Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

sogar beim Durchkämmen des Haars mit dem Strich häufig die
Säge durch den Kamm gleitet und unentdeckt bleibt, weshalb denn
auch immer gegen den Strich gekämmt werden muß. Ebenso
werden solche Gegenstände in den Ohrmuscheln, Nasenlöchern, im
Munde, unter den Achselhöhlen, unter den gekrümmten Fußzehen,
an und in den Geschlechtstheilen, besonders in der Vagina und
im After verborgen. 1) Die Niederländischen Räuber hatten tage-
lang Schlüssel, Feilen und Sägen im After, und besonders Da-
mian Hessel ertrug dabei die heftigsten Schmerzen mit standhaftem
Muthe. Die besonders jetzt in Masse und zu verschiedenen Zwecken
immer mehr gefertigten Kautschukröhren, besonders die ganz
unverdächtig scheinenden Kautschuck-Cigarrenspitzen dienen für
kleinere Feilen, Sägen und Goldstücke zu bequemen Futteralen,
um eine schmerzhafte Verwundung und Entzündung der innern
Theile zu verhüten. Meistens verräth sich diese Versteckweise am
geschränkten langsamern Gange, am zurückgehaltenen Athem, und
noch deutlicher beim unbehülflichen Niedersetzen, das stets langsam
und nach einer Seite hin geschieht. Dieser Versteck dauert so lange
bis die Visitation vorüber, oder im Gefängniß ein Ort ermittelt
ist, wo jene Gegenstände sicher verwahrt werden können. Der
Versteck wird jedoch bald entdeckt, wenn man den Gefangenen gleich
bei der Captur nicht aus den Augen läßt, namentlich sobald er
ein Bedürfniß befriedigt, welches man bei dringendem Verdachte
sogleich durch Anwendung eines Klystiers mit etwas Essig oder
schwacher Tabacksinfusion befördern kann; ein Mittel, welches auch
schon Rebmann ("Damian Hessel", S. 81) empfiehlt.

Reisen Gauner mit eigenem Fuhrwerk, so haben sie am
Wagen unter den Achsen, zur Seite derselben, zwischen dem dop-
pelten Boden, mancherlei Verstecke angebracht, nach denen ebenso
gut gesucht werden muß, wie nach denen am Pferdegeschirr.

1) Vor nicht langer Zeit kam mir der Fall vor, daß ein auf Verdacht
eingezogener Dieb einen kleinen ledernen Beutel, worin mehreres Courantgeld
nebst vier Stück preußischen Thalern sich befand, mit der ledernen Zugschnur
auf eine gefährliche Weise fest hinter das Scrotum gebunden hatte.

ſogar beim Durchkämmen des Haars mit dem Strich häufig die
Säge durch den Kamm gleitet und unentdeckt bleibt, weshalb denn
auch immer gegen den Strich gekämmt werden muß. Ebenſo
werden ſolche Gegenſtände in den Ohrmuſcheln, Naſenlöchern, im
Munde, unter den Achſelhöhlen, unter den gekrümmten Fußzehen,
an und in den Geſchlechtstheilen, beſonders in der Vagina und
im After verborgen. 1) Die Niederländiſchen Räuber hatten tage-
lang Schlüſſel, Feilen und Sägen im After, und beſonders Da-
mian Heſſel ertrug dabei die heftigſten Schmerzen mit ſtandhaftem
Muthe. Die beſonders jetzt in Maſſe und zu verſchiedenen Zwecken
immer mehr gefertigten Kautſchukröhren, beſonders die ganz
unverdächtig ſcheinenden Kautſchuck-Cigarrenſpitzen dienen für
kleinere Feilen, Sägen und Goldſtücke zu bequemen Futteralen,
um eine ſchmerzhafte Verwundung und Entzündung der innern
Theile zu verhüten. Meiſtens verräth ſich dieſe Verſteckweiſe am
geſchränkten langſamern Gange, am zurückgehaltenen Athem, und
noch deutlicher beim unbehülflichen Niederſetzen, das ſtets langſam
und nach einer Seite hin geſchieht. Dieſer Verſteck dauert ſo lange
bis die Viſitation vorüber, oder im Gefängniß ein Ort ermittelt
iſt, wo jene Gegenſtände ſicher verwahrt werden können. Der
Verſteck wird jedoch bald entdeckt, wenn man den Gefangenen gleich
bei der Captur nicht aus den Augen läßt, namentlich ſobald er
ein Bedürfniß befriedigt, welches man bei dringendem Verdachte
ſogleich durch Anwendung eines Klyſtiers mit etwas Eſſig oder
ſchwacher Tabacksinfuſion befördern kann; ein Mittel, welches auch
ſchon Rebmann („Damian Heſſel“, S. 81) empfiehlt.

