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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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des Speisetragkorbes, oder unter dem Geflechte des Henkels, auf
der innern Seite des Tragriemens können Notizen ins Gefäng-
niß getragen werden. Zwischen die Sohlen der Fußbekleidung
werden besonders gern Briefe und Fluchtmittel genäht. Ja, mir
ist ein Fall bekannt, daß ein Gefangener sein noch gutes Fuß-
zeug absichtlich zerriß, um sich nur anderes Fußzeug zuschicken
lassen zu können. Es sind soviel Möglichkeiten da, daß man
durchaus keinerlei Zulassungen von außen dulden darf.
1)
Hat man Rücksichten zu nehmen, so reinige die Verwaltung die
Wäsche in der Anstalt, ohne sie aus derselben zu geben, und nie-
mals lasse man andere Eßbestecke und anderes Eßgeschirr zu, als das
der Anstalt, in welches das zugeschickte, sorgfältig untersuchte Essen
unerlaßlich übergefüllt werden muß. Der Kunst, die beständig
operirt und sich täglich vervollkommt, kann nur das principielle
Mistrauen, der Glaube an jede Möglichkeit und unerschütterlich
feste Consequenz entgegengestellt werden, wenn man sie einiger-
maßen mit Erfolg bekämpfen will. Ein genaues Augenmerk ist
auf Briefe zu richten, welche der Gauner beständig an seine An-
gehörige zu schreiben begehrt. Man sollte solche Briefe gar nicht
erlauben, sondern nur das unerlaßlich Nöthige nach der Gefangenen
Mittheilung durch Beamte, und zwar nie nach dem wörtlichen
Dictamen des Gefangenen, sondern nur paraphrastisch, dem Sinne
nach, schreiben lassen. Der gefangene Gauner weiß die bedeut-
samsten Winke in die unverfänglichsten Redensarten zu kleiden.
Das ist für alle Briefe, auch die an Gefangene gerichtete, ganz
besonders zu beachten. Vorzüglich bedenklich erscheinen Briefe
von jüdischen Gaunern, einmal, da sie besonders gern in der bis-
lang von Christen schwer oder gar nicht zu verstehenden, und daher
in und aus Gefängnissen gar nicht zuzulassenden jüdisch-deutschen
Currentschrift geschrieben werden, und ferner, selbst auch wenn sie
in deutscher Currentschrift geschrieben sind, doch eine Menge

1) Vgl. Kap. 88, vom Fleppemelochnen, wo von sympathetischen Trocken-
druck auf dem weichen Holz eines Stocks, Kästchens oder einer Schachtel
u. dgl. die Rede ist.

des Speiſetragkorbes, oder unter dem Geflechte des Henkels, auf
der innern Seite des Tragriemens können Notizen ins Gefäng-
niß getragen werden. Zwiſchen die Sohlen der Fußbekleidung
werden beſonders gern Briefe und Fluchtmittel genäht. Ja, mir
iſt ein Fall bekannt, daß ein Gefangener ſein noch gutes Fuß-
zeug abſichtlich zerriß, um ſich nur anderes Fußzeug zuſchicken
laſſen zu können. Es ſind ſoviel Möglichkeiten da, daß man
durchaus keinerlei Zulaſſungen von außen dulden darf.
1)
Hat man Rückſichten zu nehmen, ſo reinige die Verwaltung die
Wäſche in der Anſtalt, ohne ſie aus derſelben zu geben, und nie-
mals laſſe man andere Eßbeſtecke und anderes Eßgeſchirr zu, als das
der Anſtalt, in welches das zugeſchickte, ſorgfältig unterſuchte Eſſen
unerlaßlich übergefüllt werden muß. Der Kunſt, die beſtändig
operirt und ſich täglich vervollkommt, kann nur das principielle
Mistrauen, der Glaube an jede Möglichkeit und unerſchütterlich
feſte Conſequenz entgegengeſtellt werden, wenn man ſie einiger-
maßen mit Erfolg bekämpfen will. Ein genaues Augenmerk iſt
auf Briefe zu richten, welche der Gauner beſtändig an ſeine An-
gehörige zu ſchreiben begehrt. Man ſollte ſolche Briefe gar nicht
erlauben, ſondern nur das unerlaßlich Nöthige nach der Gefangenen
Mittheilung durch Beamte, und zwar nie nach dem wörtlichen
Dictamen des Gefangenen, ſondern nur paraphraſtiſch, dem Sinne
nach, ſchreiben laſſen. Der gefangene Gauner weiß die bedeut-
ſamſten Winke in die unverfänglichſten Redensarten zu kleiden.
Das iſt für alle Briefe, auch die an Gefangene gerichtete, ganz
beſonders zu beachten. Vorzüglich bedenklich erſcheinen Briefe
von jüdiſchen Gaunern, einmal, da ſie beſonders gern in der bis-
lang von Chriſten ſchwer oder gar nicht zu verſtehenden, und daher
in und aus Gefängniſſen gar nicht zuzulaſſenden jüdiſch-deutſchen
Currentſchrift geſchrieben werden, und ferner, ſelbſt auch wenn ſie
in deutſcher Currentſchrift geſchrieben ſind, doch eine Menge

