Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

nichts von dem Massematten vor, so wird oft aus Rache und
Uebermuth alles im Hause auf vandalische Weise gesprengt und
ruinirt, auch wol der Freier mit Drohungen und Mishandlungen
zum Nachweis des Verborgenen gezwungen. Das gefundene
wird in Säcke, Kissimer 1) verpackt, und den Chawern zuge-
langt, welche damit zum Zinkplatz eilen, oder es auch sofort ka-
wure legen. Jst der Massematten gehandelt, so wird der Rückzug
angetreten, Thür und Fenster angelehnt und überhaupt jede Spur
des Einbruchs so gut wie möglich verwischt, um die Entdeckung
möglichst lange aufzuhalten, und die möglichste Zeit zur Bergung
der Person und des Gestohlenen zu gewinnen. Oft wird, wie
das noch im Juli 1856 bei dem obenerwähnten Einbruch im
Bezirk des Untersuchungsgerichts Amstetten in Niederösterreich der
Fall gewesen ist, der Zinken eines der handelnden Schränker aus
Uebermuth oder zur Notiz für die abwesenden Genossen bei der
Einbruchsstelle hingemalt. Für den Fall, daß der Schränker im
Hause gesehen oder beobachtet werden sollte, pflegen die Gesichter
mit Kohle oder Lampenschwärze, durch angeklebte Bärte, an
deren Stelle auch ein dunkles Tuch oder auch ein dunkler wollener
Strumpf, wie ein Backenbart vom Kinn bis zu den Ohren ge-
bunden wird, seltener durch schwarze Wachstuchlarven unkenntlich
gemacht zu werden. 2) Auch werden die Stimmen verstellt und
wo möglich fremdartige Dialekte affectirt, Brocken fremdländischer
Sprachen, auch wol Gaunerausdrücke eingemischt, und niemals
Namen, sondern immer die Ausdrücke "Kamerad, Bruder, Junge"
u. s. w. gebraucht. Doch wird aber zuweilen ein ortsbekannter
Name genannt, um den Verdacht des Diebstahls auf nahe Orts-
eingesessene zu lenken.



1) Auch wol Klumnick, welches eigentlich den schon mit gestohlenen
Sachen gefüllten Sack, Packen bedeutet.
2) Am 20. Dec. 1856, abends gegen 7 Uhr, drangen sechs zum Theil
verlarvte Räuber bei einem Pächter zu Ohang in Siebenbürgen ein, und zwan-
gen denselben mit schußfertigen Waffen zur Herausgabe seiner aus 8000 Gulden
bestehenden Baarschaft. Vgl. "Oesterreichisches Central-Polizeiblatt", Jahrg.
1857, Nr. 2, 39.

nichts von dem Maſſematten vor, ſo wird oft aus Rache und
Uebermuth alles im Hauſe auf vandaliſche Weiſe geſprengt und
ruinirt, auch wol der Freier mit Drohungen und Mishandlungen
zum Nachweis des Verborgenen gezwungen. Das gefundene
wird in Säcke, Kiſſimer 1) verpackt, und den Chawern zuge-
langt, welche damit zum Zinkplatz eilen, oder es auch ſofort ka-
wure legen. Jſt der Maſſematten gehandelt, ſo wird der Rückzug
angetreten, Thür und Fenſter angelehnt und überhaupt jede Spur
des Einbruchs ſo gut wie möglich verwiſcht, um die Entdeckung
möglichſt lange aufzuhalten, und die möglichſte Zeit zur Bergung
der Perſon und des Geſtohlenen zu gewinnen. Oft wird, wie
das noch im Juli 1856 bei dem obenerwähnten Einbruch im
Bezirk des Unterſuchungsgerichts Amſtetten in Niederöſterreich der
Fall geweſen iſt, der Zinken eines der handelnden Schränker aus
Uebermuth oder zur Notiz für die abweſenden Genoſſen bei der
Einbruchsſtelle hingemalt. Für den Fall, daß der Schränker im
Hauſe geſehen oder beobachtet werden ſollte, pflegen die Geſichter
mit Kohle oder Lampenſchwärze, durch angeklebte Bärte, an
deren Stelle auch ein dunkles Tuch oder auch ein dunkler wollener
Strumpf, wie ein Backenbart vom Kinn bis zu den Ohren ge-
bunden wird, ſeltener durch ſchwarze Wachstuchlarven unkenntlich
gemacht zu werden. 2) Auch werden die Stimmen verſtellt und
wo möglich fremdartige Dialekte affectirt, Brocken fremdländiſcher
Sprachen, auch wol Gaunerausdrücke eingemiſcht, und niemals
Namen, ſondern immer die Ausdrücke „Kamerad, Bruder, Junge“
u. ſ. w. gebraucht. Doch wird aber zuweilen ein ortsbekannter
Name genannt, um den Verdacht des Diebſtahls auf nahe Orts-
eingeſeſſene zu lenken.