Reiſen Gauner mit eigenem Fuhrwerk, ſo haben ſie am
Wagen unter den Achſen, zur Seite derſelben, zwiſchen dem dop-
pelten Boden, mancherlei Verſtecke angebracht, nach denen ebenſo
gut geſucht werden muß, wie nach denen am Pferdegeſchirr.

1) Vor nicht langer Zeit kam mir der Fall vor, daß ein auf Verdacht
eingezogener Dieb einen kleinen ledernen Beutel, worin mehreres Courantgeld
nebſt vier Stück preußiſchen Thalern ſich befand, mit der ledernen Zugſchnur
auf eine gefährliche Weiſe feſt hinter das Scrotum gebunden hatte.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0128" n="116"/>
&#x017F;ogar beim Durchkämmen des Haars mit dem Strich häufig die<lb/>
Säge durch den Kamm gleitet und unentdeckt bleibt, weshalb denn<lb/>
auch immer <hi rendition="#g">gegen</hi> den Strich gekämmt werden muß. Eben&#x017F;o<lb/>
werden &#x017F;olche Gegen&#x017F;tände in den Ohrmu&#x017F;cheln, Na&#x017F;enlöchern, im<lb/>
Munde, unter den Ach&#x017F;elhöhlen, unter den gekrümmten Fußzehen,<lb/>
an und in den Ge&#x017F;chlechtstheilen, be&#x017F;onders in der Vagina und<lb/>
im After verborgen. <note place="foot" n="1)">Vor nicht langer Zeit kam mir der Fall vor, daß ein auf Verdacht<lb/>
eingezogener Dieb einen kleinen ledernen Beutel, worin mehreres Courantgeld<lb/>
neb&#x017F;t vier Stück preußi&#x017F;chen Thalern &#x017F;ich befand, mit der ledernen Zug&#x017F;chnur<lb/>
auf eine gefährliche Wei&#x017F;e fe&#x017F;t hinter das Scrotum gebunden hatte.</note> Die Niederländi&#x017F;chen Räuber hatten tage-<lb/>
lang Schlü&#x017F;&#x017F;el, Feilen und Sägen im After, und be&#x017F;onders Da-<lb/>
mian He&#x017F;&#x017F;el ertrug dabei die heftig&#x017F;ten Schmerzen mit &#x017F;tandhaftem<lb/>
Muthe. Die be&#x017F;onders jetzt in Ma&#x017F;&#x017F;e und zu ver&#x017F;chiedenen Zwecken<lb/>
immer mehr gefertigten Kaut&#x017F;chukröhren, be&#x017F;onders die ganz<lb/>
unverdächtig &#x017F;cheinenden Kaut&#x017F;chuck-Cigarren&#x017F;pitzen dienen für<lb/>
kleinere Feilen, Sägen und Gold&#x017F;tücke zu bequemen Futteralen,<lb/>
um eine &#x017F;chmerzhafte Verwundung und Entzündung der innern<lb/>
Theile zu verhüten. Mei&#x017F;tens verräth &#x017F;ich die&#x017F;e Ver&#x017F;teckwei&#x017F;e am<lb/>
ge&#x017F;chränkten lang&#x017F;amern Gange, am zurückgehaltenen Athem, und<lb/>
noch deutlicher beim unbehülflichen Nieder&#x017F;etzen, das &#x017F;tets lang&#x017F;am<lb/>
und nach einer Seite hin ge&#x017F;chieht. Die&#x017F;er Ver&#x017F;teck dauert &#x017F;o lange<lb/>
bis die Vi&#x017F;itation vorüber, oder im Gefängniß ein Ort ermittelt<lb/>
i&#x017F;t, wo jene Gegen&#x017F;tände &#x017F;icher verwahrt werden können. Der<lb/>
Ver&#x017F;teck wird jedoch bald entdeckt, wenn man den Gefangenen gleich<lb/>
bei der Captur nicht aus den Augen läßt, namentlich &#x017F;obald er<lb/>
ein Bedürfniß befriedigt, welches man bei dringendem Verdachte<lb/>