1) Vgl. Kap. 88, vom Fleppemelochnen, wo von ſympathetiſchen Trocken-
druck auf dem weichen Holz eines Stocks, Käſtchens oder einer Schachtel
u. dgl. die Rede iſt.
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[93/0105] des Speiſetragkorbes, oder unter dem Geflechte des Henkels, auf der innern Seite des Tragriemens können Notizen ins Gefäng- niß getragen werden. Zwiſchen die Sohlen der Fußbekleidung werden beſonders gern Briefe und Fluchtmittel genäht. Ja, mir iſt ein Fall bekannt, daß ein Gefangener ſein noch gutes Fuß- zeug abſichtlich zerriß, um ſich nur anderes Fußzeug zuſchicken laſſen zu können. Es ſind ſoviel Möglichkeiten da, daß man durchaus keinerlei Zulaſſungen von außen dulden darf. 1) Hat man Rückſichten zu nehmen, ſo reinige die Verwaltung die Wäſche in der Anſtalt, ohne ſie aus derſelben zu geben, und nie- mals laſſe man andere Eßbeſtecke und anderes Eßgeſchirr zu, als das der Anſtalt, in welches das zugeſchickte, ſorgfältig unterſuchte Eſſen unerlaßlich übergefüllt werden muß. Der Kunſt, die beſtändig operirt und ſich täglich vervollkommt, kann nur das principielle Mistrauen, der Glaube an jede Möglichkeit und unerſchütterlich feſte Conſequenz entgegengeſtellt werden, wenn man ſie einiger- maßen mit Erfolg bekämpfen will. Ein genaues Augenmerk iſt auf Briefe zu richten, welche der Gauner beſtändig an ſeine An- gehörige zu ſchreiben begehrt. Man ſollte ſolche Briefe gar nicht erlauben, ſondern nur das unerlaßlich Nöthige nach der Gefangenen Mittheilung durch Beamte, und zwar nie nach dem wörtlichen Dictamen des Gefangenen, ſondern nur paraphraſtiſch, dem Sinne nach, ſchreiben laſſen. Der gefangene Gauner weiß die bedeut- ſamſten Winke in die unverfänglichſten Redensarten zu kleiden. Das iſt für alle Briefe, auch die an Gefangene gerichtete, ganz beſonders zu beachten. Vorzüglich bedenklich erſcheinen Briefe von jüdiſchen Gaunern, einmal, da ſie beſonders gern in der bis- lang von Chriſten ſchwer oder gar nicht zu verſtehenden, und daher in und aus Gefängniſſen gar nicht zuzulaſſenden jüdiſch-deutſchen Currentſchrift geſchrieben werden, und ferner, ſelbſt auch wenn ſie in deutſcher Currentſchrift geſchrieben ſind, doch eine Menge 1) Vgl. Kap. 88, vom Fleppemelochnen, wo von ſympathetiſchen Trocken- druck auf dem weichen Holz eines Stocks, Käſtchens oder einer Schachtel u. dgl. die Rede iſt.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/105>, abgerufen am 21.11.2024.