Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.lich S. 510 zu Pfortza: "Anno 1498 auf Montag nach Wenn nun gleich die Angaben der ältesten Zigeunerschrift- lich S. 510 zu Pfortza: „Anno 1498 auf Montag nach Wenn nun gleich die Angaben der älteſten Zigeunerſchrift- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0050" n="34"/> lich S. 510 zu Pfortza: <hi rendition="#aq">„Anno</hi> 1498 auf Montag nach<lb/> Urbani ſtarb der wolgeborne Herr Johann, Frey-Graff aus<lb/> kleinern Egypten: deß Seel Gott gnedig und barmherzig wöll<lb/> ſein.“</p><lb/> <p>Wenn nun gleich die Angaben der älteſten Zigeunerſchrift-<lb/> ſteller über das erſte Auftreten der Zigeuner in Deutſchland hier-<lb/> nach einigermaßen voneinander abweichen, ſo ſtimmen doch alle<lb/> darin überein, daß die Zigeuner unter der ſechsundzwanzigjährigen<lb/> Regierung des Kaiſers Sigismund zuerſt in Deutſchland auf-<lb/> getreten ſind und ſich raſch über das ganze Land verbreitet haben.<lb/> Eine weitere ſpecielle Berückſichtigung des Zigeunerweſens liegt<lb/> außerhalb der Grenzen dieſes Werks. Wenn auch die Zigeuner<lb/> dem rationellen Verbrechen ſogar den Namen verliehen haben,<lb/> wenn gerade ſie bei ihrem erſten Auftreten in der ganzen Eigen-<lb/> thümlichkeit und Farbigkeit ihres beſondern Weſens den ſcharfen<lb/> Typus des verbrecheriſchen Vagantenthums abgaben, wenn ſie<lb/> auch mit ihrer eigenthümlichen Schlauheit und Kunſtfertigkeit eine<lb/> Unzahl kecker und verwegener Unthaten zu begehen wußten und<lb/> ein Gewerbe vom Verbrechen machten, wenn auch manche Kunſt-<lb/> ausdrücke aus ihrer Sprache von dem Gaunerthum recipirt worden<lb/> ſind, ſo iſt das Zigeunerweſen doch niemals auch nur entfernt in<lb/> das bürgerliche Verkehrsleben ſo tief hineingedrungen, wie das<lb/> chriſtliche und jüdiſche Gaunerthum dies vermocht hat. Von An-<lb/> beginn an ſind die Zigeuner mistrauiſch behandelt und immer ver-<lb/> folgt worden. Sie wurden ſtets in ſcheue Einzelgruppen zuſam-<lb/> mengepreßt und von einem Orte zum andern gedrängt. Jn wie<lb/> großer Zahl ſie auch anfangs aufgetreten ſein mögen, ſie ſind<lb/> kaum jemals ein Volk geweſen; ſie haben daher auch keine Cultur-<lb/> und Volksgeſchichte. Wer daher ihre Geſchichte ſchreibt, kann,<lb/> wenn er nicht Geſchichte <hi rendition="#g">macht</hi>, nur die Geſchichte einzelner<lb/> Gruppen geben, die allerdings einen reichen Schatz eigenthüm-<lb/> licher Familienbegebenheiten voll buntſchimmernden romantiſchen<lb/> Lebens und Glanzes enthält. So erſcheinen die Zigeuner zu<lb/> allen Zeiten als einzelne aphoriſtiſche Zuthaten zum Gaunerthum,<lb/> ohne daß ſie jedoch dem geſammten Gaunerthum jemals eine be-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [34/0050]
lich S. 510 zu Pfortza: „Anno 1498 auf Montag nach
Urbani ſtarb der wolgeborne Herr Johann, Frey-Graff aus
kleinern Egypten: deß Seel Gott gnedig und barmherzig wöll
ſein.“
Wenn nun gleich die Angaben der älteſten Zigeunerſchrift-
ſteller über das erſte Auftreten der Zigeuner in Deutſchland hier-
nach einigermaßen voneinander abweichen, ſo ſtimmen doch alle
darin überein, daß die Zigeuner unter der ſechsundzwanzigjährigen
Regierung des Kaiſers Sigismund zuerſt in Deutſchland auf-
getreten ſind und ſich raſch über das ganze Land verbreitet haben.
Eine weitere ſpecielle Berückſichtigung des Zigeunerweſens liegt
außerhalb der Grenzen dieſes Werks. Wenn auch die Zigeuner
dem rationellen Verbrechen ſogar den Namen verliehen haben,
wenn gerade ſie bei ihrem erſten Auftreten in der ganzen Eigen-
thümlichkeit und Farbigkeit ihres beſondern Weſens den ſcharfen
Typus des verbrecheriſchen Vagantenthums abgaben, wenn ſie
auch mit ihrer eigenthümlichen Schlauheit und Kunſtfertigkeit eine
Unzahl kecker und verwegener Unthaten zu begehen wußten und
ein Gewerbe vom Verbrechen machten, wenn auch manche Kunſt-
ausdrücke aus ihrer Sprache von dem Gaunerthum recipirt worden
ſind, ſo iſt das Zigeunerweſen doch niemals auch nur entfernt in
das bürgerliche Verkehrsleben ſo tief hineingedrungen, wie das
chriſtliche und jüdiſche Gaunerthum dies vermocht hat. Von An-
beginn an ſind die Zigeuner mistrauiſch behandelt und immer ver-
folgt worden. Sie wurden ſtets in ſcheue Einzelgruppen zuſam-
mengepreßt und von einem Orte zum andern gedrängt. Jn wie
großer Zahl ſie auch anfangs aufgetreten ſein mögen, ſie ſind
kaum jemals ein Volk geweſen; ſie haben daher auch keine Cultur-
und Volksgeſchichte. Wer daher ihre Geſchichte ſchreibt, kann,
wenn er nicht Geſchichte macht, nur die Geſchichte einzelner
Gruppen geben, die allerdings einen reichen Schatz eigenthüm-
licher Familienbegebenheiten voll buntſchimmernden romantiſchen
Lebens und Glanzes enthält. So erſcheinen die Zigeuner zu
allen Zeiten als einzelne aphoriſtiſche Zuthaten zum Gaunerthum,
ohne daß ſie jedoch dem geſammten Gaunerthum jemals eine be-
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