&#x017F;ogleich durch Anwendung eines Kly&#x017F;tiers mit etwas E&#x017F;&#x017F;ig oder<lb/>
&#x017F;chwacher Tabacksinfu&#x017F;ion befördern kann; ein Mittel, welches auch<lb/>
&#x017F;chon Rebmann (&#x201E;Damian He&#x017F;&#x017F;el&#x201C;, S. 81) empfiehlt.</p><lb/>
              <p>Rei&#x017F;en Gauner mit eigenem Fuhrwerk, &#x017F;o haben &#x017F;ie am<lb/>
Wagen unter den Ach&#x017F;en, zur Seite der&#x017F;elben, zwi&#x017F;chen dem dop-<lb/>
pelten Boden, mancherlei Ver&#x017F;tecke angebracht, nach denen eben&#x017F;o<lb/>
gut ge&#x017F;ucht werden muß, wie nach denen am Pferdege&#x017F;chirr.<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[116/0128] ſogar beim Durchkämmen des Haars mit dem Strich häufig die Säge durch den Kamm gleitet und unentdeckt bleibt, weshalb denn auch immer gegen den Strich gekämmt werden muß. Ebenſo werden ſolche Gegenſtände in den Ohrmuſcheln, Naſenlöchern, im Munde, unter den Achſelhöhlen, unter den gekrümmten Fußzehen, an und in den Geſchlechtstheilen, beſonders in der Vagina und im After verborgen. 1) Die Niederländiſchen Räuber hatten tage- lang Schlüſſel, Feilen und Sägen im After, und beſonders Da- mian Heſſel ertrug dabei die heftigſten Schmerzen mit ſtandhaftem Muthe. Die beſonders jetzt in Maſſe und zu verſchiedenen Zwecken immer mehr gefertigten Kautſchukröhren, beſonders die ganz unverdächtig ſcheinenden Kautſchuck-Cigarrenſpitzen dienen für kleinere Feilen, Sägen und Goldſtücke zu bequemen Futteralen, um eine ſchmerzhafte Verwundung und Entzündung der innern Theile zu verhüten. Meiſtens verräth ſich dieſe Verſteckweiſe am geſchränkten langſamern Gange, am zurückgehaltenen Athem, und noch deutlicher beim unbehülflichen Niederſetzen, das ſtets langſam und nach einer Seite hin geſchieht. Dieſer Verſteck dauert ſo lange bis die Viſitation vorüber, oder im Gefängniß ein Ort ermittelt iſt, wo jene Gegenſtände ſicher verwahrt werden können. Der Verſteck wird jedoch bald entdeckt, wenn man den Gefangenen gleich bei der Captur nicht aus den Augen läßt, namentlich ſobald er ein Bedürfniß befriedigt, welches man bei dringendem Verdachte ſogleich durch Anwendung eines Klyſtiers mit etwas Eſſig oder ſchwacher Tabacksinfuſion befördern kann; ein Mittel, welches auch ſchon Rebmann („Damian Heſſel“, S. 81) empfiehlt. Reiſen Gauner mit eigenem Fuhrwerk, ſo haben ſie am Wagen unter den Achſen, zur Seite derſelben, zwiſchen dem dop- pelten Boden, mancherlei Verſtecke angebracht, nach denen ebenſo gut geſucht werden muß, wie nach denen am Pferdegeſchirr. 1) Vor nicht langer Zeit kam mir der Fall vor, daß ein auf Verdacht eingezogener Dieb einen kleinen ledernen Beutel, worin mehreres Courantgeld nebſt vier Stück preußiſchen Thalern ſich befand, mit der ledernen Zugſchnur auf eine gefährliche Weiſe feſt hinter das Scrotum gebunden hatte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/128
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/128>, abgerufen am 02.05.2024.