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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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bloßen Schweifung auch nicht entfernt auf den Mittelbruch und
die verschiedenen Besatzungen folgern kann. Vermag der Makke-
ner nicht das Schloß mit dem Echeder gehörig zu sondiren, und
sich durch das Gefühl von der Construction desselben zu unter-
richten, so überzieht er den Bart eines in das Schlüsselloch pas-
senden Schlüssels mit Wachs, oder schneidet, nachdem er die Tiefe
des Schlosses sondirt hat, einen passenden hölzernen Schlüsselbart,
überzieht denselben mit Wachs, und dreht diesen in das Schloß
gesteckten hölzernen Schlüssel gegen die Besatzung, welche sich nun
deutlich auf das Wachs abdrückt. Glückt es aber dem Schränker
beim Baldowern sogar den Schlüssel des zu öffnenden Verschlusses
auch nur einen kurzen Moment in die Hand zu bekommen, so
wird ein rascher Abdruck auf eine in der Handfläche verborgene
weiche Wachsplatte 1) genommen, was schon durch einen leichten
Druck möglich wird, da es nicht auf ein vollständiges Modelliren,
sondern nur auf ein leichtes Markiren der Form und der Ein-
schnitte des Barts ankommt. Es ist daher unvorsichtig, wichtige
Schlüssel frei hängen zu lassen, oder gar jemand auch nur
einen Augenblick in die Hand zu geben. Oft genügt schon der
bloße Blick auf den Schlüssel, um den geübten Makkener zu zei-
gen, wie dem Schlosse beizukommen ist.

Wie bei den Schränkern die Klugheit und die Kunstehre er-
fordert, die Spuren eines Einbruchs möglichst zu verbergen, so
auch leidet die Makkenerehre nicht, daß der aufgeschlossene Ver-
schluß, nachdem der Massematten gehandelt ist, unverschlossen
bleibe. Die Schlösser werden daher vom Makkener soviel wie
möglich geschont und wieder zugeschlossen. Zum raschern Wieder-
zuschließen sucht der Makkener, wenn er mit dem Echeder operirt
hat, soviel wie möglich jedes namentlich größeres Schloß auf
halben Schluß,
d. h. den Schließriegel so zu stellen, daß die
Zuhaltung beim Aufschließen nicht in den letzten Riegeleinschnitt
(Tafel II, Figur 1 x) fällt, worauf sich der Schließriegel viel

1) Es werden dazu auch wol auf Leinen oder Leder gestrichene und daher
unverdächtig erscheinende harzige Pflaster genommen.

bloßen Schweifung auch nicht entfernt auf den Mittelbruch und
die verſchiedenen Beſatzungen folgern kann. Vermag der Makke-
ner nicht das Schloß mit dem Echeder gehörig zu ſondiren, und
ſich durch das Gefühl von der Conſtruction deſſelben zu unter-
richten, ſo überzieht er den Bart eines in das Schlüſſelloch paſ-
ſenden Schlüſſels mit Wachs, oder ſchneidet, nachdem er die Tiefe
des Schloſſes ſondirt hat, einen paſſenden hölzernen Schlüſſelbart,
überzieht denſelben mit Wachs, und dreht dieſen in das Schloß
geſteckten hölzernen Schlüſſel gegen die Beſatzung, welche ſich nun
deutlich auf das Wachs abdrückt. Glückt es aber dem Schränker
beim Baldowern ſogar den Schlüſſel des zu öffnenden Verſchluſſes
auch nur einen kurzen Moment in die Hand zu bekommen, ſo
wird ein raſcher Abdruck auf eine in der Handfläche verborgene
weiche Wachsplatte 1) genommen, was ſchon durch einen leichten
Druck möglich wird, da es nicht auf ein vollſtändiges Modelliren,
ſondern nur auf ein leichtes Markiren der Form und der Ein-
ſchnitte des Barts ankommt. Es iſt daher unvorſichtig, wichtige
Schlüſſel frei hängen zu laſſen, oder gar jemand auch nur
einen Augenblick in die Hand zu geben. Oft genügt ſchon der
bloße Blick auf den Schlüſſel, um den geübten Makkener zu zei-
gen, wie dem Schloſſe beizukommen iſt.

