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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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liche Wohnungen erreichen konnte. Arme eingewanderte Fremde
aber, welche durch Noth oder Verbannung aus ihrer Heimat ge-
trieben waren, umherstreiften oder um Schutz nachsuchten (Gar-
gangi, Wargangi, Warengangi
) mußten unter den Schutz der
Landesgesetze treten. 1) Grimm, a. a. O., S. 399, ist der
Ansicht, daß schon im Alterthum 2) das Wildfangsrecht gegol-
ten hat. 3)

Man sieht, wie einfach und fest die ganze Gruppirung in
Haus und Gau war und wie wenig ein lockeres bewegliches Va-
gantenleben bei dieser Solidität der festgeschlossenen Vereinigung
aufkommen konnte. Dieser Zustand hat sich denn auch in seiner
einfachen Kraft und Fülle sehr lange unverändert erhalten. Von
seiner intensiven Gewalt ist ein redendes Zeugniß, daß trotz der

dem wegfertigen man sein pferdt, er mag wol korn schneiden und jm das zu
essen geben, als ferne er das gereichen mag (stehend an dem wege) mit einem
Fuße, Aber er sol es nicht von dannen füren, noch auch nicht wegbringen zu
seinem nutz. Grimm, S. 400 fg., führt eine Menge anderer Belege an.
1) Rotharis legg. 390.
2) Grimm führt keine Belege für diese Ansicht an. Der Wargus der
Lex sal., tit. 58, den Grimm (S. 396), freilich auch ohne Beleg, nicht für
gleichbedeutend mit Wargangus der Lex 390 der Rotharis legg. hält, ist
nach dem Sinne der angeführten salischen Gesetzstelle offenbar ein Geächteter,
von Haus und Gau Vertriebener: "Wer eine schon begrabene Leiche ausgräbt
und beraubt, soll Wargus sein, solange bis er mit den Aeltern des Gestorbenen
sich persönlich ausgeglichen hat und diese für ihn bitten, daß er wieder unter
die Leute kommen darf, und wer bis dahin ihm Brot und Obdach gewährt
hat, sei es auch seine Gattin, oder sein nächster Anverwandter, soll 600 Denare
büßen." Dieser Wargus (nach Grimm expulsus e pago, der in den Wald
geflohene Verbannte) ist doch wol derselbe, von dem Grimm sagt: "War-
gangus
(hingegen) ist ein compositum, dessen erster theil, wie ich glaube,
wohnung, aufenthalt, altn. ver bezeichnet, dem sinn nach also ein vagabund, der
zu den heusern der leute kommt und bettelt; vgl. altn. vergangr, mendi-
catio,
wandern von haus zu haus. Die ags. sprache hat ein dem gargan-
gus
völlig entsprechendes "vergenga", advena." Der Wargus, mit der
Erklärung "hoc est expulsus", findet sich auch noch in Lex 85 Ripu-
ariorum.
Belege für jene Unterscheidung scheinen in der That zu fehlen.
3) Nach welchem der Büttel kommt und spricht: "Jch nehme euch im
Namen unser gnädigen Herschaft zum Wildfang (Wildflügel, Bachstelze) und
begehre von euch den Fahegulden."

liche Wohnungen erreichen konnte. Arme eingewanderte Fremde
aber, welche durch Noth oder Verbannung aus ihrer Heimat ge-
trieben waren, umherſtreiften oder um Schutz nachſuchten (Gar-
gangi, Wargangi, Warengangi
) mußten unter den Schutz der
Landesgeſetze treten. 1) Grimm, a. a. O., S. 399, iſt der
Anſicht, daß ſchon im Alterthum 2) das Wildfangsrecht gegol-
ten hat. 3)

Man ſieht, wie einfach und feſt die ganze Gruppirung in
Haus und Gau war und wie wenig ein lockeres bewegliches Va-
gantenleben bei dieſer Solidität der feſtgeſchloſſenen Vereinigung
aufkommen konnte. Dieſer Zuſtand hat ſich denn auch in ſeiner
einfachen Kraft und Fülle ſehr lange unverändert erhalten. Von
ſeiner intenſiven Gewalt iſt ein redendes Zeugniß, daß trotz der