1) Auch wol Klumnick, welches eigentlich den ſchon mit geſtohlenen
Sachen gefüllten Sack, Packen bedeutet.
2) Am 20. Dec. 1856, abends gegen 7 Uhr, drangen ſechs zum Theil
verlarvte Räuber bei einem Pächter zu Oháng in Siebenbürgen ein, und zwan-
gen denſelben mit ſchußfertigen Waffen zur Herausgabe ſeiner aus 8000 Gulden
beſtehenden Baarſchaft. Vgl. „Oeſterreichiſches Central-Polizeiblatt“, Jahrg.
1857, Nr. 2, 39.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0155" n="143"/>
nichts von dem Ma&#x017F;&#x017F;ematten vor, &#x017F;o wird oft aus Rache und<lb/>
Uebermuth alles im Hau&#x017F;e auf vandali&#x017F;che Wei&#x017F;e ge&#x017F;prengt und<lb/>
ruinirt, auch wol der Freier mit Drohungen und Mishandlungen<lb/>
zum Nachweis des Verborgenen gezwungen. Das gefundene<lb/>
wird in Säcke, <hi rendition="#g">Ki&#x017F;&#x017F;imer</hi> <note place="foot" n="1)">Auch wol <hi rendition="#g">Klumnick,</hi> welches eigentlich den &#x017F;chon mit ge&#x017F;tohlenen<lb/>
Sachen <hi rendition="#g">gefüllten</hi> Sack, <hi rendition="#g">Packen</hi> bedeutet.</note> verpackt, und den Chawern zuge-<lb/>
langt, welche damit zum Zinkplatz eilen, oder es auch &#x017F;ofort ka-<lb/>
wure legen. J&#x017F;t der Ma&#x017F;&#x017F;ematten gehandelt, &#x017F;o wird der Rückzug<lb/>
angetreten, Thür und Fen&#x017F;ter angelehnt und überhaupt jede Spur<lb/>
des Einbruchs &#x017F;o gut wie möglich verwi&#x017F;cht, um die Entdeckung<lb/>
möglich&#x017F;t lange aufzuhalten, und die möglich&#x017F;te Zeit zur Bergung<lb/>
der Per&#x017F;on und des Ge&#x017F;tohlenen zu gewinnen. Oft wird, wie<lb/>
das noch im Juli 1856 bei dem obenerwähnten Einbruch im<lb/>
Bezirk des Unter&#x017F;uchungsgerichts Am&#x017F;tetten in Niederö&#x017F;terreich der<lb/>
Fall gewe&#x017F;en i&#x017F;t, der Zinken eines der handelnden Schränker aus<lb/>
Uebermuth oder zur Notiz für die abwe&#x017F;enden Geno&#x017F;&#x017F;en bei der<lb/>
Einbruchs&#x017F;telle hingemalt. Für den Fall, daß der Schränker im<lb/>
Hau&#x017F;e ge&#x017F;ehen oder beobachtet werden &#x017F;ollte, pflegen die Ge&#x017F;ichter<lb/>
mit Kohle oder Lampen&#x017F;chwärze, durch angeklebte Bärte, an<lb/>
deren Stelle auch ein dunkles Tuch oder auch ein dunkler wollener<lb/>
Strumpf, wie ein Backenbart vom Kinn bis zu den Ohren ge-<lb/>
bunden wird, &#x017F;eltener durch &#x017F;chwarze Wachstuchlarven unkenntlich<lb/>
gemacht zu werden. <note place="foot" n="2)">Am 20. Dec. 1856, abends gegen 7 Uhr, drangen &#x017F;echs zum Theil<lb/>
verlarvte Räuber bei einem Pächter zu Oháng in Siebenbürgen ein, und zwan-<lb/>
gen den&#x017F;elben mit &#x017F;chußfertigen Waffen zur Herausgabe &#x017F;einer aus 8000 Gulden<lb/>
be&#x017F;tehenden Baar&#x017F;chaft. Vgl. &#x201E;Oe&#x017F;terreichi&#x017F;ches Central-Polizeiblatt&#x201C;, Jahrg.<lb/>
