis Cas- tellae. Comes tam perite Castellanum idioma loquebatur, quam si Toledi natus. Sciebat omnes Hispaniae aditus terrestres (Tuertos vocant), omnes regionum anfractus et difficultates: quid roboris esset cuique civitati, qui praecipui in quoque et quae cuique opes. Nihil fere ad rempublicam pertinens, tam arcanum, quod eum lateret, nec clam hoc, sed gloriabatur.“

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/47>, abgerufen am 21.11.2024.