Wie bei den Schränkern die Klugheit und die Kunſtehre er-
fordert, die Spuren eines Einbruchs möglichſt zu verbergen, ſo
auch leidet die Makkenerehre nicht, daß der aufgeſchloſſene Ver-
ſchluß, nachdem der Maſſematten gehandelt iſt, unverſchloſſen
bleibe. Die Schlöſſer werden daher vom Makkener ſoviel wie
möglich geſchont und wieder zugeſchloſſen. Zum raſchern Wieder-
zuſchließen ſucht der Makkener, wenn er mit dem Echeder operirt
hat, ſoviel wie möglich jedes namentlich größeres Schloß auf
halben Schluß,
d. h. den Schließriegel ſo zu ſtellen, daß die
Zuhaltung beim Aufſchließen nicht in den letzten Riegeleinſchnitt
(Tafel II, Figur 1 x) fällt, worauf ſich der Schließriegel viel

1) Es werden dazu auch wol auf Leinen oder Leder geſtrichene und daher
unverdächtig erſcheinende harzige Pflaſter genommen.
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[175/0187] bloßen Schweifung auch nicht entfernt auf den Mittelbruch und die verſchiedenen Beſatzungen folgern kann. Vermag der Makke- ner nicht das Schloß mit dem Echeder gehörig zu ſondiren, und ſich durch das Gefühl von der Conſtruction deſſelben zu unter- richten, ſo überzieht er den Bart eines in das Schlüſſelloch paſ- ſenden Schlüſſels mit Wachs, oder ſchneidet, nachdem er die Tiefe des Schloſſes ſondirt hat, einen paſſenden hölzernen Schlüſſelbart, überzieht denſelben mit Wachs, und dreht dieſen in das Schloß geſteckten hölzernen Schlüſſel gegen die Beſatzung, welche ſich nun deutlich auf das Wachs abdrückt. Glückt es aber dem Schränker beim Baldowern ſogar den Schlüſſel des zu öffnenden Verſchluſſes auch nur einen kurzen Moment in die Hand zu bekommen, ſo wird ein raſcher Abdruck auf eine in der Handfläche verborgene weiche Wachsplatte 1) genommen, was ſchon durch einen leichten Druck möglich wird, da es nicht auf ein vollſtändiges Modelliren, ſondern nur auf ein leichtes Markiren der Form und der Ein- ſchnitte des Barts ankommt. Es iſt daher unvorſichtig, wichtige Schlüſſel frei hängen zu laſſen, oder gar jemand auch nur einen Augenblick in die Hand zu geben. Oft genügt ſchon der bloße Blick auf den Schlüſſel, um den geübten Makkener zu zei- gen, wie dem Schloſſe beizukommen iſt. Wie bei den Schränkern die Klugheit und die Kunſtehre er- fordert, die Spuren eines Einbruchs möglichſt zu verbergen, ſo auch leidet die Makkenerehre nicht, daß der aufgeſchloſſene Ver- ſchluß, nachdem der Maſſematten gehandelt iſt, unverſchloſſen bleibe. Die Schlöſſer werden daher vom Makkener ſoviel wie möglich geſchont und wieder zugeſchloſſen. Zum raſchern Wieder- zuſchließen ſucht der Makkener, wenn er mit dem Echeder operirt hat, ſoviel wie möglich jedes namentlich größeres Schloß auf halben Schluß, d. h. den Schließriegel ſo zu ſtellen, daß die Zuhaltung beim Aufſchließen nicht in den letzten Riegeleinſchnitt (Tafel II, Figur 1 x) fällt, worauf ſich der Schließriegel viel 1) Es werden dazu auch wol auf Leinen oder Leder geſtrichene und daher unverdächtig erſcheinende harzige Pflaſter genommen.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/187>, abgerufen am 25.04.2024.