Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

"Wahrsagen, Zauberey, schwartzer Künst und ander Gauckelwerck,
so sie ohne schew treiben, auch zum theil darinnen sehr erfahren
seyn", verwandt worden seien. Von der Sprache sagt er: "Jhre
Sprache ist nicht die Rothe oder Rothwelsche Sprache, die sonst
deutsch, und nur zerbrochene terminos hat, auch nit die Wendische,
die man ans Türkischen Keysers Hofe braucht und die Tatern
zwar auch können, sondern es ist die alte Egyptische oder Nu-
bianische Sprache die sie von den erstern Zigeunern oder Cin-
garen gelernt, welche doch ohne Zweiffel sehr zerrüttet, und der
uhralten Nubianischen Sprache nit mehr gantz ehnlich, denn wie
die Erfahrung täglich weiset, daß es auch in andern Sprachen
geschicht, daß sie durch einmischung frembder Wörter, manchmal
fast gar unkendtlich gemacht wird, wie auch unser deutschen Mutter-
Sprache, sonderlich in den langwirigen Krieges Wesen widerfahren,
indeme man in so langen Jahren, auch so mancherley Völcker im
Lande gehabt, und von ihnen so vilerley Sprache gehöret." End-
lich erzählt er von einer auf mehr als 200 Köpfe sich belaufenden
Zigeunerbande, die 1663 Thüringen in vielen kleinen Haufen durch-
zogen und ausgekundschaftet hatte. Das zweite Tractätlein gibt
eine in sieben Kapitel getheilte ethnographische Schilderung der
"mit den Türken verbundenen, von den Scythen stammenden Tar-
tarn", die allerdings viel zu wünschen übrig läßt. Jm letzten
Kapitel wird eine Reihe entsetzlicher Räubereien und Mordthaten
verschiedener in Mähren hausender Banden erzählt, und zum
Schlusse wird die ungeheuerliche Personbeschreibung eines in der
Festung Serin-Waar gefangen liegenden Tartaren gegeben.

Bezeichnend sind noch die Grabschriften, welche Thomasius,
§. 31, aus dem oben citirten Crusius erwähnt; nämlich S. 384:
Zu Steinbach im Coenobiolum: "Als man zahlt nach Christus,
unsers Seligmachers Geburth 1445 auff St. Sebastiansabend ist
gestorben der Hochgeborne Herr Panuel Hertzog in klein Aegyp-
ten, und Herr zum Hirschhorn desselben Landes." Ferner S. 401:
"Anno Dom. MCCCCLIII obiit nobilis Comes Petrus de minori
Clypeo (Aegypto) in die Philippi et Jacobi apostolorum.
" End-

Ave-Lallemant, Gaunerthum. I. 3

„Wahrſagen, Zauberey, ſchwartzer Künſt und ander Gauckelwerck,
ſo ſie ohne ſchew treiben, auch zum theil darinnen ſehr erfahren
ſeyn“, verwandt worden ſeien. Von der Sprache ſagt er: „Jhre
Sprache iſt nicht die Rothe oder Rothwelſche Sprache, die ſonſt
deutſch, und nur zerbrochene terminos hat, auch nit die Wendiſche,
die man ans Türkiſchen Keyſers Hofe braucht und die Tatern
zwar auch können, ſondern es iſt die alte Egyptiſche oder Nu-
bianiſche Sprache die ſie von den erſtern Zigeunern oder Cin-
garen gelernt, welche doch ohne Zweiffel ſehr zerrüttet, und der
uhralten Nubianiſchen Sprache nit mehr gantz ehnlich, denn wie
die Erfahrung täglich weiſet, daß es auch in andern Sprachen
geſchicht, daß ſie durch einmiſchung frembder Wörter, manchmal
faſt gar unkendtlich gemacht wird, wie auch unſer deutſchen Mutter-
Sprache, ſonderlich in den langwirigen Krieges Weſen widerfahren,
indeme man in ſo langen Jahren, auch ſo mancherley Völcker im
Lande gehabt, und von ihnen ſo vilerley Sprache gehöret.“ End-
lich erzählt er von einer auf mehr als 200 Köpfe ſich belaufenden
Zigeunerbande, die 1663 Thüringen in vielen kleinen Haufen durch-
zogen und ausgekundſchaftet hatte. Das zweite Tractätlein gibt
eine in ſieben Kapitel getheilte ethnographiſche Schilderung der
„mit den Türken verbundenen, von den Scythen ſtammenden Tar-
tarn“, die allerdings viel zu wünſchen übrig läßt. Jm letzten
Kapitel wird eine Reihe entſetzlicher Räubereien und Mordthaten
verſchiedener in Mähren hauſender Banden erzählt, und zum
Schluſſe wird die ungeheuerliche Perſonbeſchreibung eines in der
Feſtung Serin-Waar gefangen liegenden Tartaren gegeben.