1857, Nr. 2, 39.</note> Auch werden die Stimmen ver&#x017F;tellt und<lb/>
wo möglich fremdartige Dialekte affectirt, Brocken fremdländi&#x017F;cher<lb/>
Sprachen, auch wol Gaunerausdrücke eingemi&#x017F;cht, und niemals<lb/>
Namen, &#x017F;ondern immer die Ausdrücke &#x201E;Kamerad, Bruder, Junge&#x201C;<lb/>
u. &#x017F;. w. gebraucht. Doch wird aber zuweilen ein ortsbekannter<lb/>
Name genannt, um den Verdacht des Dieb&#x017F;tahls auf nahe Orts-<lb/>
einge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;ene zu lenken.</p>
            </div><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[143/0155] nichts von dem Maſſematten vor, ſo wird oft aus Rache und Uebermuth alles im Hauſe auf vandaliſche Weiſe geſprengt und ruinirt, auch wol der Freier mit Drohungen und Mishandlungen zum Nachweis des Verborgenen gezwungen. Das gefundene wird in Säcke, Kiſſimer 1) verpackt, und den Chawern zuge- langt, welche damit zum Zinkplatz eilen, oder es auch ſofort ka- wure legen. Jſt der Maſſematten gehandelt, ſo wird der Rückzug angetreten, Thür und Fenſter angelehnt und überhaupt jede Spur des Einbruchs ſo gut wie möglich verwiſcht, um die Entdeckung möglichſt lange aufzuhalten, und die möglichſte Zeit zur Bergung der Perſon und des Geſtohlenen zu gewinnen. Oft wird, wie das noch im Juli 1856 bei dem obenerwähnten Einbruch im Bezirk des Unterſuchungsgerichts Amſtetten in Niederöſterreich der Fall geweſen iſt, der Zinken eines der handelnden Schränker aus Uebermuth oder zur Notiz für die abweſenden Genoſſen bei der Einbruchsſtelle hingemalt. Für den Fall, daß der Schränker im Hauſe geſehen oder beobachtet werden ſollte, pflegen die Geſichter mit Kohle oder Lampenſchwärze, durch angeklebte Bärte, an deren Stelle auch ein dunkles Tuch oder auch ein dunkler wollener Strumpf, wie ein Backenbart vom Kinn bis zu den Ohren ge- bunden wird, ſeltener durch ſchwarze Wachstuchlarven unkenntlich gemacht zu werden. 2) Auch werden die Stimmen verſtellt und wo möglich fremdartige Dialekte affectirt, Brocken fremdländiſcher Sprachen, auch wol Gaunerausdrücke eingemiſcht, und niemals Namen, ſondern immer die Ausdrücke „Kamerad, Bruder, Junge“ u. ſ. w. gebraucht. Doch wird aber zuweilen ein ortsbekannter Name genannt, um den Verdacht des Diebſtahls auf nahe Orts- eingeſeſſene zu lenken. 1) Auch wol Klumnick, welches eigentlich den ſchon mit geſtohlenen Sachen gefüllten Sack, Packen bedeutet. 2) Am 20. Dec. 1856, abends gegen 7 Uhr, drangen ſechs zum Theil verlarvte Räuber bei einem Pächter zu Oháng in Siebenbürgen ein, und zwan- gen denſelben mit ſchußfertigen Waffen zur Herausgabe ſeiner aus 8000 Gulden beſtehenden Baarſchaft. Vgl. „Oeſterreichiſches Central-Polizeiblatt“, Jahrg. 1857, Nr. 2, 39.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/155
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/155>, abgerufen am 20.04.2024.