dem wegfertigen man ſein pferdt, er mag wol korn ſchneiden und jm das zu
esſen geben, als ferne er das gereichen mag (ſtehend an dem wege) mit einem
Fuße, Aber er ſol es nicht von dannen füren, noch auch nicht wegbringen zu
ſeinem nutz. Grimm, S. 400 fg., führt eine Menge anderer Belege an.
1) Rotharis legg. 390.
2) Grimm führt keine Belege für dieſe Anſicht an. Der Wargus der
Lex sal., tit. 58, den Grimm (S. 396), freilich auch ohne Beleg, nicht für
gleichbedeutend mit Wargangus der Lex 390 der Rotharis legg. hält, iſt
nach dem Sinne der angeführten ſaliſchen Geſetzſtelle offenbar ein Geächteter,
von Haus und Gau Vertriebener: „Wer eine ſchon begrabene Leiche ausgräbt
und beraubt, ſoll Wargus ſein, ſolange bis er mit den Aeltern des Geſtorbenen
ſich perſönlich ausgeglichen hat und dieſe für ihn bitten, daß er wieder unter
die Leute kommen darf, und wer bis dahin ihm Brot und Obdach gewährt
hat, ſei es auch ſeine Gattin, oder ſein nächſter Anverwandter, ſoll 600 Denare
büßen.“ Dieſer Wargus (nach Grimm expulsus e pago, der in den Wald
geflohene Verbannte) iſt doch wol derſelbe, von dem Grimm ſagt: „War-
gangus
(hingegen) iſt ein compoſitum, deſſen erſter theil, wie ich glaube,
wohnung, aufenthalt, altn. ver bezeichnet, dem ſinn nach alſo ein vagabund, der
zu den heuſern der leute kommt und bettelt; vgl. altn. vergângr, mendi-
catio,
wandern von haus zu haus. Die agſ. ſprache hat ein dem gargan-
gus
völlig entſprechendes «vergenga», advena.“ Der Wargus, mit der
Erklärung „hoc est expulsus“, findet ſich auch noch in Lex 85 Ripu-
ariorum.
Belege für jene Unterſcheidung ſcheinen in der That zu fehlen.
3) Nach welchem der Büttel kommt und ſpricht: „Jch nehme euch im
Namen unſer gnädigen Herſchaft zum Wildfang (Wildflügel, Bachſtelze) und
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[39/0055] liche Wohnungen erreichen konnte. Arme eingewanderte Fremde aber, welche durch Noth oder Verbannung aus ihrer Heimat ge- trieben waren, umherſtreiften oder um Schutz nachſuchten (Gar- gangi, Wargangi, Warengangi) mußten unter den Schutz der Landesgeſetze treten. 1) Grimm, a. a. O., S. 399, iſt der Anſicht, daß ſchon im Alterthum 2) das Wildfangsrecht gegol- ten hat. 3) Man ſieht, wie einfach und feſt die ganze Gruppirung in Haus und Gau war und wie wenig ein lockeres bewegliches Va- gantenleben bei dieſer Solidität der feſtgeſchloſſenen Vereinigung aufkommen konnte. Dieſer Zuſtand hat ſich denn auch in ſeiner einfachen Kraft und Fülle ſehr lange unverändert erhalten. Von ſeiner intenſiven Gewalt iſt ein redendes Zeugniß, daß trotz der 5) 1) Rotharis legg. 390. 2) Grimm führt keine Belege für dieſe Anſicht an. Der Wargus der Lex sal., tit. 58, den Grimm (S. 396), freilich auch ohne Beleg, nicht für gleichbedeutend mit Wargangus der Lex 390 der Rotharis legg. hält, iſt nach dem Sinne der angeführten ſaliſchen Geſetzſtelle offenbar ein Geächteter, von Haus und Gau Vertriebener: „Wer eine ſchon begrabene Leiche ausgräbt und beraubt, ſoll Wargus ſein, ſolange bis er mit den Aeltern des Geſtorbenen ſich perſönlich ausgeglichen hat und dieſe für ihn bitten, daß er wieder unter die Leute kommen darf, und wer bis dahin ihm Brot und Obdach gewährt hat, ſei es auch ſeine Gattin, oder ſein nächſter Anverwandter, ſoll 600 Denare büßen.“ Dieſer Wargus (nach Grimm expulsus e pago, der in den Wald geflohene Verbannte) iſt doch wol derſelbe, von dem Grimm ſagt: „War- gangus (hingegen) iſt ein compoſitum, deſſen erſter theil, wie ich glaube, wohnung, aufenthalt, altn. ver bezeichnet, dem ſinn nach alſo ein vagabund, der zu den heuſern der leute kommt und bettelt; vgl. altn. vergângr, mendi- catio, wandern von haus zu haus. Die agſ. ſprache hat ein dem gargan- gus völlig entſprechendes «vergenga», advena.“ Der Wargus, mit der Erklärung „hoc est expulsus“, findet ſich auch noch in Lex 85 Ripu- ariorum. Belege für jene Unterſcheidung ſcheinen in der That zu fehlen. 3) Nach welchem der Büttel kommt und ſpricht: „Jch nehme euch im Namen unſer gnädigen Herſchaft zum Wildfang (Wildflügel, Bachſtelze) und begehre von euch den Fahegulden.“ 5) dem wegfertigen man ſein pferdt, er mag wol korn ſchneiden und jm das zu esſen geben, als ferne er das gereichen mag (ſtehend an dem wege) mit einem Fuße, Aber er ſol es nicht von dannen füren, noch auch nicht wegbringen zu ſeinem nutz. Grimm, S. 400 fg., führt eine Menge anderer Belege an.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/55>, abgerufen am 21.11.2024.