Bezeichnend ſind noch die Grabſchriften, welche Thomaſius,
§. 31, aus dem oben citirten Cruſius erwähnt; nämlich S. 384:
Zu Steinbach im Coenobiolum: „Als man zahlt nach Chriſtus,
unſers Seligmachers Geburth 1445 auff St. Sebaſtiansabend iſt
geſtorben der Hochgeborne Herr Panuel Hertzog in klein Aegyp-
ten, und Herr zum Hirſchhorn deſſelben Landes.“ Ferner S. 401:
„Anno Dom. MCCCCLIII obiit nobilis Comes Petrus de minori
Clypeo (Aegypto) in die Philippi et Jacobi apostolorum.
“ End-

Avé-Lallemant, Gaunerthum. I. 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0049" n="33"/>
&#x201E;Wahr&#x017F;agen, Zauberey, &#x017F;chwartzer Kün&#x017F;t und ander Gauckelwerck,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ie ohne &#x017F;chew treiben, auch zum theil darinnen &#x017F;ehr erfahren<lb/>
&#x017F;eyn&#x201C;, verwandt worden &#x017F;eien. Von der Sprache &#x017F;agt er: &#x201E;Jhre<lb/>
Sprache i&#x017F;t nicht die Rothe oder Rothwel&#x017F;che Sprache, die &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
deut&#x017F;ch, und nur zerbrochene <hi rendition="#aq">terminos</hi> hat, auch nit die Wendi&#x017F;che,<lb/>
die man ans Türki&#x017F;chen Key&#x017F;ers Hofe braucht und die Tatern<lb/>
zwar auch können, &#x017F;ondern es i&#x017F;t die alte Egypti&#x017F;che oder Nu-<lb/>
biani&#x017F;che Sprache die &#x017F;ie von den er&#x017F;tern Zigeunern oder Cin-<lb/>
garen gelernt, welche doch ohne Zweiffel &#x017F;ehr zerrüttet, und der<lb/>
uhralten Nubiani&#x017F;chen Sprache nit mehr gantz ehnlich, denn wie<lb/>
die Erfahrung täglich wei&#x017F;et, daß es auch in andern Sprachen<lb/>
ge&#x017F;chicht, daß &#x017F;ie durch einmi&#x017F;chung frembder Wörter, manchmal<lb/>
fa&#x017F;t gar unkendtlich gemacht wird, wie auch un&#x017F;er deut&#x017F;chen Mutter-<lb/>
Sprache, &#x017F;onderlich in den langwirigen Krieges We&#x017F;en widerfahren,<lb/>
indeme man in &#x017F;o langen Jahren, auch &#x017F;o mancherley Völcker im<lb/>
Lande gehabt, und von ihnen &#x017F;o vilerley Sprache gehöret.&#x201C; End-<lb/>
lich erzählt er von einer auf mehr als 200 Köpfe &#x017F;ich belaufenden<lb/>
Zigeunerbande, die 1663 Thüringen in vielen kleinen Haufen durch-<lb/>
zogen und ausgekund&#x017F;chaftet hatte. Das zweite Tractätlein gibt<lb/>
eine in &#x017F;ieben Kapitel getheilte ethnographi&#x017F;che Schilderung der<lb/>
&#x201E;mit den Türken verbundenen, von den Scythen &#x017F;tammenden Tar-<lb/>
tarn&#x201C;, die allerdings viel zu wün&#x017F;chen übrig läßt. Jm letzten<lb/>
Kapitel wird eine Reihe ent&#x017F;etzlicher Räubereien und Mordthaten<lb/>
ver&#x017F;chiedener in Mähren hau&#x017F;ender Banden erzählt, und zum<lb/>
Schlu&#x017F;&#x017F;e wird die ungeheuerliche Per&#x017F;onbe&#x017F;chreibung eines in der<lb/>
Fe&#x017F;tung Serin-Waar gefangen liegenden Tartaren gegeben.</p><lb/>
          <p>Bezeichnend &#x017F;ind noch die Grab&#x017F;chriften, welche Thoma&#x017F;ius,<lb/>
§. 31, aus dem oben citirten Cru&#x017F;ius erwähnt; nämlich S. 384:<lb/>
Zu Steinbach im Coenobiolum: &#x201E;Als man zahlt nach Chri&#x017F;tus,<lb/>
un&#x017F;ers Seligmachers Geburth 1445 auff St. Seba&#x017F;tiansabend i&#x017F;t<lb/>
ge&#x017F;torben der Hochgeborne Herr Panuel Hertzog in klein Aegyp-<lb/>
ten, und Herr zum Hir&#x017F;chhorn de&#x017F;&#x017F;elben Landes.&#x201C; Ferner S. 401:<lb/><hi rendition="#aq">&#x201E;Anno Dom. MCCCCLIII obiit nobilis Comes Petrus de minori<lb/>
Clypeo (Aegypto) in die Philippi et Jacobi apostolorum.</hi>&#x201C; End-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Avé-Lallemant</hi>, Gaunerthum. <hi rendition="#aq">I.</hi> 3</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0049] „Wahrſagen, Zauberey, ſchwartzer Künſt und ander Gauckelwerck, ſo ſie ohne ſchew treiben, auch zum theil darinnen ſehr erfahren ſeyn“, verwandt worden ſeien. Von der Sprache ſagt er: „Jhre Sprache iſt nicht die Rothe oder Rothwelſche Sprache, die ſonſt deutſch, und nur zerbrochene terminos hat, auch nit die Wendiſche, die man ans Türkiſchen Keyſers Hofe braucht und die Tatern zwar auch können, ſondern es iſt die alte Egyptiſche oder Nu- bianiſche Sprache die ſie von den erſtern Zigeunern oder Cin- garen gelernt, welche doch ohne Zweiffel ſehr zerrüttet, und der uhralten Nubianiſchen Sprache nit mehr gantz ehnlich, denn wie die Erfahrung täglich weiſet, daß es auch in andern Sprachen geſchicht, daß ſie durch einmiſchung frembder Wörter, manchmal faſt gar unkendtlich gemacht wird, wie auch unſer deutſchen Mutter- Sprache, ſonderlich in den langwirigen Krieges Weſen widerfahren, indeme man in ſo langen Jahren, auch ſo mancherley Völcker im Lande gehabt, und von ihnen ſo vilerley Sprache gehöret.“ End- lich erzählt er von einer auf mehr als 200 Köpfe ſich belaufenden Zigeunerbande, die 1663 Thüringen in vielen kleinen Haufen durch- zogen und ausgekundſchaftet hatte. Das zweite Tractätlein gibt eine in ſieben Kapitel getheilte ethnographiſche Schilderung der „mit den Türken verbundenen, von den Scythen ſtammenden Tar- tarn“, die allerdings viel zu wünſchen übrig läßt. Jm letzten Kapitel wird eine Reihe entſetzlicher Räubereien und Mordthaten verſchiedener in Mähren hauſender Banden erzählt, und zum Schluſſe wird die ungeheuerliche Perſonbeſchreibung eines in der Feſtung Serin-Waar gefangen liegenden Tartaren gegeben. Bezeichnend ſind noch die Grabſchriften, welche Thomaſius, §. 31, aus dem oben citirten Cruſius erwähnt; nämlich S. 384: Zu Steinbach im Coenobiolum: „Als man zahlt nach Chriſtus, unſers Seligmachers Geburth 1445 auff St. Sebaſtiansabend iſt geſtorben der Hochgeborne Herr Panuel Hertzog in klein Aegyp- ten, und Herr zum Hirſchhorn deſſelben Landes.“ Ferner S. 401: „Anno Dom. MCCCCLIII obiit nobilis Comes Petrus de minori Clypeo (Aegypto) in die Philippi et Jacobi apostolorum.“ End- Avé-Lallemant, Gaunerthum. I. 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/49
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/49>, abgerufen am 21.11.2024.